Europarecht

Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts im internationalen Familienrecht

Aktenzeichen  12 UF 1226/18

Datum:
26.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43659
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HKÜ Art. 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 12, Art. 13

 

Leitsatz

1. Als gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes iSv Art. 4 Abs. 1 HKÜ ist nach international einheitlichem Verständnis des HKÜ der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung, der Daseinsschwerpunkt des Kindes zu verstehen. Dieser ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ist danach dort, wo aufgrund des Schwerpunktes der sozialen und familiären Bindungen der Daseinsmittelpunkt des Kindes ist und an dem sich das Kind nicht nur vorübergehend aufhält, sondern unter Umständen, die für eine gewisse Dauer den Lebensmittelpunkt begründen (s. auch EuGH BeckRS 2010, 560308 zu Art. 8 Abs. 1 Brüssel II-VO). (Rn. 63 und 65) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als Indiz für eine ausreichende Integration, welches für einen gewöhnlichen Aufenthalt und nicht mehr nur für ein vorübergehendes Verweilen spricht, kann ein tatsächlicher, zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von einer gewissen Mindestdauer angesehen werden, wobei in der Regel als “Faustregel” von einer Sechs-Monats-Frist ausgegangen wird (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 2012, 17937 mwN). (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

517 F 6727/18 2018-10-02 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 02.10.2018, Az. 517 F 6727/18, aufgehoben.
2. Dem Antragsteller wird aufgegeben, zur Ermöglichung einer Rückkehr der Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter M. … C., nach Hongkong/China
2.1. nachzuweisen, dass gegen die Antragsgegnerin in Hongkong kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren vorliegt,
2.2. folgende – in Hongkong/China ohne weiteres vollstreckbare – Verpflichtungserklärung vorzulegen:
– Der Antragsteller stellt der Antragsgegnerin für sie und M. die nach Lage und Ausstattung der bisherigen Ehewohnung vergleichbare Wohnung mit ca. 80 qm Wohnbereich, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Garten – …, …, Hongkong – möbliert zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung;
– der Antragsteller zahlt der Antragsgegnerin bis zu einer anderslautenden gerichtlichen Entscheidung des für das Scheidungsverfahren und die Folgesachen zuständigen Gerichts in Hongkong eine monatliche finanzielle Unterstützung zur Aufstockung ihres Teilzeiteinkommens als Flugbegleiterin und zur Finanzierung ihrer beruflich veranlassten Flüge nach Deutschland in Höhe von 1.500 €,
– der Antragsteller trägt vollständig die Schulkosten für M. und die Kosten für deren Lebensunterhalt.
3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, mit dem Kind M. … C., geboren
31.07.2014, derzeit wohnhaft …, binnen 2 Wochen nach Vorlage des unter 2.1 genannten Nachweises und der vollstreckbaren Verpflichtungserklärung unter 2.2 nach Hongkong/China zurückzukehren.
4. Kommt die Antragsgegnerin der Verpflichtung unter 3. nicht nach, ist sie und jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, verpflichtet, das Kind M. … C. an den Antragsteller oder eine von diesem bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung nach Hongkong/China herauszugeben.
5. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 4. gemäß § 44 Abs. 3 Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG) i.V.m. § 89 FamFG ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 € sowie für den Fall, dass Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen kann.
6. Zum Vollzug von 4. wird angeordnet:
6.1. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, das unter 3. aufgeführte Kind der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, wegzunehmen und es dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person an Ort und Stelle zu übergeben.
6.2. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe unmittelbaren Zwang gegen jede zur Herausgabe verpflichtete Person und erforderlichenfalls auch gegen das Kind nach Maßgabe des § 90 Abs. 2 FamFG anzuwenden.
6.3. Der Gerichtsvollzieher wird zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegnerin und der Wohnung jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, ermächtigt.
6.4. Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen auch zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen vorzunehmen.
6.5. Das Jugendamt des Landratsamts T., … T. ist gem. § 9 Abs. 1 IntFamRVG verpflichtet,
a. Vorkehrungen zur Gewährleistung der sicheren Herausgabe des Kindes M. L.C. an den Antragsteller zu treffen,
b. das Kind nach Vollstreckung der Herausgabe gegebenenfalls vorläufig bis zur Rückführung in die Obhut einer für geeignet befundenen Einrichtung oder Person zu geben.
7. Eine Vollstreckungsklausel ist nicht erforderlich.
8. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz einschließlich der Vollstreckungs- und Rückführungskosten.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass das Amtsgericht München mit Beschluss vom 02.10.2018 seinen Antrag auf Rückführung des gemeinsamen Kindes nach Hongkong nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen zurückgewiesen hat.
Die Antragsgegnerin und der Antragsteller sind die seit Februar 2018 getrennt lebenden Eltern des Kindes M. … C., geb. am 31.07.2014. Der Antragsteller ist chinesischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin ist deutsche Staatsangehörige. Die Eheschließung erfolgte am 12.12.2017 in Hongkong. Bereits vor der Heirat lebten die Eltern in Hongkong zusammen, hielten sich aber auch immer wieder gemeinsam zu Urlauben in Europa und in Deutschland/M. auf, wo die Antragsgegnerin seit 2015 Eigentümerin einer 2-Zimmerwohnung ist. M. wurde in Deutschland geboren. Erst seit der Eheschließung besteht die gemeinsame elterliche Sorge.
Bereits im Jahr 2015 kam es zu einer Trennung der Eltern. Die Antragsgegnerin hielt sich deswegen von Juli 2015 bis Mai 2016 mit M. durchgehend in Deutschland auf. Danach versöhnten sich die Beteiligten wieder und lebten bis zum Januar 2018 zeitlich ganz überwiegend in Hongkong, kamen nur über Weihnachten und im Sommer für jeweils 2 bzw. 2 1/2 Monate nach Deutschland. Die Antragsgegnerin hatte in dieser Zeit für Hongkong/China stets nur ein Touristenvisum. Nach der Eheschließung unterzeichnete sie den Antrag für ein dauerhaftes Visum, der in der Folgezeit nicht mehr eingereicht wurde.
Der Antragsteller ist in Hongkong für 2 Firmen seiner Familie selbständig tätig und ist daneben bei der Firma R. B. als Wettkampfpilot beschäftigt, was ihn immer wieder zu Wettkämpfen nach Europa führt. Die Antragsgegnerin kümmerte sich ab der Geburt M.s im Juli 2014 bis September 2017 vorwiegend um die Versorgung des Kindes. Seit September 2017 ist sie wieder in ihrem Beruf als Flugbegleiterin für die Lufthansa in Teilzeit erwerbstätig.
M. besuchte sowohl in Hongkong wie auch während der Aufenthalte in Deutschland eine Kinderkrippe/Kindergarten. Sie spricht mit der Mutter Deutsch und mit dem Vater Englisch. Im Sommer 2018 konnte sie auch noch ein bisschen Kantonesisch.
Vom September 2017 bis zum Januar 2018 absolvierte die Antragsgegnerin ihre mehrtägigen Langstreckenflüge als Flugbegleiterin von Hongkong aus. M. wurde in dieser Zeit vom Vater mit Unterstützung durch die Haushaltshilfe der Familie betreut.
Da die Mutter sich wegen einer beruflichen Fortbildung im Januar für eine Woche in Deutschland aufhalten musste und es für sie schwer war, so lange von M. getrennt zu sein, war der Antragsteller einverstanden, mit der Familie für diese Zeit am 18.01.2018 gemeinsam nach Deutschland zu reisen. Ende Januar musste der Antragsteller aus beruflichen Gründen nach Hongkong zurückkehren. Da die Antragsgegnerin noch Arztbesuche und anderes in Deutschland erledigen wollte, war der Antragsteller einverstanden, zunächst allein nach Hongkong zurückzukehren. Da die Antragsgegnerin auch in der Folgezeit aus unterschiedlichsten Gründen entgegen der gemeinsamen Absprachen nicht nach Hongkong zurückkehren wollte, fühlte sich der Antragsteller so kurz nach der Hochzeit von ihr hintergangen und es entwickelte sich eine krisenhafte Whatsapp-Kommunikation. Der Antragsteller wollte sogar die Ehe annullieren lassen. Schließlich war er aber damit einverstanden, dass die Antragsgegnerin mit M. noch bis zum Beginn der internationalen Grundschule in Hongkong im September 2018 in Deutschland bleiben durfte. M. war durch beide Eltern aufgrund gemeinsamen Entschlusses bereits vor der Abreise nach Deutschland in der internationalen Schule in Hongkong angemeldet worden. Für die Zeit bis September wurde M. mit Einverständnis des Vaters auch in einem deutschen Kindergarten angemeldet. Im Mai 2018 sandte der Antragsteller persönliche Gegenstände der Antragsgegnerin und M.s nach Deutschland.
Spätestens Anfang Juli 2018 entschloss sich die Antragsgegnerin, gar nicht mehr mit M. nach Hongkong zurückzukehren und leitete deswegen beim Amtsgericht Traunstein ein Verfahren zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge ein.
Daraufhin stellte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.07.2018 den Antrag auf Rückführung M.s nach Hongkong nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ). Er trug dazu vor, er sei mit einem dauerhaften Verbleib M.s in Deutschland nie einverstanden gewesen. Zwischen den Eltern sei vereinbart worden, dass die Familie hauptsächlich in Hongkong leben sollte, weshalb M. auch bereits mit Wollen und Billigung der Mutter zum Schulbesuch in Hongkong angemeldet worden sei. Die Aufenthalte in Deutschland seien stets nur Urlaubsaufenthalte in den Schließzeiten des Kindergartens gewesen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes sei in Hongkong. Die Mutter halte das Kind rechtswidrig und gegen seinen Willen in Deutschland zurück.
Die Antragsgegnerin beantragte dagegen Antragsabweisung mit der Begründung, M. habe sich seit ihrer Geburt zeitlich überwiegend in Deutschland aufgehalten, ihr gewöhnlicher Aufenthalt sei daher Deutschland. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass sie einen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in Hongkong wie in Deutschland habe. Das HKÜ sei auf diesen Fall nicht anwendbar. Auch sei der Antragsteller mit dem dauerhaften Verbleib M.s gegen Annullierung der Ehe einverstanden gewesen. Er habe bereits alle persönlichen Gegenstände M.s nach Deutschland geschickt. Den HKÜ-Antrag habe er nur gestellt, weil sich die Antragsgegnerin nicht auf die Eheannullierung eingelassen habe. Sie selbst könne als Hauptbezugsperson M.s deswegen nicht nach Hongkong zurückkehren, weil sie dort die Lebenshaltungskosten mit ihrer beruflichen Tätigkeit nicht finanzieren könne. Der Antragsteller zahle keinen Unterhalt. Eine Rückkehr des Kindes ohne sie werde zu einer schweren Traumatisierung des Kindes führen. Im Übrigen sei eine Rückführung nach Hongkong auch kindswohlgefährdend, weil M. allergisches Asthma habe.
Die Ermittlungen im amtsgerichtlichen Verfahren über das Jugendamt, die vom Amtsgericht eingesetzte Verfahrensbeiständin sowie die persönliche Anhörung des Kindes ergaben, dass das Kind trotz der langen Trennung eine gute und sichere Bindung auch zum Vater hatte.
Mit Beschluss vom 02.10.2018 wies das Amtsgericht den Antrag auf Rückführung M.s nach Hongkong zurück.
Es begründete die Zurückweisung damit, dass die Voraussetzungen des Art. 3 HKÜ (widerrechtliches Zurückhalten des Kindes) nicht vorlägen. Zwar sei durch das Zurückhalten M.s in Deutschland das (Mit-)Sorgerecht des Antragstellers, das sowohl nach deutschem wie auch nach dem in Hongkong anwendbaren Recht beiden Eltern gemeinsam zustehe, beeinträchtigt, es fehle jedoch an der Widerrechtlichkeit des Zurückhaltens, wenn das Kind durch wechselnde Aufenthalte an verschiedenen Orten entweder gar keinen, nicht den alleinigen oder nicht den letzten gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort des antragstellenden Elternteils (hier in Hongkong) habe. Das Amtsgericht setzte sich mit dem Meinungsstreit zu der Frage auseinander, ob das HKÜ überhaupt Anwendung finde, wenn ein Kind sich abwechselnd an zwei Orten gewöhnlich aufhalte, oder ob in Fällen mit mehreren gewöhnlichen Aufenthalten von einem widerrechtlichen Verbringen überhaupt ausgegangen werden könne, was nicht der Fall sei, wenn ein Kind in einen Staat verbracht würde, in dem es sich auch bisher schon längere Zeit aufgehalten habe und soziale Bezüge auch jenseits der Beziehungen zu den Eltern geknüpft habe. Schließlich prüfte es die Frage, ob eine Widerrechtlichkeit des Zurückhaltens dann entfalle, wenn das Kind sich mit Zustimmung des antragstellenden Elternteils zunächst längere Zeit an einem gewohnten Ort aufgehalten habe und dann die Einwilligung widerrufen wird. In diesem Falle sei zu prüfen, ob das Kind mittlerweile einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt am aktuellen Aufenthaltsort gegründet habe.
Von letzterem ging das Amtsgericht für seine Entscheidung aus. M. habe sich bis zum Widerruf der Zustimmung zu ihrem Verbleib in Deutschland bereits 6 Monate hier aufgehalten. Zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung habe sie bereits seit 8 Monaten einen deutschen Kindergarten besucht. Sie spreche aufgrund des langen Aufenthaltes fließend Deutsch und sei im Umfeld der Mutter sozial integriert, zumal sie sich dort auch schon früher aufgehalten und auch schon früher in Deutschland einen Kindergarten besucht habe. Bei Widerruf der Zustimmung durch den Antragsteller sei M.s Aufenthalt in Deutschland bereits zu einem gewöhnlichen geworden.
Schließlich habe der Antragsteller ab Februar 2018 sein Sorgerecht nicht mehr ausgeübt und zunächst nur telefonischen Kontakt gehalten.
Auf eine von der Antragsgegnerin bestrittene Vereinbarung über die Rückkehr im September 2018 komme es nicht mehr an. Durch das Scheitern der Beziehung der Eltern wäre die Grundlage einer solchen Vereinbarung entfallen.
Gegen diesen ihm am 08.10.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19.10.2018 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das Amtsgericht sei zum einen von falschen Tatsachen ausgegangen und habe ferner auch das HKÜ nicht richtig angewendet und ausgelegt.
M. habe nicht nur von September 2017 bis Januar 2018 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hongkong gehabt, sondern habe bereits seit September 2016 in Hongkong den Kindergarten besucht. Nur Urlaube während der Schließzeiten im Kindergarten seien in Deutschland verbracht worden, insgesamt 4,5 Monate in dieser Zeit. M. habe daher für 16 Monate ihren überwiegenden und damit gewöhnlichen Aufenthalt in Hongkong gehabt. Die davor liegende Zeit, in der die Eltern getrennt gewesen seien, könne für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht gewertet werden.
Falsch sei auch, dass M. in der Zeit ab Februar mit seiner Zustimmung im Kindergarten in S. angemeldet gewesen sei. Sie habe vielmehr zunächst einen Montessori-Kindergarten in G. besucht, in dem auch Englisch gesprochen worden sei. Nur für diesen Kindergarten habe er seine Zustimmung erteilt. Den Kindergartenwechsel nach S. habe die Antragsgegnerin ohne seine Einwilligung bereits im April 2018 zum 01.09.2018 vorgenommen.
Die Rücksendung der persönlichen Gegenstände habe die Antragsgegnerin über eine Freundin in Hongkong und die Hausangestellte der Familie selbst veranlasst. Er habe die Rücksendung auch nicht bezahlt. Im Übrigen seien auch nicht alle Sachen M.s versandt worden. Sie habe in Hongkong ein vollständig eingerichtetes und mit Spielsachen versehenes Zimmer. Es seien nur ihre Sommersachen übersandt worden.
Auch das Scheitern der Beziehung der Eltern ändere nichts daran, dass der Antragsteller nie einem dauerhaften, sondern immer nur einem zeitlich begrenzten Verbleib M.s in Deutschland zugestimmt habe.
Die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, bei einer auf einen bestimmten Zeitraum gerichteten Einwilligung sei keine Rückführung geboten, wenn das Kind bereits einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hätte, werde so in der deutschen Literatur und Rechtsprechung nicht vertreten. Vielmehr sei auch das Zurückhalten eines Kindes nach einem längeren Aufenthalt als 6 Monate widerrechtlich, wenn ein nur begrenzter Aufenthalt vereinbart war. Eine Rückführung könne schließlich noch bis zu 1 Jahr Aufenthalt des Kindes im Verbringensstaat beantragt werden.
Die Nichtzahlung von Unterhalt habe mit der Sorgerechtsausübung nichts zu tun. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin von ihm auch immer wieder größere Zahlungen erhalten. Zur Sorgerechtsausübung reiche bereits ein regelmäßiges Kontakthalten, was per Skype über den gesamten Zeitraum erfolgt sei.
Demgemäß sei auch die Vater-Tochter-Beziehung – auch nach Feststellung des Amtsgerichts – gut und sicher, was die Verfahrensbeiständin bestätigt habe.
Der Antragsteller habe auch zu keiner Zeit sein Sorgerecht aufgegeben. Es sei ausschließlich über die finanziellen Folgen der Trennung, die Betreuung M.s und eine einvernehmliche Scheidung verhandelt worden. In diesem Zusammenhang – wie auch noch bis Juni 2018 – habe die Antragsgegnerin beteuert, mit M. nach Hongkong zurückzukehren.
Schließlich habe sich der Antragsteller bereits vor der Eheschließung seit der Geburt des Kindes aktiv und umfassend um M. gekümmert und das nicht nur, wenn die Mutter abwesend gewesen sei. So sei er eine genauso wichtige Bezugsperson für M. wie die Mutter.
Daher stehe der Rückführung M.s – notfalls auch ohne die Begleitung der Mutter – nichts entgegen. Er müsse sich wegen seiner Berufstätigkeit nicht mehr fremder Hilfe bedienen als dies auch die Antragsgegnerin in Deutschland tun müsse, wenn sie mehrtägig beruflich abwesend sei. Er sei bereit, der Antragsgegnerin eine – näher bezeichnete – angemessene Wohnung in Hongkong kostenfrei zur Verfügung zu stellen und sie auch finanziell zu unterstützen, damit sie – wie bisher – ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin in Teilzeit ausüben und daneben M. versorgen könne. Die Höhe der finanziellen Unterstützung stellte er in das Ermessen des Senats. Wenn der Senat dies zur Auflage mache, sei er auch bereit, einen entsprechenden Titel in Hongkong erstellen zu lassen. Während der berufsbedingten Abwesenheiten der Antragsgegnerin von Hongkong könne er M. betreuen. Er könne seine Arbeitszeit im Familienunternehmen frei einteilen. Seine Flugverpflichtungen für R. B. führten ihn nur 4 – 5 Wochen im Jahr nach Europa.
Was die Kindswohlgefährdung aufgrund der behaupteten Asthmaerkrankung angehe, so wiesen die vorgelegten Atteste nur Allergien aus, die typischerweise gerade auch in Deutschland aufträten und u.a. auch mit der kalten Witterung im Winter zu tun hätten. Das milde, feuchtwarme Klima in Hongkong sei daher für M.s Gesundheit sogar eher gut.
Der Antragsteller beantragt daher, den Beschluss des Amtsgerichts München vom 02.10.2018 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind M. … C., geb. am 31.07.2014, innerhalb angemessener Frist nach Hongkong, China zurückzuführen sowie für den Fall, dass die Antragsgegnerin dieser Verpflichtung nicht nachkomme, die Herausgabe des Kindes an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Hongkong, China, anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, der Anwendungsbereich des HKÜ sei nicht eröffnet, weil das Kind sich seit seiner Geburt überwiegend in Deutschland aufgehalten habe. So habe sich M. bis Januar 2018 insgesamt 22 1/2 Monate in Deutschland, aber nur 20 1/2 Monate in Hongkong aufgehalten. Es habe ständige Aufenthaltswechsel zwischen Hongkong und Deutschland gegeben. Der längste zusammenhängende Aufenthalt sei vom 28.06.2015 bis 25.05.2016 in Deutschland gewesen. M. habe in beiden Ländern die Kinderkrippe besucht. Inzwischen sei M. seit 11 1/2 Monaten in Deutschland und hier sozial integriert.
Aus der zu den Akten gelangten Korrespondenz zwischen den Beteiligten ergebe sich, dass der Antragsteller dem dauerhaften Verbleib M.s in Deutschland zugestimmt habe. Auch habe er die Übersendung der persönlichen Sachen M.s durch die Haushälterin veranlasst.
Ein konkreter Rückreisezeitpunkt sei zu keiner Zeit vereinbart gewesen. Der Antragsteller habe aber einem Verbleib bis September 2018 zugestimmt.
Der Antragsteller habe der Antragsgegnerin auch angeboten, sie könne M. haben, wenn sie einer Annullierung der Ehe zustimme, indem sie zugebe, dass sie den Antragsteller bei Eingehung der Ehe getäuscht habe. Damit habe der Antragsteller sein Sorgerecht selbst aufgegeben. Er nutze das HKÜ-Verfahren, um die Antragsgegnerin unter Druck zu setzen.
Richtig sei, dass die Beteiligten bei der Abreise nach Deutschland im Januar 2018 nicht davon ausgegangen seien, dass die Familie einen künftigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründen wolle.
Der Antragsteller zahle keinen Unterhalt und habe M. monatelang in Deutschland nicht besucht. Er habe daher sein – erst mit der Heirat begründetes – Sorgerecht nie ausgeübt.
Die Antragsgegnerin selbst könne mangels Visums nicht dauerhaft in Hongkong leben und sich dort auch nicht unterhalten.
Sollte M. allein nach Hongkong zurückkehren müssen, könne sie durch den Antragsteller wegen dessen Berufstätigkeit nicht persönlich, sondern nur durch Dritte betreut werden.
Schließlich sei die Rückkehr nach Hongkong aufgrund der Gesundheit des Kindes eine Gefährdung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 b HKÜ.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Feststellungen im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts München sowie auf die zu den Akten gelangten Schriftsätze der Beteiligten nebst allen Anlagen Bezug genommen.
Ein vom Senat zunächst auf den 20.12.2018 anberaumter Anhörungstermin musste verlegt werden, weil die Antragsgegnerin behauptete, es sei zwischen ihr und dem Antragsteller am 19.12.2018 zu einem massiven Gewaltvorfall gekommen, bei dem der Antragsteller sie zweimal heftig am Hals gewürgt habe. Sie legte zum Beweis ein ärztliches Attest vor. M. habe diesen Vorfall zwar nicht unmittelbar aber mittelbar mitbekommen und habe die ganze Nacht geweint und kaum geschlafen. Der Antragsteller bestritt jeglichen körperlichen Übergriff durch ihn auf die Antragstellerin und bezog sich auf eine von ihm zu seinem Schutz gefertigte Videoaufnahme, auf der keinerlei körperliche Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin zu sehen seien.
Im Weiteren wurde beantragt, die Kindesanhörung durch den Senat auf einen anderen Termin als den neu bestimmten Anhörungstermin am 23.01.2019 zu verlegen. M. sei seit dem Vorfall vom 19.12.2018 belastet. Ein Zusammentreffen mit beiden Eltern im Vorfeld des Termins solle vermieden werden.
Ferner wurde vorgetragen, das Kind habe große Angst davor, der Vater könne neuerlich die Mutter angreifen. Auch sei von einem erheblichen Vertrauensverlust M.s gegenüber ihrem Vater auszugehen. Sie besuche einen Kinderpsychologen, um das Erlebte zu verarbeiten. Dem Antragsteller könne aufgrund dessen plötzlicher Gewaltbereitschaft das erst 4 1/2-jährige Kind nicht zur Obhut überlassen werden.
Die Kindesanhörung durch den Senat fand daher separat am 21.01.2019 in Anwesenheit der Verfahrensbeiständin ohne die übrigen Verfahrensbeteiligten statt. Wegen des Inhalts der Kindesanhörung wird auf den Anhörungsvermerk vom 21.01.2019 Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurden beide beteiligten Eltern ausführlich angehört. Sie einigten sich auf die Durchführung einer Mediation über den Verein MIKK e.V.. Die Verfahrensbeiständin bot an, vereinbarte Umgänge des Antragstellers mit M. am 24. und 25.01.2019 zu begleiten.
Die Mediation fand vereinbarungsgemäß am 13.02.2019 statt, wurde jedoch ergebnislos abgebrochen.
In der mündlichen Senatsverhandlung vom 20.02.2019 berichtete die Verfahrensbeiständin über den Verlauf der von ihr begleiteten Umgänge mit M. sowie über einen weiteren Umgang vom 14.02.2019, der in einer Beratungsstelle stattgefunden hatte. Alle Umgänge seien problemlos verlaufen. M. habe keinerlei Angst vor dem Vater gezeigt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Sitzungsvermerk vom 20.02.2019 Bezug genommen.
In einem nachgelassenen Schriftsatz bestritt die Antragsgegnerin plötzlich, dass durch die Eheschließung der Beteiligten nach dem in Hongkong geltenden Recht der Vater die Mitsorge erlangt habe. Außerdem machte sie geltend, dass sie in Hongkong eine Verhaftung aufgrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens befürchte und vermutlich deswegen auch an der Einreise verhindert sei.
Seitens des Antragstellers wurde dazu vorgetragen, dass er selbst die Antragsgegnerin nicht angezeigt habe, dies auch nicht vorhabe und dass seines Wissens in Hongkong kein Ermittlungsverfahren gegen die Antragsgegnerin vorliege.
Die Antragstellerseite legte nach Aufforderung des Senats, das Bestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge nachzuweisen, die Stellungnahme eines pensionierten Familienrichters am Berufungsgericht in Hongkong vom 16.04.2019 über die Rechtslage zum Sorgerecht nichtehelicher Kinder bei Heirat der leiblichen Eltern in Hongkong vor mit dem Ergebnis, dass durch die Legalisierung eines nichtehelichen Kindes mit Heirat der Eltern dieses die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erwerbe und damit der Vater die gemeinsame elterliche Sorge. Auf das ausführliche Rechtsgutachten wird Bezug genommen.
Das Vorliegen der gemeinsamen elterlichen Sorge wurde daraufhin von der Antragsgegnerin nicht mehr angezweifelt.
Zur weiteren Ergänzung des Sachverhaltes wird auch auf die weiteren im Beschwerdeverfahren zu den Akten gelangten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsvermerke vom 23.01.2019, 21.01.2019 und 20.02.2019 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 02.10.2018 hat auch in der Sache Erfolg. M. ist auf den zulässigen Rückführungsantrag des Antragstellers nach Hongkong/China zurückzuführen.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 40 Abs. 2 IntFamRVG i.V.m. § 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß (§ 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG) eingelegt und begründet.
2. In der Sache ist die Beschwerde begründet.
2.1 Grundlage für die Rückführungsanordnung ist Art. 12 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen vom 25.10.1980 (HKÜ), welches sowohl für die Bundesrepublik Deutschland (seit 1.12.1990) als auch für Hongkong/China (seit 01.09.1997, vgl. BGBl. 1998 II 317) anwendbar ist.
Nach Art. 12 Abs. 1 HKÜ ist die sofortige Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn es i.S.d. Art. 3 HKÜ widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbracht oder dort zurückgehalten wurde und bis zur Antragstellung weniger als 1 Jahr seit der Verbringung oder Zurückhaltung verstrichen ist.
(1) Voraussetzung für die Anwendung des HKÜ ist nach Art. 4 Satz 1 HKÜ, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt unmittelbar vor einer Verletzung des Sorgerechts oder des Rechts zum persönlichen Umgang in einem anderen Vertragsstaat hatte.
Das Kind M. hatte zur Überzeugung des Senats vor seiner Ausreise nach Deutschland am 18.01.2018 seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. Art. 4 HKÜ in Hongkong.
Weder das HKÜ noch das sonstige internationale Kindschaftsrecht definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts.
Als gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes ist nach international einheitlichem Verständnis des HKÜ der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung, der Daseinsschwerpunkt des Kindes zu verstehen (Staudinger/Pirrung, BGB, 2018, Art. 4 HKÜ Rn. E 35 m.w.N.). Dieser ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen.
Der EuGH hat mit Urteil vom 22.12.2010, Aktenzeichen: C-497/10, zu Art. 8 Abs. 1 der Brüssel IIa Verordnung ausgeführt, dass unter dem Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ der Ort zu verstehen ist, an dem eine gewisse Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist. Dieser Ort sei vom nationalen Gericht unter Berücksichtigung aller besonderen tatsächlichen Umstände jedes Einzelfalls festzustellen. Zu den Kriterien, in deren Licht das nationale Gericht den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes festzustellen habe, gehörten insbesondere die Umstände und Gründe des Aufenthalts des Kindes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sowie dessen Staatsangehörigkeit. Dabei müsse bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes neben seiner körperlichen Anwesenheit in einem Mitgliedstaat aus anderen Faktoren hervorgehen, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit handele. Zur Unterscheidung des gewöhnlichen Aufenthalts von einer bloßen vorübergehenden Anwesenheit sei festzustellen, dass der gewöhnliche Aufenthalt grundsätzlich von gewisser Dauer sein müsse, damit ihm ausreichende Beständigkeit innewohne.
Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ist danach dort, wo aufgrund des Schwerpunktes der sozialen und familiären Bindungen der Daseinsmittelpunkt des Kindes ist und an dem sich das Kind nicht nur vorübergehend aufhält, sondern unter Umständen, die für eine gewisse Dauer den Lebensmittelpunkt begründen.
Als Indiz für eine ausreichende Integration, welches für einen gewöhnlichen Aufenthalt und nicht mehr nur für ein vorübergehendes Verweilen spricht, kann ein tatsächlicher, zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von einer gewissen Mindestdauer angesehen werden, wobei in der Regel als „Faustregel“ von einer Sechs-Monats-Frist ausgegangen wird (OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 11 UF 117/12 m.w.N.).
Unabhängig davon ist der gewöhnliche Aufenthalt jedoch nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
a) Das Problem eines alternierenden oder doppelten gewöhnlichen Aufenthalts – wie vom Erstgericht diskutiert – stellt sich nach Ansicht des Senats nicht.
Zwar ist M. in Deutschland geboren und hat in zeitlicher Hinsicht rein rechnerisch seit ihrer Geburt bis zur Ausreise nach Deutschland im Januar 2018 etwas mehr Zeit in Deutschland als in Hongkong verbracht. Dies liegt aber vor allem daran, dass die Eltern sich im Jahr 2015 für die Dauer fast 1 Jahres getrennt hatten und die Mutter deswegen mit M. nach Deutschland zurückgekehrt war. Mit der Versöhnung der Eltern im April/Mai 2016 verlagerte sich der Lebensmittelpunkt aber sowohl rechnerisch wie auch gemessen am Lebensschwerpunkt der Familie nach Hongkong. Die Eltern beschlossen gemeinsam, M. ab September 2016 in Hongkong im Kindergarten anzumelden, was unstreitig von der Antragsgegnerin in der Folgezeit auch veranlasst wurde.
Tatsächlich verbrachte M. in der Zeit von September 2016 bis zum Januar 2018 nur während der Schließzeiten des von ihr in Hongkong besuchten Kindergartens, insgesamt 4 1/2 Monate, in Deutschland. M. war zwar auch in Deutschland in der Kinderkrippe angemeldet. Dort war sie ab September 2016 nach der von der Antragsgegnerseite zu den Akten gebrachten Aufstellung jedoch nur tageweise, was für den Vortrag des Antragstellers spricht, man habe in den Ferien neben Besuchen in Deutschland auch ausgedehnte Urlaube in Europa verbracht. Einzig im Juli 2017 bis zum 04.08.2017 besuchte M. einmal für ganze 4 Wochen die deutsche Kinderkrippe. Neben dem Besuch des Kindergartens in Hongkong nahm M. dort am Ballett- und Schwimmunterricht teil und hatte Kontakt zu ihren Großeltern vs. sowie zu gleichaltrigen Kindern. Die Antragsgegnerin setzte ab September nach Ablauf ihrer Elternzeit ihre berufliche Tätigkeit als Flugbegleiterin von Hongkong aus fort. Während ihrer beruflich bedingten Abwesenheiten von Hongkong betreute der Antragsteller mit Unterstützung der Haushaltshilfe und seines Vaters M. in Hongkong. Im Dezember 2017 heirateten dann die Beteiligten. Die Antragsgegnerin unterschrieb einen Antrag für ein permanentes Visum. Beide Eltern meldeten M. für die Zeit ab September 2018 in einer internationalen Grundschule in Hongkong an. Damit wurde – auch nach außen – erkennbar, dass die Eltern den Lebensschwerpunkt der Familie und damit den gewöhnlichen Aufenthalt ihres Kindes auch in Zukunft in Hongkong sahen.
Nach allem ist von einem ausschließlichen gewöhnlichen Aufenthalt M.s i.S.d. Art. 3 HKÜ vor ihrer Einreise nach Deutschland im Januar 2018 in Hongkong auszugehen. In Deutschland hatte sie sich zuvor nur noch vorübergehend für die Ferien aufgehalten, was nicht zur Begründung oder zur Aufrechterhaltung eines weiteren gewöhnlichen Aufenthaltes führen konnte.
b) Daran änderte sich auch durch die gemeinsame Reise nach Deutschland im Januar 2018 nichts. Unstreitig sollte der Aufenthalt in Deutschland nur ein vorübergehender während der Dauer einer Fortbildung der Antragsgegnerin sein. Nur im Hinblick auf verschiedene von der Antragsgegnerin zu erledigende Angelegenheiten flog der Antragsteller allein nach Hongkong zurück. Die Antragsgegnerin nannte bis zum Februar immer wieder andere Gründe, weswegen ihr die Rückkehr nach Hongkong noch nicht möglich war. Im Februar bat sie dann um die Zustimmung zu einem längeren Aufenthalt in Deutschland und dafür, M. im Kindergarten anmelden zu dürfen. Der Antragsteller stimmte einem Verbleiben M.s in Deutschland bis zum Beginn der internationalen Schule in Hongkong im September 2018 zu.
Er widerrief diese Zustimmung, nachdem die Antragsgegnerin ihm Anfang Juli 2018 erklärt hatte, gar nicht mehr nach Hongkong zurückkehren zu wollen, und zu diesem Zweck einen Sorgerechtsantrag beim deutschen Familiengericht gestellt hatte.
Zu diesem Zeitpunkt lag der gewöhnliche Aufenthalt M.s noch in Hongkong. Sie hatte bei der rechtswidrigen Zurückhaltung zur Überzeugung des Senates noch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet.
Sie war noch nicht ganz 6 Monate in Deutschland. Sie besuchte unbestritten einen englischsprachigen Kindergarten, sprach nach Feststellung der Verfahrensbeiständin im amtsgerichtlichen Verfahren noch gut Englisch und weniger gut Deutsch und wünschte sich, nach Hongkong zurückzukehren. Die Wohnung sei dort viel schöner. Auch sollte nach der Absprache beider Eltern der Aufenthalt M.s eigentlich nur bis zum September 2018 dauern, also nur vorübergehend sein. Sich an diese Absprache nicht halten zu wollen, hat die Antragsgegnerin erstmals im Juli 2018 erklärt, mag sie auch bereits vorher dazu entschlossen gewesen sein.
Es kann daher zum Zeitpunkt der widerrechtlichen Zurückhaltung durch die Antragsgegnerin im Juli 2018 noch nicht davon ausgegangen werden, dass M. bereits einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
c) Mittlerweile hält sich M. allerdings seit fast 1 1/2 Jahren in Deutschland auf, besucht seit Herbst 2018 einen deutschsprachigen Kindergarten, spricht gut Deutsch und hat sich – insoweit unstreitig – hier eingelebt. Damit hat sie inzwischen auch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland erworben. Das bedeutet aber nicht, dass die Rückgabe des Kindes nunmehr ausscheidet, nur weil es im Zurückhaltungsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Wenn die Rückführung – wie hier – zulässig und rechtzeitig beantragt wurde, und keine Ablehnungsgründe nach Art. 13 HKÜ vorliegen, ist das Kind zurückzugeben, da das HKÜ keinen Grund zur Ablehnung der Rückgabe allein deswegen vorsieht, dass das Kind im Verlauf des Verfahrens einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zurückhaltungsstaat erworben hat. (so auch MüKo/BGB/Heiderhoff,7.Aufl., 2018, KindEntfÜbk, Art. 3 Rn.19).
Das HKÜ und damit auch Art. 12 HKÜ als Rechtsgrundlage für die Anordnung der Rückgabe finden daher Anwendung.
(2) Das Zurückhalten des Kindes durch die Kindesmutter war auch widerrechtlich gemäß Artikel 3 Satz 1 lit.a HKÜ, da dies gegen den Willen des mitsorgeberechtigten Vaters geschah.
a) Da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes beim rechtswidrigen Zurückhalten in Deutschland noch in Hongkong/China lag, kommt es für die Frage, ob die Antragsgegnerin das dem Antragsteller zustehende Sorgerecht verletzt hat, auf das Recht dieses Staates an (Art. 3 Satz 1 lit. a HKÜ).
Nach dem Rechtsgutachten des pensionierten Familienrichters am Berufungsgericht in Hongkong M. J. H. vom 16.04.2019, das die Antragsgegnerseite nicht angezweifelt hat und bezüglich dessen Richtigkeit auch der Senat keinen Zweifel hat, hat der Antragsteller und leibliche Vater M.s durch die Heirat mit der Mutter nach der Legitimationsverordnung von 1971 zur Regelung der Rechtsverhältnisse unehelich geborener Kinder, dort Kapitel 184, i.V.m. der Verordnung über die Vormundschaft über Minderjährige, Kapitel 13, die gleichen Rechte und Zuständigkeiten bei der Erziehung des Kindes wie die Mutter erworben.
§ 3 Abs. 1 der LegitimationsVO 1971 sieht Folgendes vor: Heiraten die Eltern einer nichtehelichen Person einander oder haben sie vor oder nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung geheiratet, so erwirbt diese Person vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Absatzes, wenn sie lebt, ab Inkrafttreten dieser Verordnung oder ab dem Zeitpunkt der Eheschließung,…, den Status eines ehelichen Kindes, wenn der Vater des nichtehelichen Kindes zum Zeitpunkt der Eheschließung in Hongkong sein „domicile“ hat oder hatte oder zu diesem Zeitpunkt eine wesentliche Verbindung zu Hongkong hat oder hatte.
§ 3 Abs. 1 lit.b der Verordnung über die Vormundschaft über Minderjährige legt fest, dass bezüglich einer minderjährigen Person, die ehelich ist, …eine Mutter dieselben Rechte und Zuständigkeiten haben soll, die von Gesetzes wegen einem Vater zustehen, und dass die Rechte und Zuständigkeiten von Mutter und Vater gleich und von jedem Elternteil ohne den anderen ausübbar sein sollen.
Wie nach deutschem Recht hat damit auch ein vormals nichtehelicher Vater aus Hongkong mit Eheschließung dasselbe Sorgerecht wie die Mutter für das als ehelich geltende gemeinsame Kind und die Zurückhaltung des Kindes gegen den Willen des Vaters in einem anderen Staat verletzt dessen (Mit-)Sorgerecht widerrechtlich.
b) Der Antragsteller hat sein durch die Heirat mit der Antragsgegnerin begründetes Sorgerecht in Hongkong auch i.S.d. Art. 3 Satz 1 lit.b HKÜ ausgeübt und hätte es auch weiter in dem gewohnten Umfang ausgeübt, wenn das Zurückhalten M.s in Deutschland nicht stattgefunden hätte.
An das tatsächliche Ausüben des Sorgerechts sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. NK-Benicke, BGB AT, 3.Aufl., 2016, Anh. III zu Art. 24 EGBGB Rn.25 zu Art. 3 HKÜ m.w.N.). Das Sorgerecht wird auch dann tatsächlich ausgeübt, wenn der Elternteil zwar nicht an der täglichen Sorge für das Kind beteiligt ist, mit dem Kind aber zumindest hin und wieder Kontakt hat und sich an den das Kind betreffenden Entscheidungen beteiligt, insbesondere einen dauerhaften Umzug ins Ausland ablehnt (NK-Benicke a.a.O.).
Der Antragsteller hat M. sowohl vor wie nach der Eheschließung während der beruflichen Abwesenheiten der Mutter in Hongkong betreut. Alle von den Beteiligten vorgelegten Bestätigungen, sogar ein Schreiben der Antragsgegnerin selbst, beschreiben den Antragsteller als liebevollen, engagierten und befähigten Vater. Während M.s Aufenthalt in Deutschland hat er einen regelmäßigen Kontakt über Videotelefonie zu ihr unterhalten und während seiner durch die Gerichtsverhandlungen veranlassten Aufenthalte in Deutschland auch persönlichen Umgang mit ihr gehabt, der völlig problemlos verlaufen ist. Mehr war ihm aufgrund der Entfernung zwischen Hongkong und Deutschland, seiner beruflichen Verpflichtungen und der Weigerung der Antragsgegnerin, mit M. nach Hongkong zurückzukehren, nicht möglich.
c) Der Rückführungsantrag des Antragstellers wurde am 16.07.2018, damit knapp 6 Monate nach der Einreise des Kindes in Deutschland und mithin rechtzeitig i.S.d. Art. 12 HKÜ gestellt.
2.2 Gründe nach Art. 13 Abs. 1 HKÜ, die gemäß Art. 12 HKÜ gebotene Rückgabe des Kindes abzulehnen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.
(1) Dass der Antragsteller sein Sorgerecht i.S.d. Art. 13 Abs. 1 lit.a 1. Alternative HKÜ tatsächlich ausgeübt hat, wurde unter 2.1 (2) b) bereits ausgeführt.
(2) Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt einem dauerhaften Verbleib M.s i.S.d. Art. 13 Abs. 1 lit.a HKÜ endgültig zugestimmt oder diesen nachträglich genehmigt.
a) Bei der Reise nach Deutschland im Januar 2018 sind beide Eltern von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen. Erst dadurch, dass die Antragsgegnerin nach alleiniger Rückkehr des Antragstellers nach Hongkong diesen immer weiter hinhielt und hinsichtlich ihrer Rückkehr vertröstete, kam die Beziehung der Eltern neuerlich in eine Krise. Deswegen wurde mittels Email- und Whatsapp-Kommunikation die Trennung und Scheidung oder Eheauflösung und deren Folgen erörtert.
Der von der Antragsgegnerin zum Nachweis für eine Zustimmung des Antragstellers zum dauerhaften Verbleib M.s in Deutschland vorgelegten Whatsapp-Korrespondenz kann keine wirksame Zustimmung des Vaters zu einem dauerhaften Verbleib entnommen werden. Die Formulierung in einer Whatsapp vom Februar 2018 „I want a divorce by consented separation. You can have M..“ spricht für den Vortrag des Antragstellers, dass man über die Scheidungsumstände geschrieben habe, aber nicht dafür, dass der Antragsteller ab sofort einem dauerhaften Verbleib M.s bedingungslos zustimmen wollte. Vielmehr stellt der Vater als Möglichkeit für eine einvernehmliche Scheidung dar, dass die Mutter M. behalten könne.
Gegen eine Zustimmung zum dauerhaften Verbleib spricht auch, dass erst nach der vorgenannten Korrespondenz vom Antragsteller der Vorschlag zum (befristeten) Verbleib bis zum Schulbeginn in Hongkong im September 2018 gemacht wurde.
Dagegen ergeben sich aus einer vom Antragsteller vorgelegten Email der Antragsgegnerin vom 15.06.2018 noch Überlegungen zu ihrem Leben in Hongkong nach einer Rückkehr mit M. (For me to live in Hongkong a few major things need to change…)und aus einer Email des Antragstellers vom 20.06.2018 dessen ausdrückliche Forderung nach Rückkehr mit M. zum vereinbarten Zeitpunkt vor September 2018. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin diese Rückkehr ablehnen werde, wurden bereits zu diesem Zeitpunkt rechtliche Schritte angekündigt (..As Hongkong is M.’s home of domicile and we both agreed that M. will return to Hong Kong in September 2018, I sincerely hope you will bring M. back before September. Please reply to this email to conform M.’s return or I will have no choice but to initiate the Child Abduction procedure in a German court to secure M.’s return.). Auch die Antragsgegnerin selbst ging also noch gar nicht davon aus, dass bereits eine Zustimmung des Antragstellers zum dauerhaften Verbleib M.s in Deutschland vorlag.
b) Auch die Übersendung der persönlichen Sachen M.s nach Deutschland kann nicht als Indiz für eine Zustimmung des Antragstellers zum dauerhaften Verbleib M.s in Deutschland gewertet werden. Die Antragsgegnerin konnte nicht nachweisen, dass dies auf Veranlassung des Antragstellers geschehen ist, und seine Behauptung, sie selbst habe die Übersendung auf ihre Kosten veranlasst, nicht widerlegen. Im Übrigen hat der Antragsteller auch unbestritten vorgetragen, dass nicht alle Sachen M.s übersandt worden seien, sondern sie noch über ein voll eingerichtetes und mit Spielsachen versehenes Kinderzimmer in Hongkong verfüge. Es seien nur ihre Sommersachen übersandt worden.
Zur Überzeugung des Senates hat der Antragsteller daher eine Zustimmung nur zu einem befristeten Verbleib M.s in Deutschland bis zum Schulbeginn in Hongkong im September 2018 erteilt.
c) Diese Zustimmung hat er zu Recht bereits im Juli 2018 widerrufen und das Verfahren nach dem HKÜ eingeleitet, nachdem die Antragsgegnerin sich einseitig entschlossen hatte, mit M. dauerhaft in Deutschland zu bleiben und abredewidrig nicht zum Schulbeginn im September mit M. nach Hongkong zurückzukehren und dies auch kommuniziert und nach außen durch Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts dokumentiert hatte. Ab diesem Zeitpunkt war die Zurückhaltung M.s als widerrechtlich anzusehen.
d) Auch der Umstand der Trennung der Eltern kann einen Verbleib über die vom Antragsgegner zugestandene Aufenthaltsdauer bis zum September 2018 nicht rechtfertigen.
Durch die Trennung bleibt sein Sorgerecht und damit auch sein (Mit-)Aufenthaltsbestimmungsrecht unberührt. Auch bei getrennt lebenden Eltern kann der betreuende Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, nicht ohne die Zustimmung des anderen Elternteils den gewöhnlichen Aufenthalt des gemeinsamen Kindes in einen anderen Staat verlagern oder das Kind dem anderen Elternteil vorenthalten. Das Sorgerecht ist an dem für die Regelung zuständigen Gericht des Herkunftsstaats zu klären. Die Gerichte des Verbringensstaates können vor einer abschließenden Entscheidung über einen Rückführungsantrag keine Sachentscheidung über das Sorgerecht treffen (Art. 16 HKÜ).
(3) Schließlich liegt zur Überzeugung des Senates auch kein Ablehnungsgrund nach Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ vor.
Danach wäre die Rückgabe des Kindes abzulehnen, wenn sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt.
Dabei können nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohles einer Rückführung entgegenstehen (vgl. etwa OLG Nürnberg 07.07.2003 – 7 UF 954/03, FamRZ 2004,726).
In allen Fällen schwerwiegender Gefahr für das Kind sind strenge Anforderungen an das Ausmaß der Gefährdung zu stellen. Es muss sich um eine aktuelle, nicht nur zukünftige und hypothetische Gefahr handeln (Staudinger/Pirrung, BGB, 2018, Art. 13 HKÜ, Rn.E 71).
a) Nach dem Sinn und Zweck der Norm und der Gesamtsystematik des HKÜ ist der Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ nicht bereits dadurch erfüllt, dass das Kind durch die Rückführung nach Hongkong mit einem erneuten Wohnortwechsel und mit Änderungen in seinem sozialen Umfeld konfrontiert wäre, denn dabei handelt es sich um typische Belastungen, die mit jeder Kindesrückführung einhergehen und die das HKÜ als notwendige Nebenfolgen hinnimmt (vgl. Staudinger/Pirrung, a.a.O.). Lediglich ganz ungewöhnlich schwere Beeinträchtigungen des Kindeswohls können über Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ berücksichtigt werden. Diese restriktive Auslegung ist geboten, um zu vermeiden, dass die grundsätzlich bestehende Rückführungspflicht durch gezielte Planung auf Seiten des Entführers faktisch unterlaufen wird.
Von Verfassungs wegen ist die restriktive Auslegung des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ nicht zu beanstanden, denn die Intention des HKÜ, einer Verfestigung der widerrechtlichen Lage am Entführungsort entgegenzuwirken und die bestehende Sorgerechtsregelung am ursprünglichen Aufenthaltsort durchzusetzen und Kindesentführungen ganz allgemein zu unterbinden, lassen die Anordnung der sofortigen Rückführung grundsätzlich ungeachtet der typischen Beeinträchtigungen als zumutbar erscheinen (vgl. BVerfG NJW 1996, 1402 und FamRZ 1999, 85).
Der Aufenthaltswechsel bedeutet im vorliegenden Fall selbst nach der mittlerweile verstrichenen langen Zeit nicht, dass mit einer körperlichen oder seelischen Schädigung M.s bei Rückkehr nach Hongkong zu rechnen ist oder diese sie in eine unzumutbare Lage bringt.
M. ist es seit ihrer Geburt gewöhnt, sich an häufig wechselnden Orten, in unterschiedlichen Kindertagesstätten mit unterschiedlichen Sprachen und mit wechselnden Betreuungspersonen aufzuhalten. Auch während der vergangenen 1 1/2 Jahre wurde sie nicht nur durch die Mutter betreut, sondern besuchte 2 unterschiedliche Kindertagesstätten, wurde während mehrtägiger Abwesenheiten der Mutter durch die Großmutter ms. oder bei deren Verhinderung durch eine Nachbarin oder eine Freundin der Mutter betreut und hatte auch nach mehreren Monaten ohne den Vater wieder völlig problemlos Umgang mit ihm. Sie ist immer noch in der Lage, sich mit dem Vater auf Englisch zu verständigen. Der Bericht der Verfahrensbeiständin über die durchgeführten begleiteten Umgänge beweist, dass M. auch durch den wie auch immer abgelaufenen Vorfall am 19.12.2018 keinerlei Vorbehalte gegen den Vater hat. Unstreitig hatte sie dabei allenfalls die negative Stimmung und die Aufregung der Eltern mitbekommen, war aber auch nach dem Sachvortrag der Antragsgegnerin nicht Augenzeugin des behaupteten Geschehens. So hat sie auch bei der Kindesanhörung durch den Senat mehr kindlich geheimnisvoll davon berichtet und der Vorsitzenden ins Ohr geflüstert, die Mama habe erzählt, der Papa komme nicht mehr. Sie erinnere sich nicht, warum nicht. Später erzählte sie, sie habe nur „Aua“ gehört. Der Vater habe etwas Verbotenes gemacht. Auch dies kann ihr so nur die Antragsgegnerin vermittelt haben. Dieser Versuch, eine Angst M.s vor dem Vater zu erzeugen, hat im Ergebnis aber nicht funktioniert, wie die absolut angstfrei und vorbehaltslos verlaufenen begleiteten Umgänge beweisen.
Nach dem Eindruck, den M. sowohl auf die Verfahrensbeiständin, wie bei der richterlichen Kindesanhörung auch auf die Senatsmitglieder gemacht hat, ist sie selbstbewusst und smart genug, sich binnen kürzester Zeit auch in Hongkong wieder einzuleben.
b) Da M. sich mittlerweile fast 1 1/2 Jahre mehr oder weniger ausschließlich in der Obhut der Antragsgegnerin befunden hat, die auch früher jedenfalls ihre Hauptbezugsperson war, könnte eine längere Trennung von ihr durch Rückführung M.s ohne die Mutter dem Kind möglicherweise einen gewissen seelischen Schaden zufügen. Jedenfalls würde sie die Mutter sicherlich sehr vermissen.
Dieser Gefahr kann die Antragsgegnerin dadurch begegnen, dass sie im Interesse des Kindes gemeinsam mit M. nach Hongkong zurückkehrt.
Die Antragsgegnerin trägt Gründe vor, die es ihr nach ihrer Meinung unmöglich machen, gemeinsam mit M. nach Hongkong zurückzukehren.
aa) Sie beruft sich zunächst darauf, dass sie sich mangels eines Dauervisums nicht legal dauerhaft in Hongkong aufhalten und dort auch nicht erwerbstätig sein könne.
Abgesehen davon, dass dieses Argument die Antragsgegnerin während der gemeinsamen Zeit in Hongkong auch nicht vom Bleiben abgehalten hat, könnte sie zum einen auch als getrennt lebende Ehefrau eines Einheimischen und Mutter von dessen Kind ein permanentes Visum beantragen. Zum anderen könnte sie als Deutsche mit jeweils 3-monatigen Touristenvisa einreisen. Da sie über ihre Teilzeittätigkeit als Flugbegleiterin ohnehin jeden Monat nach Deutschland ausreisen müsste, darüber hinaus der Antragsteller auch wie bisher mit ausgedehnten Ferienzeiten in Deutschland einverstanden wäre, ist kaum anzunehmen, dass jeweils 3-monatige Touristenvisa für ein zumindest vorübergehendes Leben der Antragsgegnerin in Hongkong nicht ausreichen könnten.
Da die Antragsgegnerin für einen deutschen Arbeitgeber arbeitet, benötigt sie für Hongkong auch keine Arbeitserlaubnis.
Auch eine wiederholte Einreise mit Besuchervisa ist nicht rechtsmissbräuchlich und es besteht keine Gefahr strafrechtlicher Verfolgung deswegen.
bb) Des weiteren beruft sich die Antragsgegnerin darauf, dass sie sich mit ihrem Teilzeiteinkommen als Flugbegleiterin ein angemessenes Leben in Hongkong nicht leisten könne.
Da auch der Antragsteller sieht, dass eine Rückkehr M.s ohne ihre Mutter für das Kind schwer sein könnte, hat er die im Tenor unter 2.2 genannten Unterstützungsleistungen an die Antragsgegnerin angeboten und sich auch bereit erklärt, einen Vollstreckungstitel darüber erstellen zu lassen. Mit den angebotenen Leistungen wird es der Antragsgegnerin möglich gemacht, mit M. jedenfalls bis zu einer abschließenden Entscheidung des zuständigen Familiengerichts in Hongkong nach Hongkong zurückzukehren und dort zu leben.
Die Höhe der vom Senat festgesetzten finanziellen Unterstützung wurde gem. § 287 ZPO anhand des Durchschnittsgehalts einer Lufthansa Flugbegleiterin von ca. 40.000 € brutto für eine Vollzeitkraft mit mehreren Berufsjahren und der Überlegung geschätzt, dass Lufthansapersonal gerichtsbekannt zu äußerst günstigen Konditionen fliegen kann.
cc) Dem Einwand der Antragsgegnerin, sie habe eine Festnahme aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen bei Einreise nach Hongkong zu befürchten, ist der Antragsteller bereits entgegengetreten. Er hat erklärt, dass er selbst keine habe Strafanzeige erstattet und dies auch nicht vorhabe und dass seines Wissens kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren vorliege.
Um der Antragsgegnerin auch insoweit Sicherheit zu geben, hat der Senat die Vorlage eines geeigneten Nachweises angeordnet.
dd) Die Antragsgegnerin kann daher ohne weiteres gemeinsam mit M. jedenfalls bis zu einer endgültigen Entscheidung des zuständigen Gerichts in Hongkong über das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach Hongkong zurückkehren.
Weigert sie sich nach Erfüllung der vom Senat festgelegten Auflagen durch den Antragsteller, sind ihr die Interessen ihres Kindes offensichtlich weniger wichtig als ihre eigenen Verfahrensziele. Sie hätte den Eintritt eines möglichen seelischen Schadens M.s selbst zu verantworten und der Antragsteller müsste diesen verantwortungsbewusst auffangen. Er hat bereits erklärt, M. in diesem Fall persönlich in Deutschland abzuholen und sich viel Zeit für ihre Eingewöhnung zu nehmen.
Die insoweit beweisbelastete Antragsgegnerin konnte auch nicht den Vortrag des Antragstellers widerlegen, dass dieser aufgrund seiner Tätigkeit im Unternehmen seiner Familie sich seine Arbeitszeit so gestalten kann, dass er M. in Hongkong nach der Schule selbst betreuen kann. Wie in der Zeit vor der Ausreise nach Deutschland wird ihn dabei auch die Haushaltshilfe sowie sein Vater unterstützen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Auch die Antragsgegnerin muss M. während ihrer berufsbedingten Abwesenheiten durch ihre Mutter, Nachbarn oder eine Freundin fremdbetreuen lassen.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Antragsteller mit M. auch allein zurechtkommen könnte. Zwischen Vater und Tochter besteht trotz der längeren Trennungen eine sehr gute Bindung, so dass er eine Beeinträchtigung M.s durch eine grundlose Verweigerung der Mutter, mit ihr zusammen nach Hongkong zurückzukehren, auf Dauer voraussichtlich auffangen könnte.
Der Zweck des HKÜ, das Kind in den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes vor der widerrechtlichen Zurückhaltung zurückzuführen und die notwendige Sorgerechtsentscheidung durch die dort zuständigen Gerichte herbeizuführen, darf jedenfalls nicht durch eine einseitige Weigerung des widerrechtlich Zurückhaltenden zurückzukehren verhindert werden können (so auch NK-Benicke, BGB AT, 3. Aufl., 2016, Anhang III zu Art. 24 EGBGB, Rn.31 m.w.N.) .
c) Ein Ablehnungsgrund nach Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ kann schließlich auch nicht damit begründet werden, dass M. – wie von der Antragsgegnerin vorgetragenen und durch von ihr vorgelegte ärztliche Atteste belegt – Allergien und allergisches Asthma hat, welches aufgrund der schlechten Luftverhältnisse in Hongkong nach Meinung der Antragsgegnerin zu ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen M.s führen werde.
Eine gewisse gesundheitliche Beeinträchtigung durch andere Klima-, Wetter- oder Luftbedingungen erfüllt bereits nicht den Tatbestand eines äußerst schwerwiegenden körperlichen Schadens i.S. der Ausnahmevorschrift. Wie von der Antragstellerseite richtig vorgetragen, gibt es erheblich schlechtere Luftverhältnisse als die in Hongkong.
Selbst wenn M. die Asthmaerkrankung bereits in Hongkong gehabt haben sollte, was die Antragsgegnerin behauptet, der Antragsteller aber bestreitet, so ist sie auch in Deutschland trotz einer Kur an der See und ärztlicher Behandlung offenbar nicht besser geworden, wie sich aus einem von der Antragsgegnerin vorgelegten Attest eines Panorama Gesundheitszentrums in Rosenheim vom 10.04.2019 ergibt. Die dort neben einem Asthma bronchiale und einer bronchialen Hyperreagibilität bestätigten weiteren Allergien wie atopische Dermatitis, Hausstaubmilbenallergie sowie Allergien gegen Katze, Hund, Gräserpollen und Wegerich verschlechtern sich eher unter den Verhältnissen in Bayern, insbesondere in den feuchtkalten Wintermonaten, als in der feuchtwarmen Seeluft Hongkongs.
Ärztlich behandelt werden kann M. in Hongkong genau so gut wie in Deutschland.
Im Übrigen war die angeblich bereits in Hongkong bestehende Asthmaerkrankung für die Antragsgegnerin früher kein Grund, nicht mit M. in Hongkong zu leben und dies auch für M.s weitere Zukunft zu planen.
3. (1) Die Anordnungen zur Vollstreckung beruhen auf den §§ 44, 14 IntFamRVG, 88 ff FamFG.
(2) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14 Nr.2 IntFamRVG i.V.m. 84 FamFG.
(3) Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf § 40 Abs. 2 Satz 4 IntFamRVG nicht veranlasst, weil die Rechtsbeschwerde nicht stattfindet.
Ein Verfahrenswert ist im Hinblick auf die Festgebühr nach KV-FamGKG Nr. 1720 nicht festzusetzen. Die Voraussetzungen für die Festsetzung des Verfahrenswertes nach § 33 Abs. 1 und 2 RVG sind nicht vorgetragen worden.


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