Europarecht

Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe – Nichtvorlage eines Gutachtens

Aktenzeichen  M 6 S 16.2929

Datum:
27.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
StVG StVG § 2a Abs. 5 S. 5
FeV FeV § 11, § 46 Abs. 3

 

Leitsatz

Aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens kann auf die mangelnde Eignung des Klägers geschlossen werden, wenn eine medizinisch-psychologische Begutachtung geboten war. Wäre hingegen davon auszugehen, dass die Anordnung einer psychologischen Untersuchung ausgereicht hätte, so wäre der Kläger berechtigt gewesen, die an ihn gerichtete Anordnung gänzlich außer Acht zu lassen (Anschluss BVerwG NZV 1998, 300). (redaktioneller Leitsatz)
Bezieht sich die Gutachtensanordnung nur auf “künftige Verstöße des Antragstellers gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen”, bleibt sie zwar hinter dem zulässigen Untersuchungsumfang zurück. Denn im Fall des § 2a Abs. 5 S. 5 StVG ist Gegenstand der Untersuchung auch die Erwartung an das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, dass er „nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen“ wird. Da die Anordnung aber in diesem Fall nicht über die gesetzliche Vorgabe hinausgeht, ist die Beschränkung folgenlos für die Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers wird abgelehnt.
II.
Der Antrag wird abgelehnt.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird auf Euro 6.250,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM, B, BE, C1, C1E, C, CE, L und T.
Dem Antragsteller wurde erstmals am … Mai 2010 eine Fahrerlaubnis auf Probe erteilt. Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr am … Oktober 2010 wurde ihm mit Urteil des Amtsgerichts A. vom … November 2010, rechtskräftig seit … November 2010, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von a… Monaten angeordnet. Der Führerschein wurde noch am … Oktober 2010 sichergestellt.
Nach Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einem besonderen Aufbauseminar, das der Antragsgegner angeordnet hatte, wurde dem Antragsteller am … August 2012 die Fahrerlaubnis neu erteilt. Ausweislich eines hierüber gefertigten Vermerks in der Behördenakte wurde der Antragsteller auf das neu errechnete Probezeitende am … August 2016 hingewiesen.
Unter dem … November 2015 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller am … August 2015 als Führer eines Kraftfahrzeugs über 7,5 t die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um a… km/h überschritten habe und damit eine erneute Zuwiderhandlung nach Abschnitt A der Anlage 12 zur FeV begangen habe (Bußgeldbescheid vom …9.2015, rechtskräftig seit …10.2015). Die Zulässige Geschwindigkeit habe 60 km/h betragen, die festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) b… km/h.
Hierauf teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom … Dezember 2015, zugestellt am … Februar 2016, mit, dass er als Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe „mehrfach gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen“ verstoßen habe. Als Verkehrsverstöße benannt werden die fahrlässige Trunkenheit im Verkehr und das unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vom … Oktober 2010 und die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um a… km/h vom … August 2015. Die ebenfalls am … Oktober 2010 begangene vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr wird nicht erwähnt. Die Art und Anzahl der begangenen Verkehrszuwiderhandlungen veranlasse die Fahrerlaubnisbehörde, Bedenken an der Fahreignung geltend zu machen. Aufgrund dieser Tatsache sei anzunehmen, dass Gewohnheiten, verfestigte Fehleinstellungen oder Leistungsmängel vorlägen, die eine zuverlässige und sichere Verkehrsteilnahme ausschließen. Um diese Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers sachverständig zu klären, sei das medizinisch-psychologische Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung das geeignete Mittel. In der Untersuchung solle geklärt werden, ob die Ursachen für das Fehlverhalten erkannt und die Einstellung und das Verhalten ausreichend korrigiert wurden. Der Gutachter habe zu folgender Frage Stellung zu nehmen: „Ist zu erwarten, dass Herr […] auch künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?“. Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens werde nach § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG zu Recht gefordert, weil dem Antragsteller innerhalb der Probezeit die Fahrerlaubnis entzogen worden sei und nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis innerhalb der verlängerten Probezeit erneut eine schwerwiegende Zuwiderhandlung (zulässige Höchstgeschwindigkeit missachtet) begangen habe. Eine Ausnahme vom Regelfall der Begutachtungsanordnung sei nicht ersichtlich. Als besondere, atypische Umstände kämen insbesondere nur solche in Betracht, die in der Persönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers auf Probe begründet lägen. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Die Frage, ob ein Fahranfänger über einer charakterlich gefestigte Bereitschaft zur Einhaltung der im Straßenverkehr geltenden Regeln verfügt, könne während einer neuen Probezeit nur durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geklärt werden. Weigere sich der Antragsteller, sich untersuchen zu lassen oder bringe er das Gutachten nicht bis … Februar 2016 bei, müsse von seiner Nichteignung ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen werden.
Auf die Bitte des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Frist zur Vorlage der Einverständniserklärung bis zum … März 2016 und die Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum … Mai 2016 zu verlängern, gewährte der Antragsgegner eine Fristverlängerung zur Beibringung des Gutachtens bis … März 2016. Nachdem der Antragsteller sein Einverständnis mit der Begutachtung durch die … GmbH erklärt hatte, wurden dieser die Akten übersandt. Auf Bitten des Bevollmächtigten verlängerte der Antragsgegner nach Mitteilung des Begutachtungstermins (… März 2016) die Frist zur Beibringung des Gutachtens nochmals bis … April 2016. Unter dem … April 2016 gab die … GmbH dem Antragsgegner die Führerscheinakte zurück.
Mit Schreiben vom … April 2016 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass er die Gutachtensanordnung insbesondere wegen Verstoßes gegen § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV für rechtswidrig halte. Der gestellten Frage fehle der Anlassbezug. Die nur sehr allgemein gehaltene Fragestellung, ob der Antragsteller „auch künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird“, lasse jeden Bezug zur Historie des Antragstellers vermissen und lege den Prüfungsumfang nicht hinreichend fest. Sie lasse nicht erkennen, ob die Begutachtungsstelle nur Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen – das seien nur Ordnungswidrigkeiten – zu berücksichtigen oder angesichts der Trunkenheitsfahrt im Oktober 2010 auch zu prüfen habe, ob künftig im Straßenverkehr Fahrzeuge unter Alkoholeinfluss geführt, d. h. Straftaten begangen werden. Straftaten fielen nicht unter den Begriff der verkehrsrechtlichen Bestimmungen, wie § 2 Abs. 4 StVG zeige. Die Fragestellung des Antragsgegners zugrunde gelegt, dürfe die Begutachtungsstelle die Straftat gar nicht in die Eignungsprüfung einbeziehen. Die einmalige Nichteinhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gebe noch keinen Anlass, an der psycho-physischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu zweifeln. Die Fahrerlaubnisbehörde habe sicherzustellen, dass die MPU nur diejenigen (aber auch alle) Aspekte abarbeite, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung geben. Vorliegend gehe die Fragestellung an der Sache vorbei. Sie sei sinnlos und angesichts des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers unverhältnismäßig und daher von diesem nicht zu befolgen. Aus Sicht des Bevollmächtigten sei es hier zudem gut vertretbar, das Vorliegen eines Regefalls im Sinne des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG zu verneinen. Es liege weder eine Gleichartigkeit der Verstöße noch ein Alkoholrückfall vor. Es werde daher angeregt, die Notwendigkeit der Gutachtensanordnung nochmals zu prüfen und ggf. nochmals korrekt – d. h. aus Sicht des Bevollmächtigten anlassbezogen und verhältnismäßig – zu formulieren.
Hierauf teilte der Antragsgegner dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom … April 2016 mit, dass dessen Bedenken nicht geteilt würden. Unter den Begriff der „Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen“ fielen nicht nur Ordnungswidrigkeiten, sondern auch Straftaten. Wenn in § 2 Abs. 4 StVG und § 11 Abs. 3 FeV von verkehrsrechtlichen Vorschriften und Straftaten die Rede sei, dann nur deshalb, weil auch Straftaten ohne verkehrsrechtlichen Hintergrund fahreignungsrelevant sein könnten. Gegenstand der medizinisch-psychologischen Untersuchung solle das „voraussichtlich künftige Verhalten eines Betroffenen sein, dass er nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen wird“. Die Formulierung der Fragestellung stimme mit den Begutachtungsgrundsätzen der Anlage 4a zur FeV und den Bestimmungen unter 3.17 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung überein.
Mit Schreiben vom … Mai 2016 ergänzte der Bevollmächtigte sein Vorbringen dahingehend, dass die Gutachtensanordnung auch aus dem Grund rechtswidrig sei, weil der Antragsgegner zur Klärung der von ihm ausschließlich geltend gemachten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers nur eine psychologische, nicht aber auch eine medizinische Untersuchung habe anordnen dürfen. Eine Anordnung, die über den Begutachtungsanlass hinausgehe, sei insgesamt unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Selbst bei einem unterstellten berechtigten Verdacht auf charakterliche Eignungsmängel sei es ausreichend, sich auf die Anordnung eines psychologischen Gutachtens zu beschränken.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2016, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am … Juni 2016, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM, B, BE, C1, C1E, C, CE, L und T (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, seinen Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde zu übergeben (Nr. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von Euro a… an (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Nr. 5). Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass dem Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, weil wegen Nichtvorlage des gemäß § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen anzunehmen sei, § 11 Abs. 8 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete der Antragsgegner auf Seite 4 des Bescheids mit dem Interesse der Allgemeinheit, vor den Gefahren geschützt zu werden, die von einem ungeeigneten Kraftfahrer wie dem Antragsteller ausgingen, zumal dieser der Gruppe der überproportional oft verkehrsauffällig werdenden Fahranfänger angehöre. In dem Begleitschreiben zum Bescheid vom 22. Juni 2016 führte der Antragsgegner aus, dass auch eine ärztliche Untersuchung zu fordern sei, da Tatsachen es rechtfertigten, dass den Verkehrsauffälligkeiten medizinische Ursachen zugrunde lägen.
Am … Juni 2016 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Antragsgegner ab.
Gegen den Bescheid vom 22. Juni 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … Juni 2016 Widerspruch, den er mit Schreiben vom … Juli 2016 wie schon zuvor damit begründete, dass die Gutachtensanordnung mangels Anlassbezugs und Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip rechtswidrig sei. Zur Begründung der aus Sicht des Bevollmächtigten gebotenen Beschränkung der Begutachtung auf eine psychologische Untersuchung wurde unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 13.11.1997 – 3 C 1/97) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B. v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen folgende Anträge:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziffer 1 und 2 des Bescheids des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wird wiederhergestellt. Der Antragsgegner hat die zwischenzeitlich erfolgte Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheids vom 22. Juni 2016 in Form des Einbehalts des Führerscheins rückgängig zu machen.
Zudem beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers, diesem unter Beiordnung des Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren. Zur Begründung wurden die mit Schreiben vom … Juli 2016 gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachten Gründe vorgebracht.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2016 übersandte der Antragsgegner die Akten und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gutachtensanordnung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sei. Die vom Antragsteller begangenen Taten ließen keinen genauen Schluss darauf zu, welche Art von Mangel bei ihm vorliegen könnte. Der Gegenstand der angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung sei daher bewusst so gewählt worden, dass sowohl körperliche als auch charakterliche Mängel abgeprüft würden. Es sei auch nicht notwendig gewesen, die Fragestellung explizit auf Straftaten zu beziehen. Es habe nicht generell nach Straftaten gefragt werden dürfen und müssen, sondern anlassbezogen nur zu Straftaten, die in unmittelbarem Zusammenhang zum Straßenverkehr stehen. Solche Straftaten stellten aber immer auch einen Verstoß gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen dar, so dass sie von der Fragestellung umfasst seien. Dies ergebe sich auch aus § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG, wonach das Fahreignungs-Bewertungssystem zum Schutz vor Gefahren anzuwenden sei, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt „gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrengutrechtlichen Vorschriften“ verstoßen.
Hiergegen wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom … September 2016 und wies darauf hin, dass sowohl in § 2 Abs. 4 StVG als auch in § 11 FeV, insbesondere in § 11 Abs. 3 Nr. 4 bis 7 FeV, bewusst zwischen verkehrsrechtlichen Vorschriften und Strafgesetzen differenziert werde. Die Auffassung des Antragsgegners, die Frage nach künftigen Straftaten müsse nicht gesondert in die Gutachtensanordnung aufgenommen werden, sei damit wiederlegt. Letztlich gebe § 11 Abs. 1 „Satz 2“ FeV – gemeint ist offensichtlich Satz 3 – die korrekte Fragestellung selbst vor.
Mit Beschluss vom 27. September 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Sowohl der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des benannten Bevollmächtigten des Antragstellers war abzulehnen.
Nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht liegt dabei nicht erst dann vor, wenn der erfolgreiche Ausgang des Prozesses gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist. Vielmehr genügt zur Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit hiervon. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern.
Vorliegend ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls deswegen unbegründet, weil der eigentliche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Aussicht auf Erfolg bietet. Das ergibt sich – unter Berücksichtigung des im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens anzulegenden oben dargestellten Maßstabs – aus den nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, auf die zur näheren Begründung verwiesen wird.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
2.1 Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 22. Juni 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seite 4 im Bescheid. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.
2.2 Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 22. Juni 2016 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28. Juni 2016 bzgl. der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen.
2.2.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1-3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
2.2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 22. Juni 2016 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei ist zunächst anzumerken, dass maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage – da der Antragsteller Widerspruch erhoben hat – nicht derjenige des Erlasses bzw. der Zustellung des angefochtenen Bescheids vom 22. Juni 2016, sondern der Tag der Beschlussfassung des Gerichts ist.
Mit dieser Maßgabe nimmt die erkennende Kammer zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen Gründe des Bescheids vom 22. Juni 2016 und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Fahrerlaubnisbehörde hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen war, weil er das mit Schreiben vom … Dezember 2016 gemäß § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG von ihm geforderte Gutachten nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist vorgelegt hat, § 11 Abs. 8 FeV. Der Antragsgegner erachtete die Gutachtensaufforderung auf der Grundlage des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG zu Recht als rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig. Die (materiellen) Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Der Antragsteller hat nach Wiedererteilung der bereits einmal entzogenen Fahrerlaubnis auf Probe innerhalb der (Rest-)Probezeit am … August 2015 die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 b) aa) StVO zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und damit erneut eine schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne von Abschnitt A Nr. 2.1 der Anlage 12 zu § 34 FeV begangen. Dies wird vom Bevollmächtigten des Antragstellers auch nicht bestritten.
Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Regelfall im Sinne von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG vorliegt. Atypische Umstände, die es rechtfertigen könnten, von der Gutachtensanordnung abzusehen, liegen nicht vor. Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens genügt auch (noch) den sich aus § 11 Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen, insbesondere führt die Gutachtensfrage nicht zu einer Rechtsverletzung des Antragstellers. Auch die Frist zur Vorlage war nach mehrmaliger Gewährung einer Fristverlängerung ausreichend lang bemessen. Ein hinreichender Grund zur Nichtvorlage des Gutachtens bestand nicht. Daher konnte und musste der Antragsgegner nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der Nichteignung des Antragstellers ausgehen, worauf in der Gutachtensaufforderung auch hingewiesen worden war, § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV.
2.3.3 Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Soweit der Bevollmächtigte die Auffassung vertritt, die Gutachtensanordnung sei deshalb rechtswidrig, weil die Fragestellung sich nur auf Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen und damit nur auf Ordnungswidrigkeiten und nicht auch auf Straftaten beziehe, kann er damit im Ergebnis nicht durchdringen. Zwar bleibt die Fragestellung („Ist zu erwarten, dass der …[Antragsteller] auch künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstößt“) hinter dem sich aus Nr. 1g der Anlage 4a zur FeV ergebenden grundsätzlich zulässigen Untersuchungsumfang zurück. Denn danach ist unter anderem im Fall des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG Gegenstand der Untersuchung auch die Erwartung an das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, dass er „nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen“ wird. Auch wenn sich die Fragestellung ihrem Wortlaut nach nur auf Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen und nicht oder jedenfalls nicht ausdrücklich auch auf solche gegen Strafgesetze erstreckt und zugunsten des Antragstellers unterstellt wird, dass unter diesen Begriff nur Verkehrsordnungswidrigkeiten und nicht auch Verkehrsstraftaten fallen, bleibt die Fragestellung lediglich hinter dem hier an sich zulässigen Umfang zurück, schießt aber nicht darüber hinaus. Inwieweit der Antragsteller dadurch unverhältnismäßig in seinen Rechten, insbesondere seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sein soll, ist für das Gericht nicht erkennbar.
Die Gutachtensanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil es hierfür am Anlassbezug fehlt. Ihrem Wortlaut nach bezieht sich die Fragestellung zwar nur auf künftige Verstöße des Antragstellers gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen. Angesichts der nahezu durchgängigen Differenzierung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers zwischen Verstößen gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen, Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und Ordnungswidrigkeiten einerseits sowie Verstößen gegen Strafgesetze und Straftaten andererseits (vgl. z. B. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG; § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV; § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV, Nr. 1g der Anlage 4a zur FeV; Anlage 12 zu § 34 FeV; Anlage 13 zu § 40 FeV; Nrn. 3.16 und 3.17 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung) dürfte auch der vom Antragsgegner verwendete Begriff des Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen – anders etwa als der einer Zuwiderhandlung (vgl. § 2a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 5 StVG) – dahingehend zu verstehen sein, dass damit an sich nur Verkehrsordnungswidrigkeiten und nicht auch Verkehrsstraftaten gemeint sind. Erforderlich, aber auch ausreichend ist jedoch, wenn sich der Begutachtungsanordnung zweifelsfrei entnehmen lässt, was konkret Anlass für die Zweifel an der Fahreignung ist und welche Problematik auf welche Weise geklärt werden soll (vgl. BVerwG, B. v. 5.2.2015, 3 B 16/14 – juris – Rn. 9; BVerwG, U. v. 5.7.2001, 3C 13/01 – juris – Rn. 25). Dies ist vorliegend der Fall. Der Antragsgegner hat in seinem Schreiben vom … Dezember 2015 nicht nur die Rechtsgrundlage für die Gutachtensanordnung – § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG – angegeben und das Vorliegen deren Voraussetzungen näher begründet, sondern mit der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr und dem unerlaubten Entfernen von Unfallort am … Oktober 2010 und dem Geschwindigkeitsverstoß am … August 2015 auch die Taten konkret benannt, die Anlass für die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers und damit die Anordnung des Gutachtens sind. Der Umstand, dass die am … Oktober 2010 in Tateinheit mit dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort begangene vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht auch aufgeführt worden ist, fällt dabei nicht ins Gewicht. Der Antragsteller konnte und musste daher davon ausgehen, dass für die vom Gutachter zu beantwortende Frage, ob er auch künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, auch die Straftaten vom … Oktober 2010 berücksichtigt werden würde. Dass der Gutachter zur Beantwortung der Frage, ob der Antragsteller auch künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, unter Umständen auch dessen Äußerungen zu den in der Vergangenheit begangenen Straftaten – und nicht nur der Verkehrsordnungswidrigkeit – heranziehen würde, ist dabei nicht zu beanstanden. Denn die Frage nach dem künftigen Verhalten im Straßenverkehr, insbesondere der künftigen Bereitschaft zur Einhaltung der verkehrsrechtlichen Bestimmungen, wird sich nicht beantworten lassen, ohne sämtliche aktenkundigen und verwertbaren Verkehrsverstöße – seien es nun Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten – zu berücksichtigen.
Soweit sich der Bevollmächtigte deshalb auf einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip beruft und geltend macht, dass sich die Gutachtensanordnung auf die Beibringung eines psychologischen (Teil-)Gutachtens hätte beschränken müssen, steht dem die Regelung in § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG entgegen. Danach hat die Behörde in der Regel ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle, d. h. ein medizinisch-psychologisches Gutachten (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV) anzuordnen. Die Beibringung eines vollständigen und nicht nur eines psychologischen Gutachtens, ist somit in der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass nach vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb der neuen (Rest-)Probezeit erneut eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen worden ist, der Regelfall. Von dieser gesetzgeberischen Vorgabe kann die Fahrerlaubnisbehörde nicht ohne weiteres abweichen, sondern nur dann, wenn besondere – atypische – Umstände vorliegen. Dies ist vorliegend weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein der insoweit ins Feld geführte Umstand, dass der Antragsteller mit der Trunkenheitsfahrt im Oktober 2010 und dem Geschwindigkeitsverstoß im August 2015 unterschiedliche Zuwiderhandlungen begangen habe und nicht erneut alkoholauffällig geworden sei, genügt hierfür nicht. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen zur (erstmaligen) Fahrerlaubnisentziehung und (späteren) Gutachtensanordnung Anlass gebenden Zuwiderhandlungen ist nicht zu fordern.
Auch aus der vom Bevollmächtigten des Antragstellers zur Begründung herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 13.11.1997 – 3 C 1/97) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B. v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10) ergibt sich nichts anderes. Zwar führt das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aus, „dass aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens nur dann auf die mangelnde Eignung des Klägers geschlossen werden durfte, wenn eine medizinisch-psychologische Begutachtung geboten war. Wäre hingegen davon auszugehen, dass die Anordnung einer psychologischen Untersuchung ausgereicht hätte, so wäre der Kläger berechtigt gewesen, die an ihn gerichtete Anordnung gänzlich außer Acht zu lassen“ (BVerwG a. a. O. – juris – Rn. 17). Danach wäre der Antragsteller berechtigt gewesen, die Beibringung des angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verweigern, wenn lediglich eine psychologische Untersuchung geboten gewesen wäre. Dies ist hier aber – ebenso wenig wie in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall – gerade nicht der Fall. Wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, kann die Häufung von während der Probezeit begangenen Verkehrszuwiderhandlungen ihre Ursache nicht nur im charakterlichen, sondern auch im medizinischen Bereich haben. Dies gilt umso mehr, als es sich hier bei einer der Zuwiderhandlungen um eine Verkehrsstraftat im Zusammenhang mit Alkohol handelt. Davon geht auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg aus, der in dem von ihm entschiedenen Fall keine durchgreifenden Bedenken gegen den – auf der Grundlage von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV erfolgten – ersten Teil der Fragestellung („Ist zu erwarten, dass …[der Antragsteller] auch zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird“) erhoben, sondern es für gerechtfertigt gehalten hat, die aus Anlass von a… punktpflichtigen Verkehrsordnungswidrigkeiten bestehenden Zweifel an der charakterlichen Fahreignung des Antragstellers durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung auszuräumen (VGH BW, a. a. O. – juris – Rn. 6). Beanstandet hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg lediglich den – auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV gestützten – zweiten Teil der Fragestellung („Ist trotz der aufgrund der aktenkundigen Straftaten entstandenen Eignungszweifel (…) zu erwarten, dass …[der Antragsteller] die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der FE-Klassen … erfüllt?“). Die Fragestellung beziehe sich damit schwerpunktmäßig auf die Erfüllung der körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen von Kraftfahrzeugen, obwohl die Straftaten in Wahrheit die Eignungszweifel in charakterlicher Hinsicht verstärken, nicht aber parallel dazu körperliche oder geistige Eignungszweifel begründen dürften, zumal kein Anhaltspunkt dafür genannt werde oder ersichtlich sei, dass diese Straftaten mit körperlichen oder geistigen Defiziten in Zusammenhang stehen könnten. Insoweit sei die Fragestellung daher widersprüchlich und überschießend (VGH BW, a. a. O. – juris – Rn. 10). Davon ist der vorliegende Fall zu unterscheiden, in dem aus Anlass mehrerer erheblicher Zuwiderhandlungen – der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr und dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr am … Oktober 2010 sowie dem Geschwindigkeitsverstoß am … August 2015 – entsprechend der für den Regelfall vorgenommenen Wertung des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet worden ist, um die vorwiegend, aber eben nicht ausschließlich an der charakterlichen Eignung bestehenden Zweifel zu klären. Anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschiedenen Fall hat hier der Antragsgegner in der Begründung der Gutachtensanordnung zu erkennen gegeben, dass aus Anlass der aktenkundigen Taten vorwiegend Zweifel an der „charakterlich gefestigten Bereitschaft zur Einhaltung der im Straßenverkehr geltenden Regeln“ und damit schwerpunktmäßig an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestehen. Zu klären sei aber auch, ob „Leistungsmängel“ vorliegen – was Defizite im körperlich-geistigen Bereich mit einschließt. Hierfür geben die Taten, mit denen der Antragsteller verkehrsauffällig geworden ist, insbesondere die Trunkenheit im Verkehr, auch hinreichenden Anlass. Zum anderen ist im Fall von § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der Regelfall, während sie in den in § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV genannten Fällen im Ermessen der Behörde steht und insoweit strengeren Kriterien unterliegt.
2.3. Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV. Daher war auch nicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids anzuordnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei ergeht die Entscheidung über die Prozesskostenhilf kostenfrei. Auslagen werden insoweit nicht erstattet.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 sowie 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).


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