Europarecht

Fluggastrecht, Abtretung, AGB, Auskunft, Rechtsanwaltskosten, Ausweisung, Streitwert, Auskunftsanspruch, Wirksamkeit, Klage, Zahlungsanspruch, Zeitpunkt, Rechtswahlklausel, Beweisaufnahme, Sicherheitsleistung, Kosten des Rechtsstreits, Rechtsprechung des BGH, zwei Wochen

Aktenzeichen  54 O 2882/20

Datum:
19.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35099
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 14.078,62 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat für die anwendbaren Vorschriften im vorliegenden Rechtsstreit keine Auswirkung. Der gemäß Art. 126 Austrittsabkommen UK/EU bis zum 31.12.2020 andauernde Übergangszeitraum ist zwar bereits abgelaufen, allerdings finden gemäß Art. 67 Abs. 1 lit. a, 127 Abs. 1 des Austrittsabkommen UK/EU die Vorschriften des Unionsrechts weiterhin Anwendung, da die Klage bereits vor Ende des Übergangszeitraums rechtshängig wurde.
II. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Landshut international und örtlich zuständig.
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 VO (EU) 1215/2012 (EuGVVO/ Brüssel-Ia-VO). Nachdem Abflug- bzw. Zielort der hier streitgegenständlichen Flüge der Flughafen München gewesen wäre, wäre die Erbringung der Hauptleistung des streitgegenständlichen Reisevertrags im hiesigen Gerichtsbezirk angesiedelt.
III. Die zulässige Klage ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt unbegründet, da kein Zahlungsanspruch (mehr) besteht und daher auch keine (weitere) Auskunft geschuldet ist.
III. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist deutsches Recht anwendbar.
III) Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 593/2008 (Rom-I-VO), da die abgetretenen Forderungen Reisende/ Passagiere mit Wohnsitz in Deutschland betreffen und die hier streitgegenständliche Flüge Abflug bzw. Ziel in Deutschland gehabt hätten.
III) Eine wirksame Rechtswahl auf das englische Recht in den AGB der Beklagten hat nicht stattgefunden. Dabei kann offen bleiben, ob die AGB der Beklagten überhaupt wirksam in die hier streitgegenständlichen Reiseverträge bei der Flugbuchung der jeweiligen Passagiere wirksam einbezogen wurden. Die Rechtswahlklausel ist jedenfalls unwirksam. Zwar erlaubt Art. 5 Abs. 2 UA 2 lit. b und c Rom-I-VO eine Rechtswahl der Parteien dahingehend, dass auch das Recht des Sitzes der Beklagten (hier englisches Recht) gewählt werden kann. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahl richten sich gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO nach dem jeweiligen Recht, das anzuwenden wäre, wenn die Rechtswahl wirksam wäre. Dies wäre vorliegend das englische Recht.
Allerdings kann sich eine Partei gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Rom-I-VO für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts berufen. Im Falle der hier streitgegenständlichen Flugbuchungen liegt der gewöhnliche Aufenthalt der Passagiere in Deutschland, sodass die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel am Maßstab des § 305c BGB zu messen ist.
Nach § 305c BGB ist die erwähnte Klausel allerdings intransparent und daher unwirksam. Die Einschränkungen der Rechtswahl durch
„Übereinkommen und der Verordnung EU 261“ sind für den durchschnittlich informierten Verbraucher nicht ansatzweise nachvollziehbar. Es bleibt offen, welche Übereinkommen überhaupt gemeint sein sollen und welche Folgen diese auch haben können. Noch deutlicher intransparent ist die Erwähnung der Verordnung „EU 261“, die auch einem Juristen nichts sagt. Eine Verordnung dieses Titels gibt es schlicht nicht, weil die Europäische Union diese Nomenklatur nicht verwendet. Zwar dürfte bei gehöriger Recherche die VO (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) gemeint sein. Allerdings ist der in den AGB der Beklagten genannte Titel nichtssagend oder zumindest missverständlich, zumal es sich um eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft handelt (wenn auch die Europäische Union deren Rechtsnachfolgerin ist, Art. 1 Abs. 3 EUV).
Außerdem wird durch die gewählte Formulierung die mögliche Ausnahme der Rechtswahl nicht klar genug bestimmt, sodass deutsches Recht anwendbar ist (Art. 5 Abs. 2 UA 1 Rom-I-VO; ebenso OLG Frankfurt Main, NJW-RR 2020, 1312). Denn die von der Beklagten in den AGB erwähnten Ausnahmen (“sofern vom anwendbaren Recht nichts anderes bestimmt ist“) können durch den durchschnittlich informierten Reisenden gar nicht überblickt werden. Im Reisevertragsrecht sind neben den europäischen Regelungen (FluggastrechteVO) auch internationale Verträge wie z.B. das Montrealer Übereinkommen zu beachten. Welchen Regelungsinhalt diese Übereinkommen haben und vor allem welche vorliegend Anwendung finden, ist für den Verbraucher nicht klar erkennbar. Gleiches gilt für die Frage, welches Übereinkommen ggf. Vorrang vor gesetzlichen Regelungen der beteiligten Staaten (Vorrang des Europarechts) oder möglicherweise auch vor internationalen Verträgen beansprucht. Diese Intransparenz wird durch das fehlerhafte Zitat der „Verordnung EU261“ noch verstärkt.
III. Die von der Klägerin begehrte und hier von der Beklagten vom Umfang her geschuldete Auskunft wurde in den Schriftsätzen der Beklagten vom 04.03.2021 und vom 20.08.2021 bereits erteilt. Die Klägerin hat dem Inhalt der Auskunft nicht widersprochen. Auch hat sie nicht bestritten, dass die Auskunft richtig ist, sie moniert lediglich die Vollständigkeit der Auskunft aus Rechtsgründen, was aber nichts mit den mitgeteilten Tatsachen zu tun hat und daher unbeachtlich im Sinne des § 138 ZPO ist. Darüber hinaus wäre es irrelevant, ob die Auskunft auch richtig ist (näher MüKo-BGB, 8. A., § 260, Rn. 43).
Entgegen der Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 26.05.2021 besteht eine Erklärungspflicht der Klägerin zu den von der Beklagten vorgetragenen Zahlungen nicht erst in der Zahlungsstufe der Klage, sondern bereits zum jetzigen Zeitpunkt in der Auskunftsstufe. Auf zweimaligen Hinweis des Gerichts hat die Klägerin sich zu den Zahlungen nicht erklärt, sodass die Richtigkeit sowohl der Auskunft an sich als auch der Zahlungen als zugestanden zu gelten hat. Die begehrte Auskunft der Klägerin ist nämlich kein Selbstzweck, sondern dient der Überprüfung von ggf. berechtigten Zahlungsansprüchen der Klägerin. Daraus folgt aber, dass die von der Beklagten bereits bezahlten Beträge nicht mehr der Auskunft unterliegen und auch nicht mehr in der Zahlungsstufe berücksichtigt werden dürfen. Diese Tatsachen sind daher für beide Stufen relevant, sodass es bereits jetzt eines substantiierten Bestreitens bedurft hätte. Die Klägerin hat sich für die Tatsache, dass das von der Beklagten bezahlte Geld auch tatsächlich auf einem Konto der Klägerin eingegangen ist, nicht hinreichend genau erklärt, ein Bestreiten im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO liegt daher nicht vor, sodass diese Tatsache als unbestritten gilt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin eine Prüfung des Zahlungseinganges ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre. Hinsichtlich der somit unstreitig bezahlten Beträge ist die Klage erst recht hinsichtlich Auskunft und Zahlung unbegründet.
III. Darüber hinaus steht bereits zum jetzigen Zeitpunkt fest, dass die Beklagte zu einer weitergehenden Auskunft nicht verpflichtet ist und ein (weiterer) materiell-rechtlicher Zahlungsanspruch nicht besteht, sodass die Klage bereits jetzt abgewiesen werden kann (Zöller, ZPO, 33. A., § 254, Rn. 9).
III) Entgegen der Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 05.11.2021 ist die erteilte Auskunft gerade nicht unvollständig. Dies folgt aus der Erwägung, dass sich die Beklagte gerade keine weiteren Gebühren erspart hat, welche die Beklagte den Zedenten vor der Abtretung hätte auszahlen müssen und deshalb über diese ersparten Aufwendungen der Klägerin auch keine Auskunft erteilen muss. Weitere Gebühren, abgesehen von der bereits erstatteten Verkehrssteuer, sind gerade nicht angefallen.
Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 26.05.2021, dort Seite 3. Die Klägerin hat die Flughafengebührenordnung des Flughafens München vorgelegt, die inhaltlich von der Beklagten nicht bestritten wurde. Wie sich den einkopierten Passagierentgelten und Sicherheitsentgelten entnehmen lässt, fallen beim Flughafen München die jeweiligen Entgelte nur für diejenigen Passagiere an, die sich beim Start des Flugzeugs tatsächlich auch an Bord befinden. Die Entgelte richten sich also nach der Auslastung des Flugzeugs. Im Falle eines leer startenden Flugzeugs werden solche Entgelte überhaupt nicht fällig. Umgekehrt bedeutet das für die hier streitgegenständlichen Buchungsvorgänge, bei denen nach dem Vortrag der Klägerin die jeweiligen Flüge überhaupt nicht angetreten worden waren (no show/Stornierung vor Start des Flugs), dass entsprechende Passagier- und Sicherheitsentgelte vom Flughafen München überhaupt nicht in Rechnung gestellt wurden, die Beklagte solche an den Flughafen daher auch nicht zu bezahlen hatte und sie sich somit auch nicht erspart hat.
Aus den hier vorliegenden Buchungsvorgängen, sofern sie überhaupt auf Steuern und Abgaben bzw. Gebühren Bezug nehmen (teilweise werden auch Bordkarten oder sonstige nichtssagende Unterlagen vorgelegt), ist auch nicht ersichtlich, dass solche Entgelte von den Passagieren bezahlt wurden. Dies ist auch der Kernpunkt des Vortrags der Klägerin, die gerade moniert, dass die ausgewiesenen Nebenkosten des Flugs mit den Passagierentgelten z.B. des Flughafens München überhaupt nicht in Einklang gebracht werden können.
Allerdings war vorliegend die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH nicht verpflichtet, diese Entgelte tatsächlich auszuweisen (Urteil vom 06.07.2017, Az. C-290/16, MMR 2017, 670). Nach dem EuGH (a.a.O., Rn. 27) gibt es keine starre Pflicht, diese Entgelte auszuweisen. Vielmehr besteht eine solche Pflicht lediglich dann, wenn sich das Luftfahrtunternehmen dafür entscheidet, diese Zahlungsposten auch an den Kunden weiterzugeben.
Nach dem Vortrag der Beklagten ist dies vorliegend gar nicht der Fall, da die Beklagte offensichtlich eine betriebswirtschaftliche Kalkulation bzw. Wette dahingehend aufstellt, dass der niedrige Flugpreis in Kombination mit den Einnahmen und aus den nicht erschienen Passagieren und sonstigen Einnahmen für einen kostendeckenden Flugbetrieb ausreicht, die gegebenenfalls anfallenden Passagier- und Sicherheitsentgelte des Flughafens also dadurch gedeckt werden können, dass u. U. der Flug überbucht ist. Eine Überprüfung dahingehend, ob diese Strategie der Beklagten wirklich aufgeht, hat durch das Gericht nicht stattzufinden, vielmehr muss eine solche Kalkulation, egal ob sie für die Beklagte nun mit einem Verlust oder einem Gewinn verbunden ist, vom Gericht und auch von der Klägerin akzeptiert werden. Solange die Beklagte, wie sie selber sagt, die Passagierentgelte gerade nicht an die Passagiere weiterreicht, diese also direkt gegenüber dem Flughafen je nach Auslastung des Flugzeugs direkt bezahlt, besteht umgekehrt eben auch keine Verpflichtung, diese bei der Flugbuchung auszuweisen. Dabei kann die Höhe der Nebenkosten, welche in der Flugbuchung aufgeführt werden, durchaus auch als Indiz angesehen werden, dass eine solche Weiterreichung der Gebühren, was auch die Klägerin so darlegt, im Vorhinein gerade nicht erfolgt. Die Klägerin widerspricht sich daher in ihrem Vortrag selber, da sie die (aus ihrer Sicht zu niedrigen) Nebenkosten für unvereinbar mit den an den Staat und den Flughafen abzuführenden Entgelten hält. Das ist an sich natürlich richtig, schließt aber umgekehrt nicht aus, dass die Beklagte aus anderen Mitteln die Flughafenentgelte begleicht.
Dieser Vortrag der Beklagten gilt als unbestritten, da die Klägerin sich nicht näher dazu einlässt. In den Schriftsätzen vom 13.09.2021 und vom 05.11.2021 bestreitet die Klägerin zwar, dass die Beklagte lediglich die Luftverkehrssteuer in den Ticketpreis einbezieht, erklärt aber nicht, woraus sich die Tatsachen als Grundlage dieses Bestreiten ergeben, sodass dieses unbeachtlich ist. Vielmehr verweist die Klägerin lediglich auf die Rechtsprechung, wonach die Beklagte zur Ausweisung (und damit auch zur Rückzahlung) verpflichtet wäre. Das Festhalten an einer Rechtsmeinung ist aber kein substantiiertes, auf Tatsachenbasis stehendes Bestreiten. Die Klägerin argumentiert vielmehr damit einem Zirkelschluss: Ein Auskunftsanspruch bestehe deswegen, weil die Beklagte unerlaubterweise die Flughafenentgelte nicht in den Nebenkosten der Flugbuchung ausweise, weswegen diese von den Passagieren bezahlt worden sein müssen, damit ein Rückzahlungsanspruch besteht, der wiederum Grundlage eines Auskunftsanspruchs sein muss. Dies entbehrt aber jeglicher Grundlage, vielmehr stellt die Klägerin die Behauptung einer Bezahlung der Gebühren durch die Passagiere auf, die ebenso wenig tatsachenbasiert ist wie die Behauptung der Beklagten, man würde aus anderen Mitteln die Flughafengebühren finanzieren. Somit kann die Klägerin diese Frage schon gar nicht schlüssig darlegen, da sie entsprechende Tatsachen gar nicht benennen kann. Das Äußern einer Rechtsmeinung ersetzt aber nicht den substantiierten Sachvortrag. Auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch hilft nicht weiter, da dieser nur in dem Umfang bestehen kann, wie die Beklagte entsprechende Gebühren tatsächlich von den Passagieren erhalten hat. Von einer entsprechenden Auskunft kann die Klägerin erfahren, wie hoch die Gebühren waren, sofern sie überhaupt bezahlt wurden. Letzteres aber ist gerade bestritten, mit einer Rechtsmeinung ist ein entsprechender Nachweis aber nicht zu führen. Darüber hinaus ist die Beklagte, wie ausgeführt, nach Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet, die Flughafenentgelte auszuweisen (s.o.). Denn wie bereits dargelegt ist es nach der Rechtsprechung des EuGH der Beklagten unbenommen, die sonstigen Abgaben anderweitig in den Ticketpreis einzubeziehen und diese dann nicht auszuweisen, wenn sie nicht direkt vom Passagier zu bezahlen sind. Der EuGH stellt keine konkreten Voraussetzungen auf, woran zu erkennen sein soll, dass sich die Beklagte dafür entschieden hat, die entsprechenden Entgelte selbst zu bezahlen. Es besteht daher auch kein Grund zu der Veranlassung, die Behauptung der Beklagten der Selbsttragung zu hinterfragen, wenn diese nicht völlig unrealistisch ist. Derartiges behauptet nicht einmal die Klägerin, sie geht schlicht davon aus, dass der EuGH eine Nichtausweisung verbieten würde. Das reicht aber nicht aus.
Die im Schriftsatz vom 05.11.2021 erwähnte Zeugenaussage in einem Verfahren in Österreich steht dem nicht entgegen. Der Zeuge soll dort ausgesagt haben, die Kosten würden „natürlich den Ticketpreis beeinflussen“. Das ist aber noch keine Aussage darüber, ob sie infolge der oben erwähnten „Wette“ der Beklagten in den Ticketpreis selber einkalkuliert werden oder in den Posten „Steuern und Gebühren“ eingestellt werden. Lediglich im letzteren Falle besteht nach dem EuGH aber eine Verpflichtung zur Ausweisung bei der Flugbuchung. Es bleibt in dieser zitierten Aussage offen, was mit dem Ticketpreis gemeint ist. Der EuGH unterscheidet in der genannten Entscheidung zwischen Flugpreis und Endpreis, was davon mit dem Ticketpreis gemeint sein soll, erklärt die Klägerin nicht.
Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des KG (Urteil vom 03.09.2020, Az. 23 U 34/16, BeckRS 2020, 43535) geht von einem anderen Sachverhalt als vorliegend aus. Das KG hat die vom EuGH für zulässig erklärte und nach Auffassung des Gerichts hier einschlägige Ausnahme nicht mit den Feststellungen im dortigen Verfahren in Einklang bringen können (Rn. 23 – zitiert nach beck-online), da dort das Luftfahrtunternehmen die Zusatzkosten tatsächlich den Passagieren in Rechnung gestellt hat. Wie KG nachvollziehbar und richtig ausführt, versteht der EuGH die Frage der Hinzurechnung als rein wirtschaftliche Frage. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte, worauf sie in ihren AGB auch hinweist, die sonstigen Kosten der Flugabwicklung selber trägt. Die Beklagte verzichtet ausweislich ihrer AGB auch auf Treibstoffzuschläge, welche nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. d) VO (EG) Nr. 1008/2008 ebenfalls gesondert anzugeben wären. Bei Kenntnisnahme der AGB konnte sich also jeder Passagier hinreichend informieren, welche Preisbestandteile er im Falle einer Stornierung/eines Nichtantritts von der Beklagten zurückerstattet erhalten würde.
Verlangt werden können daher auch nur diejenigen Beträge, welche die Beklagt tatsächlich als Abgaben von den jeweiligen Passagieren, hier den Zedenten, bereits bei Flugbuchung erhalten hat. Nach Aktenlage betrifft dies allerdings nur die (unstreitig bereits wieder an die Klägerin ausgekehrten) Flugverkehrssteuern.
III) Daran ändert auch nichts der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 13.09.2021. Die dort mit einem Screenshot unterlegten Buchungsvorgänge stammen aus den Jahren 2018 und 2019. Davon abgesehen, dass die Kalkulation der Ticketpreise 2018, 2019 und 2020 nicht auf den gleichen Erwägungen beruhen muss, wird aus den in den Screenshots verwendeten Begriffen „Tax“ und „Fees“ in Zusammenhang mit dem Begriff „Fare“ nicht von sich aus klar, für welche Kostenpositionen diese jeweils stehen. Die Parteien streiten sich darum, ob in „Fees“ auch die Flughafenentgelte enthalten sind oder nur „Sonderpreise“ wie der Aufpreis für Gepäck. Angesichts der von der Klägerin selbst dargelegten Flughafenentgelte von z.B. 20,15 € und 0,73 € für den Flughafen München wäre es sehr verwunderlich, dass die in der zweiten Buchung auf S. 4 des Schriftsatzes ersichtliche „Fee“ von exakt 20 € einem Flughafenentgelt entsprechen würde. Angesichts einer „Fare“ von 102,18 € könnten die Entgelte auch dort zumindest teilweise einkalkuliert sein. Die Beklagte behauptet, die 20 € würden von einer damals erhobenen Gebühr stammen, welche sich auch aus Anlage K441-1 und anderen Anlagen betreffend das Jahr 2018 ergibt. Der Beweiswert dieser Buchungen ist daher sehr gering.
Es ist allgemein bekanntes Wissen, dass Fluggesellschaften ebenso wie andere Erbringer von Transportdienstleistungen für die Buchung gleicher Transportleistungen (mit dem gleichen Flugzeug/Zug) verschiedene Preise verlangen, auch wenn es die gleiche Reiseklasse betrifft. Ein Beispiel hierfür sind die (Super-)Sparpreise der Deutschen Bahn, welche streng kontingentiert sind, sodass nach deren Erschöpfung der Zugreisende den Normalpreis zu bezahlen hat (der bekanntermaßen deutlich über 17,90 €/21,50 € für die zweite Klasse liegt). Auch hier fahren viele Passagiere im gleichen Zug, die allerdings zu erheblich unterschiedlichen Preisen unterwegs sind.
Es ist daher naheliegend, dass die Beklagte, was keine der Parteien vorträgt, für das gleiche Flugzeug verschiedene Buchungsbedingungen anbietet. Die Preisunterschiede zeigen sich auch, dass in Anlage K1 ein Flug nach Edinburgh 125,43 € kostet, in Anlage K3-1/ ein Flug nach – Gatwick (also eine kürzere Strecke) bereits 181,34 €. Dies zeigt deutlich, dass die Beklagte nicht allein die Flugdistanz als Basis ihrer Preise zugrunde legt, sondern eine andere Kalkulation anstellt.
III) Folge all dieser Erwägungen ist aber auch, dass ein weiterer Zahlungsanspruch nicht mehr besteht, da bislang unstreitig die von der Beklagten die von ihr im Rahmen der Flugbuchungen von den Zedenten erhaltene Steuer an die Klägerin ausbezahlt hat. Von der Klägerin wurde dies nicht wirksam bestritten (s.o.).
IV. Mangels eines Hauptanspruchs hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Kosten.
IV. Ein solcher Anspruch besteht ohnehin nicht, da die Klägerin trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht in der Verfügung vom 17.02.2021 keinen Vortrag geleistet hat, dass für jeden hier streitgegenständlichen Zessionsvorgang eine entsprechende gesonderte Beauftragung der Klägervertreterin und eine entsprechende Bezahlung der Klägervertreterin erfolgt ist, obwohl genau dies von der Beklagten bestritten wurde. Die Klägerin hat also weder die Mandatierung der Klägervertreterin für jeden einzelnen Fall vorgetragen noch die Bezahlung der hier geltend gemachten Gebühren.
Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass auf Grund der erheblichen Zweifel der Beklagten an einer entsprechenden Beauftragung das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Klägervertreterin offen zu legen sein wird. Auch dies ist bislang nicht erfolgt. Ein Schaden der Klägerin, welcher im Rahmen von §§ 280, 286 BGB zu ersetzen wäre, besteht nämlich nur in der Höhe, wie er sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Klägervertreterin und den daraus resultierenden Ansprüchen der Klägervertreterin gegen die Klägerin ergibt. Dies gilt auch im Rahmen eines Freistellungsantrags. Insoweit ist der Verweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 2018, 1251) zu kurz gegriffen. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung nämlich davon aus, dass (wie in den üblichen Fällen) eine entsprechende Beauftragung des Rechtsanwalts auch für den jeweiligen Fall erfolgt ist. Wie bereits beim Anspruch auf Erstattung der Flughafenentgelte ersetzt die Äußerung einer Rechtsmeinung gerade nicht den substantiierten Tatsachenvortrag.
Im Falle vom sogenannten Masseninkasso liegt die Sache nämlich anders als im „Normalfall“ des rechtssuchenden Mandanten. Auch wenn man der Klägerin und der Klägervertreterin nicht den Vorwurf des Betrugs machen möchte, ergibt sich aus dem BGH-Urteil vom 14.03.2019 (Az. 4 StR 426/18, NJW 2019, 1759) in Rn. 20 ein wichtiger, vom BGH auch in Zivilsachen entschiedener (NJW 2015, 3793 – Rn. 20) wesentlicher Gesichtspunkt: Maßgeblich für die Bestimmung der Gebühr ist nicht die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen, sondern der Inhalt des ihm erteilten Auftrags. Dazu bedarf es nach der zitierten Entscheidung des BGH nicht nur der Feststellung einer Beauftragung des Rechtsanwalts zu einer außergerichtlichen Tätigkeit (Rn. 22), mithin eines einzelnen Mandatsvertrags der Klägervertreterin für jeden hier streitgegenständlichen Fall. Darüber hinaus bedarf es auch eines tatsächlichen Tätigwerdens der Klägervertreterin, d. h. zur rechtmäßigen Erlangung einer 1,3-Gebühr auch eines hinreichenden rechtlichen Tätigwerdens (Rn. 24/25).
Vorliegend handelt es sich, wie im vom BGH entschiedenen Fall, um standardisierte Formularschreiben, die deutlich erkennbar unter Verwendung elektronischer Datensätze automatisch erstellt wurden. Die Unterschrift auf dem hier vorliegenden Schreiben ist ersichtlich eingescannt (sofern überhaupt unterschrieben wurde, z.B. Anlage K441-4). Es ist aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass die Klägervertreterin in einer Vielzahl von Fällen für die Klägerin tätig wurde und es ist kaum glaubhaft, dass sie innerhalb kürzester Zeit die Schreiben erstellt und handschriftlich unterschreibt. Die Schreiben verweisen darüber hinaus auf stets den gleichen Sachverhalt und auf die stets gleiche, hinreichend bekannte Rechtsprechung der BGH und des EuGH zur Erstattung von Steuern, Gebühren und Zuschlägen bei nicht angetretenen Flügen.
Nachdem die Klägervertreterin die Rückerstattung nicht auf ihr Konto, sondern auf das Konto der Klägerin verlangt, wäre also die Überwachung der eingehenden Zahlungen gar nicht von der Klägervertreterin vorzunehmen, sondern von der Klägerin selber (BGH a.a.O., Rn. 25). Nach dem Inhalt der Schreiben der Klägervertreterin betrifft dies auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Mit welcher Begründung diese allerdings an die Klägerin bezahlt werden sollen, wird vorliegend nicht dargestellt. Diese müssten nur dann an die Klägerin (!) bezahlt werden, wenn der Klägerin insoweit ein Schaden entstanden wäre, d.h. die Klägerin einen entsprechenden Betrag tatsächlich auch an die Klägervertreterin bezahlt worden hätte. Trotz Aufforderung durch das Gericht trägt die Klägerin dazu nichts vor, was durchaus den Schluss zulässt, die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts an die Klägervertreterin bezahlt. Dann aber dürfte die Klägerin nicht hauptsächlich Zahlung, sondern nur den hilfsweise gestellten Freistellungsanspruch geltend machen. Ausführungen dazu tätigt die Klägerin trotz Hinweises des Gerichts nicht.
Angesichts des zeitlichen Ablaufs eines anwaltlichen Mahnschreibens ca. zwei Wochen nach Abtretung der Forderung an die Klägerin und elektronischem Versand eines Aufforderungsschreibens der Klägerin erscheint es unwahrscheinlich, dass die Klägerin bei einem Erstattungsbetrag von 35,10 € mit einem Anwaltshonorar von 83,54 € in Vorleistung geht (z.B. Anlage K1). Vielmehr liegt es nahe, dass die Klägerin mit der Klägervertreterin eine abweichende Vereinbarung für die Honorierung der Tätigkeiten der Klägervertreterin getroffen hat. Dies ist sicherlich nicht illegal, beschränkt aber den tatsächlich bei der Klägerin entstandenen Schaden. Solange die Klägerin dies aber nicht offenlegt, kann der Schaden von vorneherein nicht bestimmt werden.
IV. Darüber hinaus erfolgte unstreitig (s.o. Ziff. III.3.c)) eine Zahlung der hier allein geschuldeten Beträge (s.o. Ziff. III.3.a)) bereits vor der (angeblichen) Beauftragung der Klägervertreterin (zu einem Zeitpunkt, der immer noch offen bleibt), sodass eine Verzugslage bei Beauftragung der Klägervertreterin ohnehin nicht vorlag.
V. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert folgt den Angaben der Klägerin.


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