Europarecht

Höhe der Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung

Aktenzeichen  S 1 U 5025/16

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 5a, § 150 Abs. 1 S. 2, § 152 Abs. 1 S. 1, § 168 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Zuordnung von Unternehmen zu einer bestimmten Risikogruppe kann nur dann als eigenständige Unternehmensart erfolgen, wenn die zugehörigen Unternehmen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine für diese Risikogruppe typische Unfalllast nach unfallmathematischen Grundsätzen berechnen lässt.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gesichtspunkt eines schwachen forstwirtschaftlichen Ertrags ist aufgrund der erforderlichen Zuordnung eines Unternehmens nach Unternehmensarten nicht geeignet, im Rahmen dieser Systementscheidung eine eigene Produktionsgruppe zu bilden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage gegen den Bescheid vom 24. August 2015 in Form des Teilabhilfebescheides vom 26. Februar 2016 sowie gegen den Bescheid vom 11. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016 wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III.
Der Streitwert beträgt 2.696,63 €.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Beitragsbescheid der Beklagten vom 24. August 2015 in Form des Teilabhilfebescheides vom 26. Februar 2016 und der Ablehnungsbescheid vom 11. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2016, mit denen die Beklagte es ablehnte, den angefochtenen Beitragsbescheid aufzuheben und dem Antrag des Klägers auf Beitragsermäßigung zu entsprechen. Die Entscheidungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Auf die Begründungen im Widerspruchsbescheid kann gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen werden, ebenso auf die Ausführungen der Beklagten im Klageverfahren. Das Gericht sieht sich noch zu folgenden Ausführungen veranlasst.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Reduzierung der geltend gemachten Beitragsforderung der Beklagten. Das Gericht vermag keine hinreichenden Anhaltspunkte zu erkennen, dass die konkrete Berechnung der Höhe der von der Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachten Beitragsforderung nicht den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) und der Satzung der Beklagten (Fassung des 9. Nachtrages vom 26. November 2015 – Satzung -) entsprechen würde. Das Gericht teilt auch nicht die vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu beachten sind hierbei auch Umfang und Grenzen der Satzungsautonomie der Beklagten. Eine gerichtliche Überprüfung der Regelungen einer Satzung beschränkt sich insofern darauf, ob sich die Satzung in dem von der Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Rahmen bewegt und auch sonst mit höherrangigem Recht vereinbar ist (BSG, Urteil vom 20. Februar 2001, Az.: B 2 U 2/00 R; BSGE 78, 255). Diese Überprüfung ergibt, dass die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten rechtmäßig sind.
Ein wie der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII versicherter landwirtschaftlicher Unternehmer ist verpflichtet, Unfallversicherungsbeiträge zu leisten (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), die nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, durch Bescheid im Wege der Umlage festgesetzt werden (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; § 168 Abs. 1 SGB VII). Die Zuständigkeit der Beklagten erstreckt sich gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII neben der Landwirtschaft, die den Boden bewirtschaftende Tätigkeiten umfasst, auch auf Unternehmen der Forstwirtschaft mit planmäßigem Anbau und Abschlag von Holz. Der Kläger verfügt über 412,69 ha Forst, 58,97 ha Ackerflächen, wobei 0,21 ha als aus der Produktion genommene Flächen (Stilllegung/Pflege) gelten, außerdem über eine Fläche von 1,11 ha Grünland.
Die Beitragsberechnung erfolgt in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach den besonderen Vorschriften der §§ 182 f. SGB VII. Die allgemeinen Berechnungsmaßstäbe, die für die gewerbliche Unfallversicherung gelten, sind wegen der Besonderheiten bei den land- und forstwirtschaftlichen Betriebs- und Einkommensverhältnissen nur bedingt anwendbar. Die Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus § 182 SGB VII iVm der Satzung der Beklagten, der ein weiter Satzungsspielraum, auch mit Praktikabilitätserwägungen, eingeräumt wird (BSGE 68, 111; 73, 53; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2016, Az.: L 2 U 394/15; KassKomm-Ricke, SGB VII, § 182 RdNr. 2). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind alternativ das Umlagesoll, der Flächenwert, der Arbeitsbedarf, der Arbeitswert oder ein anderer vergleichbarer Maßstab (§ 182 Abs. 2 Satz 1 SGB VII iVm Abs. 4 bis 7). Die Satzung hat bei der Festlegung der Berechnungsgrundlagen die Unfallrisiken in den Unternehmen insbesondere durch die Bildung von Risikogruppen ausreichend zu berücksichtigen, sie kann hierzu einen Gefahrtarif aufstellen. Ein angemessener solidarischer Ausgleich ist sicherzustellen. Die Satzung kann Mindest- oder Grundbeiträge festlegen (§ 182 Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB VII). Ein weiter Gestaltungsspielraum soll dem Gedanken der Differenzierung nach Gefährdungsrisiken in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung deutlich weniger Gewicht beimessen als in der gewerblichen Unfallversicherung (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 182 Anm. 2 mwN).
Beim Maßstab des Arbeitsbedarfs (§ 182 Abs. 5 SGB VII) wird auf das Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen menschlichen Arbeit abgestellt. Der Arbeitsbedarf wird unter Berücksichtigung der jeweiligen Kulturarten, d. h. Produktionsverfahren, regelmäßig unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Beratung abgeschätzt, das Ergebnis in Berechnungseinheiten (BER) oder Arbeitstagen ausgedrückt und im sog. Abschätzungstarif zusammengestellt. Die im Abschätzungstarif zusammengefassten Werte stellen auf die Produktionsverfahren ab, wobei die Größenverhältnisse berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Arten der Flächennutzung werden berücksichtigt. Je nach Produktionsverfahren ist ein einheitlicher Ansatz von Arbeitseinheiten möglich. Regelmäßig werden Basiswerte festgelegt, die in Abhängigkeit z. B. von Flächenbestandsgrößen einer Degression unterzogen werden. Zur Ermittlung des Gesamtarbeitsbedarfs werden die für die einzelnen Produktionsverfahren errechneten Arbeitseinheiten addiert. Mit dem Tatbestandsmerkmal des Durchschnittsmaßstabs in § 182 Abs. 5 Satz 1 SGB VII muss die Satzung für die Feststellung des Arbeitsbedarfs einen objektiven Maßstab vorgeben, der sich schematisierend in einem betriebsnotwendigen Arbeitsbedarf ausdrückt (BSGE 73, 253). Abgestellt wird auf standardisierte Arbeitsbedarfswerte, wobei wegen der mit dem einheitlichen Abschätzungstarif einhergehenden Typisierung nach dem Durchschnittsmaß gewisse Härten hinzunehmen sind. Gemäß § 182 Abs. 5 Satz 2 SGB VII sind die Einzelheiten der Satzungsregelung überlassen (Lauterbach/Roßkopf, UV-SGB VII, § 182 Rdnr. 17 f., 53 mwN). §§ 39 bis 57 der Satzung beinhalten entsprechende Regelungen zur Aufbringung der Beitragsmittel.
Die Beklagte hat mit den einzelnen Satzungsbestimmungen den vom Gesetzgeber eröffneten Gestaltungsspielraum rechtskonform umgesetzt. Gemäß § 40 Abs. 1 der Satzung werden die Beiträge für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft nach dem Arbeitsbedarf als Abschätztarif berechnet. Bei Unternehmen der Bodenbewirtschaftung und der Forstwirtschaft ist die Bemessungsgrundlage die Fläche in Hektar (§ 41 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Zur Ermittlung der einzelnen BER je Produktionsverfahren wird die Menge (z. B. Anzahl der Hektar) mit der für das jeweilige Produktionsverfahren geltenden BER je Einheit multipliziert und auf vier Dezimalstellen gerundet. Die BER je Einheit ergibt sich, indem die Menge mit dem festgesetzten Degressionsfaktor unter Berücksichtigung der festgesetzten Degressionsbereiche potenziert und das Ergebnis mit dem für das Produktionsverfahren festgesetzten Basiswert multipliziert wird (Anlage 1 zu § 41 der Satzung).
Zur Berücksichtigung des Unfallrisikos werden Risikogruppen gebildet, die Zuordnung erfolgt auf der Grundlage der Produktionsverfahren (§ 47 der Satzung). Der Beitrag berechnet sich aus der der Summe der Einzelbeiträge je Produktionsverfahren (Mulitplikation der BER mit Hebesatz, Risikogruppenfaktor und Risikofaktor Produktionsverfahren) zuzüglich des Grundbeitrags (§ 49 der Satzung). Eine Härtefallregelung beinhaltet § 49 a der Satzung, der eine Begrenzung einer Erhöhung auf 70% vorsieht, sofern nach erfolgter Beitragsangleichung gemäß § 221b SGB VII der Beitrag mindestens 300 € beträgt und 70% des Vorjahresbeitrages übersteigt. § 49 b der Satzung regelt die verursachergerechte Zuordnung der Produktionsverfahren, § 50 der Satzung die Berechnung der Risikofaktoren Produktionsverfahren, wonach das Beitragsaufkommen eines Produktionsverfahrens nach Abschluss des solidarischen Ausgleichs einer Risikogruppe durch das Beitragsaufkommen dieses Produktionsverfahrens vor Durchführung des solidarischen Ausgleichs dividiert wird. §§ 56, 57 der Satzung enthalten die Vorgaben des solidarischen Ausgleichs zwischen und innerhalb der Risikogruppen.
Typisierende und pauschalierende Regelungen, wie sie die Beklagte hier vorgenommen hat, sind bei der Ordnung einer Vielzahl von Fällen notwendig und deshalb hinzunehmen, auch wenn sie erhebliche Beitragssteigerungen zur Folge haben. Sogar ein erheblicher Sprung in der Beitragsbelastung von 100% gegenüber dem Vorjahr wurde als zumutbar gewertet (Sozialgericht Köln, Urteil vom 12. November 2007, Az.: S 18 U 140/07; vgl. Lauterbach/Roßkopf, aaO, mwN). Auch ein sehr deutlicher Beitragsanstieg hat jedenfalls entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass die Beitragserhebung rechtswidrig ist. Eine Härteklausel ist nur erforderlich, damit offensichtlich unbillige Ergebnisse abgemildert werden können. Hier ist zu berücksichtigen, dass bereits für den Übergangszeitraum der Umlagejahre 2013 bis 2017 Beitragsänderungen, die die Vereinheitlichung des Beitragsmaßstabes verursachte, durch einen Angleichungssatz abgemildert sind (§ 221 b Abs. 1 bis 3 SGB VII). Der Auffassung, ein typisierender bzw. pauschalierender Beitragsmaßstab erfordere stets eine Härteklausel, erteilt die Rechtsprechung ohnehin eine klare Absage (BSGE 54, 232; Lauterbach/Roßkopf, aaO, Rdnr. 53). Dessen ungeachtet greift die hier vorliegende Härtefallregelung (§ 49 a der Satzung) nicht ein. Die Voraussetzung, dass der Beitrag (2014) den Vorjahresbeitrag (2013) um mehr als 70% übersteigt, ist nicht gegeben.
Die hier einschlägigen Vorschriften beachten den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit hinreichend. Im Sozialversicherungsrecht können nicht, wie der Kläger meint, steuerrechtliche Regeln unmittelbar herangezogen werden. Das Äquivalenzprinzip, wonach Beiträge nicht beliebig festgesetzt werden dürfen, sondern in einem angemessenen Verhältnis zu der dafür gewährten Leistung stehen müssen, gilt für das Sozialversicherungsrecht nur mit Einschränkungen. Im Vordergrund steht hier bei angemessenem Verhältnis zwischen Versicherungsbeitrag und versichertem Risiko der soziale Ausgleich, nicht die Abgeltung individueller Ansprüche (vgl. Lauterbach/Roßkopf, aaO, RdNr. 56 mwN). Die Auffassung des Klägers, ein solidarischer Ausgleich entspreche nicht der Intention der gesetzlichen Unfallversicherung, trifft nicht zu.
Der Kläger gibt an, eine Subventionierung von Risikogruppen durch andere Risikogruppen sei grundsätzlich unzulässig, wobei er offenbar die Regelungen des solidarischen Ausgleichs innerhalb der Risikogruppen in § 57 der Satzung anspricht, die aber für die verträgliche Ausgestaltung eines Sozialversicherungssystems wie der gesetzlichen Unfallversicherung geradezu typisch sind. Die Satzungsbestimmungen der Beklagten, die einen solidarischen Ausgleich innerhalb und zwischen den Risikogruppen vorsehen, beinhalten dieses Prinzip in einer vom Gesetzgeber eingeräumten und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise, indem die Reduzierung oder Erhöhung eines Risikogruppenfaktors durch die Umlageberechnung auf 20% begrenzt und Über- und Unterdeckungen auf die anderen Risikogruppen verteilt wird. Innerhalb einer Risikogruppe werden Beitragsunter- und -überdeckungen der Produktionsverfahren nach Durchführung des solidarischen Ausgleichs auf 20% begrenzt (§ 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1 der Satzung). Eine Verteilung der Beitragslast je nach erzielten oder zu erwartenden Erträgen oder auch die Berücksichtigung von weiteren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen bzw. Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge), wie der Kläger dies fordert, wäre mit der gesetzgeberischen Absicht eines solidarischen Ausgleichs nicht vereinbar. Sie würde sich auch nicht am Unfallrisiko orientieren. Nicht maßgebend für die Beitragshöhe ist entgegen der Argumentation des Klägers der jeweilige wirtschaftliche Zustand, der keinen wesentlichen Einfluss auf das Unfallrisiko hat. Deshalb kann der Hinweis des Klägers, der Forst K. sei in den untersten Bereich der Bodenverhältnisse benachteiligter Gebiete eingeordnet, und es würde von einer für den Holzwuchs sich ergebenden Gesamtfläche von 412,69 ha eine Fläche mit forstwirtschaftlichem Ertrag von 288,12 ha verbleiben, nicht anspruchsbegründend relevant sein.
Die in § 47 Abs. 2 der Satzung gebildete Risikogruppe Forst erfordert keine, wie sie der Kläger offenbar wünscht, weitere Differenzierung. Die Zuordnung von Unternehmen zu einer bestimmten Risikogruppe kann nur dann als eigenständige Unternehmensart erfolgen, sofern die zugehörigen Unternehmen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine für diese Risikogruppe typische Unfalllast nach unfallmathematischen Grundsätzen berechnen lässt (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. August 2016, Az.: L 6 U 149/12). Der Gesichtspunkt eines schwachen forstwirtschaftlichen Ertrags ist aufgrund der erforderlichen Zuordnung eines Unternehmens nach Unternehmensarten nicht geeignet, im Rahmen dieser Systementscheidung eine eigene Produktionsgruppe zu bilden. Jedenfalls ist die Bildung der Risikogruppe Forst ohne weitere Differenzierung nicht ermessensfehlerhaft.
Auch die Erhebung eines Grundbeitrages gemäß § 182 Abs. 2 Satz 4 SGB VII iVm § 46 der Satzung ist nicht zu beanstanden. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 der Satzung werden gestaffelt mindestens 87,5 und höchstens 350 BER Kosten berücksichtigt, die mit der Durchführung der Versicherung verbunden sind. Ein gewisses Grundunfallrisiko soll über diesen Grundbeitrag abgedeckt werden. Eine Beitragsgestaltung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, mit einem die durchschnittlichen Verwaltungskosten und ein allgemeines Grundunfallrisiko abdeckenden Grundbeitrag und einem das spezielle Unfallrisiko abbildenden Flächenwertbeitrag, ist rechtmäßig. Gestaffelte Grund- und/oder Mindestbeiträge sind zulässig (Lauterbach/Roßkopf, aaO, Rdnr. 49). Die rechtlichen Bedenken des Klägers sind auch diesbezüglich unbegründet.
Ein Ansatz von 4 Efm/ha ist zulässig. Nach der Anlage 1 zu § 41 Abs. 1 der Satzung ist mindestens ein Hiebsatz von 4 Efm/ha zugrunde zu legen. Das vom Kläger zitierte forstliche Betriebsgutachten, welches für den Forst K. einen Höchstsatz von 3,9 Efm/ha zu Grunde legt, hat hierauf keinen Einfluss. Entsprechend den Regelungen zum Grundbeitrag ist es nicht rechtswidrig, hier eine Mindestzahl von Efm/ha festzulegen, um Risiken abzudecken, die im selben Maße bei einer Ernte mit geringen und wie größerem Ausmaß anfallen können, z. B. das Wegerisiko. Ebenso kann Verwaltungsarbeit berücksichtigt werden, deren Umfang nicht direkt mit der Anzahl der Efm/ha korreliert.
Auch mit Blick auf Grundrechte von Unternehmern ist die Satzung entgegen der Klagebegründung nicht zu beanstanden. Angesichts der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in einem öffentlich-rechtlichen Verband, die deren wirtschaftliche Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, liegt in der Anordnung oder Erhöhung von Beitragspflichten zwar grundsätzlich ein Eingriff in das von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die unternehmerische Handlungsfreiheit allerdings nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung. Das Grundrecht kann grundsätzlich durch einfaches Recht einschließlich der untergesetzlichen Normen eingeschränkt werden; eine Eingriffsnorm muss (nur) die Voraussetzungen und den Umfang des Eingriffs hinreichend klar beschreiben und verhältnismäßig sein, d. h. einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen. Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein wichtiges Anliegen, das einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmer durch Erhebung von Beiträgen grundsätzlich rechtfertigt. Die Beklagte ist deshalb, wie oben ausgeführt, berechtigt, durch Satzung die Arbeitsbedarfswerte festzusetzen und auch die Beitragsgestaltung unter Beachtung der Grundsätze von § 182 SGB VII zu regeln (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2013, Az.: B 2 U 8/12 R; Sächsisches Landessozialgericht, aaO). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist schon deshalb nicht verletzt, weil für die Bildung der einzelnen Produktionsarten keine sachfremden bzw. willkürliche, sondern sachlich begründbare Erwägungen zugrunde liegen. Auch ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Selbst wenn ein Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht aufrecht erhalten bleibt, kann einer daraus folgenden Beitragspflicht nicht entgegengehalten werden, sie wirke erdrosselnd oder konfiskatorisch (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, Az.: B 2 U 43/03 R). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot sind nicht deshalb verletzt, weil bei der Beitragsberechnung nicht andere Kosten wie Grundsteuer, Beiträge zum Wasser und Bodenverband, Kosten der Haftpflichtversicherung und die Verkehrssicherungspflicht an öffentlichen Wegen und notwendige Bekämpfungsmaßnahmen gegen Waldschädlinge, berücksichtigt werden. Eine entsprechende Rechtsgrundlage existiert nicht.
Der Kläger meint, der Vorschlag des Gutachters Prof. Dr. B. sei unkritisch übernommen worden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entscheidungen der Beklagten selbst dann nicht erfolgreich anzufechten wären, wenn hier das Zustandekommen der BER unter Heranziehung des Gutachtens nicht in einer vollends nachvollziehbaren Art dargestellt wäre. Zum einen ist zu beachten, dass § 182 Abs. 5 SGB VII keine dezidierte Berechnung der Arbeitsbedarfswerte fordert, vielmehr, wie oben dargestellt, der Arbeitsbedarf nach dem Durchschnittsmaß der für die Unternehmen erforderlichen menschlichen Arbeit unter Berücksichtigung der Kulturarten geschätzt wird. Zum anderen kann es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4. Dezember 2007, Az.: B 2 U 36/06 R) aus zwingenden Gründen geboten sein, sogar – hier nicht anzunehmende – gesetzes- oder verfassungswidrige Vorschriften einer Satzung ausnahmsweise weiter anzuwenden. Dies gilt insbesondere, wenn die Nichtanwendung der Satzung, insbesondere auf in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Sachverhalte, zu untragbaren Ergebnissen führen würde, die von der gesetzes- und verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt sind als ein Zustand, bei dem es dem Normunterworfenen zugemutet wird, die Anwendung einer rechtswidrigen Norm für eine begrenzte Zeit hinzunehmen. Daher wäre die Satzung, selbst wenn eine Rechtswidrigkeit von Vorschriften unterstellt würde, gleichwohl anzuwenden. Die besonders relevanten haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen im Beitragsrecht der Sozialversicherung machen praktisch eine Rückabwicklung aller betroffenen Rechtsverhältnisse unmöglich, die Haushaltsrisiken würden unkalkulierbar bis hin zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsträgers (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. August 2016, Az.: L 6 U 149/12, mwN).
Die Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Beitragsermäßigung liegen vor. Gemäß § 183 Abs. 3 SGB VII wird landwirtschaftlichen Unternehmern, für die versicherungsfreie Personen oder Personen tätig sind, die infolge dieser Tätigkeit bei einem anderen Unfallversicherungsträger als einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versichert sind, auf Antrag eine Beitragsermäßigung bewilligt (Satz 1). Das Nähere bestimmt die Satzung (Satz 2). Nach § 53 der Satzung bestimmt sich die Beitragsermäßigung nach dem Verhältnis der Arbeitstage der versicherungsfreien Personen oder Personen, die als Folge dieser Tätigkeit bei einem anderen Unfallversicherungsträger als der Beklagten versichert sind, zu den Arbeitstagen der für das Unternehmen tätigen und bei der Beklagten versicherten Personen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Im Unternehmen des Klägers sind keine versicherungsfreien Personen oder Personen tätig, die als Beschäftigte eines anderen Unternehmens bereits bei einem anderen Unfallversicherungsträger versichert sind. Die Beklagte ist auch nicht befugt, in der Satzung den Anwendungsbereich des § 183 Abs. 3 SGB VII zu modifizieren (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014, Az.: B 2 U 12/13 R).
Für die Feststellung der Beitragshöhe ist gerade auch nicht von Bedeutung, dass der Kläger nach seinem Vorbringen keine Mitarbeiter beschäftigt und die Waldpflege, Wiederanpflanzungen, Holzeinschlag und Holzabfuhr durch fremde Firmen vornehmen lässt. Dies gilt auch im Hinblick auf seine Argumentation, der Verkauf von Holz erfolge auf dem Stock“ und der Käufer sei für den Einschlag und den Abtransport zuständig. Der Kläger meint, bei dem von ihm praktizierten Verkauf „auf dem Stock“ gehe die Gefahr und die Haftung für etwaige Unfälle spätestens mit dem Beginn des Einschlags auf den Holzkäufer und je nach Vertragsgestaltung des Holzkäufers auf das Holzeinschlag und auf den Transporteur über, und erwartet somit eine Entlastung seinerseits, eine entsprechende Belastung des Lohnunternehmers andererseits. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass eine typisierende Regelung nicht die jeweils konkrete Bewirtschaftung berücksichtigen kann. Unzutreffend ist aber zum anderen jedenfalls die Auffassung, Waldeigentümer würden Kosten und Risiken von Lohnunternehmen tragen. Die Lohnunternehmer werden nicht willkürlich zur Finanzierung lediglich der zusätzlichen Risiken herangezogen, welche durch die Beiträge der land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer noch nicht erfasst sind, wie z. B. das Wegerisiko, das Risiko beim Umgang mit Maschinen und das Wartungsrisiko. Das Sozialgericht Münster weist hier zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung des Satzungsgebers, ein Unternehmer solle auch dann am Unfallrisiko beteiligt werden, wenn er sich bei der Bewirtschaftung seines Forstes Lohnunternehmern bedient, keinen Bedenken begegnet, weil der Unternehmer auch den wirtschaftlichen Nutzen aus seiner Fläche ziehen kann (Urteil vom 25. Januar 2016, Az.: S 3 U 230/12). Eine Regelung, wie der Kläger sie sich vorstellt, würde die Lohnunternehmer unverhältnismäßig belasten und die Unternehmer dementsprechend entlasten. Zu beachten ist hierbei auch das System der im Wesentlichen flächenbezogenen Beitragsmaßstäbe, welches durch eine Abwälzung von Risiken auf den Lohnunternehmer aufgeweicht würde. Der Gesetzgeber bringt auch in § 183 Abs. 3 Satz 1 SGB VII, der unter bestimmten Umständen Beitragsermäßigung vorsieht, zum Ausdruck, dass zuvörderst der landwirtschaftliche Unternehmer, und zwar unabhängig von der Zahl von versicherten Personen, das Versicherungsrisiko tragen soll. Denn nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nämlich eines Tätigwerdens versicherungsfreier Personen oder von Personen, die nicht der Versicherung der Beklagten zuzuordnen sind, soll einem geringeren Entschädigungsrisiko Rechnung getragen werden (vgl. Lauterbach/Roßkopf, aaO, § 183 RdNr. 11).
Bei einer Änderung der Grundlagen für die Beitragsbemessung ist zwischen Veranlagungs- und Beitragsbemessung zu unterscheiden. Das SG wies im Urteil vom 30. April 2014, Az.: S 1 U 5039/13, darauf hin, dass dem Unternehmer eine Prüfung der wesentlichen Grundlagen und des Ergebnisses der Abschätzung jeweils für die Veranlagung möglich sein muss und deshalb in einem Bescheid die Größe und die Beschaffenheit des Unternehmens bzw. die wesentlichen Grundlagen der Veranlagung anzugeben sind. Allerdings hat das Bayerische Landessozialgericht ausgeführt, ausreichend für eine Veranlagung sei, wenn im Beitragsbescheid nicht nur die Beitragshöhe genannt ist, sondern die Beitragsberechnung (nach Arbeitsbedarf und Flächenwert bzw. Berechnungswert bezogen auf den Betriebssitz) in einer Anlage beschrieben wird (Urteil vom 17. Dezember 2014, Az.: L 2 U 448/12). Auch erfordere das Bestimmtheitsgebot, das das SG München in diesen Fällen verletzt sah (Urteil vom 18. September 2015, Az.: S 1 U 5041/15) keine Trennung in jeweils einen Veranlagungs- und einen Beitragsbescheid (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2016, Az.: L 2 U 394/15). Das Bayerische Landessozialgericht empfiehlt in der Berufungsentscheidung zum Urteil des SG München vom 18. September 2015 (Az.: S 1 U 5041/15), im Verfügungssatz auf die Veranlagung hinzuweisen, um so die verschiedenen Regelungsgegenstände – Veranlagung und Beitragsfestsetzung – zu verdeutlichen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2016, Az.: L 2 U 394/15). Allerdings wurde im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit eines einheitlichen Beitragsberechnungsbescheides in der land- und forstwirtschaftlichen Unfallversicherung, der neben der Festsetzung der Beitragsforderung auch – hier im Rahmen einer umfassenden Anlage – eine Veranlagung im Sinne des § 182 Abs. 5 S. 1 und S. 3 in Verbindung mit § 159 SGB VII enthält, die Revision zugelassen. Von dieser Zulassung wurde jedoch nicht Gebrauch gemacht, eine höchstrichterliche Aussage zu dieser Frage steht somit noch aus. Das SG sieht sich gegenwärtig an die Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts gebunden.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG deren Höhe maßgebend. Als Streitwert wurde der für das streitbetroffene Umlagejahr 2014 insgesamt berechnete Beitrag von 2.696,63 € festgesetzt.


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