Europarecht

Keine Zulassung zur Berufung – Verfahrensverstoß liegt nicht vor

Aktenzeichen  4 ZB 17.31427

Datum:
16.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6982
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 6
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Nicht mit Gründen versehen iSv § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn sie mangelhaft begründet ist, weil dem Entscheidungstenor entweder überhaupt keine Gründe beigegeben sind, die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, oder weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst völlig unzureichend sind (BVerwG BeckRS 2011, 52762).  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine nur unvollständige, oberflächliche oder unrichtige Entscheidung, selbst wenn sie sich mit einer entscheidungserheblichen Frage nicht befasst, begründet keinen groben Formmangel im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO; anderes gilt nur, wenn die Begründung des Urteils einen selbständigen Anspruch (Streitgegenstand) oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel völlig übergeht (BVerwG BeckRS 9998, 50612). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.31375 2017-08-16 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG ist gegeben, wenn ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Die Kläger berufen sich auf § 138 Nr. 6 VwGO und führen dazu aus, dem Urteil fehle an zentraler Stelle eine Begründung. Das Verwaltungsgericht habe in der Klägerin zu 1 eine kurdische Volkszugehörige gesehen, wie sich aus dem ersten Satz des Tatbestands und aus den Entscheidungsgründen auf Seite 4 des Urteils ergebe. Dort werde in einem ganzen Absatz darüber geschrieben, dass die Klägerin als Kurdin eine inländische Fluchtalternative in der Region Kurdistan-Irak besitze. Laut eigenen Angaben in der Anhörung vom 10. Juni 2016 sei die Klägerin zu 1 jedoch arabische Volkszugehörige aus B … Damit fehlten dem Urteil jedwede sachliche Ausführungen zu dem geschilderten Verfolgungsschicksal der Klägerin.
Mit diesem Vorbringen wird ein zur Zulassung der Berufung führender Verfahrensverstoß nicht dargetan (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Die von den Klägern dargelegte sachliche Unrichtigkeit der Begründung führt nicht dazu, dass das angefochtene Urteil so zu behandeln wäre, als sei es „nicht mit Gründen versehen“ (§ 138 Nr. 6 VwGO).
Der absolute Revisionsgrund nach § 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen darin diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dadurch sollen die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen unterrichtet und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozess- und materiell-rechtlicher Hinsicht ermöglicht werden. Nicht mit Gründen versehen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe diese doppelte Funktion nicht mehr erfüllen, weil dem Entscheidungstenor entweder überhaupt keine Gründe beigegeben sind oder die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst völlig unzureichend sind (BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 11.10 – NVwZ 2012, 52 Rn. 22). Enthält das Urteil hingegen eine auf den konkreten Rechtsstreit bezogene Begründung, kommt es nicht darauf an, ob die Gründe inhaltlich zutreffen sowie ausreichend, schlüssig und überzeugend erscheinen. Eine nur unvollständige, oberflächliche oder unrichtige Entscheidung, selbst wenn sie sich mit einer entscheidungserheblichen Frage nicht befasst, begründet keinen groben Formmangel im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO; anderes gilt nur, wenn die Begründung des Urteils einen selbständigen Anspruch (Streitgegenstand) oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel völlig übergeht (BVerwG, B.v. 5.6.1998 – 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290 m.w.N.).
Hieran gemessen kann die unrichtige Annahme zur Volkszugehörigkeit der Klägerin zu 1 in der angegriffenen Entscheidung nicht als Fehlen von Urteilsgründen angesehen werden. Das Verwaltungsgericht hat zwar aufgrund dieses Irrtums – überflüssigerweise – darauf verwiesen, dass nach den vorgelegten Erkenntnissen eine Rückkehr in die Region Kurdistan ohne größere Probleme möglich sei (UA S. 4 unten). Es hat jedoch im Übrigen hinsichtlich des Vorbringens der Kläger allgemein auf die ausführliche Begründung des Bundesamtsbescheids Bezug genommen und sich diese zu eigen gemacht (UA S. 3) und ist darüber hinaus auch auf das ergänzende Vorbringen der Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingegangen
(UA S. 4 Mitte). Das Urteil ist demnach mit einer – wenn auch nicht gänzlich fehlerfreien – fallbezogenen Begründung versehen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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