Europarecht

Einstweiliger Rechtsschutz bei Abschiebung einer Wöchnerin

Aktenzeichen  W 8 S 19.50295

Datum:
25.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29a Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2
Dublin III-VO Art. 2, Art. 3 Abs. 2, Art. 10, Art. 17 Abs. 1, Art 18 Abs. 1 lit. b, Art. 20 Abs. 3
MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 3, Art. 8

 

Leitsatz

1. Mit dem Beschäftigungsverbot innerhalb der Mutterschutzfrist korreliert ein Abschiebungsverbot, da die psychische und physische Belastung einer Schwangeren in dieser Zeit derart enorm ist, dass es durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung zu einer ernsthaften Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter wie auch des (ungeborenen) Kindes kommen kann. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Hinblick auf Art. 1, 2 und 6 GG ergibt sich aus der vorübergehenden Reiseunfähigkeit der Antragstellerin ein temporäres Abschiebungshindernis bis acht Wochen nach Entbindung auch für das neugeborene Kind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Voraussetzungen für das Vorliegen systemischer Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen im tschechischen Asylsystem nicht vor. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Schutz des Art. 6 GG greift nur bei rechtsgültig geschlossenen, staatlich anerkannten Ehen, nicht hingegen bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bzw. kirchlichen Heirat in Tschechien. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die unter Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 1. April 2019 verfügte Abschiebungsanordnung bis acht Wochen nach der Entbindung der Antragstellerin am 9. März 2019 wird angeordnet (konkret: bis 4. Mai 2019).
Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste am 1. März 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. März 2019 einen Asylantrag.
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 19. März 2019 hin erklärten sich die tschechischen Behörden mit Schreiben vom 29. März 2019 für zuständig.
Mit Bescheid vom 1. April 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung in die Tschechische Republik wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf drei Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Am 10. April 2019 erhob die Antragstellerin zu Protokoll der Urkundsbeamtin im Verfahren W 8 K 19.50294 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte im vorliegenden Verfahren:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung brachte die Antragstellerin vor: Sie sei Mutter eines drei Wochen alten Babys. Ihr Ehemann, mit dem sie kirchlich verheiratet sei, lebe mit ihnen hier in Schweinfurt. Er selbst habe noch keine Entscheidung des Bundesamtes erhalten. Sie könne nicht verstehen, weshalb sie allein in die Tschechische Republik zurückkehren solle, während ihr neugeborenes Baby und ihr Ehemann hier bleiben könnten. In Tschechien habe sie ihr erstes Kind in der 20. Schwangerschaftswoche verloren, weil sie unter immensem Stress gestanden habe, da sie in Tschechien von den Leuten aus Armenien, die sie töten wollten, ausfindig gemacht worden sei. Sie sie Operationsschwester in einem Krankenhaus gewesen und habe gesehen, wie ihr Chef, ein Oligarch, vor zwei Jahren einen Mann in seinem Arbeitszimmer erstochen habe. Sie sei daraufhin bei der Polizei gewesen. Das Problem sei jedoch gewesen, dass ihr Chef und die Polizisten gemeinsame Sache gemacht hätten. Sie habe also keine Chance gegen den Chef gehabt. Da man ihr gedroht habe, sie wegen des Gesehenen umzubringen, sei sie aus Armenien in die Tschechische Republik geflüchtet. Dort habe sie dann im Mai 2018 in Prag die Menschen gesehen, die sie aus den vorgenannten Gründen hätten töten wollen. Es seien die ihr von der Krankenhauszeit bereits bekannten Personenschützer ihres Chefs gewesen. Vor lauter Stress habe sie dann ihr Baby verloren. Sie könne daher weder nach Armenien noch in die Tschechische Republik zurück. Sie habe sehr große Angst. Es falle ihr schwer darüber zu reden. Beim Bundesamt habe sie bislang nur erzählt, dass sie ihr Baby verloren habe, nicht aber die Umstände, die dazu geführt hätten. Sie sei auch nicht danach gefragt worden. Ihr Kind sei in Deutschland geboren. Es könne daher nicht in das Land zurück (Tschechien), mit dem es nichts zu tun habe.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 10. April 2019, den Antrag abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 19.50294) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheids vom 1. April 2019 begehrt.
Soweit der Antrag zulässig ist (betreffend Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids), ist er nur im tenorierten Umfang begründet; im Übrigen ist er unbegründet.
Vorliegend besteht ein zeitweises inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hat.
Denn von einer Reiseunfähigkeit ist bis zu einem Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung (hier: Freitag, 9.3.2019) auszugehen, also bis Freitag, den 4. Mai 2019.
Die Bestimmungen über die Mutterschutzfristen im Mutterschutzgesetz (vgl. § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG) sind bei der Frage der rechtlichen Durchführbarkeit einer Abschiebung entsprechend heranzuziehen, so dass im Zeitraum von acht Wochen nach der Entbindung grundsätzlich ein Abschiebungshindernis besteht. Hierdurch sollen Gefahren für Mutter und Kind aufgrund der mit einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung verbundenen physischen und psychischen Belastung vermieden werden. Die Wertungen des Mutterschutzgesetzes sind im Rahmen der Durchführbarkeit von Abschiebungen zu berücksichtigen. Mit dem Beschäftigungsverbot innerhalb der Mutterschutzfrist korreliert ein Abschiebungsverbot, da die psychische und physische Belastung einer Schwangeren in dieser Zeit derart enorm ist, dass es durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung zu einer ernsthaften Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter wie auch des (ungeborenen) Kindes kommen kann (vgl. VG Lüneburg, B.v. 31.1.2019 – 8 B 206/18 – juris; VG Würzburg, B.v. 7.12.2018 – W 10 S 18.50560; B.v. 17.9.2018 – W 2 S 18.50430 – juris; VG Würzburg, B.v. 20.6.2017 – W 8 S 17.50326 – juris; VG München, B.v. 23.8.2018 – M 26 S 18.52227 -juris; VG Düsseldorf, B.v. 30.06.2017 – 8 L 203/17.A – juris; jeweils m.w.N.). Im Hinblick auf Art. 1, 2 und 6 GG ergibt sich aus der vorübergehenden Reiseunfähigkeit der Antragstellerin ein temporäres Abschiebungshindernis auch für das neugeborene Kind.
Da die Reiseunfähigkeit der Antragstellerin lediglich temporär ist und nicht zu einem absoluten Abschiebungshindernis führt, war dem Antrag nur teilweise stattzugeben, soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung für den Zeitraum der Mutterschutzfrist (acht Wochen nach Entbindung am Freitag, den 9.3.2019, also bis Freitag, den 4.5.2019) begehrt.
Soweit die Antragstellerin über die Acht-Wochen-Frist hinaus die Aussetzung der Vollziehung ihrer Abschiebungsanordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens begehrt, bleibt der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hingegen ohne Erfolg.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 1. April 2019 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 im Übrigen rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.
Tschechien ist für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Tschechiens ergibt sich vorliegend aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO. Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO ist der zuständige Mitgliedstaat verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wiederaufzunehmen. Die Antragstellerin hat bereits in der Tschechischen Republik einen Asylantrag gestellt und ist vor dessen Entscheidung in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Somit ist die Tschechische Republik verpflichtet, die Antragstellerin wiederaufzunehmen. Die tschechischen Behörden haben auch ausdrücklich ihre Zuständigkeit und ihre Bereitschaft zur Übernahme der Antragstellerin erklärt.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das tschechische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCharta) ausgesetzt wären.
Voraussetzung für das Vorliegen systemischer Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO ist, dass die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb liegen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO erst dann vor, wenn die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Von solchen systemischen Schwachstellen im tschechischen Asylsystem ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (vgl. nur BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tschechische Republik, vom 11.4.2018) nicht auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2015 – 11 B 15.50111 – juris sowie VG Magdeburg, U.v. 19.10.2017 – 9 A 152/17 – juris; VG Aachen, B.v. 17.8.2017 – 2 L 962/17.A – juris; VG Gelsenkirchen,B.v. 29.6.2017 – 6a L 1878/17.A; VG Ansbach, U.v. 21.1.2016 – AN 14 K 15.50615 – juris; jeweils m.w.N.).
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO gemacht hat.
Insbesondere ergibt sich auch nicht aus einer Familienzusammengehörigkeit im Sinne von Art. 10 Dublin III-VO eine Zuständigkeit Deutschlands. Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben nicht standesamtlich verheiratet; vielmehr hätten ihr Lebensgefährte und sie in Tschechien kirchlich geheiratet. Dies macht die Antragstellerin indes nicht zur Familienangehörigen im Sinne der Dublin III-VO. Hierunter falle nach Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedsstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Antragstellerin ist nicht der Ehegatte ihres Lebensgefährten im Sinne dieser Vorschrift. Sie hat bei ihrer behördlichen Anhörung selbst angegeben, nicht verheiratet zu sein. Nur eine kirchliche Trauung sei erfolgt, aber keine standesamtliche. Die Antragstellerin hat auch im gerichtlichen Verfahren angegeben, „nur“ kirchlich verheiratet zu sein. Danach ist nicht ersichtlich, geschweige denn nachgewiesen, dass es sich bei der kirchlichen Eheschließung um eine nach Maßgabe ausländischer Rechtsordnungen ordnungsgemäß begründete, d.h. eine nach religiösen Bestimmungen geschlossene und von einem anderen Staat anerkannte Ehe handelt. Auch wenn die Antragstellerin offenbar eine dauerhafte Beziehung mit ihrem Lebensgefährten führt, werden nach deutschem Recht bzw. den hiesigen Gepflogenheiten nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich nicht genauso behandelt wie verheiratete Paare. Sowohl im Rahmen des Familienasyls nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als auch im Aufenthaltsrecht ist eine anerkannte Eheschließung erforderlich; eheähnliche Beziehungen reichen nicht aus. Der Schutz des Art. 6 GG greift nur bei rechtsgültig geschlossenen, staatlich anerkannten Ehen, nicht hingegen bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften (so ausdrücklich OVG NRW, B.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris m.w.N. zur Rechtsprechung). Bei dieser Sachlage ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, dass keine außergewöhnlichen Gründe vorliegen, die sie veranlassen könnten, ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, nicht zu beanstanden (VG Würzburg, B.v. 8.6.2017 – W 8 S 17.50313 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 15.12.2016 – 13 L 3994/16.A – juris).
Abschiebungsverbote hinsichtlich Tschechien nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG bestehen ebenfalls nicht.
Hinsichtlich der vorgetragenen Bedrohungen der Antragstellerin durch die Personenschützer ihres ehemaligen Chefs, die sie auch in Prag gefunden hätten und sie töten wollten, führt nicht zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot. Die Antragstellerin hat weder Anhaltspunkte vorgetragen noch sind solche ersichtlich, dass sie die tschechischen Sicherheitsbehörden um Hilfe ersucht hätte, noch, dass die tschechischen Sicherheitsbehörden nicht in der Lage oder willens wären, sie zu schützen, zumal in der Tschechischen Republik ein rechtsstaatliches System existiert (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tschechische Republik, vom 11.4.2018).
Auch ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ist nicht gegeben.
Wie bereits ausgeführt besteht zwischen der Antragstellerin und ihrem Lebenspartner keine zivilrechtlich wirksame Ehe und damit auch kein Anspruch auf Wahrung der Familieneinheit, weil der Lebensgefährte kein Familienangehöriger der Antragstellerin im Sinne des Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO ist.
Die Abschiebung ist auch nicht nach § 60a Abs. 2 AufenthG aus rechtlichen Gründen aufgrund der Verlobung bzw. kirchlichen Trauung der Antragstellerin unmöglich, da die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG lediglich für rechtlich anerkannte, bestehende und gelebte Ehen, nicht jedoch für Verlöbnisse gelten. Eine Ausnahme wegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK kann nur in Betracht kommen, wenn die standesamtliche Eheschließung unmittelbar bevorsteht (VG Stuttgart, B.v. 29.6.2018 – A 5 K 16619/17 – juris). Insofern hat die Antragstellerin nicht substanziiert unter Vorlage von aussagekräftigen Belegen vorgebracht, dass eine Hochzeit etwa unmittelbar bevorsteht (vgl. VG Würzburg, B.v. 19.2.2019 – W 8 S 19.50120 – juris).
Hinsichtlich des dem Bundesamt mittlerweile formell angezeigten Kindes erfasst die Zustimmung der Tschechischen Republik vom 29. März 2019 nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auch das nachgeborene Kind. Seine Situation ist untrennbar mit der Situation der Antragstellerin verbunden. Das Kind kann daher im Familienverbund mit überstellt werden.
Die Anwesenheit des (angeblichen) Vaters des Kindes und Lebensgefährten der Antragstellerin in Deutschland steht der Abschiebung nach Tschechien rechtlich ebenfalls nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass der Vater zurzeit nicht in einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Antragstellerin und dem Kind zusammen lebt, sondern sich in der Aufnahmeeinrichtung in Bamberg aufzuhalten hat, und abgesehen davon, dass seitens des Vaters bislang weder Vaterschafts- noch Sorgerechtserklärung vorliegen, befindet sich der Vater ebenfalls im Dublin-Verfahren (Folgeverfahren). Die Tschechische Republik hat auf ein Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland vom 3. April 2019 mit Schreiben von 5. April 2019 ihre Bereitschaft zur Übernahme des Vaters/Lebensgefährten erklärt. Infolgedessen könnte der Vater zusammen mit der Antragstellerin und dem Kind nach Tschechien überstellt werden.
Schließlich sind auch keine weitergehenden inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte, ersichtlich. Eine Reise- oder Transportunfähigkeit – über acht Wochen nach der Entbindung hinaus – wurde von der Antragstellerin nicht substanziiert geltend gemacht, geschweige denn in qualifizierte Weise ärztlich bescheinigt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher für die Zeit nach dem 4. Mai 2019 abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO und § 83b AsylG. Die Antragsgegnerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, weil das temporäre Abschiebungshindernis ausgehend von der Niederkunft am 9. März 2019 nur noch für einige Tage bis 4. Mai 2019 besteht.


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