Europarecht

Kein Kontrahierungszwang des Kfz-Haftpflichtversicherers für im öffentlichen Verkehrsraum nicht genehmigte Fahrzeuge

Aktenzeichen  25 U 3566/20

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36398
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PflVG § 1, § 5 Abs. 2, Abs. 3
FZV § 3, § 4
StVG § 1, § 7

 

Leitsatz

Ein Kontrahierungszwang des Versicherers und der Eintritt der Annahmefiktion nach § 5 Abs. 3 PflVG setzen voraus, dass das zu versichernde Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet wird. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn für das zu versichernde Fahrzeug eine technische Genehmigung fehlt und daher sein Betrieb im öffentlichen Verkehrsraum nicht zulässig ist (§§ 3, 4 FZV). Die Fiktion setzt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes voraus, dass das zu versichernde Fahrzeuge grundsätzlich im öffentlichen Verkehrsraum verwendet werden darf. Auf die Frage, ob das Fahrzeug zulassungspflichtig oder zulassungsfrei ist, kommt es hierbei nicht an. (Rn. 2, 20 und 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

34 O 11826/19 2020-05-18 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.05.2020, Az. 34 O 11826/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Nach einstimmiger Auffassung des Senats hat das Landgericht die Klage – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsschrift – zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aushändigung von Versicherungsbestätigungen und Versicherungskennzeichen für die streitgegenständlichen Fahrzeuge aus § 5 PflVG, da keine Versicherungsverträge zustandegekommen sind, insbesondere auch die Fiktion des § 5 Abs. 3 VVG nicht wirkt.
1. Der Eintritt der Fiktion nach § 5 Abs. 3 PflVG setzt voraus, dass das jeweilige zu versichernde Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet wird; davon kann bei den vorliegenden Fahrzeugen nicht ausgegangen werden; da eine technische Genehmigung fehlt, ist ein Betrieb im öffentlichen Verkehrsraum nicht zulässig (§§ 3,4 FZV). Der Kläger hat nicht substantiiert vorgetragen, dass er die Fahrzeuge tatsächlich (verbotswidrig oder auch rechtmäßig) auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet oder verwenden will.
1.1. Nach § 5 Abs. 2 PflVG sind die im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen verpflichtet, den in § 1 genannten Personen nach den gesetzlichen Vorschriften Versicherung gegen Haftpflicht zu gewähren.
Der Antrag auf Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages für Zweiräder, Personen- und Kombinationskraftwagen bis zu 1 t Nutzlast gilt nach § 5 Abs. 3 PflVG zu den für den Geschäftsbetrieb des Versicherungsunternehmens maßgebenden Grundsätzen und zum allgemeinen Unternehmenstarif als angenommen, wenn der Versicherer ihn nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen vom Eingang des Antrags an schriftlich ablehnt oder wegen einer nachweisbaren höheren Gefahr ein vom allgemeinen Unternehmenstarif abweichendes schriftliches Angebot unterbreitet.
Nach § 1 PflVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes) verwendet wird.
1.2. Der Kläger trägt zwar vor, es sei unerlässlich für ihn, dass die Fahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, insbesondere bei Vorführungen, aber auch bei anderen Gelegenheiten (Bl. 3 d.A.) bzw. auch, er wolle die Fahrzeuge im öffentlichen Raum führen (Bl. 92 d.A.). Das ist allerdings ohne technische Genehmigung nicht zulässig.
1.2.1. Es ist nicht substantiiert dargetan (oder auch unter Beweis gestellt), wann und wo der Kläger die Fahrzeuge ohne technische Genehmigung (verbotswidrig) im öffentlichen Verkehrsraum verwendet bzw. verwenden will (wobei auch das Abstellen im öffentlichen Verkehrsraum zum Betrieb eines Fahrzeugs gehört).
Der Vortrag des Klägers, es sei unerlässlich für ihn, dass die Fahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen bzw. auch er wolle die Fahrzeuge im öffentlichen Raum führen, genügt vorliegend nicht, weil der Kläger mit solchen Handlungen gegen Gesetze verstoßen würde; in der Regel werden Gesetze eingehalten; will eine Partei vortragen, dass sie beabsichtigt, gegen ein Gesetz zu verstoßen, so muss der entsprechende Vortrag konkret sein, damit er den Anforderungen an eine ausreichende Substantiierung genügt; anderenfalls kann von einer ernstlichen Absicht nicht ausgegangen werden.
Dass (unabhängig von einer Haftpflichtversicherung) bei einer Verwendung der Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum ein Gesetzesverstoß vorliegen würde, ergibt sich aus folgendem:
Wenn der Kläger die Fahrzeuge auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet, betreibt er sie auch; der Betrieb ist nur zulässig, wenn jedenfalls eine technische Genehmigung vorliegt (was auch für die Risikoeinschätzung der Beklagten von erheblicher Relevanz ist). Das gilt für zulassungsfreie (§ 4 Abs. 1 FZV) wie auch für zulassungspflichtige (§ 3 FZV) Fahrzeuge. Grundvoraussetzung für den Betrieb von Fahrzeugen mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 6 km/h im öffentlichen Verkehrsraum ist (von hier nicht vorliegenden Ausnahmen z.B. bestimmte e – bikes abgesehen), dass das jeweilige Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist (§ 3, 4 Abs. 1 FZV), also die Konstruktion und die Funktionsweise technisch überprüft ist (bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen ist eine verwaltungsmäßige Zulassung erforderlich; eine solche kommt nur in Betracht, wenn das jeweilige Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelbetriebserlaubnis vorliegt – Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 04.02.2020, Bl. 49,50 d.A.).
Alle streitgegenständliche Fahrzeuge erfüllen diese Voraussetzungen nicht (und dürfen daher nicht im öffentlichen Verkehrsraum betrieben werden):
Nach der Auskunft des Kraftfahrbundesamtes sind die streitgegenständlichen Fahrzeuge schon in Hinblick auf die erreichbare Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h zulassungspflichtig (Bl. 50 d.A.). Eine (verwaltungsmäßige) Zulassung ohne Typengenehmigung oder Einzelbetriebserlaubnis kommt nicht in Betracht; abgesehen davon wäre selbst dann, wenn Fahrzeuge zulassungsfrei wären – wie dargestellt – eine technische Genehmigung erforderlich (vgl. auch Auskunft des Kraftfahrbundesamtes Bl. 50 d.A).
Da solche technische Genehmigungen nicht vorliegen, ist ein Betrieb der streitgegenständlichen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nicht zulässig (§ 1 StVG).
Damit kann – ohne konkreten Vortrag – nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum tatsächlich verbotswidrig nutzen will bzw. nutzt.
1.2.2. Der Kläger hat sich auch (trotz der Anregung des Landgerichts vom 11.02.2020 – Bl. 51 d.A.) nicht um Einzelgenehmigungen bemüht oder auch konkret vorgetragen, dass er sich um solche Genehmigungen bemüht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger die Fahrzeuge technisch prüfen lassen will, um eine technische Genehmigung zu erhalten, und sodann mit einer Einzelbetriebserlaubnis (und einer Pflichtversicherung) die Fahrzeuge ggfs. verwaltungsmäßig zulassen will, um sie danach (rechtmäßig) im öffentlichen Verkehrsraum zu nutzen.
1.2.3. Sperrt der Kläger Bereiche zulässigerweise ab, so nimmt er diesen Bereichen die Zweckbestimmung eines öffentlichen Verkehrsraums, da andere Verkehrsteilnehmer dann von der Nutzung ausgeschlossen sind. Für solche Fälle (ausschließliche Nutzung in abgesperrten Bereichen) sieht das Pflichtversicherungsgesetz keinen Kontrahierungszwang und keine Fiktionswirkung vor.
1.2.4. Damit fehlt es vorliegend an der Tatbestandsvoraussetzung „wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes) verwendet wird “. Somit besteht schon nach dem Gesetzeswortlaut kein Kontrahierungszwang der Beklagten; damit greift die Annahmefiktion des § 5 Abs. 3 PflVG nicht.
Diese vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung ausgehende Auslegung entspricht auch ihrem Sinn und Zweck. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass der (strafbewehrten) Versicherungspflicht, die für den Gebrauch von Fahrzeugen auf öffentlichen Wegen oder Plätzen besteht (§ 6 PflVG), der Kontrahierungszwang des Haftpflichtversicherers korrespondierend gegenübersteht. Vorliegend ist – mangels konkretem Vortrag – davon auszugehen, dass die Fahrzeuge wegen fehlender technischer Genehmigung nicht auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet werden, so dass auch keine Versicherungspflicht besteht. Eine Risikobewertung für technisch nicht genehmigte Fahrzeuge durch einen Versicherer ist nur mit erheblichem Aufwand möglich. Der Schutz Dritter ist dadurch – in gewissen Umfang – gewahrt, dass es dem Kläger – strafbewehrt – untersagt ist, die Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum zu nutzen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, auch mit zugelassenen Fahrzeugen könnten Ordnungswidrigkeiten begangen werden, nichtsdestotrotz bestünde ein Kontrahierungszwang, überzeugt das nicht; eine zulässige Nutzung zugelassener Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum ist der Regelfall; bei den streitgegenständlichen Fahrzeugen ist eine solche zulässige Nutzung – nach derzeitiger Rechtslage – von vornherein ausgeschlossen.
2. Unabhängig davon folgt der Senat auch der Auffassung der Beklagten, dass eine rechtswidrige Nutzung nicht versichert werden muss, da die Beklagte verbotene Handlungen nicht unterstützen muss, indem sie für diese Versicherungsschutz gewährt und damit dafür sorgen würde, dass eine Strafbarkeit nach dem PflVG nicht besteht (und nur eine Verfolgung der verbotenen Handlung als Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG möglich ist). Die gesetzliche Regelung zur Fiktion ist entsprechend auszulegen. Vom Wortlaut des Gesetzes „.. wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes) verwendet wird “ ist zwar auch die (generell) unzulässige Nutzung umfasst. Dass der Wortlaut einer Vorschrift nicht das einzige Kriterium zur Auslegung sein kann, ist allgemein anerkannt (vgl. z.B. Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. – Urteil vom 07.05.2014 – Az. IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 – bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 23.05.2016 – Az. 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15). Gesetzliche Regelungen können logischgrammatisch, historisch, systematisch und teleologisch (Ermittlung der ratio legis) interpretiert werden. Ziel der Auslegung ist es, den gesetzgeberischen Willen zu erkennen. Vorliegend ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelungen, dass der Gesetzgeber die Benutzung von Kraftfahrzeugen, die nicht technisch überprüft sind und – wie die Fahrzeuge des Klägers – keinem genehmigten Typ entsprechen und auch keine Einzelgenehmigung haben, unterbinden will (vgl. oben 1.2.1.). Zwar sollen durch die Regelungen zur Fiktion auch Dritte vor Schäden geschützt werden, allerdings nicht unbeschränkt, was sich schon daraus ergibt, dass die Fiktion überhaupt nur in Betracht kommen kann, wenn ein Antrag gestellt wird und wenn es sich um die in § 5 Abs. 3 PflVG bezeichneten Fahrzeuge handelt. Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die Fiktion (und auch durch den Kontrahierungszwang) die Privatautonomie erheblich eingeschränkt wird und ein solcher Einschnitt in die Rechte des Versicherers (und der Versichertengemeinschaft) nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein ausreichender Grund dafür besteht; jedenfalls muss das technische Risiko abschätzbar sein, damit eine Risikobewertung vorgenommen werden kann; zudem dürfen an den Versicherer keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Eine nachvollziehbare Risikobewertung setzt voraus, dass die entsprechenden Fahrzeuge sicherheitstechnisch überprüft sind. Die Fiktion setzt daher nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes voraus, dass die Fahrzeuge (grundsätzlich) im öffentlichen Verkehrsraum verwendet werden dürfen. Zu berücksichtigen ist bei der Fiktion, dass der Versicherer überhaupt keine Möglichkeit hat, eine technische Überprüfung durchführen zu lassen. Zudem ist es dem Versicherer nicht zuzumuten, in Kenntnis der Tatsache, dass der Betrieb der Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum verboten ist und eine Ordnungswidrigkeit darstellt, diese (allgemein verbotene) Nutzung zu versichern und so letztendlich die Ordnungswidrigkeit dadurch zu unterstützten, dass durch die Versicherung eine Strafbarkeit der Handlung entfällt.
3. Abgesehen davon gibt es hinsichtlich der Einräder nach dem – klaren – Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 3 PflVG keine Annahmefiktion, da es sich nicht um Zweiräder, Personen – oder Kombinationskraftwagen handelt, so dass die Klage insoweit auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann.
4. Zu den mit der Berufungsschrift erhobenen Einwendungen:
4.1. Wie oben dargestellt, tritt schon von den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen die Fiktion eines Abschlusses von Versicherungsverträgen, nach dem Pflichtversicherungsgesetz nicht ein, da nicht ausreichend dargelegt ist, dass der Kläger die Fahrzeuge tatsächlich (verbotswidrig oder auch rechtmäßig) im öffentlichen Verkehrsraum verwenden will bzw. verwendet (1.2.). Würde der Kläger eine (beabsichtigte) verbotswidrige Nutzung konkret darlegen, so hätte die Klage dennoch keinen Erfolg, da es der Beklagten nicht zuzumuten ist, sich an rechtswidrigen Handlungen zu beteiligen bzw. diese zu unterstützen (2.). Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Begriffe Verwendung auf öffentlichen Wegen und Plätzen (§ 1 PflVG) und Betrieb i.S. des § 7 StVG seien nicht identisch, kommt es darauf wegen des fehlenden konkreten Vortrages zur (zulässigen) tatsächlichen Verwendung nicht an. Abgesehen davon ist der Begriff des Betriebes umfassend zu verstehen; so hat der Bundesgerichtshof zur Haftpflichtversicherung entschieden: Ein Schaden ist dann gem. § 7 I StVG „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Erforderlich ist stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, das heißt die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH, Urteil vom 24.3.2015 – Az. VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681). Die Vorschriften über die Zulassungspflicht stellen auf die Absicht der Inbetriebsetzung auf öffentlichen Straßen ab (§ 1 StVG). Der Kläger hat – wie dargestellt – nicht substantiiert dargetan hat, dass und wie er das Fahrzeug – ohne Absicht der Inbetriebsetzung – im öffentlichen Verkehrsraum verwenden will bzw. verwendet. Eine solche Verwendungsmöglichkeit ist auch nicht ersichtlich.
4.2. Auf die Frage, ob die Fahrzeuge zulassungspflichtig oder zulassungsfrei sind kommt es nicht an, da sie auf jeden Fall über eine technische Genehmigung verfügen müssen (vgl. §§ 3, 4 FZV), die nicht vorliegt. Auf die Stellungnahme des Kraftfahrtbundesamtes, die diesen Punkt ausdrücklich erwähnt (Bl. 50 d.A.) wird Bezug genommen.
Abgesehen davon hat das Kraftfahrtbundesamt dargestellt, dass die Fahrzeuge zulassungspflichtig sind (vgl. oben 1.2.1.). Soweit die Berufung darauf verweist, dass die Rechtsanwendung Sache der Gerichte ist, trifft das zu. Die Auffassung des Kraftfahrbundesamtes entspricht allerdings der Rechtslage:
Nach § 1 StVG müssen Kraftfahrzeuge (Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein), die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden sollen, von der Zulassungsbehörde zum Verkehr zugelassen sein. Die Zulassung erfolgt auf Antrag des Verfügungsberechtigten des Fahrzeugs bei Vorliegen einer Betriebserlaubnis, Einzelgenehmigung oder EG-Typgenehmigung durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens. Keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes sind Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher, wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird; gleiches gilt, wenn die Fahrzeuge über eine elektromotorische Anfahr- oder Schiebehilfe verfügen, die eine Beschleunigung des Fahrzeuges auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglicht; die hier in den Anträgen II, III, V bezeichneten Fahrzeuge verfügen über eine höhere Höchstgeschwindigkeit als 25 km/h und sind damit schon deshalb zulassungspflichtig.
Bezüglich der in den Anträgen I und IV bezeichneten Fahrzeuge, deren Höchstgeschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt ist nicht dargelegt, dass die Unterstützung vom Einsatz der Muskelkraft für die Fortbewegung abhängt.
Nach § 3 Abs. 2 FZV wird die Zulassung durch Zuteilung eines Kennzeichens, Abstempelung der Kennzeichenschilder und Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht.
Ausgenommen von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren sind nach § 3 Abs. 3 g FZV Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne des § 1 Absatz 1 der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung vom 6. Juni 2019 (BGBl. I S. 756) in der jeweils geltenden Fassung. Diese Verordnung ist allerdings auf die vorliegend streitgegenständlichen Fahrzeuge allesamt nicht anwendbar; sie gilt nur für Elektrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h (§ 1 eKFV); alle hier streitgegenständlichen Fahrzeuge haben eine höhere Höchstgeschwindigkeit als 20 km/h. Damit gilt für die streitgegenständlichen Fahrzeuge die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 g FZV ohnehin nicht.
Dass bzw. unter welche andere Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 3 FZV die einzelnen streitgegenständlichen nach Vortrag des Klägers ein- bzw. zweirädrigen Kraftfahrzeuge fallen sollen, ist nicht dargetan. Leichtkrafträder und Kleinkrafträder sind nur dann zulassungsfrei, wenn die konstitutiven Merkmale (Nennleistung und Hubraum) eingehalten werden. Dann sind sie betriebserlaubnispflichtig; sie dürfen auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie einem genehmigten Typ entsprechen oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist (§ 4 Abs. 1 FZV).
4.3. Zutreffend ist zwar, dass vor einer Zulassung durch die Zulassungsbehörde eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss. Allerdings bezieht sich das auf die verwaltungsmäßige Zulassung und nicht auf die (sogar unabhängig von einer Zulassung) erforderliche technische Genehmigung. Eine solche ist für die Risikoeinschätzung des Versicherers in der Regel relevant. Wie dargelegt setzt der Kontrahierungszwang und auch der Eintritt der Abschlussfiktion voraus, dass das jeweilige zu versichernde Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet wird, insbesondere dass eine ernstliche Absicht hierfür besteht, wovon hier nicht ausgegangen werden kann (1.2.).
4.4. Auch die Argumentation, es seien Strafverfahren gegen Benutzer entsprechender Fahrzeuge wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz durchgeführt worden (Anlagen K 6 zum Schriftsatz vom 31.01.2020 und K 6 zum Schriftsatz vom 22.07.2020) führt zu keinem anderen Ergebnis. Die vorliegend streitgegenständlichen Fahrzeuge haben – wie dargestellt – keine technische Genehmigung. Damit ist ihre Benutzung im öffentlichen Strassenverkehr – unabhängig von einer Versicherung – unzulässig. Die Strafbefehle beziehen sich auf Fahrzeuge, die (nach Auffassung der Staatsanwaltschaft bzw. auch des Amtsgerichts) dem Pflichtversicherungsgesetz unterliegen; hat es sich bei den strafrechtlich verfolgten Fällen um Fahrzeuge gehandelt, die den streitgegenständlichen entsprechen, so wurden diese tatsächlich verbotswidrig im öffentlichen Verkehr verwendet, so dass das Pflichtversicherungsgesetz zur Anwendung kommt (§ 1 PflVG). Vorliegend ist hingegen eine solche (beabsichtigte) verbotswidrige Verwendung nicht substantiiert dargetan. Abgesehen davon ist die Beklagte nicht verpflichtet, verbotswidrige Handlungen zu unterstützten.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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