Europarecht

Kein Überweisungsanspruch eines Integrations- bzw. Inklusionsunternehmens an andere Berufsgenossenschaft

Aktenzeichen  L 3 U 283/14

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136501
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 1, § 121, § 122, § 131 Abs. 2, § 132, § 136 Abs. 1 S. 4
GG Art. 3, Art. 123 Abs. 1
SGB IX § 219
AO §§ 51 ff.

 

Leitsatz

1 Der Überweisungsanspruch eines Unternehmens an eine andere Berufsgenossenschaft unterliegt aus Gründen der Kontinuität und Rechtssicherheit den engen Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 S. 4 SGB VII (Grundsatz der Katasterstetigkeit). Ein Unternehmen ist selbst dann nicht allein deshalb zu überweisen, weil sich herausstellt, dass ein anderer Träger objektiv zuständig ist (Anschluss an BSG BeckRS 2009, 67778). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die sachliche Zuständigkeit einer gewerblichen Berufsgenossenschaft richtet sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Der Unternehmenszweck der Klägerin als der Wohlfahrtspflege dienendes Unternehmen hat sich nicht geändert. (Rn. 35 und 40 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
3 Auch bei Wohlfahrtsorganisationen ist grundsätzlich auf das Unternehmen als Ganzes und nicht auf die jeweilige Einrichtung abzustellen. Integrationsunternehmen bzw. Inklusionsunternehmen dienen der Beschäftigung und Eingliederung schwerbehinderter Menschen, deren Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. (Rn. 46 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
4 Hauptzweck der Klägerin ist die Beschäftigung Behinderter, nicht die Gewinnerzielung durch Einsatz von Arbeitnehmern. Bei einem Integrationsunternehmen prägt der behinderte Mensch die Arbeit, nicht das Gewerbe, in dem er tätig ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
5 Das klägerische Unternehmensziel, Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen zu schaffen, ergibt sich ferner aus der im Gesellschaftsvertrag verankerten Unternehmensgestaltung sowie dem Internetauftritt sowie der steuerrechtlichen Bescheinigung. (Rn. 52 – 57) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 4 U 281/13 2014-06-12 Schlussurteil SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Überweisung an die Beigeladene hat. Demgegenüber war der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2013, mit dem die Beklagte das Unternehmen der Klägerin für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlagt hat (sog. Veranlagungsbescheid nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Diese Entscheidung der Beklagten ist von dem rechtskundigen Bevollmächtigten der Klägerin nicht angefochten worden.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 18. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 eine Überweisung an die BG ETEM abgelehnt hatte, nicht jedoch an die Beigeladene. Denn die Beklagte hatte in ihrer Entscheidung ausdrücklich dargelegt, dass und aus welchen Gründen sie selbst und keine andere Berufsgenossenschaft für das Unternehmen der Klägerin zuständig ist. Damit hat die Beklagte letztlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Überweisung der Klägerin unabhängig davon ablehnt, an welchen anderen Unfallversicherungsträger die Überweisung erfolgen soll.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage eines Anspruches auf Überweisung an einen anderen Unfallversicherungsträger ist § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII.
Die gesetzliche Regelung der Voraussetzungen eines Überweisungsanspruches hat im hier maßgeblichen Zeitraum beginnend ab dem von der Klägerin sinngemäß gestellten Antrag auf Überweisung (bei der Beklagten eingegangen am 3. Januar 2013) keine Änderung erfahren. Sie sieht vor, dass der Unfallversicherungsträger ein Unternehmen dem zuständigen Unfallversicherungsträger überweist, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen ändert. Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Zu den schwerwiegenden Unzuträglichkeiten gehören Unzuträglichkeiten, die im Aufbau oder der Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung selbst Schwierigkeiten bereiten. Sie ergeben sich jedoch nicht bereits aus sonstigen Unternehmensinteressen, wie z.B. aus der Beitragshöhe (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 – B 2 U 11/98 R -, SozR 3-2200 § 664 Nr. 2 und juris Rn. 28). Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist (§ 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Nach § 136 Abs. 1 Satz 5 SGB VII erfolgt die Überweisung im Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden Unfallversicherungsträger bekanntzugeben.
Nach der Rechtsprechung des BSG sollen diese Voraussetzungen eines Überweisungsanspruchs Kontinuität und Rechtssicherheit in Bezug auf die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger für die bei ihnen versicherten Unternehmen gewährleisten (Grundsatz der Katasterstetigkeit). Die einmal begründete und praktizierte Zuständigkeit kann, wenn ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen haben oder objektiv entfallen sind, nur in einem besonderen Überweisungsverfahren und unter den genannten engen Voraussetzungen geändert werden. Ein Unternehmen ist daher nicht allein deshalb zu überweisen, weil sich herausstellt, dass ein anderer Träger objektiv zuständig ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 20/07 R -, SozR 4-2700 § 136 Nr. 5 und juris Rn. 24 m.w.N.; BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 11. August 1998 – B 2 U 31/97 R -, juris Rn. 27 ff. u.a. mit dem Hinweis, dass § 136 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 SGB VII die bisherigen Regelungen in der RVO zur Überweisung von Unternehmen unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung übernommen und konkretisiert hat).
Die Voraussetzungen eines Überweisungsanspruchs sind hier nicht erfüllt.
Zunächst ist die Beklagte aufgrund des bestandskräftigen und jedenfalls nicht nichtigen (vgl. § 40 Abs. 1 und 2 SGB X) Bescheides vom 15. April 1997, mit dem sie ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin festgestellt hat, der formell zuständige Unfallversicherungsträger (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 20/07 R -, SozR 4-2700 § 136 Nr. 5 und juris Rn. 26 ff.).
Für eine wesentliche Änderung im Sinne des § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII ist vorliegend weder etwas ersichtlich noch wird dergleichen von der Klägerin vorgetragen. Entscheidens ist vorliegend der Unternehmenszweck der Klägerin (siehe nachfolgend), der sich über all die Jahre nicht geändert hat. Geltend gemacht wird auch Seitens der Klägerin ausschließlich eine von Anfang an unrichtige Zuständigkeitsfeststellung, weil die Beklagte zu Unrecht auf den ideellen Unternehmenszweck abgestellt habe, statt auf die konkret von den Beschäftigten verrichteten Tätigkeiten.
Allerdings liegt eine unrichtige Zuständigkeitsfeststellung im Sinne des § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ebenfalls nicht vor. Denn die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten widerspricht weder eindeutig den Zuständigkeitsregelungen noch würde das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen.
Ob die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin von Anfang an zu Recht angenommen hat, beurteilt sich nach dem bei Erlass des Feststellungsbescheides vom 15. April 1997 geltenden Recht, mithin nach den seit 1. Januar 1997 in Kraft befindlichen Bestimmungen des SGB VII. Daran ändert nichts, dass der Bescheid die Zuständigkeit auch rückwirkend für die Zeit ab 1. April 1995 festgestellt hat. Denn die Übergangsvorschriften der §§ 212 bis 220 SGB VII enthalten für das Organisationsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung im Fünften Kapitel des SGB VII keine Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass neues Recht unmittelbar mit seinem Inkrafttreten wirksam wird und jedenfalls für die Zeit ab Geltungsbeginn auch solche Sachverhalte erfasst, die bereits vorher eingetreten waren (BSG, Urteil vom 28. November 2006 – B 2 U 33/05 R -, BSGE 97, 279 und juris Rn. 16). Überdies haben sich in den maßgeblichen Rechtsvorschriften gegenüber der Rechtslage nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorliegend keine entscheidungserheblichen Änderungen ergeben (vgl. die Regelung der sachlichen Zuständigkeit in § 646 Abs. 1 RVO i.V.m. Anlage 1, die die Beklagte als Nr. 35 aufführte; eine abweichende Zuständigkeit nach §§ 653 bis 657b RVO, insbesondere eines Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand, griff auch damals nicht ein). Im Rahmen der hiesigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist des Weiteren maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.
Die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften, zu denen sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene gehören (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage 1), richtet sich seit Inkrafttreten des SGB VII nach §§ 121, 122 SGB VII. Nach § 121 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht aus dem Zweiten und Dritten Unterabschnitt (d.h. §§ 123 bis 129a SGB VII) eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft oder der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. In Betracht käme ohnehin allenfalls – wegen der Mitgesellschafterstellung der Gemeinde A-Stadt – eine Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers im kommunalen Bereich nach § 129 Abs. 1 Nr. 1a SGB VII. Allerdings ist diese Regelung erstens erst zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten (geändert mit Wirkung zum 1. Januar 2013) und zweitens hier nicht einschlägig, da der Gesellschafteranteil der Gemeinde A-Stadt lediglich 4% beträgt und drittens eine Überweisung nach § 218d Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGB VII ausscheiden würde, weil das Unternehmen der Klägerin bereits am 31. Dezember 1996 bestanden hat.
Die Bestimmung der sachlich zuständigen gewerblichen Berufsgenossenschaft richtet sich nach § 122 SGB VII. Nach dessen Abs. 1 kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand der Unternehmen unter Berücksichtigung der Prävention und der Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschaften bestimmen. Da eine solche Rechtsverordnung bisher nicht ergangen ist, bleibt nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war. Mit dieser Regelung knüpft § 122 SGB VII an Art. 4 § 11 UVNG an, der im Wesentlichen denselben Inhalt hatte (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 18).
Die sachliche Zuständigkeit einer gewerblichen Berufsgenossenschaft richtet sich grundsätzlich nach Art und Gegenstand des Unternehmens (BSG, Urteil vom 11. August 1998 – B 2 U 31/97 R -, juris Rn. 26). Die Zuständigkeiten der Berufsgenossenschaften für die Unternehmen knüpfen seit dem Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 bis zum heutigen SGB VII an der Zuordnung der Unternehmen zu Gewerbezweigen an. Hinsichtlich dieser Zuordnung kommt es nicht auf die Art der Arbeitsplätze in dem einzelnen Unternehmen, sondern neben den Arbeitsbedingungen auf die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung an. Von daher ist es z.B. nicht sachwidrig, Unternehmen, die für einen oder mehrere bestimmte Gewerbezweige tätig sind, auch wenn diese Unternehmen selbst büromäßig organisiert sind, der Berufsgenossenschaft zuzuordnen, die für diese(n) Gewerbezweig(e) zuständig ist (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 29, mit dem ein Anspruch der Kassenärztlichen Vereinigung auf Überweisung von der BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege an die Verwaltungs-BG abgelehnt worden ist).
Mangels Tätigwerdens des Verordnungsgebers nach § 122 Abs. 1 SGB VII sind für die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften hinsichtlich der verschiedenen Unternehmen immer noch der Beschluss des Bundesrates vom 21. Mai 1885 (AN 1885, 143) sowie die ihn ergänzenden Regelungen maßgeblich. Nach Art. 123 Abs. 1 GG gilt sog. vorkonstitutionelles Recht fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 19 ff. mit weiteren Einzelheiten). Vorliegend ist maßgeblich zu verweisen auf Abschnitt A Abs. I Buchstabe a der Verordnung des Reichsarbeitsministeriums über Träger der Unfallversicherung vom 17. Mai 1929 (RGBl. I, S. 104), durch die die Beklagte gegründet worden ist und wonach sie zuständig ist für Unternehmen, die in der Wohlfahrtspflege tätig sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 3/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 18 und juris Rn. 15).
Das Unternehmen der Klägerin ist seit seiner Gründung durchgehend in der Wohlfahrtspflege tätig.
Der Begriff der „Wohlfahrtspflege“ ist im SGB VII nicht definiert. Er bildet jedoch die Grundlage des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 SGB VII, der inhaltlich der Vorgängerregelung in § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist unter der Wohlfahrtspflege in diesem Sinne die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen zu verstehen (eine ähnliche Definition enthält § 66 Abs. 2 AO). Zu berücksichtigen sind die Aufgaben der allgemeinen Wohlfahrtspflege (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 3/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 18 und juris Rn. 18 m.w.N.; BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 – 2 RU 79/84 -, BSGE 58, 210 und juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 26. September 1961 – 2 RU 191/59 -, BSGE 15, 112 und juris Rn. 14; vgl. umfassend zum Begriff auch: BSG, Urteil vom 25. Oktober 1957 – 2 RU 122/54 -, BSGE 6, 74 und juris). Ergänzend umfasst der Begriff „Gesundheitsdienst“ Tätigkeiten bzw. Einrichtungen, die der Gesundheit der Allgemeinheit oder eines Einzelnen dienen (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 27/05 R -, juris Rn. 34 m.w.N.). Für den Versicherungsschutz ist nicht die organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestimmung einer Einrichtung oder der Tätigkeit maßgebend (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 – 2 RU 79/84 -, BSGE 58, 210 und juris Rn. 14).
Für Wohlfahrtsverbände oder vergleichbare Organisationen, die breit gestreute Aufgaben im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege wahrnehmen und dort Versicherte im Sinne des § 2 SGB VII haupt- oder ehrenamtlich beschäftigen, gelten, was den Unternehmensbegriff und die Einordnung in die Zuständigkeitsvorschriften der §§ 131 Abs. 1, 136 Abs. 1 SGB VII angeht, grundsätzlich keine Besonderheiten (Ausnahme: § 128 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII; BSG, Urteil vom 28. November 2006 – B 2 U 33/05 R -, BSGE 97, 279 und juris Rn. 22). Für die Bestimmung des zuständigen Unfallversicherungsträgers ist auch bei Wohlfahrtsorganisationen grundsätzlich auf das Unternehmen als Ganzes und nicht auf die jeweilige Einrichtung abzustellen. Soweit nicht mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen vorliegen, bilden die verschiedenen Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen ein einheitliches Gesamtunternehmen, das als Ganzes der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers unterfällt, dem das Hauptunternehmen angehört. Von einem einheitlichen Unternehmen ist auszugehen, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht und die Betriebsteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt desselben Unternehmers unterliegen (BSG, Urteil vom 28. November 2006 – B 2 U 33/05 R -, BSGE 97, 279 und juris Leitsatz und Rn. 19 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keine Zweifel daran, dass das Unternehmen der Klägerin in der Wohlfahrtspflege tätig ist.
Es handelt sich bei dem Unternehmen der Klägerin um ein Integrationsunternehmen im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX (ab 1. Januar 2018 findet sich eine inhaltlich im wesentlichen gleitlautende Regelung in § 215 SGB IX n.F.; die Unternehmen werden ab diesem Zeitpunkt als Inklusionsbetriebe bezeichnet). Das SGB IX regelt die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Innerhalb dieses Gesetzbuches befindet sich § 132 SGB IX in dessen Teil 2, der besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen umfasst. Das dortige Kapitel 11 (§§ 132 ff. SGB IX) behandelt sog. Integrationsprojekte. Nach § 132 Abs. 1 SGB IX sind Integrationsprojekte rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) oder unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs. 3 SGB IX geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) oder Abteilungen (Integrationsabteilungen) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt. Integrationsunternehmen beschäftigen mindestens 25 Prozent schwerbehinderte Menschen in diesem Sinne (§ 132 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Der Senat hat keine Gründe, an dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Klägerin und der Beklagten zu zweifeln.
Der Begriff der schwerbehinderten Menschen wird in § 132 Abs. 2 SGB IX näher definiert; über § 132 Abs. 4 SGB IX werden auch psychisch kranke Menschen mit entsprechenden Teilhabebeeinträchtigungen (d.h. die Zielgruppe der Klägerin) einbezogen. Es handelt sich um Personen, die zwar dem Grunde nach in der Lage sind, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, deren dortige Teilhabe aber dennoch auf besondere Schwierigkeiten stößt. § 132 Abs. 2 SGB IX verweist bezüglich dieser besonderen Schwierigkeiten auf Behinderungen, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirken, oder bei denen weitere vermittlungshemmende Umstände hinzutreten (Nr.1), auf eine Vorbereitung des Überganges von einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer psychiatrischen Einrichtung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (Nr. 2) bzw. auf den Übergang von der Schule ins Berufsleben (Nr. 3) sowie auf langzeitarbeitslose schwerbehinderte Menschen (Nr. 4).
Nach § 133 Satz 1 SGB IX bieten die Integrationsprojekte den schwerbehinderten Menschen Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung an, soweit erforderlich auch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder Gelegenheit zur Teilnahme an entsprechenden außerbetrieblichen Maßnahmen und Unterstützung bei der Vermittlung in eine sonstige Beschäftigung in einem Betrieb oder einer Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie geeignete Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem Integrationsprojekt. Integrationsprojekte können aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen erhalten (§ 134 SGB IX).
Nach der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung des Instrumentes der Integrationsprojekte (damals noch in den Vorgängerregelungen in §§ 53a ff. des Schwerbehindertengesetzes – SchwbG) sollen die Integrationsunternehmen als Brücke zur Eingliederung behinderter Menschen in eine reguläre Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dienen. Denn bei einem Teil der arbeitslosen behinderten Menschen ist eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur dann möglich, wenn der (Wieder-)Eingliederung in das Arbeitsleben eine längere Phase der Beschäftigung und Qualifizierung in einem hierfür besonders geeigneten Integrationsprojekt voraus geht (BR-Drs. 298/00, S. 50). Die §§ 53a ff. SchwbG wurden inhaltsgleich als §§ 132 ff. in das SGB IX übernommen (BR-Drs. 49/01, S. 346).
Bereits hieraus wird deutlich, dass die Klägerin kein gewöhnliches gewerbliches Unternehmen ist, welches ein bestimmtes Gewerbe als Hauptzweck zur Gewinnerzielung betreibt und hierfür Arbeitnehmer beschäftigt. Vielmehr ist Hauptzweck des Unternehmens der Klägerin, Personen aus der Gruppe der o.g. schwerbehinderten Menschen (hier konkret psychisch kranke Menschen) zu beschäftigen, um diesen eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Diesen Zweck erreicht die Klägerin, indem sie diesen Personen ermöglicht, verschiedene, auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten dieser Personen zugeschnittene Tätigkeiten auszuüben, mit denen das Unternehmen der Klägerin dann am Markt auftritt. Der Betrieb z.B. eines Lebensmittelmarktes ist dabei ein mögliches Mittel, diesen Zweck zu erreichen. Diese Mittel werden aber häufig eher zufälliger Natur sein; dies gilt insbesondere hinsichtlich des Umfanges und des etwaigen Schwerpunktes der ausgeübten Tätigkeiten, die grundsätzlich austauschbar sind und über die Zeit wechseln können, ohne den Unternehmenszweck zu verändern. Denn bei einem Integrationsunternehmen prägt der behinderte Mensch die Arbeit, nicht das Gewerbe, in dem er tätig ist. Diese Überlegungen werden hier durch die glaubhaften Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2017 bestätigt. Danach wurden im Unternehmen der Klägerin zunächst ausschließlich Rohkosttaler hergestellt. Später wurden verschiedene Tätigkeiten in Kooperation mit Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt bis schließlich die Betätigungsfelder in ihrem derzeitigen Zuschnitt erschlossen worden sind. Würde man jedoch der Auffassung der Klägerin folgen, könnten sich durch solche Änderungen betreffend Art und Umfang der Betätigungsfelder des Integrationsunternehmens ggf. mehrfache Änderungen in der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit ergeben, was dem Grundsatz der Katasterstetigkeit widersprechen würde. Darüber hinaus zeigt die Tatsache, dass vorliegend neben den 44 Beschäftigten, die in den Cap-Märkten tätig sind, insgesamt 60 weitere Beschäftigte der Klägerin in ganz anderen Bereichen arbeiten, dass es sich bei der Klägerin nicht um ein typisches Unternehmen z.B. im Sinne eines „Lebensmittelsortimentshandels“ mit Zuständigkeit der Beigeladenen handelt.
Das Unternehmen der Klägerin unterhält mehrere Beschäftigungsbereiche, die je nach Art und Schwere der Behinderung einerseits sowie den Fähigkeiten andererseits für die dort tätigen Personen geeignet sind. Es handelt sich nicht um ein Gesamtunternehmen mit dem Schwerpunkt Handel, sondern um eine Ansammlung von behinderungsgerechten Betätigungen für Personen, die am allgemeinen Arbeitsmarkt (noch) nicht bzw. nur unter besonderen Schwierigkeiten vermittelbar sind und die bestmöglich zu betreuen die Klägerin zu ihrem Geschäftszweck gemacht hat. Eine entsprechende Unternehmensstruktur ist auf dem Arbeitsmarkt für besonders betroffene Menschen auch erforderlich, um eine optimale Integration in das Arbeitsleben zu erreichen. Der konkrete Arbeitsplatz muss hier den Möglichkeiten der behinderten Menschen angepasst werden und nicht umgekehrt sich der behinderte Mensch dem Arbeitsplatz anpassen. Gerade hierdurch wird dem Gedanken der Inklusion in besonderer Weise Rechnung getragen. Dies gilt für die Cap-Märkte und noch verstärkt bei Arbeitsplätzen in Werkstätten für behinderte Menschen nach § 136 SGB IX (ab 1. Januar 2018: § 219 SGB IX n.F.).
Der für die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit maßgebliche Gewerbezweig kann sich nicht aus einem Segment ergeben, das eine zufällige Mehrheit an Personen aufweist und das nicht in einer wirtschaftszweigtypischen/ branchentypischen Art und Weise betrieben wird. Denn die Betätigungsbereiche des Unternehmens der Klägerin – auch der zufällige Schwerpunkt der Verkaufstätigkeiten – sind lediglich Mittel zur Verwirklichung des Unternehmensziels bzw. Unternehmensgegenstandes „Hilfe für Behinderte“ bzw. hier konkreter „Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen zu schaffen“. Letzterer ist maßgeblich für die Frage der zuständigen Berufsgenossenschaft. Dabei bietet die Klägerin den schwerbehinderten Menschen nicht nur Beschäftigung, sondern auch die in § 133 SGB IX genannten Betreuungsleistungen. Es handelt sich somit auch nicht um eine Fallkonstellation, in der ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile umfasst (vgl. § 131 Abs. 1 und 2 SGB VII; vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 19/15 R -, SozR 4-2700 § 131 Nr. 2 und juris Rn. 21 ff.; BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 20/07 R -, SozR 4-2700 § 136 Nr. 5 und juris Rn. 36 ff.). Bei der Klägerin handelt es sich vielmehr um ein einheitliches Unternehmen mit offensichtlich einheitlichem Unternehmenszweck, nicht um ein Hauptunternehmen Lebensmittelhandel mit weiteren Neben- und/ oder Hilfsunternehmen.
Die Unternehmensgestaltung ergibt sich auch aus dem Gesellschaftsvertrag. Nach dessen § 2 Abs. 1 ist Gegenstand des Unternehmens, durch geeignete Maßnahmen Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen zu schaffen. Die Gesellschaft verfolgt außerdem ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes „steuerbegünstige Zwecke“ der §§ 51 ff. AO; sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke (Absätze 2 und 3). Das Unternehmen der Klägerin wird mithin nicht zu Erwerbszwecken betrieben. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass sich das Unternehmen selbst tragen muss. Nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages hat die Gesellschaft insbesondere folgende Aufgaben: berufliche Förderung und soziale Integration psychisch Kranker in der Gesellschaft (Buchstabe a); Hilfestellung bei der Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (Buchstabe b); weitere Schaffung von Arbeitsplätzen für psychisch kranke Menschen und für Personen, die aufgrund ihres seelischen Zustandes auf die Unterstützung durch andere angewiesen sind (Buchstabe c). Die Mittel der Gesellschaft dürfen nur für Zwecke verwendet werden, die in § 2 und § 3 des Gesellschaftsvertrages benannt sind. Die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten (§ 4 Absätze 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages; vgl. hierzu auch die Anforderungen nach § 55 AO). Der Geschäftsführer erhält kein Arbeitsentgelt.
Hierdurch wird deutlich, dass die Struktur und das Gepräge der Klägerin keineswegs einem gewöhnlichen gewerblichen Unternehmen entsprechen, insbesondere auch keinem Unternehmen des (Lebensmittel-)Handels. Hiergegen spricht auch die Bezeichnung der Klägerin, die unter „A. GmbH“ firmiert – eine Firma, die für ein Handelsunternehmen höchst unüblich ist und mit der der Unternehmenszweck zum Ausdruck gebracht wird. Gesellschafter der Klägerin sind zudem die „L. e.V. Kreisverband D.“ und die „L. Kreisvereinigung D-Stadt e.V.“ (zu je 48%) sowie die Gemeinde A-Stadt (zu 4%). Die Klägerin bietet Hilfeleistung bzw. Betreuung für gesundheitlich und regelmäßig auch wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Menschen an – ein Aufgabenbereich, der den Begriff der Wohlfahrtspflege erfüllt.
Dies ergibt sich auch aus dem eigenen Internetauftritt der Klägerin (www.a …de), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Die Klägerin beschreibt sich dort als „gemeinnützigen Dienstleistungsbetrieb der Lebenshilfe D., der Lebenshilfe D-Stadt und der Gemeinde A-Stadt. Die A. fördert die Beschäftigung von Menschen mit psychischer Erkrankung und setzt ihre Mittel und Gewinne ausschließlich zu diesem Zweck ein.“ Sie „fördert mit ihren Einrichtungen und Diensten vor allem die Beschäftigung von Menschen mit psychischer Erkrankung und setzt die Mittel ausschließlich zu diesem Zweck sein“. Der Begriff des Integrationsunternehmens wird erläutert als „marktorientierte soziale Unternehmen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, einen hohen Anteil von Menschen mit Behinderungen dauerhaft als Arbeitnehmer/innen, also sozialversichert, mit tariflicher oder ortsüblicher Entlohnung und mit vollen Arbeitnehmerrechten zu beschäftigen“. Erläutert wird zudem das Konzept der CAP-Märkte, mit dem sich neue Chancen zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Handicap erschlossen haben. Die Bezeichnung „CAP“ steht dabei für „Handicap“ und nimmt Bezug auf die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung.
Hinzu kommt hier, dass der Klägerin steuerrechtlich bescheinigt wird, dass sie ausschließlich und unmittelbar (vgl. zu diesen Begriffen §§ 56, 57 AO) steuerbegünstigte mildtätige Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO verfolgt. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 51 Abs. 1 Satz 1 AO). Förderung der Allgemeinheit ist z.B. die Förderung der Hilfe für Behinderte (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 19 AO). Eine Körperschaft verfolgt mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind (§ 53 Nr. 1 AO). Die Klägerin ist steuerrechtlich nach Maßgabe von § 68 Nr. 3c AO als ein dementsprechender Zweckbetrieb eingestuft. Die Regelung erfasst Integrationsprojekte im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB IX, wenn mindestens 40 Prozent der Beschäftigten besonders betroffene schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 132 Abs. 1 des SGB IX sind; auf die Quote werden psychisch kranke Menschen im Sinne des § 132 Abs. 4 SGB IX angerechnet. Diese Voraussetzung wird von der Klägerin erfüllt.
Das BSG hat zu den §§ 51 ff. AO bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit den darin enthaltenen Regelungen, mit denen diesen Einrichtungen finanzielle Belastungen genommen, Finanzmittel zugeleitet oder sonstige Vergünstigungen erteilt werden, eine Besserstellung nicht-staatlicher Einrichtungen bzw. Unternehmen u.a. im Bereich der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege bezweckt, die aus ideellen Erwägungen ihrer Betreiber, d.h. ohne einen sonstigen (wirtschaftlichen) Vorteil daraus zu ziehen, als Teil des öffentlichen Systems der sozialen Sicherung zum Allgemeinwohl tätig werden. Damit aber unterscheiden sich diese Einrichtungen in ihrer Zielsetzung wesentlich von nicht gemeinnützigen Unternehmen, deren Betreiber in erster Linie das Ziel verfolgen, Gewinn zu erzielen. Ferner ergeben sich aufgrund der bestehenden bzw. nicht bestehenden Gewinnabsicht zwangsläufig Unterschiede finanzieller und organisatorischer Art (BSG, Urteil vom 13. August 2002 – B 2 U 31/01 R -, SozR 3-2700 § 180 Nr. 1 und juris Rn. 21).
An dem gefunden Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Klägerin in einigen Aspekten durchaus zumindest ähnlich einem gewöhnlichen gewerblichen Unternehmen am Markt auftritt und mit anderen Gewerbebetrieben konkurriert (ebenso bereits: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Januar 2016 – L 9 U 1028/15 -, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. März 2017 – L 10 U 602/16 -, juris; im Ergebnis übereinstimmend auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2017 – L 8 U 1754/16 -, juris). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 19. Januar 2016 – L 9 U 1028/15 -, juris) hat von einem „hybriden Charakter“ der Integrationsunternehmen gesprochen, aber dennoch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII von der Beklagten an eine andere Berufsgenossenschaft verneint. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung im Ergebnis auch für die hiesige Sachverhaltskonstellation an. Statt von einem „hybriden Charakter“ ist aber wohl eher von einer Doppelfunktion der Integrationsunternehmen zu sprechen, die zwar in gewissem Umfang am Markt auftreten, nach Handelsrecht bilanzieren und ihre Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigen, deren Schwerpunkt jedoch regelmäßig – so auch hier – auf dem Bereich der Wohlfahrtspflege liegt. Zu berücksichtigen ist nicht zuletzt auch, dass die Klägerin selbst ursprünglich von einer Zuständigkeit der Beklagten ausgegangen ist und ihr Unternehmen dort angemeldet hat. Erst im Zusammenhang mit steigenden Beiträgen wurde die Zuständigkeit nach fast zwei Jahrzehnten in Zweifel gezogen.
Gegen eine von Anfang an unrichtige Zuständigkeit sprechen überdies aus Sicht des Senats auch die Ausführungen des BSG im Urteil vom 9. Mai 2006 (- B 2 U 34/04 R -, SozR 4-2700 § 122 Nr. 1). Mit diesem Urteil hatte das BSG entschieden, dass die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft zuständiger Unfallversicherungsträger für die nicht monostrukturellen Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung ist. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das BSG insbesondere folgendes ausgeführt:
Kriterium der Zuordnung von Unternehmen zu Unfallversicherungsträgern sind seit jeher die Art und der Gegenstand der Unternehmen und damit Umstände, durch welche die den Gegenstand der Versicherung bildenden Gefahren und Schadensrisiken maßgeblich bestimmt werden. Angesichts des die gesetzliche Unfallversicherung bestimmenden Präventionsgedankens ist dies sachgerecht. Aber auch eine nicht an Gewerbegefahren anknüpfende Auffangzuständigkeit kann grundsätzlich sachgerecht sein (BSG, a.a.O., Rn. 29). Als Grundlage für die Zuordnung von Unternehmen kann sie in solchen Ausnahmefällen dienen, in denen sich wie bei den Zeitarbeitsfirmen wegen des besonderen Geschäftsgegenstandes einer Unternehmensart eine anderweitige sachliche Zuständigkeit im System der gewerblichen Berufsgenossenschaften nicht sinnvoll begründen lässt (BSG, a.a.O., Rn. 30). Ist ein Gewerbezweig in den vorkonstitutionellen Zuständigkeitsbestimmungen noch nicht ausdrücklich einer Berufsgenossenschaft zugeordnet, so ist das entsprechende Unternehmen derjenigen Berufsgenossenschaft zuzuweisen, der es nach Art und Gegenstand am nächsten steht. Als geeigneten Maßstab dafür hat der Senat es angesehen, bei welcher Berufsgenossenschaft die für das betreffende Unternehmen zweckmäßigste Unfall- und Krankheitsverhütung gewährleistet wird (BSG, a.a.O., Rn. 31). Für ein nicht „monostrukturelles“ Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, welches Arbeitnehmer in verschiedene Gewerbezweige verleiht, ist die Zuständigkeit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gegeben. Denn durch die Tätigkeit der verliehenen Arbeitnehmer in verschiedenen Gewerbezweigen ist eine Zuordnung zu einem bestimmten Gewerbezweig und infolgedessen zu einer bestimmten Berufsgenossenschaft ausgeschlossen. Die Leiharbeitnehmer sind in ihrer Tätigkeit unterschiedlichsten Gewerbegefahren ausgesetzt, die keiner BG allumfassend zugeordnet werden können (BSG, a.a.O., Rn. 32). Darüber hinaus widerspräche die Zuordnung eines Zeitarbeitsunternehmens zu einer Fach-Berufsgenossenschaft – beispielsweise nach dem überwiegenden Gewerbezweig – dem seit jeher im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Grundsatz der Katasterstetigkeit. Denn der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung ist der flexible, nicht auf einen Gewerbezweig fixierte Arbeitseinsatz immanent; die Branche, in die Arbeitnehmer „verliehen“ werden, kann schneller gewechselt werden, als dies bei einem anderen Unternehmen möglich ist (BSG, a.a.O., Rn. 33).
Wenn man davon absieht, dass vorliegend bereits die vorkonstitutionellen Zuständigkeitsbestimmungen eine Zuordnung der Klägerin zur Beklagten ermöglichen, so könnten diese Überlegungen durchaus auf die Situation der Klägerin übertragen werden und ebenfalls eine Zuständigkeit der Beklagten rechtfertigen. Denn die Klägerin betreibt eine Ansammlung verschiedener Tätigkeiten, mit denen sie am Markt auftritt, und die nach ihrem eigenen Vortrag nicht einheitlich einer Fach-Berufsgenossenschaft zugeordnet werden können. In Betracht zu ziehen wären hier vielmehr die Beigeladene für die Einzelhandelsgeschäfte, die BG ETEM für die Tätigkeiten im Elektrobereich und die direkt zuzuordnenden Verpackungsarbeiten, die BG Holz und Metall für die Metallverarbeitung, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau für den Garten- und Landschaftsbau sowie die Verwaltungs-BG für die sonstigen Dienstleistungen. Dabei kann es keinesfalls ausgeschlossen werden, dass es innerhalb dieser Tätigkeiten zu Veränderungen kommt – sei es, dass Tätigkeitsbereiche aufgegeben werden, neue hinzukommen oder sich die Schwerpunktsetzung ändert. Denn übergeordneter Zweck des Unternehmens der Klägerin ist eben gerade kein klassisch gewerblicher, sondern „durch geeignete Maßnahmen Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen zu schaffen“ (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Geeignet in diesem Sinne können jedoch vielfältige Maßnahmen sein.
Nach alledem vermag der Senat nicht ansatzweise festzustellen, dass eine Zuständigkeit der Beklagten den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht. Schwerwiegende Unzuträglichkeiten im Sinne des § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind ebenfalls nicht ersichtlich. Diese ergeben sich jedenfalls nicht aus etwaig (zu) hohen Beiträgen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 – B 2 U 11/98 R -, SozR 3-2200 § 664 Nr. 2 und juris Rn. 28). Entsprechendes wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Verstöße gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, § 7 Abs. 1 und 2 sowie § 3 Abs. 1 und 2 AGG, § 33c SGB I, Nr. 12 der Erwägungen der Richtlinie 2000/78/EG oder § 7 Abs. 1 und 2 BGG liegen nach Überzeugung des Senats nicht vor.
Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Untersagt sind auf die Behinderung bezogene Ungleichbehandlungen, die für den behinderten Menschen zu einem Nachteil führen. Eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbotene Benachteiligung liegt nicht nur bei Maßnahmen vor, die die Situation von Behinderten wegen der Behinderung verschlechtern. Eine Benachteiligung kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten gegeben sein, wenn dieser Ausschluss nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Wann er so weit kompensiert ist, dass er nicht benachteiligend wirkt, lässt sich nicht generell und abstrakt festlegen. Dies kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung im Einzelfall entschieden werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 25. März 2015 – 1 BvR 2803/11 -, juris Rn. 5; vgl. zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen außerdem insbesondere: BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 – 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288 und juris Rn. 64 ff.; BVerfG, Stattgebender Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2016 – 1 BvR 2012/13 -, juris Rn. 11; BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Februar 2006 – 1 BvR 91/06 -, juris Rn. 15).
Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Nach § 1 AGG ist Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Nach § 33c Satz 1 SGB I darf bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden.
Nr. 12 der Erwägungen der Richtlinie 2000/78/EG lautet: Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. Dieses Diskriminierungsverbot sollte auch für Staatsangehörige dritter Länder gelten, betrifft jedoch nicht die Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und lässt die Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen dritter Länder und ihren Zugang zu Beschäftigung und Beruf unberührt.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BGG darf ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 2 BGG Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BGG ist auch die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes.
Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, in welcher Weise die bloße Mitgliedschaft bei einem Unfallversicherungsträger, zu der grundsätzlich jedes Unternehmen in Deutschland verpflichtet ist, bezogen auf die Personengruppe der behinderten Menschen bzw. die von der Klägerin beschäftigten behinderten Menschen diskriminierend wirken könnte. Insbesondere knüpft die Zuständigkeit der Beklagten weder allgemein an die Personengruppe behinderter Menschen an noch an die Untergruppe behinderter Beschäftigter, sondern an dem Unternehmenszweck der Wohlfahrtspflege. Dieser kann sich ggf. auf behinderte Menschen als eine mögliche Zielgruppe, aber auch auf andere Zielgruppen beziehen. Im speziellen Fall der Klägerin bedeutet der Unternehmenszweck, dass die behinderten Menschen Beschäftigte der Klägerin sind. Die Beklagte ist aber nicht nur für solche gemeinnützigen Unternehmen zuständig, sondern auch für eine Vielzahl gewerblich tätiger Unternehmen bzw. für Unternehmen, die nur in (sehr) geringem bzw. durchschnittlichem Umfang behinderte Menschen beschäftigen. Im Übrigen besteht ein sachlicher Grund für eine Unterscheidung jedenfalls darin, dass die Klägerin aufgrund ihres Unternehmenszweckes mit gewerblichen Unternehmen gerade nicht vergleichbar ist. Es ist für den Senat daher nicht nachvollziehbar, wieso allein durch die Zuständigkeit der Beklagten eine Integration behinderter Menschen verhindert wird oder auch nur behindert werden könnte.
Andererseits fördert die Konzentration von Unternehmen der Wohlfahrtspflege bei der Beklagten dort eine besondere Kompetenz im Hinblick auf eine sach- und zielgerichtete Prävention, Rehabilitation und Entschädigung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (vgl. § 1 SGB VII). Diese Aufgabenbereiche der Unfallversicherungsträger stellen durchaus besondere Anforderungen und setzen besondere Kenntnisse und Erfahrungen voraus, wenn behinderte Menschen mit ihren spezifischen Bedürfnissen und Fähigkeiten z.B. entweder als Beschäftigte der Mitgliedsunternehmen oder als deren Kunden betroffen sind. So verändert sich das Risiko am Arbeitsplatz durch den Unternehmenszweck der Klägerin, z.B. soweit besondere, auf die Fähigkeiten der behinderten Menschen zugeschnittene Arbeitsmethoden zur Anwendung kommen. Kommt es trotz guter Präventionsmaßnahmen zu einem Versicherungsfall, wird eine erfolgreiche Rehabilitation des Versicherten dadurch gefördert, dass der Unfallversicherungsträger mit den speziellen Bedürfnissen behinderter Menschen vertraut ist. Nach der Intention des Gesetzgebers bündelt die Beklagte gerade hierfür eine besondere Fachkompetenz; ihre Zuständigkeit richtet sich deshalb nach dem Unternehmenszweck. Tatsächlich stellt die Beklagte u.a. besondere Angebote für behinderte Menschen bereit.
An dieser Stelle ist nochmals daran zu erinnern, dass Gegenstand dieses Verfahrens ausschließlich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Überweisung an die Beigeladene ist. Hierbei geht es vor allem um die Frage, ob die Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten von Anfang an unrichtig gewesen ist. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin eine Diskriminierung offenbar aus dem Gefahrtarif der Beklagten herleiten will bzw. aus der Veranlagung der Klägerin zu einer bestimmten Gefahrklasse, die aus seiner Sicht zu einer höheren Beitragsbelastung der Klägerin im Vergleich zu einer Mitgliedschaft bei der Beigeladenen führt, ist die Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrklassen nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hier gerade nicht streitgegenständlich. Umgekehrt führt nicht die Zuständigkeit eines bestimmten Unfallversicherungsträgers zu einem hohen bzw. höheren Beitrag. Darüber hinaus wäre – je nachdem, welche Tätigkeiten die Beschäftigten ausüben – durchaus auch denkbar, dass die Beiträge im Falle der Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft sogar höher ausfallen als bei der Beklagten.
Überdies könnten die behinderten Beschäftigten der Klägerin durch etwaig zu hohe Beiträge ohnehin nicht benachteiligt werden, weil nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht die Beschäftigten, sondern die Unternehmer (hier also die Klägerin) beitragspflichtig sind. Diese Beiträge auf das Arbeitsentgelt anzurechnen, ist nicht zulässig (vgl. § 209 Abs. 2 SGB VII). Die Klägerin selbst ist ihrerseits nicht Trägerin der o.g. Rechte behinderter Menschen. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin als gemeinnütziges bzw. mildtätiges Unternehmen anderweitige Vergünstigungen z.B. im Steuerrecht oder auch innerhalb des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung genießt (vgl. z.B. die Befreiung von Beiträgen zur solidarischen Lastenverteilung zwischen den Berufsgenossenschaften nach § 180 Abs. 2 SGB VII). Zu nennen sind hier auch die Leistungen nach § 134 SGB IX. Eine solche Kompensation ist nach der Rechtsprechung des BVerfG durchaus zulässig.
Ergänzend verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des SG sowie gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG auf die ebenfalls zutreffende Darlegung der Sach- und Rechtslage im Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2013 und noch umfassender im Widerspruchsbescheid vom 5. September 2013; der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und § 163 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Nach § 163 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die im Regelfall nur dann auf Kostenerstattung lautet, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 197a Rn. 29; Gutzler, in: Roos/ Wahrendorf, SGG, Kommentar, 1. Auflage 2014, § 197a Rn. 53). Hier hat die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und somit kein eigenes Prozessrisiko getragen.
Der Streitwert war gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) für beide Rechtszüge auf 5.000,00 Euro festzusetzen. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf (§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG). Bietet hingegen der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist vorliegend in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des BSG der sog. Auffangstreitwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen. Denn der Wert der wirtschaftlichen Bedeutung des Streitgegenstandes für die Klägerin ist nicht feststellbar. Streitgegenstand ist nicht eine in Geld zu beziffernde Leistung oder ein hierauf gerichteter Verwaltungsakt, sondern die von der Klägerin begehrte Überweisung zu einem anderen Unfallversicherungsträger. Ihr wirtschaftliches Interesse besteht u.a. in einer möglich erscheinenden geringeren Belastung mit Umlagebeiträgen. Wie hoch die Differenz der Umlagebeiträge ist, lässt sich nicht ohne weiteres bestimmen. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Bezifferung des wirtschaftlichen Werts der von der Klägerin begehrten Überweisung (BSG, Beschluss vom 7. März 2017 – B 2 U 140/16 B -, SozR 4-1920 § 52 Nr. 18 und juris Rn. 12 f. m.w.N., mit dem der Senat ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung aufgibt, wonach auf den ggf. vervielfachten Jahresbetrag der bisher zu zahlenden Beiträge abzustellen war; vgl. auch bereits BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 16/10 R -, SozR 4-2700 § 123 Nr. 2 und juris Rn. 29 ff.). Auch ein Fall des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG liegt danach nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts i.H.v. 5.000,00 Euro auch für Klageverfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Danach kann die Streitwertfestsetzung von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Diese Voraussetzungen sind hier aufgrund der Berufung der Klägerin erfüllt. Da für die Bestimmung des Streitwerts im Klageverfahren dasselbe gilt wie für das Berufungsverfahren, war er abweichend von der Entscheidung des SG auf 5.000,00 Euro festzusetzen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage, ob ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege zuzuordnen ist bzw. an eine andere Berufsgenossenschaft zu überweisen ist oder nicht, ist anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen.


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