Europarecht

Inkassodienstleistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes

Aktenzeichen  37 O 18934/17

Datum:
7.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2020, 507
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RDG § 1 Abs. 1, Abs. 3, § 3, § 4, § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 134, § 138, § 410
AEUV Art. 101
ZPO § 32, § 142 Abs. 1
BRAO § 49b Abs. 2 S. 2
GWB § 33g Abs. 2, § 89b Abs. 3 S. 1
UKlaG § 2b
EuGWO Art. 29
GmbHG § 3, § 75, § 77
UWG § 8 Abs. 4 S. 1
RDGEG § 4 Abs. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Ein Erlaubnistatbestand des RDG ist für die mit der “fiduziarischen Inkassozession” intendierte gebündelte Durchsetzung einer Vielzahl äußerst heterogener Ansprüche mit einer Vergütung der Klagepartei auf Basis einer Erfolgsbeteiligung unter Einbeziehung eines dritten Prozessfinanzierers nicht erfüllt.  (Rn. 101)
2. Die Vertragspflichten der Klagepartei gegenüber ihren Kunden sind im vorliegenden Fall keine Inkassodienstleistung im Sinne des RDG. Gemessen an einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung sind die Vertragspflichten der Klägerin von vorneherein ausschließlich auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gerichtet. Es liegt daher ein Verstoß gegen § 3 RDG vor. (Rn. 117 – 133)
3. Unerlaubt ist die Rechtsdienstleistung zudem gemäß § 4 RDG, da ihre Erfüllung durch andere Leistungspflichten der Klagepartei unmittelbar beeinflusst und gefährdet wird. Eine solche Beeinflussung und Gefährdung der ordnungsgemäßen Erfüllung einer anderen Leistungspflicht liegt hier vor – sowohl im Verhältnis der Klagepartei zu ihren jeweils einzelnen Kunden als auch im Verhältnis der Klagepartei zu ihren Kunden einerseits und dem Prozessfinanzierer andererseits. Dabei ist auch die Leistungspflicht der Klagepartei gegenüber dem Prozessfinanzierer im Verhältnis zur Leistungspflicht der Klagepartei gegenüber ihren Kunden eine “andere Leistungspflicht” im Sinne des § 4 RDG. Es handelt sich hier um zwei unterschiedliche Leistungspflichten aus getrennten Vertragsverhältnissen mit jeweils unterschiedlichen Personen. (Rn. 134 – 151)
4. Die Abtretungen an die Klagepartei sind gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 3 und § 4 RDG nichtig. Das Vorhandensein einer Registrierung gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG steht der Nichtigkeitsfolge nicht entgegen. (Rn. 152 – 164)
5. Auch die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des RDG und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klagepartei sowie der Eigentumsgarantie ihrer Kunden führt zu einer Bewertung der Dienstleistung als verbotene Rechtsdienstleistung und zur Nichtigkeit der Abtretungen. (Rn. 165 – 169)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
I. Die nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 11.12.2019 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Soweit diese Rechtsausführungen enthalten, wurden diese gewürdigt.
II. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 08.01.2020 gab ebenfalls keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Insbesondere war der Klägerin nicht ein richterlicher Hinweis zu erteilen und eine entsprechende Stellungnahmefrist einzuräumen für den Fall, dass die Kammer nach dem Lexfox-Urteil des Bundesgerichtshofs noch Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin haben sollte.
Die Aktivlegitimation der Klägerin war nahezu ausschließlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2019. Die Thematik ist darin über drei Stunden hinweg mit den Parteien ausführlich erörtert worden. Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof in der von der Klägerin zitierten Entscheidung hervorhebt, dass sich für die Beurteilung, ob sich eine Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG hält, keine allgemeinen Maßstäbe aufstellen ließen. Erforderlich sei vielmehr eine am Schutzzweck des RDG orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen (BGH Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, LS b und Rn. 109 f.). Vor diesem Hintergrund waren weder ein gerichtlicher Hinweis noch eine entsprechende Stellungnahmefrist für die Klagepartei veranlasst.
Soweit der Schriftsatz vom 08.01.2020 Rechtsausführungen enthält, wurden diese bei der Entscheidung berücksichtigt.
III. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten zu 3) vom 17.01.2020 gab ebenfalls keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Soweit darin Rechtsausführungen enthalten sind, wurden diese bei der Entscheidung berücksichtigt.
B.
Dem Antrag der Beklagten zu 5), der Klägerin gemäß § 89b Abs. 3 S. 1 GWB aufzugeben, alle Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten bzw. der von ihnen geformten Sozietät sowie zwischen … und /oder … und den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bzw. der von ihnen geformten Sozietät, insbesondere Mandatsvereinbarungen, Engagement Letters oder Kooperationsvereinbarungen vorzulegen, war nicht zu folgen. Gleiches gilt für alle weiteren Offenlegungs- und Auskunftsanträge sowie die Anregungen der Beklagten im Hinblick auf § 142 Abs. 1 ZPO:
Der Rechtsstreit ist insgesamt zur Entscheidung reif, § 300 Abs. 1 ZPO. Einer Vorlage bestimmter Unterlagen bedarf es nicht.
C.
Dem Antrag der Streithelfer …, …, und …, die Verhandlung bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung über die bei dem Gericht der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen T-799/17 anhängige Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. September 2017 in der Sache AT.39824-Trucks auszusetzen, und zwar insgesamt, hilfsweise nach vorheriger Abtrennung gern. §145 ZPO in Bezug auf Ansprüche im Zusammenhang mit Lieferungen von …-Lkws war nicht zu folgen.
Die Anordnung der Aussetzung scheidet vorliegend aus, da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, § 300 Abs. 1 ZPO, ohne dass es auf eine möglicherweise vorgreifliche Kartellbeteiligung HHH hier ankommt. In diesen Fällen darf nicht ausgesetzt werden (Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 148 Rn. 4 m.w.N.).
D.
Soweit die Klägerin Ansprüche der Zedenten Nr. 19, 77, 96, 110, 161, 162, 175, 239, 251, 286, 311, 340, 360, 363, 375, 387, 390, 400, 429, 436, 460, 485, 490, 496, 527, 597, 649, 670, 684, 702, 723, 732, 736, 784, 884, 894, 914, 918, 942, 949, 950, 957, 1.029, 1.047, 1.056, 1.062, 1.124, 1.177, 1.202, 1.204, 1.219, 1.240, 1.270, 1.332, 1.333, 1.368, 1.369, 1.370, 1.387, 1.415, 1.443, 1.470, 1.471, 1.491, 1.534, 1.535, 1.553, 1.634, 1.635, 1.651, 1.660, 1.672, 1.724, 1.756, 1.770, 1.836, 1.844, 1.945, 1.954, 2.049, 2.113, 2.189, 2.191, 2.210, 2.274, 2.308, 2.346, 2.409, 2.426, 2.430, 2.435, 2.438, 2.476, 2.685, 2.812, 2.949, 2.955, 3.123, 3.148, 3.149, 3.189 und 3.190 geltend macht, ist die Klage mangels Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, unzulässig.
Es handelt es sich insoweit um eine unzulässige alternative Klagehäufung. Eine alternative Klagehäufung liegt dann vor, wenn der Kläger nur ein Antrag stellt, diesen aber auf mehrere Klagegründe, etwa auf verschiedene Rechtsgeschäfte stützt (Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 260 Rn. 5 m.w.N.). In diesen Fällen muss die Klagepartei klarstellen, in welchem Eventualverhältnis sie die verschiedenen Ansprüche zur Entscheidung stellen will, Greger, a.a.O.). Dies hat die Klagepartei bei den Ansprüchen, die sie für die o.g. Zedenten geltend macht, nicht hinreichend getan:
Nach Angaben der Klägerin haben die o.g. Zedenten die streitgegenständliche Lkw jedenfalls teilweise „gruppenintern weitergegeben“. In den o.g. Fällen erklärt die Klägerin zwar jeweils „im Hinblick auf die intern weitergegebenen Lkw“, die Ansprüche welches Zedenten sie vorrangig geltend macht und hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Weiterwälzung des erlittenen Kartellschadens zumindest teilweise stattgefunden habe, dass sie zusätzlich die ebenfalls abgetretenen Ansprüche eines anderen Zedenten bzw. Subzedenten geltend mache. In den oben aufgeführten Fällen erklärt die Klägerin aber gleichzeitig, es habe nicht mehr ermittelt werden können, welche Lkw im Einzelnen von der gruppeninternen Weitergabe betroffen seien.
Jedenfalls in diesen Fällen lässt nicht feststellen, für welche konkreten Lkw die Klägerin die Geltendmachung der Ansprüche der verschiedenen Zedenten bzw. Subzedenten in welche konkrete Reihenfolge setzt. Es könnten jeweils sämtliche der von den jeweiligen Zedenten geltend gemachten Schäden aus Lkw-Erwerbsvorgängen, oder nur ein einziger von der gruppeninternen Weitergabe betroffen sein. Insoweit ist die Klage mangels Bestimmtheit unzulässig.
E.
Im Übrigen ist die Klage zulässig. Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Das Landgericht München I ist örtlich zuständig. Die Klägerin ist parteifähig. Darüber hinaus wurde die Klage ordnungsgemäß erhoben. Sie ist weder rechtsmissbräuchlich, noch unbestimmt. Ihr steht auch nicht der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen.
I. Die Klageänderung ist zulässig. Bei der Umstellung von der Feststellungs- auf die Leistungsklage handelt es sich um eine stets zulässige Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO (Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 264 Rn. 4 m.w.N.). Auch im Übrigen ist die Klageänderung zulässig, da sachdienlich, § 263 Alt. 2 ZPO. Der bisherige Streitstoff bleibt eine verwertbare Entscheidungsgrundlage, die Zulassung der Klageänderung fördert die Beilegung des Streits und vermeidet einen neuen Prozess (vgl. Reichold, a.a.O., § 263 Rn. 8 m.w.N.).
II. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht die von der Beklagten zu 2) erhobene Einrede der Schiedsvereinbarung entgegen. Hierzu wäre erforderlich, dass die Beklagte zu 2) die Schiedsabrede, auf die sie sich beruft, konkret bezeichnet (Geimer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 1032 Rn. 1 m.w.N.). Dies hat die Beklagte zu 2) nicht getan. Sie hat sich lediglich darauf beschränkt vorzutragen, es bestehe die Möglichkeit, dass die einzelnen Vertragsbeziehungen, auf denen die streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge beruhten, u.a. vorrangige Schiedsvereinbarungen enthielten. Gemessen an den genannten Maßstäben genügt dies offensichtlich für eine wirksame Einrede der Schiedsvereinbarung nicht.
III. Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Das Landgericht München I ist örtlich zuständig.
1. Im Hinblick auf die Beklagten zu 1), 3) und 4) ergibt sich die internationale und örtliche Zuständigkeit bereits daraus, dass diese rügelos zur Hauptsache mündlich verhandelt haben, § 39 S. 1 ZPO, Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGWO.
2. Das Landgericht München I ist international und örtlich auch im Hinblick auf die Klage gegen die Beklagten zu 2) und zu 5), die die örtliche Zuständigkeit gerügt haben, zuständig:
a) Da die Beklagten zu 2) und zu 5) ihren Sitz im Inland haben, sind im Anwendungsbereich der EuGWO gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGWO die deutschen Gerichte international zuständig. Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts sind zivilrechtliche Streitigkeiten und damit Zivilund Handelssachen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGWO (EuGH, Urt. v. 23.10.2014, C-302/13 -flyLAL-Lithuanian Airlines, juris Rn. 29). Im Übrigen folgt die internationale Zuständigkeit der örtlichen Zuständigkeit gern. § 17 ZPO.
b) Soweit die Klägerin Forderungen ausländischer Zedenten geltend macht, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I aus Art 8 Nr. 1 i.V.m. 4 Abs. 1,62, 63 EuGWO.
aa) Auch wenn die Klägerin und sämtliche Beklagte ihren Sitz im Inland haben, handelt es sich infolge der ausländischen Zedenten um einen Sachverhalt mit Auslandbezug, der den Anwendungsbereich der EuGWO eröffnet (Antomo, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK, ZPO, 34. Edition, 1.9.2019, Art. 1 Brüssel la-VO Rn. 15 m.w.N.). Die erforderliche Auslandsbeziehung besteht auch dann, wenn ein Beklagter in einem Mitgliedstaat wohnt und der Sachverhalt internationale Anknüpfungspunkte der in Art. 7, 8, 10 ff., 17 ff. oder 20 ff. EuGWO bezeichneten Art enthält (Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, Vorbemerkung zu Art. 1 EuGWO Rn. 34). Dies ist vorliegend der Fall. Der Ort, an dem das von der Klägerin behauptete schädigende Ereignis eingetreten ist, ist hier möglicherweise der Sitz der im Ausland ansässigen Zedenten. Damit enthält der Sachverhalt einen internationalen Anknüpfungspunkt der in Art. 7 Nr. 2 EuGWO genannten Art.
bb) Gemäß Art. 8 Nr. 1 EuGWO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.
Dies ist vorliegend der Fall:
Die Beklagten zu 1) und zu 3) haben ihren Sitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sinne der Art. 4 Abs. 1, 62, 63 EuGWO im Zuständigkeitsbezirk des Landgerichts München I. Es besteht darüber hinaus ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Klage gegen diese Beklagten und gegen die übrigen Beklagten. Der Europäische Gerichtshof hat in der Sache CDC Hydrogen Peroxide klargestellt, dass die Zuständigkeitskonzentration des Art. 6 Nr. 1 VO 44/2001 (= Art. 8 Nr. 1 EuGWO) anwendbar ist, wenn Unternehmen, die sich örtlich und zeitlich unterschiedlich an einem in einer Kommissionsentscheidung festgestellten einheitlichen und fortgesetzten Verstoß gegen das unionsrechtliche Kartellverbot beteiligt haben, als Gesamtschuldner auf Schadensersatz verklagt werden (EuGH, Urt. v. 21.05.2015, C-352/13, CDC Hydrogen Peroxide, juris Rn. 33). Wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall stellte die Kommission auch in ihrer Entscheidung vom 19.07.2016 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV fest.
c) Soweit die Klägerin Forderungen inländischer Zedenten geltend macht, folgt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I aus § 32 ZPO.
aa) Insoweit handelt es sich um einen reinen Inlandssachverhalt, sodass Mangels Auslandsbezugs für die Anwendung der EuGWO kein Raum ist.
bb) Gemäß § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Bei Begehungsdelikten ist der Begehungsort sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (sog. Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (sog. Erfolgsort) (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 32 Rn. 19 m.w.N.). Zwar liegt der Ort des Schadenseintritts und damit der Erfolgsort am Sitz der jeweiligen Zedenten (BGH, Bes. v. 27.11.2018, XARZ 321/18 = NJW-RR 2019, 238). Hier ist jedoch ein Handlungsort in München gegeben. Tatort ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Aus der im Kommissionsentscheid beispielhaft beschriebenen Art und Weise des Informationsaustausches ergibt sich jedenfalls in der Gesamtheit, dass in München, am Sitz der am Kartell beteiligten Beklagten zu 1) und zu 3), wesentliche Tatbeiträge für den einheitlichen Kartellverstoß erfolgten: So stellte die Kommission in ihrer Entscheidung vom 19.07.2016 Rn. 55 fest: „Zusätzlich zu diesen Treffen erfolgte ein regelmäßiger Austausch per Telefon und EMail. Die besprochenen Themen erstreckten sich auf technische Themen und Lieferfristen, bis hin zu Preisen (normalerweise zu Bruttopreisen). Häufig tauschten die Beteiligten dieser Austausche, einschließlich der Adressatinnen, wirtschaftlich sensible Informationen wie zum Beispiel Auftragseingänge, Bestände und weitere technische Informationen per E-Mail und Telefon aus.“ Es liegt nahe, dass die Kommunikation per Email und Telefon seitens der Beklagten zu 1) und zu 3) jedenfalls überwiegend von München aus geführt worden ist. Weiter wird in der Entscheidung der Kommission explizit beispielhaft ein Treffen zwischen dem 4. und 5. Juli 2005 in München erwähnt, an dem sowohl nicht leitende Vertreter auf Hauptverwaltungsebene und Arbeitnehmer der deutschen Tochtergesellschaften teilnahmen (Rn. 59). Zudem ist von einer Liste die Rede, deren Inhalt in einer handschriftlichen Notiz eines Arbeitsnehmers von M festgehalten wurde, der auch die die Bruttopreiserhöhung betreffenden Informationen der weiteren Beteiligten direkt von D erhielt. Diese Informationen seien zur Verfügung gestellt worden, nachdem D M angerufen habe, um Einzelheiten zu der nächsten von M durchzuführende Bruttopreiserhöhung zu erfahren (Rn. 60).
Zwar bestimmt sich – wie hier – bei mehreren möglicherweise Haftenden der Gerichtsstand für jeden selbständig, jedoch muss sich jeder Beteiligte auch zuständigkeitsrechtlich die Tatbeiträge der anderen und damit auch deren Handlungsorte zurechnen lassen, sodass ein gemeinsamer Gerichtsstand bei Beteiligung Mehrerer besteht (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 32 Rn. 17 m.w.N.). Es ist daher anerkannt, dass das Gericht am Sitz eines mitbeklagten Kartellmitglieds auch für die übrigen Kartellmitglieder zuständig ist (Schultzky, a.a.O., Rn. 20 „Wettbewerbsbeschränkungen“ m.w.N.). Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I gemäß § 32 ZPO ergibt sich daher auch für die Beklagten zu 2) und zu 5).
cc) Auf die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung zum Ort der unerlaubten Handlung (Urt. v. 21.05.2015, C-352/13, CDC Hydrogen Peroxide, Rn. 56), die zu Art. 5 Nr. 3 der Verordnung 44/2001 (= Art. 7 Nr. 2 EuGWO) ergangen ist, kommt es hier nicht an (a.A. BayObLG, Bes. v. 30.4.2019, 1 AR 30/19, juris Rn. 22, das sich zur Auslegung des § 32 ZPO auf das Urteil in Sachen CDC Hydrogen Peroxide bezieht). Wie ausgeführt, ist Art. 7 Nr. 2 EuGWO Mangels Auslandsbezugs auf reine Inlandssachverhalte bereits nicht anwendbar. Zudem sind keine Gründe für die Übertragung dieser Auslegung und damit für eine Abkehr von der gefestigten Rechtsprechung zu § 32 ZPO (z.B. BGH, Urt. v. 23.10.1979, KZR 21/78 -juris; OLG München, Urt. v. 28.03.1996 U (K) 3424/95 – juris; LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, juris Rn. 86) ersichtlich. Dagegen spricht bereits der wesentlich verschiedene Wortlaut von § 32 ZPO und Art. 7 Nr. 2 EuGWO. Des Weiteren haben die nationalen Gerichtsstandsvorschriften keine europarechtliche Grundlage, aus der sich ein Gebot europarechtskonformer Auslegung ergeben könnte. Zudem gilt der Grundsatz, dass die besonderen Gerichtsstände eng auszulegen sind – ein tragender Gesichtspunkt der EuGH-Entscheidung – nicht im nationalen deutschen Zuständigkeitsrecht. Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Bes. v. 1.12.2016,1-32 SA 43/16, juris Rn. 87) folgt nichts anderes, da das Gericht die enge Auslegung nur für möglich und einen gemeinsamen Gerichtsstand daher nicht für sicher im Sinne einer Zulässigkeitsvoraussetzung für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren erachtet hat.
d) Der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München I steht auch nicht die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 5) getroffene Gerichtsstandsvereinbarung entgegen. In Ziff. IX „Gerichtsstand“ der beispielhaft vorgelegten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern – Neuwagen-Verkaufsbedingungen (Anlage IMAG 10) heißt es:
„1. Für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit Vollkaufleuten einschließlich Wechsel- und Scheckforderungen ist ausschließlicher Gerichtsstand der Sitz des Verkäufers.
2. Der gleiche Gerichtsstand gilt, wenn der Käufer keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Inland verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist. Im übrigen gilt bei Ansprüchen des Verkäufers gegenüber dem Käufer dessen Wohnsitz als Gerichtsstand.“
aa) Soweit die Klägerin Forderungen ausländischer Zedenten geltend macht und insoweit ein Sachverhalt mit Auslandbezug gegeben ist, stehen Gerichtsstandsvereinbarungen mit den einzelnen Zedenten einer örtlichen und internationalen Zuständigkeit des Gerichts nur entgegen, wenn sich aus der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich ergibt, dass kartellrechtliche Schadensersatzansprüche erfasst sind (vgl. EuGH, Urt. v. 21.05.2015, C- 352/13, CDC Hydrogen Peroxide, juris Rn. 68 ff.). Diesen Anforderungen genügt die zitierte Klausel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 5) nicht. Eine ausdrückliche Erwähnung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen findet sich darin nicht.
bb) Soweit die Klägerin Forderungen inländischer Zedenten geltend macht, gilt nichts anderes: Die Gerichtsstandsvereinbarung genügt nicht den Anforderungen des § 40 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Gerichtsstandsvereinbarung keine rechtliche Wirkung, wenn sie sich nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreitigkeiten bezieht. So ist anerkannt, dass die Vereinbarung eines Gerichts „für alle aus der bestehenden Geschäftsverbindung entstehenden Streitigkeiten“ unzulässig ist (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, 40 Rn. 4 m.w.N.). Die hier in Ziff. IX. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 5) verwendete Formulierung „sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung“ ist nahezu wortgleich und genügt daher ebenfalls nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit von Gerichtsstandsvereinbarungen.
IV. Die Klägerin ist parteifähig.
Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Auf die von der Beklagten zu 3) eingewandte Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB iVm den Vorschriften des RDG bzw. der BRAO und des RDG kommt es für die Parteifähigkeit nicht an. Die Klägerin ist als GmbH im Handelsregister eingetragen. Die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB tangiert nicht die Parteiexistenz und Parteifähigkeit des in Vollzug gesetzten Verbandes (Lindacher, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, Vorbem. § 50 Rn. 28 m.w.N.; die dort als a.A. gekennzeichnete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 153, 214 und BGH, BeckRS 2013, 13519) bezieht sich jeweils auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts). Für diese Wertung spricht auch § 77 Abs. 2 GmbHG, wonach die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte durch die Nichtigkeit nicht berührt wird. Zumindest wird aus dieser Vorschrift geschlossen, dass Gerichtsverfahren durch die Auflösung nicht unterbrochen werden (Lieder, in: Michalski/ Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, § 77 Rn. 7).
Selbst wenn kein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 75 GmbH eingewandt wird und daher § 77 Abs. 2 GmbHG nicht direkt greift, ist jedenfalls anerkannt, dass in dem Fall, dass Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, die nicht unter § 3 Abs. 1 GmbHG fallen, nichtig sind, dies ohne Auswirkungen auf den Bestand der GmbH bleibt. Dies gelte selbst dann, wenn die Nichtigkeit sich gemäß § 139 BGB auf den gesamten Gesellschaftsvertrag erstrecke. Ein solcher Mangel könne bei fehlender Heilung allenfalls einen Austrittsgrund bilden oder eine Auflösungsklage gemäß § 61 GmbHG rechtfertigen (Nordmeyer, in: Saenger/ Inhester, GmbHG, 3. Aufl. 2016, § 75 Rn. 9 m.w.N.).
V. Die Klage wurde auch ordnungsgemäß erhoben:
Insbesondere genügt die Klageschrift vom 21.12.2017 den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO. Demnach sollen die vorbereitenden Schriftsätze u.a. die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, enthalten. Danach muss der Schriftsatz im Anwaltsprozess von einem Rechtsanwalt nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben (nicht jedoch von ihm verfasst) worden sein (Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 130 Rn. 16 m.w.N.).
1. Aus Gründen der Rechtssicherheit genügt diesen Anforderungen grundsätzlich das äußere Merkmal der Unterschrift, ohne dass ein darüberhinausgehender Nachweis notwendig wäre, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung von dessen Inhalt tragen will (BGH NJW 2008, 1311, 1312 Rn. 6b m.w.N.). Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung für zwei Fallgruppen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat. Zur letztgenannten Fallgruppe werden insbesondere etwa Berufungsschriftsätze gerechnet, die weitgehend unverständlich sind und Ausführungen enthalten, die mit dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in keinem Zusammenhang stehen (BGH a.a.O. Rn. 7). Zur erstgenannten Fallgruppe gehören insbesondere von Dritten entworfene Rechtsmittelbegründungen, die der Prozessbevollmächtigte nur formal unterzeichnet, dabei jedoch durch einen Zusatz deutlich macht, dass er die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes ablehnt (BGH, Bes. v. 14.03.2017, VI ZB 34/16, BeckRS 107993, Rn. 9 m.w.N.).
2. Eine solche Ausnahme liegt nicht vor: Nach den Umständen steht hier nicht außer Zweifel, dass die Parteivertreter der Klagepartei den Klageschriftsatz vom 21.12.2017 ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben haben. Zwar führen die Parteivertreter der Klägerin unter Rn. 329 der Klageschrift (BI. 327 d.A.) aus, der Kaufpreis, die monatliche Leasingrate, die monatliche Mietkaufrate, die Fahrzeugübernahme bei Vertragsende des Leasingvertrages, die Sonderzahlung beziehungsweise die Ballonrate bei Vertragsende sowie die Währung beruhten auf Angaben der Zedenten und seien mit Ausnahme des Kaufpreises noch nicht überprüft worden. Dies erscheint jedoch vor dem Hintergrund, dass die Parteivertreter der Klägerin diese Angaben – zu Recht – erst im Rahmen der Leistungsklage für relevant erachteten, unschädlich. Auch ist die vorliegende Fallkonstellation nicht mit Berufungsschriftsätzen vergleichbar, die weitgehend unverständlich sind und Ausführungen enthalten, die mit dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in keinem Zusammenhang stehen. Auch eine Distanzierung im Sinne einer Ablehnung der vollen Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes liegt in der genannten Passage nicht. Auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Parteivertreter der Klägerin die Angaben zu dem damaligen Zeitpunkt für entbehrlich gehalten haben.
3. Auch die von der Beklagten zu 2) eingewandten „massenhaften Fehler“ inhaltlicher Art in der Klageschrift, die die Beklagte zu 2) im Einzelnen aufführt und die – für sich betrachtet – durchaus nicht unerheblich sind, führen nicht zu einer unwirksamen Klageerhebung. Angesichts von zunächst ca. 85.000 Erwerbsvorgängen in der Klageschrift erscheint die Bereinigung um ca. 1.000 Fälle nicht so bedeutend, um daraus zu schließen, dass es sich um eine rein automatisiert erstellte Klageschrift handelt. Die Erfahrung der Kammer zeigt vielmehr, dass es zu solchen Korrekturen regelmäßig auch in Verfahren mit sehr viel weniger Erwerbsvorgängen und unabhängig vom Zessionsmodell kommt. Auf den bestrittenen Vortrag der Klägerin zu ihrem Prüfungs- und Kontrollsystem kommt es daher nicht an.
VI. Die Klageanträge genügen – mit der unter D. gemachten Einschränkung – in ihrer zuletzt gestellten Form auch dem Bestimmtheitserfordernis.
Grundsätzlich ist ein Klageantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des (evtl, teilweisen) Unterliegens der Klagepartei nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf die Beklagtenpartei abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (Greger, a.a.O., § 253 Rn. 13 m.w.N.). Ein Zahlungsantrag muss grundsätzlich die geforderte Summe angeben (Greger, a.a.O., Rn. 13a). Eine Ausnahme ist dann zulässig, wenn – wie hier – die Bestimmung des Betrages etwa von einer gerichtlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO abhängig ist. Die erforderliche Bestimmtheit wird in diesen Fällen dadurch erreicht, dass der Kläger in der Klagebegründung die Berechnungs- und Schätzgrundlagen umfassend darzulegen und die Größenordnung seiner Vorstellungen etwa in Form eines Mindestbetrags anzugeben hat (Greger, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
Diesen Maßstäben genügen die Klageanträge in ihrer zuletzt gestellten Form. Die Klagepartei hat darin jeweils für …-Lkw (Ziff. 1.1. und I.2.) und nicht …-Lkw (Ziff. 11.1. und II.2.) Mindestschadensbeträge in EUR (Ziff. 1.1. und 11.1.) bzw. in Fremdwährungen (Ziff. I.2. und II.2.) angegeben. Darüber hinaus hat die Klägerin die Berechnungs- und Schätzgrundlagen in der Klagebegründung für jeden einzelnen Zedenten sowie für jeden einzelnen beschafften Lkw umfassend dargelegt sowie den jeweils geltend gemachten Mindestschaden beziffert (Bd. 55/3, S. II.2 ff. d.A.). Inwieweit die einzelnen in den Klageanträgen gebildeten Summen zutreffend aus den einzelnen Schadenspositionen zusammengerechnet sind und ob die Zinsläufe jeweils richtig angegeben sind, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Bestimmtheit der Klageanträge.
VII. Die Klageerhebung ist nicht rechtsmissbräuchlich.
1. Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Verfahrensrecht. Er verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnisse. Ein Verstoß gegen § 242 BGB führt zur Unzulässigkeit der Ausübung prozessualer Befugnisse und ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGH NJW2018, 3581, 3584, Rn. 37 m.w.N).
2. Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB können dabei Umstände, die gemäß § 8 Abs. 4 UWG oder § 2b UKlaG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden. Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgen und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Ausübung von Befugnissen, die nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient, ist auch nach § 242 BGB missbräuchlich (BGH, NJW2018, 3581, 3584 Rn. 40 m.w.N.).
3. Nach diesen Maßstäben liegt kein Rechtsmissbrauch auf Seiten der Klagepartei vor:
Es mag sein, dass die Klägerin sich durch die Bündelung einer Vielzahl von Ansprüchen in Kombination mit dem Streitwertdeckel gemäß § 39 Abs. 2 GKG Kostenvorteile verspricht und dass ihr Geschäftsmodell auch wesentlich auf diesem Zusammenspiel von Anspruchsbündelung und Streitwertdeckel beruht. Auch verfolgt die Klägerin – wie sie selbst vorträgt – mit der Bündelung der Ansprüche das Ziel, eine möglichst große Verhandlungsmacht gegenüber den Beklagten zu erreichen.
Dies führt allerdings – weder für sich genommen noch in der Gesamtschau – nicht dazu, dass die Klägerin mit der Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche überwiegend sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen:
Die Bündelung von Ansprüchen ist gemäß § 260 ZPO zulässig. Eine „mengenmäßige Beschränkung“ der zu bündelnden Ansprüche sieht das Gesetz im Grundsatz nicht vor. Auch das von der Klägerin gewählte Abtretungsmodell erscheint – in den Grenzen des § 138 BGB und des RDG – nicht von vorneherein sachfremd. Weiter ist es ein durchaus legitimes Ziel, die Verhandlungsmacht gegenüber dem wirtschaftlich stärkeren Vertragspartner zu steigern.
VIII. Der Zulässigkeit der Klage steht zuletzt auch nicht der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen: Insbesondere begründet das von der Beklagten zu 5) angeführte Verfahren der … unter anderem gegen die Beklagte zu 5) vor der Rechtbank Amsterdam keine anderweitige Rechtshängigkeit.
Es mag zutreffen, dass – wie die Beklagte zu 5) vorträgt – das verfahrenseinleitende Schriftstück vom 13.07.2017 dem Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Zustellung an die Beklagten am 13.07.2017 übergeben und am 13.12.2017 bei der Rechtbank Amsterdam und damit vor der hiesigen Klage (Eingang bei Gericht am 22.12.2017) eingereicht worden ist.
Es fehlt allerdings – auch soweit Ansprüche einzelner Zedenten in beiden Verfahren streitgegenständlich sind – an der notwendigen Parteiidentität. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 19.02.2013, VI ZR 45/12, juris Rn. 18) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 19.05.1998, Rs C-351/96, Drouot assurances, juris Rn. 19 kritisch dazu Geimer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, Anh I Art. 29 EuGWO Rn. 8a, 9) lassen sich auf den hiesigen Sachverhalt nicht übertragen. Sie betreffen das Verhältnis von Versicherer und Versicherungsnehmer im Rahmen der Regulierung eines Schadensfalls. Damit ist das Verhältnis der Klägerin zu der weiteren Zessionärin und Klägerin in dem niederländischen Verfahren, der …, nicht vergleichbar.
Selbst wenn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die hiesige Konstellation übertragbar wäre, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Parteiidentität nicht vor: Danach kann Parteiidentität auch vorliegen, wenn es sich um unterschiedliche Personen handelt, deren Interessen hinsichtlich des Gegenstands zweier Rechtsstreitigkeiten identisch und voneinander untrennbar sind (EuGH, Urt. v. 19.05.1998, Rs C-351/96, Drouot assurances, juris Rn. 19, 23, 25). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Im Gegenteil: Die hiesige Klägerin einerseits und die Klägerin in dem niederländischen Verfahren andererseits haben geradezu entgegengesetzte Interessen. Beide behaupten, hinsichtlich der abgetretenen Forderungen bestimmter einzelner Zedenten aktivlegitimiert zu sein und verlangen Zahlung an sich. Für den Erfolg der jeweiligen Klage ist es zumindest Voraussetzung, dass die Abtretung an die jeweilige Klagepartei erfolgreich war. Dabei kann die zeitlich spätere Abtretung nicht mehr erfolgreich sein, wenn bereits die zeitlich frühere Abtretung zu einem Übergang der Forderung geführt hat.
F.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert.
Die Forderungsabtretungen sind gemäß § 134 BGB in Verbindung mit §§ 3, 4 RDG wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Für die mit der Forderungsabtretung intendierte gebündelte Anspruchsdurchsetzung mit einer Vergütung der Klägerin auf Basis einer Erfolgsbeteiligung unter Einbeziehung eines dritten Prozessfinanzierers ist ein Erlaubnistatbestand des RDG nicht erfüllt.
I. Die von der Klägerin zu erbringenden Rechtsdienstleistungen sind kein Inkasso im Sinne der §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 S. 1 RDG und verstoßen daher gegen § 3 RDG.
1. Das RDG vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) hat die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleitungen unter Ablösung des Rechtsberatungsgesetzes (1935) umfassend neu geregelt. Gemäß § 3 RDG sind Rechtsdienstleistungen unter ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gestellt. Das Gesetz dient gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 RDG dem Schutz der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen. Mit dem RDG sollte der Modernisierung und teilweisen Liberalisierung der Rechtsdienstleistungsberufe unter Wahrung der Belange des Verbraucherschutzes, des Schutzes der Rechtspflege und der in ihr tätigen Personen sowie des Rechtsguts Recht als solchem Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/3655, S. 1, 31.).
2. Die Inkassodienstleistung ist in § 2 Abs. 2 S. 1 RDG definiert als Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenes Geschäft betrieben wird.
Bei der Mustervereinbarung der Klagepartei mit den Zedenten (Anlage IMAG 5) in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klagepartei (Anlage GL 12) handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675 ff. BGB (so auch v. Lewinski/Kerstges, in: MDR 2019, 705, 706; Greger, in: MDR 2018, 897). Mit der Rechtsdienstleistung erbringt die Klägerin eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (Sprau, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 675 Rn. 2 m.w.N.). Die Klägerin zieht – im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit und im Erfolgsfall gegen Entgelt – wirtschaftlich fremde Forderungen ein und nimmt damit fremde Vermögensinteressen wahr. Die Klagepartei verpflichtet sich dabei, die Ansprüche zu prüfen und je nach Zweckmäßigkeit zunächst außergerichtlich, nach Prüfung der Erfolgsaussichten und Zweckmäßigkeit, unter Beauftragung von … Rechtsanwälte LLP für die Prozessführung ggf. gerichtlich geltend zu machen. Dabei erhält die Klagepartei eine Vergütung nur im Falle eines Erfolges als Anteil an den Leistungen auf die Forderungen, die im Übrigen den Zedenten zugutekommen. Da die Zedenten wirtschaftlich weiter an der Forderung beteiligt bleiben, handelt es sich um eine fiduziarische Forderungsabtretung und damit um eine zum Zweck der Einziehung abgetretene Forderung. Die Einziehung der Forderung ist hier Hauptzweck der vertraglichen Leistungen und wird damit als eigenständiges Geschäft betrieben.
3. Die Rechtsdienstleistung der Klägerin ist nicht deshalb unerlaubt, weil es sich um eine besonders schwierige oder intensive Rechtsprüfung handelt.
a) Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Internetseite „wenigermiete.de“ lassen sich für die Beurteilung, ob sich eine Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG hält, keine allgemeinen Maßstäbe aufstellen. Erforderlich sei vielmehr eine am Schutzzweck des RDG orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen. Dabei seien die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, namentlich die Grundrechte der Beteiligten (Berufsfreiheit des Inkassodienstleisters, Art. 12 GG und Eigentumsgarantie des Kunden, Art. 14 GG) sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen. Zudem sei den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, LS b und Rn 109 f.)
b) In der Literatur ist die Frage der Reichweite der Inkassoerlaubnis bei diversen Abtretungsmodellen zum Zwecke der Rechtsdurchsetzung umstritten (für einen engen Anwendungsbereich: Greger, in: MDR 2018, 897, 899; Hartmann, in: NZM 2019, 353, 357; Henssler, in: NJW2019, 545, 546; Valdini, in: BB 2017, 1609, 1611; für einen weiten Anwendungsbereich: Hartung, in: BB 2017, 2825, 2828 f.; Römermann/Günter, in: NJW2019, 551,553; differenzierend: Kilian, in: NJW2019, 1401, 1406).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann weder aus dem Begriff der „Einziehung“ noch aus dem phänotypischen Leitbild eines Inkassos abgeleitet werden, dass das Leistungsversprechen der Klägerin keine Inkassodienstleistung im Sinne des Gesetzes ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich weder eine Beschränkung auf unstreitige Forderungen, noch auf solche, die voraussichtlich freiwillig beglichen werden, noch auf Forderungen, die keine schwierigen Rechtsfragen aufwerfen oder für die keine Kenntnisse von rechtlichen Spezialmaterien erforderlich sind.
d) Dies folgt auch aus der systematischen und der historischen Auslegung. Zum Rechtsberatungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Registrierung als Inkassodienstleister sowohl die Befugnis umfasst, gegenüber dem Kunden eine rechtliche Bewertung der Durchsetzbarkeit der Forderung abzugeben, diesen also auch rechtlich zu beraten, als auch im Rahmen der Durchsetzung gegenüber dem Schuldner rechtliche Äußerungen und Bewertungen vorzunehmen (Kammerbes, v. 20.02.2002, 1 BvR 423/99 – juris (Inkassounternehmen I) und Kammerbes, v. 14.08.2004, 1 BvR 725/03 – juris (Inkassounternehmen II). Ein rein kaufmännisches Inkasso im Sinne einer schematischen Rechtsanwendung wurde als erlaubnisfrei angesehen. Der Gesetzgeber hat einerseits in § 2 Abs. 1 RDG den Begriff der Rechtsdienstleistung, auch in Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, enger gefasst als die Rechtsbesorgung nach dem RBerG, indem er das Erfordernis einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalles formuliert hat (BT-Drs. 16/3655, S. 47 f.). Da andererseits nach der Vorstellung des Gesetzgebers die als eigenständiges Geschäft betriebene Inkassodienstleistung nicht in jeder Ausgestaltung eine solche rechtliche Prüfung erfordert, zugleich aber aus Verbraucherschutzgründen ein Regulierungsbedürfnis gesehen wurde, definiert § 2 Abs. 2 S. 1 RDG die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen (Inkassodienstleistung) als Rechtsdienstleistung und unterstellt diese in § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG einer Registrierungspflicht (BT-Drs. 16/3655, S. 35 ff.). Inkassodienstleistungen werden damit unabhängig davon, ob gegenüber Kunden oder Schuldnern rechtliche Äußerungen oder Beratungsleistungen erfolgen, in § 2 Abs. 2 S. 1 RDG erfasst. Abgrenzungsschwierigkeiten zu rein kaufmännischen Inkassodienstleistungen und solchen mit Beratungselementen sollten damit vermieden werden.
Eine Differenzierung der Forderungseinziehung danach, ob die Anspruchsdurchsetzung eine schwierige rechtliche Bewertung, eine Beratung oder ähnliches erfordert, lässt sich folglich hieraus nicht herleiten (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.2016,1 ZR 107/14, juris Rn. 43). Überholt ist damit angesichts dieser Rechtsentwicklung die noch zum Rechtsberatungsgesetz entwickelte Auffassung, es gehöre nicht zu den Aufgaben des Inkassodienstleisters, sich von seinem Auftraggeber einen Lebenssachverhalt vortragen zu lassen und diesen daraufhin zu überprüfen, ob sich daraus eine Forderung herleiten lässt. Die Existenz der Forderung werde vielmehr vorausgesetzt (Caliebe, in: Seitz, Inkasso- Handbuch, 3. Aufl. 2000, Kap. 38 Rn. 1098 ff., zit. nach Kilian, NJW 2019, 1401, 1403 Fn. 24-26).
Schließlich folgt auch aus dem Verzicht auf die noch im Regierungsentwurf (RegE BT-Drs. 16/3655, S. 7) enthaltene Voraussetzung einer „besonderen“ rechtlichen Prüfung im Einzelfall und der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses hierzu (BT-Drs. 16/6634, S. 51), dass der Gesetzgeber Abgrenzungsfragen vermeiden wollte, die sich aus einer Bewertung der Beratung nach ihrer Schwierigkeit, Intensität oder Besonderheit ergeben können (vgl. auch BGH, NJW-RR 2016, 1056, 1060 Rn. 45).
Auch der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zu der Internetplatt- form www.wenigermiete.de aus, der Begriff der Inkassodienstleistung dürfe unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber mit dem RDG verfolgten Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten, die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubenden Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nicht in einem zu engen Sinne verstanden werden. Vielmehr sei – innerhalb des mit dem RDG verfolgten Schutzzwecks (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG) – eine eher großzügige Betrachtung geboten (BGH, Uri. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, LS a und Rn 141).
e) Diesem grundsätzlich eher weiten Verständnis des Inkasso steht auch kein von den Beklagten eingewandter drohender Wertungswiderspruch zu den strengeren berufsrechtlichen Vorschriften für Rechtsanwälte entgegen. Es ist zwar richtig, dass Rechtsanwälte grundsätzlich weder ein Erfolgshonorar vereinbaren dürfen (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO, 4a RVG) noch bei Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit die Kosten für den Mandanten übernehmen dürfen (§ 49b Abs. 2 S. 2 BRAO). Ein Wertungswiderspruch liegt hierin jedoch nicht. Vielmehr entspricht dies der Gesetzessystematik und der Intention des Gesetzgebers:
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG gilt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz u.a. für die Vergütung der registrierten Erlaubnisinhaber mit Ausnahme der Frachtprüferinnen und Frachtprüfer entsprechend. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 und S. 2 RDGEG ist es den in Abs. 1 S. 1 genannten Personen untersagt, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO) ist unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt; Verpflichtungen, die Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind unzulässig.
Registrierte Inkassodienstleister gehören jedoch nicht zu den „registrierten Erlaubnisinhabern“ im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG, sodass auf sie die Verbote des § 4 Abs. 2 S. 1 und S. 2 RDGEG nicht anwendbar sind (so auch BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn 179; 185). Auch die Gesetzbegründung, wonach es für Inkassounternehmen nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG keine Vergütungsregelung gibt, stützt diese Auslegung (BGH, a.a.O. Rn. 180 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/3655, S. 80). Der Gesetzgeber hat darüber hinaus bewusst davon abgesehen, die Inkassodienstleistung als einen rechtanwaltsähnlichen Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft – gleichsam einen „Rechtsanwalt light“ – einzurichten und/oder die für Rechtsanwälte geltenden strengen berufsrechtlichen Pflichten uneingeschränkt auf die Inkassodienstleister zu übertragen (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn 173 m.w.N.).
4. Die von der Klägerin vertraglich zu erbringenden Rechtsdienstleistungen sind jedoch kein Inkasso im Sinne der §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 S. 1 RDG, da sie nicht auf eine außergerichtliche Tätigkeit gerichtet sind.
a) Grundsätzlich ist die Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 RDG auf die außergerichtliche Tätigkeit begrenzt, da das RDG gemäß § 1 Abs. 1 RDG nur diese regelt. Die Voraussetzungen der gerichtlichen Durchsetzung richten sich nach der jeweiligen Prozessordnung, hier §§ 78 ff. ZPO. Neben der Anwaltschaft ist eigenständig von den Regeln des RDG nur ein enger Personenkreis hierzu berufen.
Die Vertragspflichten der Klagepartei sind keine Inkassodienstleistung im Sinne der §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1,2 Abs. 2 S. 1 RDG, da sie von vorneherein ausschließlich auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gerichtet sind (vgl. auch Prutting, ZIP 2020, 49, 52). Dies folgt aus einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung. Nicht der Wortlaut des Vertrages ist dabei maßgeblich, sondern eine objektive Betrachtung des intendierten Geschäftes (BGH, Urt. v. 30.10.2012, XI ZR 324/11, juris Rn. 33).
b) In der Präambel zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Mustervereinbarung der Klägerin wird die Durchsetzung der Ansprüche versprochen, ohne dass nach gerichtlichem oder außergerichtlichem Vorgehen unterschieden wird. Lediglich in Ziffer 1.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es, die Durchsetzung der möglichen Kartellschadensersatzansprüche werde, soweit zweckdienlich, im außergerichtlichen Verfahren betrieben. Sollte dies nicht erfolgversprechend oder zweckmäßig sein, während die gerichtliche Durchsetzung nach Prüfung als erfolgversprechend und zweckmäßig erachtet werde, verpflichtet sich die Klägerin zur gerichtlichen Durchsetzung. Bereits die vertraglichen Regelungen stellen damit die gerichtliche Durchsetzung in den Vordergrund. Die außergerichtliche Durchsetzung wird, soweit sie „im Kleingedruckten“ erwähnt wird, unter den Vorbehalt der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussicht gestellt. In ihren Internetauftritten wird den interessierten Kunden gegenüber diese Möglichkeit nicht aufgeführt (Anlage GL 6). Vielmehr ist das Angebot nach seinem Gesamteindruck auf die Beteiligung an einer Sammelklage gerichtet. Besonders deutlich wird dies auch im Rahmen der FAQs auf der Homepage der Klägerin (Anlage DAF 3). Dort lautet auf die Frage „Sammelklagen gibt es doch gar nicht, oder?“ die Antwort: „Doch, mit uns schon. […]“
Hinzukommt, dass der Klägerin bereits bei Abschluss der Vereinbarungen mit ihren Kunden klar gewesen sein musste, dass bei realistischer Einschätzung eine außergerichtliche Durchsetzung der Forderungen von vorneherein nicht erfolgversprechend und damit nicht „zweckdienlich“ war. Angesichts der Vielzahl schwieriger, ungeklärter Rechtsfragen sowohl im Zusammenhang mit den Abtretungen als auch im Bereich des Kartellschadensersatzrechts, die die Klägerin in ihren Aufklärungshinweisen (Anlage 2 zur Vereinbarung zwischen den Zedenten und der Klägerin – Anlage GL 12) selbst erwähnt, konnte die Klägerin nicht billigerweise damit rechnen, dass die Beklagten schon auf eine entsprechende außergerichtliche Geltendmachung hin leisten würden. Die formell in den Vereinbarungen vorgesehene Variante der außergerichtlichen Geltendmachung ging folglich von vorneherein ins Leere.
Auch aus dem Internetauftritt der Klägerin folgt, dass die Vertragspflichten der Klagepartei von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gerichtet sind. So weist die Beklagte zu 2) zu Recht darauf hin, dass sich die Zedenten zur Berücksichtigung ihrer Fahrzeugerwerbe in einer Klage anmelden. So heißt es auf der Internetseite der Klägerin (Anlage GL 17): „Auch wenn Sie […] [die Frist zur 1. Klage] verpasst haben, können Sie sich bei uns für die 2. Klage in 2018 anmelden. Sie können dann Ansprüche für Fahrzeuge, welche ab dem 01.01.2003 erworben wurden, über uns geltend machen“.
Des Weiteren beschränken sich die „Aufklärungshinweise“ ausschließlich auf die Risiken einer gerichtlichen Geltendmachung. Im ersten Absatz der Aufklärungshinweise heißt es, dass die „gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen stets mit gewissen Unwägbarkeiten verbunden [ist], auf die wir Sie im Folgenden hinweisen möchten“.
Dem Ziel der ausschließlichen und vorrangigen gerichtlichen Durchsetzung entspricht auch die tatsächliche Durchführung. Insbesondere belegt – anders als die Klägerin meint – das Email-Schreiben eines Klägervertreters an einen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) (Anlage GL 80) nicht den von der Klagepartei behaupteten Versuch einer außergerichtlichen Einigung. So ist die Klägerin als Mandantin bereits nicht ausdrücklich genannt. Wie die Beklagte zu 2) zurecht darauf hinweist, ist die Klägerin als Rechtsdienstleister zudem kein in dem Schreiben genannter namhafter und sehr großer Abnehmer von LKW.
c) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Einziehung durch einen gemeinnützigen Verbraucherschutzverein von von Versicherungsnehmern abgetretenen Forderungen (NJW 2013, 3581) steht der Beurteilung, dass die Rechtsdienstleistungen der Klägerin nicht auf eine außergerichtliche Tätigkeit gerichtet sind, nicht entgegen:
aa) Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs betrifft die Forderungsabtretung eine außergerichtliche Tätigkeit im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 3 RDG.
Daran ändere der Umstand nichts, dass die abgetretenen Forderungen gegen die Beklagten gerichtlich geltend gemacht werden. Die Abgrenzung zu gerichtlichen Tätigkeiten im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes richte sich allein danach, ob das Gericht Adressat der fraglichen Handlung sei. Das sei hier nicht der Fall, da sich die Abtretungen auf das Verhältnis zwischen dem Verbraucherschutzverein und den Versicherungsnehmern bezögen. Gerichtliche Tätigkeit sei lediglich die Geltendmachung der Forderung durch die Prozessbevollmächtigten des gemeinnützigen Verbraucherschutzvereins (BGH NJW2013, 3581, 3582).
bb) Zum einen unterscheidet der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht zwischen der Forderungsabtretung und dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft. Allein letzteres bestimmt Inhalt und Umfang der Rechtsdienstleistung; die Abtretung ist lediglich das Verfügungsgeschäft um die Pflichten aus dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft zu erfüllen. Auch wird keine Aussage zu Inhalt und tatsächlicher Durchführung des Kausalgeschäftes zwischen dem gemeinnützigen Verbraucherschutzverein und den Versicherungsnehmern getroffen. Es ist daher bereits fraglich, inwieweit die Ausführungen des Bundesgerichtshofs überhaupt auf den hiesigen Fall übertragbar sind.
Zum anderen geht es dem Bundesgerichtshof in der wiedergegebenen Passage ersichtlich darum, die außergerichtliche von der gerichtlichen Tätigkeit abgrenzen. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall, in dem aufgrund einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung die Vertragspflichten der Klägerin faktisch von vorneherein ausschließlich auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche gerichtet sind, aber gar nicht. Eine außergerichtliche Tätigkeit – die Forderungsabtretung als Verfügungsgeschäft beiseitegelassen – gibt es im hier zu entscheidenden Fall faktisch nicht.
Auf die vorgerichtliche Prüfung der gerichtlich geltend gemachten Forderungen kann es hier nicht ankommen, da diese Prüfung gegenüber den Zedenten keine unmittelbare Außenwirkung entfaltet hat. Denn gemäß Ziff. 1.6. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wird diese dem Kunden lediglich Mitteilung machen, soweit „die Geltendmachung der möglichen Kartellschadensersatzansprüche ganz oder teilweise nicht zweckmäßig, insbesondere nicht erfolgversprechend erscheint“ (Hervorhebung nur hier). Die vorgerichtliche Prüfung der Forderungen der Zedenten, die die Klägerin nicht gerichtlich geltend macht, ist unerheblich, da diese Forderungen nicht streitgegenständlich sind.
d) Aus der Beauftragung von Rechtsanwälten der Kanzlei … zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche, wie sie in Ziffer 1.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin geregelt ist, ergibt sich nichts anderes. Zwar werden damit die Anforderungen an die Postulationsbefugnis nach der ZPO gewahrt. Auch wird nicht verkannt, dass die zugelassenen Rechtsanwälte die rechtliche Aufbereitung des Sachverhaltes zur Vorbereitung der Klage sowie die Erstellung der Schriftsätze übernommen und durchgeführt haben. Eine unerlaubte Rechtsdienstleistung wird jedoch nicht dadurch zulässig, dass sich der Rechtsdienstleister eines Rechtsanwaltes bedient (BGH, Urt. v. 29.07.2009, I ZR 166/06, juris Rn. 23; BGH NJW 2018, 608 Rn. 14 jeweils m.w.N.). Der Regierungsentwurf hatte in § 5 Abs. 3 RDG-E Möglichkeiten der internen Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten vorgesehen (BT-Drs. 16/3655; Valdini, in: GWR 2018, 231,233). Dies wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren jedoch gestrichen (BT-Drs. 16/6634, S. 50). Damit ist nach h.M. auch eine gemeinsame Beauftragung von Rechtsdienstleister und Rechtsanwalt unzulässig (Johnigk, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 5 RDG Rn 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/6634, S. 51 f.). Die hier gewählte Konstruktion ist folglich jedenfalls nicht geeignet, den Anwendungsbereich der Inkassoerlaubnis zu erweitern.
Das Leistungsversprechen der Klägerin kann aus diesen Erwägungen auch nicht in die gerichtliche Anspruchsdurchsetzung, die durch Rechtsanwälte durchgeführt wird, und in einen erlaubnisfreien außergerichtlichen Teil, der aus logistischen Tätigkeiten wie der Vertragsabwicklung und dem Einsammeln und Weiterleiten von Informationen besteht, aufgeteilt werden.
e) Jedenfalls ergibt sich aus den Vertragsbedingungen einschließlich der Aufklärungshinweise, dass die Klagepartei auch Beratungsleistungen übernommen und erbracht hat, die als solche den Tatbestand des § 2 Abs. 1 RDG erfüllen. Insbesondere in den Aufklärungshinweisen hat die Klagepartei nicht nur rechtliche Informationen erteilt, sondern auch eine eigenständige Bewertung der geschilderten rechtlichen Risiken gegenüber ihren jeweiligen Vertragspartnern vorgenommen. So heißt es dort: „Wir halten die Risiken hier aber für gering und unser Vorgehen auch für wirtschaftlich vorteilhaft“ (Anlage GL 12, Anlage 2 „Aufklärungshinweise“, linke Spalte, 2. Absatz). Bei dieser Beratung handelt sich weder um eine Inkassotätigkeit, da sie nicht auf die außergerichtliche Einziehung einer Forderung gerichtet ist, noch um eine Nebenleistung zu einer erlaubten Inkassotätigkeit, da eine solche, wie gezeigt, gerade nicht Gegenstand des Vertrages ist.
II. Unerlaubt ist die Rechtsdienstleistung zudem gemäß § 4 RDG, da ihre Erfüllung durch andere Leistungspflichten der Klagepartei unmittelbar beeinflusst und gefährdet wird.
1. Gemäß § 4 RDG dürfen Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Sowohl der Gesetzgeber als auch der Bundesgerichtshof gehen dabei davon aus, dass eine Unvereinbarkeit im Sinne des § 4 RDG nicht bei jeder Form einer möglicherweise bestehenden Interessenkollision vorliegt, sondern nur dann, wenn die Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der bereits begründeten Hauptleistungspflicht des Leistenden haben kann, wobei gerade hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet sein muss (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn.195 m.w.N.)
2. Eine solche Gefährdung der ordnungsgemäße Erfüllung einer anderen Leistungspflicht liegt hier vor – sowohl im Verhältnis der Klägerin zu den jeweils einzelnen Zedenten als auch im Verhältnis der Klägerin zu den Zedenten einerseits und dem Prozessfinanzierer … andererseits:
a) Eine wechselseitige Beeinflussung und Interessengefährdung ergibt sich im Verhältnis der Klägerin zu den jeweils einzelnen Zedenten. Die Klägerin hat eine Vielzahl einzelner Rechtsverfolgungsverträge geschlossen, in denen sie sich u.a. zur Bündelung und gemeinsamen Rechtsdurchsetzung verpflichtet hat. Gemäß Ziff. 1.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin hat diese die Pflicht gegenüber jedem einzelnen Zedenten, „die möglichen Kartellschadensersatzansprüche möglichst effizient und vollständig durchzusetzen und auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen“. Die Leistungspflichten gegenüber den einzelnen Zedenten sind dabei jeweils als „andere Leistungspflicht“ im Sinne des § 4 RDG zu qualifizieren. Es ist anerkannt, dass es sich bei der „anderen Leistungspflicht“ auch um eine (weitere) Rechtsdienstleistung handeln kann (Grünewald, in: Grunewald/Römermann, BeckOK RDG, 11. Edition, Stand: 01.10.2019, §4 Rn. 14; Deckenbrock, in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, §4 Rn. 16). Die Pflichten aus den bereits abgeschlossenen Verträgen sind konkret geeignet, die Erfüllung der Leistungspflichten aus den jeweils weiteren Verträgen zu gefährden.
aa) Die Klägerin hat über ihr Online-Portal und über Branchen-Verbände eine große Zahl von Kunden bis zu einem Stichtag eingeworben. Wie von vornherein angekündigt und ihrem Konzept der Sammelklage entsprechend, hat sie anfangs ca. 85.000 Ansprüche von 3.266 Zedenten mit der Klage gebündelt geltend gemacht. Die streitgegenständlichen Lkw sollen nach Angaben der Klägerin in der Klageschrift vom 21.12.2017 (BI. 243 d.A.) in 21 Ländern gekauft, per Mietkauf erworben oder geleast worden sein. Der Kreis der Zedenten und die Art der Erwerbsvorgänge sind dabei in vielerlei Hinsicht heterogen. Neben der Branche und der Größe des Zedenten können sich insbesondere das Land des Unternehmenssitzes oder der Ort des Erwerbs auf die Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung des einzelnen Anspruchs auswirken. Dies wird an dem Umstand, dass auch Zedenten aus EU-Ländern vor dem Beitritt beteiligt sind, besonders deutlich. Auch kann der Erwerbszeitpunkt eine Rolle spielen: Zedenten, die überwiegend zu einem frühen Zeitpunkt erworben haben, unterliegen einem höheren Risiko, dass ihre Ansprüche verjährt sind, als andere. Für besonders späte Erwerbsvorgänge ist dagegen das Risiko, dass sich das Kartell nicht mehr ausgewirkt hat, höher. Schließlich sind die Aussichten für Ansprüche, die auf Leasing beruhen, je nach Ausgestaltung unterschiedlich. Auch darauf, ob direkt vom Hersteller oder von einem Dritthändler gekauft wurde, kann es ankommen. Dass sich eine unterschiedlich gute Dokumentenlage auf die Beweislage und damit die Erfolgsaussichten auswirkt, ist offensichtlich. Diese Beispiele zeigen, dass die Erfolgsaussichten der einzelnen Ansprüche höchst unterschiedlich sind. Dementsprechend differieren auch die Vorstellungen der Zedenten über einen „erfolgreichen“ Prozess erheblich. Durch die Bündelung der Ansprüche partizipieren die einzelnen Zedenten – insbesondere diejenigen, deren Erfolgsaussichten grundsätzlich positiv erscheinen – am Risiko, das mit der Erhebung der weniger aussichtsreichen Klagen verbunden ist.
bb) Eine Beeinträchtigung der Einzelinteressen kann sich auch bei einem Vergleich auswirken. Gemäß Ziffer 1.7. (a) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist diese berechtigt, einen Vergleich zu schließen, wenn die insgesamt ausgehandelte Vergleichssumme unter kaufmännischen Gesichtspunkten ausreichend erscheint. Der Zustimmung des Zedenten bedarf der Vergleichsschluss nicht (anders insoweit die Konstellation bei BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn. 6; 206). Es ist also für die Entscheidung der Klägerin, einen Vergleich zu schließen oder nicht, nicht relevant, ob der Vergleich für den einzelnen Zedenten günstig bzw. „ausreichend“ erscheint. Eben diese bestmögliche Wahrnehmung der Interessen des Einzelnen haben aber das RDG und seine Ratio im Blick. Diese wird jedoch durch die genannte Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht gewährleistet. Im Gegenteil: Durch die Insgesamtbetrachtung und -bewertung eines Vergleiches durch die Klägerin profitieren einzelne, deren Ansprüche etwa wegen im Raum stehender Verjährung geringere Aussichten auf Erfolg haben, zulasten derer, deren Ansprüche höhere Erfolgsaussichten haben, da sich deren Anteil an der Vergleichssumme dadurch schmälert. Schließlich erfolgt die Auszahlung der Vergleichssumme an die einzelnen Zedenten gemäß Ziffer 4.1 AGB der Klägerin quotal und unabhängig von den konkreten Erfolgsaussichten. Da regelmäßig die Erfolgsaussichten einer Klage, ggf. nach einer richterlichen vorläufigen Einschätzung hierzu, ein wesentliches Kriterium für die Verhandlungen mit den Beklagten sind, wäre eine Minderung der Vergleichssumme durch wenig aussichtsreiche Klagen eine konkrete Gefahr für diejenigen, deren Ansprüche bessere Erfolgschancen haben.
cc) Außerdem beeinträchtigt die Bündelung von ursprünglich ca. 85.000 heterogenen Ansprüchen von 3.266 Zedenten die effiziente gerichtliche Durchsetzung der jeweiligen Einzelansprüche. Zwar sind allgemeine Rechtsfragen oder grundlegende ökonomische Fragestellungen in dem Verfahren nur einmal zu behandeln. Dies bringt jedoch kaum einen Effizienzvorteil, da bereits in einem Parallelfall entschiedene oder geklärte Punkte regelmäßig ebenso wenig zusätzlichen Aufwand in weiteren Verfahren bereiten. Selbst wenn M einen (kleinen) Effizienzvorteil unterstellt, wird dieser jedenfalls durch den Aufwand, der aufgrund der Bündelung im Zessionsmodell erforderlichen Prüfung der Abtretungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entsteht, nicht nur aufgezehrt, sondern in sein Gegenteil verkehrt. So ist aufgrund des Bestreitens und der Rügen der Beklagten insbesondere auch die rechtliche Existenz der ausländischen Zedenten sowie die Vertretungsbefugnis unter Anwendung einer Vielzahl von Rechtsordnungen festzustellen. Das Zessionsmodell erweitert den Rechtsstreit um eine erhebliche Anzahl weiterer komplexer Rechtsfragen und zieht ihn im Vergleich zur Geltendmachung der Ansprüche durch die einzelnen Zedenten erheblich in die Länge. Auch hier gehen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art, die sich im Rahmen der Abtretung bei einzelnen Zedenten stellen, zulasten aller Zedenten.
dd) Dem Vortrag der Klagepartei, ein Effizienzvorteil liege darin, dass sich nur eine Kammer mit den Ansprüchen befassen müsse, während bei 3.266 Einzelklagen eine Aufteilung auf mehr Richter zu befürchten sei, ist zu widersprechen. Es kann offenkundig kein Vorteil sein, wenn die Arbeit auf wenige Köpfe verteilt wird, während sich der Aufwand für die Prüfung der Dokumente zu den ca. 85.000 Ansprüchen z. B. dazu, ob in jedem Einzelfall der Erwerb, der Kaufpreis und die Anwendbarkeit des Kartellentscheids festgestellt werden können, durch die Bündelung nicht verringert. Dass ähnliche Schwierigkeiten auch im Klagemodell der Streitgenossenschaft auftreten können, ändert nichts daran, dass eine übermäßige Bündelung jedenfalls unter Effizienzgesichtspunkten kritisch zu sehen ist.
b) Unmittelbarer Einfluss auf die Leistungserbringung und eine Gefährdung gemäß § 4 RDG folgen auch aus der Prozessfinanzierung. Die Klägerin hat mit … einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen, dessen nähere Ausgestaltung sie teilweise offengelegt hat.
aa) Die Leistungspflicht der Klägerin gegenüber dem Prozessfinanzierer ist im Verhältnis zur Leistungspflicht der Klägerin gegenüber den Zedenten eine „andere Leistungspflicht“ im Sinne des § 4 RDG. Es handelt sich hier um zwei unterschiedliche Leistungspflichten aus getrennten Vertragsverhältnissen mit jeweils unterschiedlichen Personen. Insoweit ist die Konstellation eine andere als die, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2019 zu www.wenigermiete.de zugrunde lag. Dort hat der Bundesgerichtshof für ein Zweipersonenverhältnis festgestellt, dass es sich bei der zwischen dem Rechtsdienstleister und dem Zedenten vereinbarten Kostenübernahme um keine „andere Leistungspflicht“ im Sinne des § 4 RDG, sondern vielmehr um einen Bestandteil der von dem Rechtsdienstleister zu erbringenden Inkassodienstleistung handele (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn. 196). Über Leistungspflichten des Rechtsdienstleisters zu einem Prozessfinanzierer als einer dritten Person äußert sich der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung nicht.
bb) Die von der Klägerin offengelegten Pflichten gegenüber dem Prozessfinan- zierer sind geeignet, die Leistungserbringung gegenüber den Zedenten aus den Rechtsverfolgungsverträgen konkret zu gefährden. Dies gilt ungeachtet des – teilweise von den Beklagten (etwa Beklagte zu 2) BI. 20.096 d.A.; Beklagte zu 3) BI. 20.144 f. d.A.) ohnehin bestrittenen – Vortrags der Klägerin, der Prozessfinanzierer habe keinerlei Einfluss auf die Führung des Verfahrens oder einen Vergleichsabschluss, er sei vielmehr ein rein passiver Fremdkapitalgeber; die Klägerin habe die volle Kontrolle über das Verfahren. Diese Darstellung erscheint angesichts des von der Klägerin wiedergegebenen Pflichtenkatalogs der Klägerin gegenüber dem Prozessfinanzierer verkürzt:
cc) Die Klägerin wird bei ihrer Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Klageerhebung sowie insbesondere weiterer kostenauslösender Maßnahmen, wie der Einlegung von Rechtsmitteln oder der Finanzierung von Sachverständigengutachten, unter kaufmännischen Gesichtspunkten auch zu berücksichtigen haben, ob und in welchem Umfang der Prozessfinanzierer bereit und in der Lage ist, Mittel zur Verfügung zu stellen. Dies umso mehr, als der Prozessfinanzierer nach eigenem Vortrag der Klägerin die Kosten des Geschäftsbetriebs der Klägerin trage und die Kosten der Prozessbevollmächtigten, die Kosten der beauftragten Ökonomen, die Gerichtskosten, im Unterliegensfall die gegnerischen Anwaltskosten sowie eine Reihe weiterer Kosten erstatte. In diesem Zusammenhang ist auch die Berichtspflicht der Klägerin gegenüber dem Prozessfinanzierer sowie die Pflicht der Klägerin zu sehen, auch die Prozessbevollmächtigten zu allgemeiner Berichtspflicht anzuhalten. Auf die Vermögensinteressen des Prozessfinanzierers hat die Klägerin jedenfalls auch als Nebenpflicht aus dem Prozessfinanzierungsvertrag gemäß § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht zu nehmen.
dd) Zudem hat die Klägerin – nach eigenem Vortrag – den Prozessfinanzierer unverzüglich über ein Vergleichsangebot zu informieren und mit dem Prozessfinanzierer nach Treu und Glauben über die Annahme eines solchen Vergleichsangebots oder die Unterbreitung eines Gegenangebots zu beraten. Es kann dahinstehen, ob – wie die Klägerin behauptet – der Prozessfinanzierer auf vertraglicher Grundlage weder die Annahme eines Vergleichsvorschlages ablehnen kann, noch von der Klägerin verlangen kann, sich zu vergleichen. Auch kann dahinstehen, ob der Prozessfinanzierer einen Vergleichsschluss nicht genehmigen muss. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag ihre Erfolgsbeteiligung zur Sicherheit an den Prozessfinanzierer abgetreten hat und da der Prozessfinanzierer – wie ausgeführt – nahezu sämtliche Kosten der Klägerin trägt, ist die faktische Einflussnahmemöglichkeit des Prozessfinanzierers auf einen etwaigen Vergleichsschluss jedenfalls sehr hoch. Insbesondere aufgrund des Streitwertdeckels und der damit verbundenen Kostendeckelung dürfte für den Prozessfinanzierer die Rentabilität eines Vergleichsschluss sehr viel früher eintreten als für den einzelnen Zedenten. Dieser Interessengegensatz gilt auch dann, wenn M – wie von der Klägerin behauptet – unterstellt, die Klägerin ermögliche es mit ihrem Vorgehen vielen Zedenten überhaupt erst, Zugang zum Recht zu erhalten (Bd. 55/1, S. 1.411 d.A.), dass – mit anderen Worten – die Zedenten also alleine gar nicht geklagt hätten, wenn sie sich nicht dem Klagemodell der Klägerin angeschlossen hätten. Diese Argumentation greift vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des RDG zu kurz: Das RDG will demjenigen, der sich – wie die Zedenten – zur Durchsetzung seiner Rechte entscheidet, bestmögliche Realisierung dieser Ansprüche ermöglichen. Eben dieses Ziel wird durch den Interessengegensatz zum Prozessfinanzierer gefährdet. Ein Vergleich mit denjenigen, die sich von vorneherein nicht zur Geltendmachung ihrer Rechte entscheiden, verbietet sich daher.
ee) Hinzukommt, dass die Klägerin nach eigenem Vortrag keinen separaten Vergleich mit den Beklagten in Bezug auf einzelne Ansprüche abschließen kann, falls eine solcher separater Vergleich den Anspruch des Prozessfinanzierers auf den Anteil an der Erfolgsbeteiligung der Klägerin bzw. den Erstattungsanspruch über die Vertragskosten von 35.000 EUR beinträchtigen würde. In dem Fall, dass die Beklagten zum Vergleich über einzelne Ansprüche bereit wären und sie diese Ansprüche zu 100 % erfüllen würden, dieser gleichzeitig aber den Anspruch des Prozessfinanzierers auf den Anteil an der Erfolgsbeteiligung der Klägerin bzw. den Erstattungsanspruch über die Vertragskosten von 35.000 EUR beinträchtigen würde, ist die Pflichtenkollision der Klägerin offenkundig: Die Pflicht der Klägerin aus Ziff. 1.4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber jedem einzelnen Zedenten, die möglichen Kartellschadensersatzansprüche möglichst effizient und vollständig durchzusetzen und auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen, steht in Widerspruch zur Pflicht der Klägerin gegenüber ihrem Prozessfinanzierer, unter bestimmten Bedingungen keinen separaten Vergleich mit den Beklagten in Bezug auf einzelne Ansprüche abzuschließen.
ff) Die Ausführungen der Klägerin zu den finanziellen Zusagen sind nicht geeignet, eine mittelbare Einflussnahme des Prozessfinanzierers auszuschließen, die den Interessen der Zedenten zuwiderläuft. Der als Anlage K 3641 vorgelegte sog. letter of comfort der … vom 25.04.2017 und die Klarstellung vom Juli 2019 (Anlage K 14.366) zeigen jedenfalls, dass die Klägerin noch nicht über diese Mittel verfügen kann, sondern auf die fortlaufende Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Prozessfinanzierers oder dessen Muttergesellschaft angewiesen ist. Auch lässt sich aus dem Vortrag nicht entnehmen, dass die Prozessfinanzierung vorbehaltlos ohne eigene Prüfung der kaufmännischen Zweckmäßigkeit oder der Erfolgsaussichten erfolgen wird. Bleiben Zahlungen aus, kann der Prozess unter Umständen nicht weitergeführt werden, dies kann zu einem wirtschaftlichen Verlust der Zedenten führen.
gg) Das Versprechen der Rechtsdurchsetzung durch die Klägerin steht unter dem Vorbehalt der Zweckmäßigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund der Prozessfinanzierungsvereinbarung von Kosten des Verfahrens vollständig freigestellt ist, könnten ihr kostenauslösende prozessuale Schritte – vom eigenen Verwaltungsaufwand abgesehen – weitgehend egal sein. An dieser Stelle besteht jedoch die Gefahr, dass die Zweckmäßigkeitserwägungen des Prozessfinanzierers an die Stelle eigener Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Klägerin treten. Da es sich bei dem Prozessfinanzierer um ein ausländisches Unternehmen mit einer börsennotierten Muttergesellschaft handelt, das unter Beobachtung von Analysten und Presse steht, können hier andere Kriterien maßgeblich sein, als in einem eigenfinanzierten Prozess. Aus der Abhängigkeit der Klägerin von der Prozessfinanzierung folgt die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungskriterien für die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung, die den Interessen der Zedenten zuwiderlaufen kann.
hh) Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Höhe eines von vorneherein festgelegten Anteils an der Erfolgsbeteiligung der Klägerin ein beträchtliches Eigeninteresse des Prozessfinanzierers an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche der Zedenten begründet. Hier besteht jedoch – anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2019 in Sachen www.wenigermiete.de zugrundeliegenden Fall – aus den genannten Gründen kein weitgehender (prinzipieller) Gleichlauf der Interessen des Prozessfinanzierers und der Zedenten.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Erbringung der Rechtsdienstleistung und damit ein Verstoß gegen § 4 RDG nicht deshalb aus, weil die Zedenten bzw. der Prozessfinanzierer in den Verstoß eingewilligt hätten. Nach zutreffender Auffassung ist § 4 RDG angesichts der Ausgestaltung des RDG als Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt nicht dispositiv (Deckenbrock, in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 4 Rn. 29; a.A. Grünewald, in: Grunewald/Römermann, BeckOK RDG, 11. Edition, Stand: 01.10.2019, § 4 Rn. 26, sofern dem Beratenen die Interessenlage klar vor Augen geführt worden ist). Dies folgt bereits aus dem im öffentlichen Interesse verfolgten Zweck des RDG, den Rechtsuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (Remmertz, in: Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 17). Hierüber können die Parteien nicht verfügen.
III. Die Abtretungen an die Klägerin sind gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 3 und § 4 RDG nichtig.
1. Die Rechtsverfolgungsverträge sind auf eine verbotene Leistung gerichtet und damit gemäß § 134 BGB nichtig.
Zwar ist das Verbot unerlaubter Rechtsdienstleistungen einseitig an den Leistungserbringer gerichtet. Der Gesetzeszweck gebietet jedoch die Nichtigkeitsfolge (v. Lewinsky/Kerstges, in: MDR 2019, 705, 709 ff.; a.A. Morell, in: NJW2019, 2574, 2579, wonach die Nichtigkeit der Inkassozession im Fall einer Registrierung nicht die Zwecke des RDG unterstütze, sondern sie gefährde). Der vom Gesetz in § 1 Abs. 1 S. 2 RDG gleichrangig mit dem Schutz des Rechtssuchenden bezweckte Schutz des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung liefe andernfalls leer. Gerade im Bereich der Forderungsdurchsetzung stehen Schuldnerschutzgesichtspunkte im Vordergrund, die durch eine wirksame Regulierung zu wahren sind (BT-Drs. 16/3655, S. 48).
2. Die Nichtigkeit erfasst auch die zur Durchführung des Rechtsverfolgungsvertrages erfolgten Abtretungen aller streitgegenständlicher Forderungen an die Klägerin.
a) Zwar ist die Abtretung als Verfügungsgeschäft grundsätzlich sittlich neutral (OLG München Urt. v. 4.12.2017, 19 U 1807/17, juris Rn. 26). Der Schutzzweck des RDG gebietet jedoch ein Durchschlagen der Nichtigkeit auf die zur Rechtsdurchsetzung erfolgte Forderungsabtretung (BGH, Urt. v. 30.10.2012, XI ZR 324/11, juris Rn. 35 f.; BGH, Urt. v. 11.12.2013, IV ZR 136/13, juris Rn. 31; BGH, Urt. v. 11.01.2017, IV ZR 340/13, juris Rn. 18), da andernfalls die Verbotsanordnung weitgehend folgenlos bliebe. Zwar kann die Nichtigkeitsfolge für den rechtssuchenden Kunden des Rechtsdienstleisters ggf. den vollständigen Rechtsverlust zur Folge haben, beispielsweise wenn zwischenzeitlich Verjährung eingetreten ist. Dem stehen jedoch die Belange des Schuldners und der geordneten Rechtspflege gegenüber, ein Vorrang des Gläubigerschutzes lässt sich nicht begründen. Schließlich hat der Gläubiger eigenverantwortlich die Auswahl des Rechtsdienstleisters vorgenommen und mit dem Zessionsmodell – bewusst – auch rechtliche Risiken in Kauf genommen.
b) Auch eine konkrete Betrachtung der Schutzwürdigkeit führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Die Klagepartei macht insoweit geltend, die Beklagten seien minder schutzwürdig, da sie die im Kommissionsentscheid festgestellte Pflichtwidrigkeit begangen hätten. Außerdem sei die Bündelung zur Gewährleistung einer effektiven Rechtsdurchsetzung auf Augenhöhe erforderlich. Unter rechtsstaatlichen Erwägungen kann eine Pflichtverletzung nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass eine unerlaubte Rechtsdienstleistung faktisch erbracht werden darf. Das Sammelklagemodell der Klägerin ist unter Effektivitätsgesichtspunkten ambivalent. Es mag zutreffend sein, dass sich der Sammelklage der Klägerin Erwerber von LKW angeschlossen haben, die nicht bereit gewesen wären, den individuellen Aufwand für eine Einzelklage und/oder die damit verbunden Kosten auf sich zu nehmen. Für diese Kläger mag jeder noch so geringe Gewinn mit einem Vorteil verbunden sein. Für andere wiederum können sich aus der gebündelten Geltendmachung und den damit verbundenen Interessenkonflikten die oben geschilderten Nachteile ergeben. Keinesfalls ist es zutreffend, dass Einzelverfahren nicht mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können. Entsprechende Feststellungs- und Grundurteile sind bereits zahlreich ergangen (vgl. etwa LG Hannover, Urt. v. 18.12.2017, 18 O 8/17, NZKart 2018, 100, Urt. v. 16.4.2018, 18 O 21/17 und 18 0 23/27 – jeweils juris; LG Dortmund, Urt. v. 26.06.2018, 8 0 13/17 (Kart), NZKart 2018, 382; LG Stuttgart, Urt. v. 30.4.2018, 45 O 1/17, Urt. v. 19.07.2018, 30 O 33/17, NZKart 2018, 484).
Schließlich kann von einer überwiegenden Schutzwürdigkeit der Rechtssuchenden angesichts der Aufklärungshinweise der Klägerin nicht ausgegangen werden. Die Zedenten wurden bei Abschluss des Vertrages in der Anlage 2 zu den AGB der Klägerin darauf hingewiesen, dass es möglich sei, dass ein Gericht die Treuhandabtretung als unwirksam einstufen könnte mit der Folge eines damit verbundenen Rechtsverlustes.
c) Aus dem gleichen Grund kann auch das von der Klägerin angeführte Vertrauensschutzargument im Hinblick auf die Registrierung als Rechtsdienstleister nicht durchgreifen. Aber auch abstrakt gesehen ist eine Unterscheidung danach, ob der Rechtsdienstleister die unerlaubte Rechtsdienstleistung mit oder ohne Registrierung erbringt, nicht sachgerecht. Andernfalls wäre es leicht, das Verbot durch eine Registrierung zu umgehen.
Für dieses Ergebnis spricht auch die systematische Auslegung. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens besteht gerade keine gesetzliche Pflicht zur Offenbarung des konkret ausgeübten oder beabsichtigten Geschäftsmodells. Nachzuweisen sind lediglich die erforderliche Sachkunde, das Bestehen einer Haftpflichtversicherung sowie die Zuverlässigkeit (§ 13 RDG, §§ 2-5 RDV). Ob das tatsächliche Geschäftsmodell als Inkassodienstleistung oder allgemeine Rechtsberatung zu qualifizieren ist, gehört in aller Regel nicht zu den Umständen, die der Eintragungsentscheidung zugrunde liegen (Hartmann, in: NZM 2019, 353, 356).
Auch die Gesetzesmaterialen zum RDG zeigen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass das Vorhandensein einer Registrierung der Anwendung des § 134 BGB nicht entgegen steht. So heißt es – im Zusammenhang mit dem Wegfall des Bußgeldtatbestands – in der Gesetzesbegründung: „Die Folgen einer unerlaubten Rechtsberatung sind ausreichend durch zivil- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften sanktioniert. Die wichtigste Folge eines Verstoßes gegen das RDG, nämlich die Nichtigkeit des zugrundeliegenden Vertrages gemäß § 134 BGB, bleibt aufgrund des fortbestehenden Charakters des RDG als Verbotsgesetz erhalten. Die Untersagung der Rechtsdienstleistungsbefugnis kann überdies mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden“ (BT-Drs. 16/3655, S. 43).
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 27.11.2019 zu www.wenigermiete.de nach umfassender Auslegung (Rn. 53-88) hervorgehoben, dass auch Personen, die für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert sind, dem Anwendungsbereich des § 3 RDG unterfielen und dass eine Überschreitung der mit der Registrierung verliehenen Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen grundsätzlich die Nichtigkeit der mit der Inkassodienstleistung verbundenen Rechtsgeschäfte, namentlich auch einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung, nach sich ziehe (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18, Rn. 89). Die Annahme der Nichtigkeit im Falle der Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis setze jedoch in der Regel aus Gründen der Verhältnismäßigkeit voraus, dass die Überschreitung bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektiven Sicht eines verständigen Auftraggebers eindeutig vorliegt und unter Berücksichtigung der Zielsetzung des RDG (§ 1 Abs. 1 S. 2 RDG) in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig anzusehen ist. Der genannten Eindeutigkeit der Überschreitung der Inkassoerlaubnis bedürfe es dabei auch deshalb, um nicht dem Kunden, insbesondere bei schwieriger Rechtslage, das Risiko dieser Einschätzung aufzubürden (BGH, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18 Rn. 91).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Dadurch, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin von vorneherein auf die gerichtliche Geltendmachung der Forderungen ausgelegt, und damit bereits von Anfang an auf eine Tätigkeit gerichtet ist, die vom RDG nicht umfasst ist, liegt eine eindeutige und nicht nur geringfügige Überschreitung der Dienstleistungsbefugnis der Klägerin vor. Der Umstand, dass die Zedenten von der Klägerin in den Aufklärungshinweisen darauf aufmerksam gemacht werden, das Modell sei nicht ohne Risiko, dieses werde jedoch als gering eingestuft, hindert die Eindeutigkeit der Überschreitung nicht. Es liefe Sinn und Zweck des RDG entgegen, wenn es der Rechtsdienstleister auf diese Weise in der Hand hätte, die Nichtigkeitsfolge abzuwenden.
d) Ebenso wenig ist danach zu unterscheiden, ob die Rechtsdienstleistung wegen Verstoßes gegen § 4 RDG unerlaubt ist, oder weil es sich nicht um eine Inkassodienstleistung handelt. In beiden Fällen ist die Rechtsdienstleistung gemäß § 3 RDG verboten. In einem Verstoß gegen § 4 RDG liegt nämlich letztlich stets auch ein Verstoß gegen § 3 RDG. Denn §4 RDG bestimmt den zulässigen Umfang von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nach §3 RDG (Remmertz, in: Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 18, Henssler, in: NJW2019, 545, 550).
3. Auch die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Gesetzes und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klägerin sowie der Eigentumsgarantie der Zedenten führt zu einer Bewertung der Dienstleistung als verbotene Rechtsdienstdienstleistung und zur Nichtigkeit der Abtretungen.
Das RDG hat die Berufsfreiheit der Rechtsdienstleister in grundsätzlich verfassungsmäßiger Weise eingeschränkt (Mann/Schnuch, NJW 2019, 3477, 3478 m.w.N.; insbesondere zu §4 RDG: BGH, Urt. v. 24.01.2016, I ZR 107/14, juris Rn. 31 m.w.N.). Weder das Grundrecht der Berufsfreiheit der Klägerin noch das Eigentumsrecht der Zedenten gebieten es, den Begriff der Inkassodienstleistung so auszulegen, dass das Geschäftsmodell der Klägerin umfasst ist.
Vielmehr ist das Verbot der von der Klägerin erbrachten Rechtsdienstleistung geeignet, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung zu schützen, das Verbot ist erforderlich und verhältnismäßig.
a) Soweit die Nichtigkeit der Abtretungen in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Klägerin eingreift, wird diese durch die Rechtsfolge der Nichtigkeit verfassungskonform, insbesondere in verhältnismäßiger Art und Weise, eingeschränkt. Insbesondere sind mildere Mittel als die Nichtigkeit – etwa Maßnahmen der Aufsichtsbehörde, wie die Anordnung einer Auflage oder die Verhängung einer Geldbuße – nicht gleichermaßen geeignet, die Ziele des gesetzlichen Verbots gleich effektiv durchzusetzen. Die behördliche Aufsicht kann nur repressiv wirken und auf bereits begangene Verstöße individuell reagieren, während das gesetzliche Verbot präventiv wirkt, weil es die Schutzgüter des RDG zukünftig vor einer Beeinträchtigung bewahrt (vgl. Mann/Schnuch, a.a.O., S. 3481). Weiter ist im Rahmen der Angemessenheit zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Schutzgüter der RDG – den Schutz der Rechtsuchenden, der Rechtsordnung und des Rechtsverkehrs – als „hochwertig“ bzw. „höchstrangig“ bewertet, die Folgen unqualifizierten Rechtsrats als „weitreichend“ ansieht (v. Lewinski/Kerstges, MDR 2019, 705, 711 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/3655, S. 45; BT-Drs. 16/3655, S. 31; Mann/Schnuch, a.a.O., S. 3482 m.w.N.) und die Schutzgüter des RDG – wie gezeigt – durch das Modell der Klägerin konkret und unmittelbar gefährdet werden. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Nichtigkeit der Abtretungen nicht dazu führt, dass die Klägerin überhaupt keinen Gebrauch von ihrer Inkassoerlaubnis mehr machen könnte. Sie kann ihre Erlaubnis lediglich nicht mehr für das hier in Rede stehende Modell gebrauchen.
b) Soweit die Nichtigkeit der Abtretungen in das Eigentumsrecht der Zedenten eingreift, ist auch dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da verhältnismäßig. Das Ziel des RDG, der Schutz der Rechtssuchenden, mag sich hier zwar in concreto nicht realisieren, da sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit auch gegen denjenigen richtet, der nach dem RDG (auch) geschützt werden soll. Allerdings bezweckt das RDG, wie ausgeführt, neben dem Schutz des Rechtssuchenden – gleichrangig – auch den Schutz des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung. Diesen Aspekt stuft der Gesetzgeber als „höchstrangig“ ein, was die Abwägungsentscheidung zugunsten der Nichtigkeit rechtfertigt (v. Lewinski/Kerstges, a.a.O. unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/3655, S. 45). Insbesondere ist hierbei auch die berücksichtigen, dass die Zedenten im Grundsatz nicht schutzlos sind, da ihnen bei Nichtigkeit der Abtretungen jedenfalls grundsätzlich Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zustehen können (so auch BGH im Rahmen des § 43a Abs. 4 BRAO, NJW2016, 2561, 2562 Rn. 13; hierauf nimmt auch BGH, Urt. v. 27.11.2019, Urt. v. 27.11.2019, VIII ZR 285/18 Rn. 93 ff. Bezug).
G.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.


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