Europarecht

Kostenfestsetzung nach Rücknahme eines Genehmigungsantrags – Insolvenz und Wechsel der Rechtsform

Aktenzeichen  W 4 K 15.1335

Datum:
10.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2016, 2440
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 6, Art. 8 Abs. 2, Art. 11
BImSchG BImSchG § 4 ff.
UmwG UmwG § 190, § 191, § 202 Abs. 1 Nr. 1
InsO InsO § 38

 

Leitsatz

1. Der Wechsel der Rechtsform einer als Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren handelnden Gesellschaft zwischen Antragstellung und Rücknahme des Antrags ändert nichts an der Anwendung des Grundsatzes, dass die persönliche Kostenpflicht denjenigen trifft, der den Antrag zurücknimmt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Kostenanspruch entsteht nicht bereits aufschiebend bedingt mit Verfahrensbeginn, sondern aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erst im Zeitpunkt der Rücknahme des Genehmigungsantrags (Art. 11 KG). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Kostenfestsetzungsbescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 25. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 6 und Art. 8 Abs. 2 Kostengesetz (KG) i. V. m. Kostenverzeichnis. Gegen die Berechnung der Gebühren ihrer Höhe nach bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.
Im Übrigen konnte das Landratsamt Rhön-Grabfeld den Kostenfestsetzungsbescheid gegenüber der Klägerin erlassen. Der zugrunde liegende Kostenanspruch ist ihr gegenüber entstanden, da die Voraussetzungen des Art. 11 KG (1.) sowie die Voraussetzungen der sachlichen (2.) und persönlichen (3.) Kostenpflicht vorliegen (Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: Sept. 2015, Art. 15 KG, S. I/197). Der Kostenanspruch entsteht nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 KG hierbei kraft Gesetzes bei Vorliegen der Voraussetzungen; die Behörde stellt diesen in ihrem Bescheid lediglich fest.
1.
Der Kostenanspruch entsteht gemäß Art. 11 Satz 1 KG grundsätzlich mit der Beendigung der kostenpflichtigen Amtshandlung. Vorliegend handelt es sich jedoch um einen Fall des Art. 8 Abs. 2 KG, wonach eine Gebühr von einem Zehntel bis zu drei Viertel der für die beantragte Amtshandlung festzusetzenden Gebühr zu erheben ist, wenn ein Antrag zurückgenommen wird. Nach Art. 11 Satz 1 KG entsteht der Kostenanspruch in diesem Fall mit der Zurücknahme des Antrags. Mit Schreiben vom 15. September 2015, eingegangen beim Landratsamt am 21. September 2015, ist eine solche Rücknahme des Antrags durch die Klägerin erfolgt.
2.
Unproblematisch stellt sich auch die sachliche Kostenpflicht gemäß Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 8 Abs. 2 KG dar. Der Beklagte war berechtigt, für behördliches Handeln im hoheitlichen Bereich, das durch einen Antrag veranlasst wurde und das nicht mit einer Amtshandlung beendet wird (Art. 1 Abs. 1, Art. 11 KG), gemäß Art. 8 Abs. 2 KG eine Gebühr zu erheben. Die Gebühr hat das Landratsamt Rhön-Grabfeld ausweislich der Berechnung im streitgegenständlichen Bescheid um ein Zehntel ermäßigt.
3.
Letztlich ist jedoch auch die persönliche Kostenpflicht der Klägerin gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG gegeben. Danach ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird.
Regelmäßig wird der ursprüngliche Antragsteller den Antrag auch zurücknehmen, womit die persönliche Kostenpflicht eindeutig zu bestimmen ist (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: Sept. 2015, Art. 8 KG, S. I/123: „Die persönliche Kostenpflicht bemisst sich nach Art. 2; sie trifft den, der den Antrag zurücknimmt, also den Antragsteller.“). Dass im vorliegenden Fall die Rechtsform der als Antragstellerin handelnden Gesellschaft zwischen Antragstellung und Rücknahme des Antrags einen Wechsel erfahren hat, ändert nichts an der Anwendung dieses in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG i. V. m. Art. 8 Abs. 2 KG geregelten Grundsatzes.
Antragstellerin im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren war hier im Jahr 2013 die P. GmbH; zurückgenommen hat den Antrag aber die Klägerin (eG). Dieses Auseinanderfallen von Antragsteller und Rücknehmenden des Antrags bleibt jedoch ohne Folgen für die persönliche Kostenpflicht, da es sich nicht um verschiedene Rechtspersonen handelt. Die (gesellschaftsrechtliche) Umwandlung von einer GmbH in eine eingetragene Genossenschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens führt nicht zum Erlöschen des ursprünglich bestehenden und zur Entstehung eines neuen Rechtsträgers; vielmehr besteht vor und nach dem Formwechsel ein und dasselbe Rechtssubjekt fort (für einen entsprechend zu behandelnden Fall der formwechselnden Umwandlung VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.3.2010 – 2 S 939/08 – juris Rn. 27 m. w. N.). Die rechtlichen Grundlagen stellen die §§ 190, 191 UmwG i. V. m. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG dar, die auch im vorliegenden Fall Anwendung finden.
4.
Ausschlaggebend für die Frage, ob sich die Gebührenforderung des Beklagten als im förmlichen Verfahren beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO darstellt, ist demnach allein die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Kostenanspruch des Beklagten entstanden ist. Nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Erfasst sind demgemäß alle Forderungen, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen.
Wie bereits unter Ziffer 1. dargelegt, richtet sich das Entstehen des Kostenanspruchs nach Art. 11 Satz 1 KG. Demnach ist der Kostenanspruch erst mit der Zurücknahme des Genehmigungsantrags im September 2015 entstanden, welche die Klägerin nach Umwandlung der P. GmbH in die P. eG zu Recht vorgenommen hat. Dieser Zeitpunkt des Entstehens des Kostenanspruchs ist folglich auch entscheidend für die Frage, ob eine Insolvenzforderung vorliegt. Das Insolvenzverfahren war ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Itzehoe vom 29. Juli 2015 mit Wirkung zum Ablauf des 31. Juli 2015 abgeschlossen. Damit ist das Entstehen des Kostenanspruchs des Beklagten eindeutig zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem das Insolvenzverfahren bereits beendet war. Der Kostenanspruch stellt sich folglich nicht als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO dar, da es sich nicht um einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner handelt. Entscheidend kann mithin auch nicht sein, zu welchem Zeitpunkt der zugrunde liegende Lebenssachverhalt seinen Ausgang nimmt bzw. zu welchem Zeitpunkt der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde (hier Antragstellung nach §§ 4 ff. BImSchG). Ähnlich wie im Steuerrecht kommt es vielmehr darauf an, wann der den Kostenanspruch begründende Tatbestand nach den kostenrechtlichen Vorschriften „vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen“ ist (mit Nachweisen für den Bereich des Steuerrechts vgl. Knof/Sinz in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 38 Rn. 68). Der Kostenanspruch entsteht vielmehr, anders als etwa im Bereich gerichtlicher Verfahrenskosten, nicht bereits aufschiebend bedingt mit „Prozessbeginn“ (vgl. Uhlenbruck, a. a. O., § 38 Rn. 49), d. h. mit Beginn des Verfahrens, sondern aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung im Kostengesetz erst im nach Art. 11 KG entscheidenden Zeitpunkt. Hierbei handelt es sich – wie bereits unter Ziffer 1. dargelegt – um den Zeitpunkt der Rücknahme des Genehmigungsantrags.
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hat daher den streitgegenständlichen Kostenbescheid zu Recht unmittelbar an die Klägerin gerichtet, ohne den Kostenanspruch im Insolvenzverfahren geltend zu machen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.919,80 EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 3 Satz 1 und 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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