Europarecht

Ersatzzustellung bei Postzustellungsurkunde

Aktenzeichen  M 23 K 15.180

Datum:
13.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 74  Abs. 1 S. 2, § 166
BayVwZVG BayVwZVG Art. 3 Abs. 1-2
ZPO ZPO § 114, § 180 S. 1, S. 2, § 182 Abs. 1 S. 2, § 418 Abs. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 41 Abs. 2, Abs. 5

 

Leitsatz

Die für die Ersatzzustellung nach § 182 ZPO ausgefüllte Postzustellungsurkunde beweist das Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten zu dem in der Postzustellungsurkunde angegebenen Zeitpunkt (ebenso BayVGH BeckRS 2011, 53048). Durch einen Vermerk auf dem Umschlag der Sendung wird dem Empfänger das Zustellungsdatum lediglich nachrichtlich zur Kenntnis gebracht; der Vermerk ist kein Bestandteil der Zustellung. (redaktioneller Leitsatz)
Gegen eine gesetzliche Beweisregel kann nach § 418 ZPO der Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsache angetreten werden. Dieser Beweisantritt setzt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensverlaufs voraus; er muss substanziierte Darlegungen enthalten. Eine pauschale Ablehnung der eigenen Beweispflicht genügt diesen Anforderungen nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Mit dem tatsächlichen Zugang enes Schriftstücks wird der Zustellungsmangel geheilt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Kostenbescheid des Landratsamts Freising vom 11. November 2014 für den Vollzug tierschutzrechtlicher Maßnahmen. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid der Klägerin am 14. November 2014 zugestellt. Der zugehörige Briefumschlag des Bescheids enthält keinen Vermerk über das Datum der Zustellung. Die gegen den Bescheid gerichtete Klage sowie ein Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten vom 7. Januar 2015 ging am 15. Januar 2015 bei Gericht ein.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten der Klägerin hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die auf hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist nur eine summarische Prüfung, denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern, das den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 166 Rn. 35). Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso ungewiss wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (Geiger in Eyermann, a. a. O. Rn. 26).
Dies zugrunde gelegt, bietet die vorliegend beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Klage nicht innerhalb der maßgeblichen Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO bei Gericht eingegangen und damit unzulässig ist.
Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Bekanntgabe des streitgegenständlichen Kostenbescheids vom 11. November 2014 erfolgte wirksam im Wege der Ersatzzustellung mit Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Klägerin am 14. November 2014, wie aus der Postzustellungsurkunde vom selben Tag hervorgeht, Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwZVG i. V. m. §§ 180 Satz 1 und 2, 182 ZPO. Damit begann der Lauf der Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 15. November 2014 und endete nach § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 15. Dezember 2014. Nachdem der Klageschriftsatz erst am 15. Januar 2015 bei Gericht eingegangen ist, ist die Klage verfristet.
Der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheids steht nicht entgegen, dass der Umschlag des Bescheids, der von der Klägerin im Gerichtsverfahren vorgelegt wurde, keinen Vermerk über das Datum der Zustellung gemäß § 180 Satz 3 ZPO enthält. Bei der – hier vorliegenden – nach Maßgabe von § 182 ZPO für die Ersatzzustellung ausgefüllten Postzustellungsurkunde handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die gemäß §§ 182 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringt, unter anderem auch für das Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten zu dem angegebenen Zeitpunkt (BVerwG, B. v. 19.3.2002 – 2 WDB 15/01; VGH München, B. v. 31.1.2011 – 4 ZB 10.3088; VGH Baden-Württemberg, B. v. 15.2.2016 – 6 S 1870/15 – jeweils juris). Durch den Vermerk auf dem Umschlag wird dem Empfänger der Sendung lediglich nachrichtlich das Zustelldatum zur Kenntnis gebracht; notwendiger Bestandteil der Zustellung ist er jedoch nicht (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/4554, S. 22; VGH München, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, a. a. O., m. w. N.; Stöber/Geimer in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 182 Rn. 19; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO,31. Auflage 2010, § 180 Rn. 6; Dörndorfer in Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1.3.2016, § 180 Rn. 3).
Zwar kann nach § 418 Abs. 2 ZPO derjenige, zu dessen Nachteil sich die gesetzliche Beweisregel auswirkt, den Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen antreten. Ein derartiger Beweisantritt verlangt jedoch den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Aus diesem Grund muss ein Beweisantritt substanziiert sein, d. h. es muss nach dem Vorbringen des Beteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt werden; ein bloßes Bestreiten genügt hierfür nicht (BVerwG, B. v. 16.5.1986 – 4 CB 8/86; VGH München, a. a. O.).
Eine derartige Substanziierung zur Erläuterung eines abweichenden Zustelldatums enthält das Vorbringen der Klägerin nicht; ebenso liegen keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Geschehensablauf vor. So führt der Klägerbevollmächtigte auf Nachfrage des Gerichts zum Zeitpunkt des Erhalts des Bescheids lediglich aus, dass dieser nicht exakt benannt werden könne; im Übrigen beschränkt sich die Klagepartei in ihren Schriftsätzen auf die pauschale Einlassung, für den Tag der Zustellung nicht beweispflichtig zu sein. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, gegenüber der eindeutigen Postzustellungsurkunde vom 14. November 2014 einen Gegenbeweis zu erbringen. Auch im Übrigen sprechen sämtliche gegebenen Indizien – die Tatsache, dass der Bescheid die Klägerin unstreitig auf dem Postweg durch Einwurf in ihren Briefkasten erreicht hat sowie der sich unmittelbar an den Zustellungsvermerk anschließende Eingangsstempel auf der Postzustellungsurkunde, welcher deren Rücklauf an das Landratsamt Freising auf den 18. November 2014 datiert – dafür, dass der streitgegenständliche Kostenbescheid, wie auf der Zustellungsurkunde vermerkt, tatsächlich am 14. November 2014 durch die Postbedienstete in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Angesichts der von Beklagtenseite vorgelegten Postzustellungsurkunde lag es an der Klagepartei, den hieraus resultierenden Nachweis für das Zustellungsdatum am 14. November 2014 zu erschüttern, was jedoch nicht erfolgt ist. Das Gericht hat keine Veranlassung, das auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Datum des Einwurfs zu bezweifeln. Ebenso wenig ergeben sich Zweifel hieran aus dem Umstand, dass das Zustellungsdatum nicht ergänzend auch auf dem Briefumschlag vermerkt wurde.
Auch wenn nicht von einer formgerechten Ersatzzustellung nach §§ 180, 182 ZPO ausgegangen würde bzw. ein Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften angenommen würde, wäre jedenfalls mit dem tatsächlichen Zugang des Bescheids bei der Klägerin Heilung des Zustellungsmangels eingetreten, § 189 ZPO (vgl. BFH, B. v. 6.5.2014 – GrS 2/13; U. v. 28.7.2015 – VIII R 2/09 – jeweils juris). Mit dem tatsächlichen Zugang gilt das Schriftstück als zugestellt. Entsprechend obiger Ausführungen sprechen sämtliche vorliegenden Umstände dafür, dass der streitgegenständliche Kostenbescheid am 14. November 2014 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde und somit die Klägerin im Sinne eines tatsächlichen Zugangs erreicht hat. Ein abweichender Geschehensablauf ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Selbst wenn zugunsten der Klägerin von einer unwirksamen Zustellung des Bescheids ausgegangen würde, führt auch der hieran anknüpfende Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift über die formlose Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gemäß Art. 41 BayVwVfG zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, es sei denn, der Verwaltungsakt ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen, Art. 41 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BayVwVfG. Damit wäre, ausgehend von dem Postzustellungsvermerk vom 14. November 2014, eine Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids jedenfalls drei Tage später, am 17. November 2014, anzunehmen. Um dies zu widerlegen, wäre es an der Klagepartei gewesen, substantiiert und plausibel einen atypischen Geschehenslauf zum Nachweis einer späteren Bekanntgabe darzulegen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage, § 41 Rn. 43), was vorliegend jedoch unterblieben ist. Die Bekanntgabe des Bescheids am 17. November 2014 zugrunde gelegt, hätte der Lauf der Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 18. November 2014 begonnen und nach § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 17. Dezember 2014 geendet. Auch in diesem Fall wäre die Klagefrist eindeutig nicht eingehalten worden.
Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der angefochtene Kostenbescheid der Klägerin am 14. November 2014, spätestens am 17. November 2014, zugegangen und die Klage nach Verstreichen der Monatsfrist zu spät eingereicht worden ist.
Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klage ist nach summarischer Prüfung damit unzulässig.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben