Europarecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Dublin-Bescheid (Österreich)

Aktenzeichen  M 9 S 18.52543

Datum:
16.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23863
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1
AsylG § 34a Abs. 1
AufenthG § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Das Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen in Österreich ist frei von systemischen Mängeln. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Österreich im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben, der Antragsteller hat keine Personaldokumente seines Heimatlandes vorgelegt, außerdem ergeben sich aus den Akten insgesamt vier Alias-Personalien) afghanischer Staatsangehöriger und geboren am 10. Juli 2000 oder an einem anderen Datum. Auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 19. Juli 2018, Bl. 21 – 24 der Bundesamtsakte, wird Bezug genommen. Er habe sein Heimatland im Mai 2016 verlassen und sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, ein unbekanntes Land, Serbien, erneut ein unbekanntes Land und schließlich über Österreich, wo er am 4. September 2016 eingereist sei, nach Deutschland gekommen, wo er am 9. Juli 2018 eingereist sei und wo er am 19. Juli 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle Manching einen Asylantrag gestellt hat.
Am 20. Juli 2018 fand die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG statt. Dort gab der Antragsteller u.a. an, sein Asylantrag in Österreich sei abgelehnt worden. Außerdem sei er krank und man habe ihn in Österreich nicht gut behandelt. Außerdem habe er Cousins, die in Deutschland wohnen würden. Auf die Frage, ob er Beschwerden bzw. Erkrankungen habe, gab der Antragsteller an, er habe Hepatitis B und Epilepsie. Manchmal fühle er sich so bedrückt, dass er ausflippen könnte. Er sei auch in Österreich schon in psychologischer Behandlung gewesen. Wegen der Hepatitis B habe er in Österreich Medikamente bekommen. Sämtliche ärztlichen Nachweise habe er in Österreich gelassen. Auf die Niederschrift im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 75 – 79 der Bundesamtsakte).
Ebenfalls am 20. Juli 2018 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Auf die Niederschrift über die Anhörung wird Bezug genommen (Bl. 80 – 86 der Bundesamtsakte).
Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac-Treffer für Österreich (AT129047123-10822073, Bl. 3 bzw. Bl. 91 der Bundesamtsakte).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2018 an Österreich teilten die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 27. Juli 2018 (Bl. 99f. der Bundesamtsakte) das Einverständnis mit der Überstellung des Antragstellers mit.
Mit Bescheid vom 1. August 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Österreich an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Ausweislich der in der Bundesamtsakte enthaltenen Kopie der Empfangsbestätigung wurde der Bescheid am 6. August 2018 zugestellt.
Der Antragsteller erhob hiergegen am 8. August 2018 zur Niederschrift bei der auswärtigen Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München in Manching Klage (Az.: M 9 K 18.52542) mit dem Antrag, den Bescheid vom 1. August 2018 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Außerdem wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Österreich die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird Bezug genommen auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt, außerdem werde auf die beigefügten Atteste verwiesen. Die Familie des Antragstellers lebe in München, er brauche deren Unterstützung, die Verwandten würden die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Auf die ärztlichen Unterlagen (Klinikum Ingolstadt vom 30.7.2018 und Klinik Bogenhausen vom 12.7.2018, letzteres ist bereits in der Bundesamtsakte enthalten) wird Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG).
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. August 2018, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Österreich ist als Mitgliedstaat, über dessen Grenze der Antragsteller aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers Österreich; das wird auch bewiesen durch den Eurodac – Treffer mit der Kennzeichnung „AT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Österreich der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin auf der Grundlage von Art. 8 Dublin III-VO kommt nicht in Betracht. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung war der Antragsteller auch nach seinem eigenen Vortrag volljährig, das gilt auch für den frühesten nachgewiesenen Zeitpunkt seines Aufenthalts im Bundesgebiet (vgl. hierzu Bl. 47ff. der Bundesamtsakten).
Die österreichischen Behörden haben ihre Zuständigkeit erklärt und dem (Wieder-) Aufnahmeersuchen der Antragsgegnerin stattgegeben, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO). Soweit der Antragsteller vorträgt, sein Asylantrag sei in Österreich bereits abgelehnt worden ist, ändert das nichts, da gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d) Dublin III-VO auch in diesem Fall nach den Dublin-Regeln zu überstellen ist.
2. Die Abschiebung nach Österreich kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung nach Österreich als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es bestehen keinerlei Zweifel daran, dass das Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen in Österreich den anzulegenden Maßstäben gerecht wird (vgl. statt vieler nur VG München, U.v. 15.3.2017 – M 9 K 17.50031 – juris Rn 41; VG Aachen, B.v.20.3.2018 – 6 L 311/18.A – juris Rn. 19f. m.w.N).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Verwaltungssowie im Verwaltungsstreitverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Der Vortrag in den Dublin-Anhörungen bezogen auf die Verhältnisse in Österreich begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Schwachstellen des österreichischen Asylverfahrens, unabhängig davon, dass sich der Antragsteller, seine eigenen Angaben zugrundegelegt, fast zwei Jahre in Österreich aufgehalten hat; im Übrigen unterliegt es gerade nicht der Disposition des Antragstellers, wo er sein Asylverfahren zu durchlaufen hat.
Auch die vom Antragsteller bei der Rechtsantragstelle genannten Umstände und vorgelegten ärztlichen Schreiben ändern am Ergebnis nichts. Der Antragsteller bezieht sich dabei zunächst auf seine gesundheitlichen Einschränkungen, hauptsächlich seien das Epilepsie, Hepatitis B und nicht näher spezifizierte psychische Einschränkungen. Unabhängig davon, dass die vorgelegten Unterlagen nicht den auch in diesem Verfahren geltenden Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen und wiederum unabhängig davon, dass die ärztlichen Unterlagen das vom Antragsteller Vorgetragene allenfalls teilweise hergeben – die Epilepsie wird nicht bestätigt, vielmehr geht die jüngste ärztliche Stellungnahme von einer Bewusstseinsstörung (unklarer Herkunft) aus – ergibt sich daraus weder eine Reisefähigkeit im engeren noch im weiteren Sinn noch ein zielstaatsbezogenes Hindernis in Bezug auf die Abschiebung nach Italien. Ersteres deswegen, weil die Beschwerden des Antragstellers, unterstellt, sie treffen so zu wie von ihm behauptet, aus keinem Gesichtspunkt den Transport nach Österreich hindern. Letzteres, weil keinerlei Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerden des Antragstellers, unterstellt, sie treffen so zu wie von ihm behauptet, in Österreich behandelt werden können und behandelt werden. Dass die vom Antragsteller vorgebrachten Beschwerden in Österreich während des Aufenthalts dort tatsächlich behandelt wurden, geht aus dem eigenen Vortrag des Antragstellers hervor.
Auch der Verweis auf hier aufhältige Verwandte des Antragstellers ändert nichts daran, dass der Antragsteller nach Österreich abzuschieben ist. Aus dem eigenen Vortrag des Antragstellers im Verwaltungsverfahren geht bereits hervor, dass es sich hier lediglich um Cousins handelt. Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin auf Grund von Art. 9ff Dublin III-VO kommt daher nicht in Betracht, unabhängig davon, dass auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen außer der fehlenden Familienangehörigkeit im Sinne der Dublin III-VO nicht vorliegen. Auch eine Verpflichtung zum Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ist nicht gegeben, unabhängig davon, dass der Antragsteller Verwandtschaftsverhältnisse nur behauptet, aber nicht belegt hat.
Die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung des Antragstellers im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag des Antragstellers gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen daher keine Bedenken.
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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