Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  M 7 S 16.50053

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 13, Art. 17, Art. 18, Art. 25
GRCh GRCh Art. 4

 

Leitsatz

In Italien läuft ein Asylbewerber keine Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass keine systemischen Mängel im italienischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (ebenso VGH München BeckRS 2014, 52068).  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller, nach seinen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 6. August 2015 im Bundesgebiet einen Asylantrag. Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab er an, dass er im März 2013 sein Heimatland verlassen habe und über Libyen (1 Jahr und ein paar Wochen), Italien (1 Jahr und ein paar Wochen), Österreich (Durchreise) in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. In Italien seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden und er habe einen Asylantrag gestellt. Er möchte nicht nach Italien überstellt werden, da die Lebensumstände dort schlecht seien.
Eine EURODAC-Abfrage der Antragsgegnerin ergab, dass der Antragsteller in Italien registriert worden ist (IT1…) und dort am 12. Juni 2014 einen Asylantrag gestellt hat. Die italienischen Behörden wurden am 5. Oktober 2015 um die Rückübernahme des Antragstellers gebeten. Eine Antwort auf das Wiederaufnahmegesuch erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2 des Bescheides) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Italien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen könnten, seien nicht gegeben. Auch wenn es weiterhin regionale Unterschiede gebe, könne im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass für die Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichende staatliche bzw. öffentliche caritative Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung ständen. Während des Asylverfahrens hätten die Asylbewerber auch einen Anspruch auf Verpflegung. Der Erhalt von Unterstützungsleistungen sei an den Aufenthalt in einem Zentrum geknüpft. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die Dauer des Einreiseverbots sei verhältnismäßig.
Am 29. Januar 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München unter anderem die Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 20. Januar 2016 und gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Alt. 1 VwGO anzuordnen.
Es lägen humanitäre Gründe vor, die einer Abschiebung nach Italien entgegenstehen und die Antragsgegnerin zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes zwingen würden. Das italienische System leide an systemischen Mängeln im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO. Die von der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid genannten Berichte seien veraltet. Die Situation habe sich insbesondere im Jahr 2015 aufgrund einer großen Flüchtlingswelle bedeutend zugespitzt. In Italien drohten Obdachlosigkeit und damit einhergehend eine Verletzung der Menschenwürde durch staatliches Unterlassen. Auch die Tatsache, dass die italienischen Behörden innerhalb der 2-monatigen Frist nicht geantwortet hätten, weise auf eine deutliche Überlastung des italienischen Asylsystems hin. Gegen Italien sei sogar ein Verfahren durch die EU eingeleitet worden. Weiter habe er in Italien Angst um sein Leben. Er habe in Libyen eine junge Nigerianerin kennengelernt, die nach Europa gebracht werden sollte, um sich zu prostituieren. Da er diesem Mädchen versucht habe zu helfen und ihr gesagt habe, dass sie fliehen solle, habe der Schlepper dies mitbekommen und drei arabische Männer zu seinem Aufenthaltsort geschickt. Er habe deshalb Lybien aus Angst um sein Leben verlassen. Den Schlepper der nigerianischen Frau habe er zufällig in Italien auf der Straße wiedergetroffen. Dieser habe ihn sofort wiedererkannt und sei ihm zu seinem Wohnsitz gefolgt. Er habe keine Möglichkeit gehabt zur Polizei zu gehen, da er keine Ausweisdokumente gehabt habe. Der Fußballverein, für den der Antragsteller spielt, sprach sich für den weiteren Verbleib des Antragstellers in Deutschland aus.
Die Antragsgegnerin übersandte am 12. Februar 2016 die Asylakte.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2016 verfügte Abschiebung nach Italien (§ 88, § 122 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.
Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Das Gericht geht auch davon aus, dass der Antrag fristgerecht gestellt wurde.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Bescheid des Bundeamtes vom 20. Januar 2016 rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet.
Das Bundesamt ordnet gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach den Regelungen der vorliegend anzuwendenden Dublin-III-Verordnung (vgl. Art. 49 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sog. Dublin-III-VO) ist grundsätzlich nur ein einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung eines Asylantrags zuständig (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO). Dies ist hier Italien. Der Antragsteller hat aus einem Drittstaat kommend als erstes die Seegrenze des Mitgliedstaats Italien überschritten (Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO), ist dort registriert worden und hat auch einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt hat deshalb am 5. Oktober 2015 ein Aufnahmeersuchen nach der Dublin-Verordnung an Italien gerichtet. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb einer Frist von 2 Wochen geantwortet haben, ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, den Antragsteller wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO gehindert, den Antragsteller nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen würden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Es gilt grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Allerdings hat nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat zur Folge, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert ist, den Antragsteller an diesen Mitgliedstaat zu überstellen. Nur wenn ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 u. a. – juris Rn. 75, 80, 82, 85 und 86). Diese vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze sind nunmehr auch ausdrücklich in die Dublin-Verordnung aufgenommen worden. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG, B. v. 19.03.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9). Für die Frage, ob dem Antragsteller bei einer Überstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist insbesondere auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U. v. 27.04.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 15, 17; BVerfG, B. v. 18.08.2013 – 2 BvR 1380/08 – juris Rn. 28).
Ausgehend von diesen Maßstäben liegen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien, die einer Abschiebung des Antragstellers entgegenstehen, nicht vor.
Das Gericht schließt sich hier der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. zunächst Beschlüsse des EGMR v. 02.04.2013, Nr. 27725/10, und v. 18.06.2013, Nr. 53852/11, ZAR 2013, 336, 338; s. auch BayVGH, U. v. 28.02.2014 – 13a B13.30295 – juris Rn. 42, 50 m. w. N.). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel ausweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. In dem Verfahren der Familie Tarakhel gegen die Schweiz (Nr. 29217/12) hatte die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Gelegenheit, sich mit den Verhältnissen in Italien erneut auseinanderzusetzen. Sie nahm die offenkundige Diskrepanz zwischen der im Jahr 2013 gestellten Asylanträge und der in den Einrichtungen verfügbaren Plätze zur Kenntnis sowie die Tatsache, dass der UNHCR in seinen Empfehlungen von 2013 tatsächlich eine Reihe von Problemen beschrieben hat, die sich auf die unterschiedliche Qualität der zur Verfügung stehenden Dienstleistungen – abhängig von der Größe der Einrichtungen – und auf einen Mangel an Koordinierung auf nationaler Ebene bezogen (vgl. U. v. 04.11.2014, abrufbar auf der Internetseite des EGMR, Rn. 110, 112, s. auch NVwZ 2015, 127 ff.). Sie stellte aber fest, dass die Struktur und die Gesamtsituation der Ausgestaltung der Aufnahmebedingungen in Italien allein nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land verhindert (Rn. 115). Diesen Grundsatz betonte der EGMR erneut in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2015 (Nr. 51428/10, A.M.E./.Niederlande, abrufbar auf der Internetseite des EGMR) und wies die Beschwerde des Asylbewerbers gegen seine Überstellung nach Italien als unzulässig ab.
Soweit der EGMR in der Entscheidung Tarakhel die individuelle Lage der Beschwerdeführer im Lichte der Gesamtsituation untersucht und hierbei aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Personen individuelle Garantien von den italienischen Behörden bei der Wiederaufnahme verlangt hat, liegt hier eine vergleichbare Situation nicht vor. Das Gericht hat die besondere Schutzbedürftigkeit insbesondere asylsuchender Kinder betont, da sie spezifische Bedürfnisse haben und extrem verletzlich sind. Dies gelte auch dann, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden (EGMR, U. v. 04.11.2014, a. a. O., Rn. 119). Diesen Unterschied zu einem – wie hier – gesunden jungen Mann, hat der Europäische Gerichtshof auch in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2015 (Nr. 51428/10, a. a. O., Rn. 34) herausgestellt und ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückführung droht.
Es ist mittlerweile gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, aufgrund derer einem im Dublin-Verfahren rücküberstellten Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht. Aktuell haben dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt (OVG NRW, U. v. 24.04.2015 – 14 A 2356/12.A – juris 20 ff. m. w. N.; OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2015 – 11 LB 248/14 – juris Rn. 47 ff. m. w. N.). Insbesondere stelle die gegenwärtig besonders hohe Zahl von Einwanderern nach Italien keinen Umstand dar, die eine veränderte Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Davon könne nicht ausgegangen werden. Ein alleinstehender junger Mann gehöre grundsätzlich nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, deren Rücküberstellung eine individuelle Garantieerklärung der italienischen Behörden hinsichtlich der Unterbringung erfordere (vgl. OVG NRW, U. v. 24.04.2015, a. a. O., Rn. 41; OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2015, a. a. O., Rn. 51, 56). Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in seinem Urteil vom 25. Juni 2015 für die Dublin-Rückkehrer festgestellt, dass diesen an den italienischen Hauptflughäfen Nichtregierungsorganisationen zur Seite stehen, die sie bei Bedarf betreuen und sich um eine Unterkunft bemühen. Außerdem seien im Bereich der Flughäfen Einrichtungen ausschließlich für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden, die vom Europäischen Flüchtlingsfonds finanziert würden und in denen von den Flughafen-Nichtregierungsorganisationen vermittelte Dublin-Rückkehrer untergebracht werden könnten (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2015, a. a. O., Rn. 52; vgl. auch Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015 S. 3, aida report Januar 2015 S. 31, 59). Diesen Feststellungen schließt sich das Gericht an.
Auch aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich keine besondere Schutzbedürftigkeit. Gegen die Rücküberstellung in den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat können nur systemische Mängel in diesem Verfahren und in den Aufnahmebedingungen eingewandt werden. Der Antragsteller hatte offenbar in Italien eine Unterkunft und hat dort eine ganze Zeit lang gelebt. Soweit er vorgetragen hat, dass er keine Ausweisdokumente gehabt habe und deshalb auch nicht zur Polizei habe gehen können, ist dies, soweit er sich noch im Asylverfahren befunden hat, nicht glaubhaft. Das Gericht weiß aus vergleichbaren Fällen, dass den Asylbewerbern für die Dauer des Asylverfahrens Ausweisdokumente ausgestellt werden. Allerdings gilt dies nicht für den Fall, dass das Asylverfahren negativ abgeschlossen worden ist und der Betroffene sich illegal weiter in dem EU-Land aufgehalten hat. Auch der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse endet in der Regel mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt, sind diese Personen – ebenso wie italienische Staatsangehörige – im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt. Diese Tatsache führt aber nicht zu der Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 44). Soweit der Antragsteller mit Bezug auf eine Nachrichtennotiz vorgetragen hat, dass die EU gegen Italien wegen Versäumnissen bei der Registrierung von Flüchtlingen vorgehen wolle, ist ein entsprechendes Verfahren hier nicht eingeleitet worden. Die Europäische Kommission berichtete mit Pressemitteilung vom 10. Februar 2016 (abrufbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission) über entsprechende Fortschritte in Italien und stellte fest, dass das italienische Aufnahmesystem weitgehend den Anforderungen des italienischen Asylsystems genüge. Im Übrigen ist der Antragsteller unstreitig registriert worden.
Es liegt auch kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Das Bundesamt hat im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, B. v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 mit Verweis auf die auch hier gefestigte und einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung). In der Person des Antragstellers liegende Vollzugshindernisse sind weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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