Europarecht

Keine Versicherungsteuerpflicht bei Versicherung von Risiken mit Bezug auf in einem Drittstaat registrierte Seeschiffe

Aktenzeichen  V R 41/18

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.121120.VR41.18.0
Normen:
§ 1 Abs 2 S 1 Nr 1 VersStG vom 05.12.2012
§ 1 Abs 2 S 1 Nr 2 VersStG vom 05.12.2012
§ 1 Abs 2 S 1 Nr 3 VersStG vom 05.12.2012
§ 1 Abs 2 S 2 VersStG vom 05.12.2012
Art 13 Nr 13 EGRL 138/2009
Art 157 Abs 1 UAbs 1 EGRL 138/2009
Spruchkörper:
5. Senat

Leitsatz

Wenn lediglich der Inlandsbezug eines der Tatbestände in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VersStG fehlt, die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen aber erfüllt sind, kann eine Versicherungsteuerpflicht nicht mit § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG (“andere als die in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände”) begründet werden.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 5. Oktober 2017, Az: 2 K 792/16, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 05.10.2017 – 2 K 792/16 aufgehoben.
Die Versicherungsteueranmeldung für den Monat Februar 2014 vom 13.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 und die zu Protokoll des Finanzgerichts erklärte Änderung vom 05.10.2017 werden dahingehend geändert, dass die Versicherungsteuer um … € niedriger festgesetzt wird.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vermittelte Protection & Indemnity-Versicherungen (P&I-Versicherungen) für auf den Marshallinseln registrierte Seeschiffe der Versicherungsteuer unterliegen.
2
Die Klägerin, eine GmbH, ist als Versicherungsmaklerin tätig. Sie vermittelt und betreut u.a. für Seeschiffe bestehende P&I-Versicherungen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Haftpflichtversicherungen für den Betrieb von Seeschiffen.
3
Die Klägerin betreut insbesondere … in einem Drittland ansässige Schiffseigentumsgesellschaften, die jeweils für ihr Schiff eine P&I-Versicherung bei dem in Y ansässigen Versicherer R (nachfolgend: R) abgeschlossen haben, deren Versicherungsprämien die Klägerin für R einzieht. Die Schiffe werden durch die W-GmbH als Vertragsreeder betreut und sind in keinem deutschen Schiffsregister, sondern ausschließlich im Schiffsregister der Marshallinseln eingetragen. Von den Schiffsgesellschaften wurde die Klägerin zur Anmeldung und Abführung der Versicherungsteuer bevollmächtigt. In den Versicherungsscheinen ist unter der Bezeichnung “Member” neben der jeweiligen Schiffsgesellschaft (“Registered Owner”) auch die inländische W-GmbH (“Manager”) benannt. Nach den Versicherungsbedingungen des Versicherers R haften alle in den Versicherungsscheinen aufgelisteten Personen gemeinsam und getrennt hinsichtlich sämtlicher Prämien, Zahlungsaufforderungen und anderer an den Schiffsverband hinsichtlich des beigetretenen Schiffes fälligen Beträge.
4
Für den Anmeldungszeitraum Februar 2014 (Streitzeitraum) gab die Klägerin am 13.03.2014 eine nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende Versicherungsteueranmeldung über einen Versicherungsteuerbetrag ab, der u.a. die P&I-Versicherungen der genannten Schiffe berücksichtigte.
5
Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) –nach teilweiser Abhilfe durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2017– mit seinem in Deutsches Steuerrecht (DStR) 2018, 1293 veröffentlichten Urteil vom 05.10.2017 – 2 K 792/16 ab.
6
Die von der Klägerin im Februar 2014 vereinnahmten Beträge für die bei dem Versicherer R abgeschlossenen P&I-Versicherungen seien als ein im Inland steuerbares und steuerpflichtiges Versicherungsentgelt anzusehen. Zwar sei ein Sondertatbestand für eine Versicherungsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Versicherungsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (VersStG) nicht erfüllt, da die Schiffe nicht in einem deutschen Seeschiffsregister, sondern jeweils in einem Schiffsregister der Marshallinseln, einem Drittland, und somit nicht im Geltungsbereich des VersStG, eingetragen seien. Jedoch sei der Anwendungsbereich des Grundtatbestandes nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG eröffnet. Eine Haftpflichtversicherung für den Betrieb eines Seeschiffes sei nicht bereits abschließend in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG geregelt. Dieser erfasse zwar auch Risiken mit Bezug auf Seeschiffe, sei jedoch mangels Registereintragung der Schiffe in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht einschlägig. Vielmehr handele es sich bei den P&I-Versicherungen für die Schiffe um Versicherungsverhältnisse, die sich auf ein “anderes Risiko” bzw. einen “anderen Gegenstand” beziehen als in § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG “genannt” sei. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG seien gegeben; insbesondere genüge es, dass mit der W-GmbH einer der Versicherungsnehmer im Inland ansässig sei.
7
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
8
Die Klägerin macht geltend, das FG habe seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG zugrunde gelegt und insbesondere die Reichweite seiner Sperrwirkung gegenüber der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG verkannt. Die gegenständlichen Versicherungen seien sachlich von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG erfasst, weil die betroffenen Seeschiffe abstrakt der Pflicht zur Registrierung im Flaggenregister unterlägen. Es fehle jedoch am örtlichen Bezug, weil die Schiffe nicht konkret die deutsche Flagge führten, weshalb § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VersStG das Risiko nicht als in Deutschland, sondern als in dem Flaggenstaat und damit als auf den Marshallinseln belegen ansehe. Entgegen der Auffassung des FG führe bereits die sachliche Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG dazu, dass die Anwendung von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG aufgrund der Abgrenzung anhand der “in Satz 1 genannten Risiken oder Gegenstände” ausgeschlossen sei. Nur diese Auslegung sei mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Die abweichende Auffassung des FG widerspreche der Vorgabe einer generellen und abschließenden Zuweisung des Besteuerungsrechts für fahrzeugbezogene Risiken nach Art. 13 Nr. 13 Buchst. b i.V.m. Art. 157 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit –Solvabilität II– (Amtsblatt der Europäischen Union –ABlEU– vom 17.12.2009 Nr. L 335/1) –im Folgenden: Richtlinie 2009/138/EG–. Da § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG hinsichtlich des Staates der Registereintragung nicht zwischen Staaten der Europäischen Union (EU)/des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und Drittstaaten unterscheide, habe der deutsche Gesetzgeber das ihm nach den Vorgaben der Richtlinie eröffnete Besteuerungsrecht für in Drittstaaten registrierte Fahrzeuge nicht wahrgenommen.
9
Die Klägerin beantragt,unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Versicherungsteuer unter Abänderung des Bescheids für Februar 2014 vom 13.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 (in der Fassung des Protokolls der mündlichen Verhandlung) um … € herabzusetzen.
10
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern) beantragt,die Revision zurückzuweisen.
11
Das FG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Der Richtliniengeber habe das Besteuerungsrecht anhand der Belegenheit des Risikos dem Zulassungsmitgliedstaat zugewiesen. Hieran orientiere sich § 1 Abs. 2 VersStG für die Abgrenzung des deutschen Besteuerungsrechts im Verhältnis zu dem Recht anderer EU-/EWR-Mitgliedstaaten. Die Vorgaben des Richtlinienrechts seien jedoch nicht erschöpfend; so gebe es für Fahrzeuge, die außerhalb der EU-/EWR-Mitgliedstaaten zugelassen bzw. registriert seien, keinen Zulassungsmitgliedstaat. Insoweit verwehre das Richtlinienrecht keinem Mitgliedstaat die Besteuerung von Versicherungsentgelten; diese erfolge aus autonomen Rechten des besteuernden Mitgliedstaats. Dementsprechend greife § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG bereits ein, wenn im konkreten Fall die Sondertatbestände nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VersStG zu verneinen seien. Letztere erfassten in Nr. 2 zwar grundsätzlich Risiken mit Bezug auf den Betrieb von Seeschiffen, jedoch fehle es im konkreten Fall an der erforderlichen Eintragung der Seeschiffe in einem inländischen Register. Nur bei Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat sei § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung richtlinienkonform auszulegen.


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