Europarecht

Luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit und Reichsbürgertum

Aktenzeichen  AN 10 K 19.00538

Datum:
22.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12603
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 4 Nr. 3
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Frage der Zuverlässigkeit ist aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu bewerten und nur bei den Personen zu bejahen, die die uneingeschränkte Gewähr dafür bieten, dass sie die ihnen obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang erfüllen (Rn. 18). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Zuverlässigkeit im luftsicherheitsrechtlichen Sinn ist bereits dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen  (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Kläger, der der so genannten „Reichsbürger-/Selbstverwalter-Szene“ zuzurechnen ist, bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass er bereit ist, auch in luftverkehrsrechtlichen Zusammenhängen jederzeit für die Geltung und Durchsetzung der Rechtsordnung einzustehen (Rn. 21 – 29). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der die Feststellung der Zuverlässigkeit des Klägers widerrufende Bescheid des Luftamtes Nordbayern vom 14. Februar 2019 ist nicht rechtswidrig und vermag den Kläger daher nicht in seinen Rechten zu verletzen. Dies hat zur Folge, dass der Kläger mit seinem Begehren auf Aufhebung dieses Bescheids nicht durchdringen kann (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Widerrufsbescheids ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG. Soweit aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, sind dessen Voraussetzungen allesamt erfüllt. Diesbezüglich hat der Kläger auch nichts vorgetragen.
Soweit der Beklagte die Frage der Zuverlässigkeit des Klägers prüft, wird der Widerruf auf § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG i.V.m. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 3 LuftSiZÜV gestützt. Es wird ausgeführt, dass die Frage der Zuverlässigkeit aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu bewerten sei und nur bei den Personen zu bejahen sei, die die uneingeschränkte Gewähr dafür bieten, dass sie die ihnen obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang erfüllen. Der Beklagte verweist auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 11.11.2004, Az. 3 C 8.04, juris).
Dies ist nicht zu beanstanden.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichts, dass eine Zuverlässigkeit im luftsicherheitsrechtlichen Sinn bereits dann zu verneinen ist, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen (vgl. U.v. 31.7.2015, AN 10 K 15.00755, unter Verweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung). Entsprechend regelt auch § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV, dass die Zuverlässigkeit eines Betroffenen dann zu verneinen sei, wenn daran Zweifel verblieben. Letztendlich sind die bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit im luftverkehrsrechtlichen Sinn zu beachtenden strengen Maßstäbe Folge des Umstands, dass mit dem Luftverkehr ein hohes Gefährdungspotential einhergeht und hochrangige Rechtsgüter zu schützen sind. Dabei unterliegt die Beurteilung der Zuverlässigkeit der vollständigen gerichtlichen Kontrolle, so dass ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der Behörde nicht besteht. Allerdings hat das Gericht bei der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids die Sachlage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung als maßgeblich zu erachten (vgl. BVerwG a.a.O.).
Dies hat zur Folge, dass die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit der betroffenen Person aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu treffen hat, wenn Erkenntnisse dafür vorliegen, dass insbesondere Sachverhalte gegeben sind, aus denen sich Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergeben (vgl. § 7 Abs. 1a Satz 4 Nr. 3 LuftSiG). Nach Abschluss der Zuverlässigkeitsüberprüfung dürfen keine Zweifel an der Zuverlässigkeit mehr verbleiben (§ 7 Abs. 6 Satz 1 LuftSiG).
Unter Beachtung dieser Maßgaben war die Feststellung des Beklagten, der Kläger sei nicht mehr zuverlässig, nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit deshalb fehlt, weil ausreichend begründete Anknüpfungspunkte dafür vorhanden sind, die auf einen charakterlichen Mangel oder eine sonstige Schwäche der Persönlichkeit hinweisen, die sich ihrerseits gefährdend auf die Belange der Luftsicherheit auswirken können.
Der Kläger, der sich in seinen Äußerungen und Schriftsätzen erkennbar von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung distanziert, indem er durchgehend ausführt, dass es sich bei der Bundesrepublik Deutschland lediglich um eine Verwaltungseinheit handle, die aber kein eigentliches Existenzrecht habe und von der keine staatliche Hoheitsgewalt ausgehen dürfe, bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass er bereit ist, auch in luftverkehrsrechtlichen Zusammenhängen jederzeit für die Geltung und Durchsetzung der Rechtsordnung einzustehen. Auch wenn der Kläger wiederholt ausführt, er erkenne alle Gesetze an, weil diese zur Regelung des Zusammenlebens notwendig seien, was zur Folge habe, dass er weder in der Vergangenheit noch zukünftig gegen solche Gesetze verstoßen habe, gibt er aufgrund seiner grundsätzlichen Ausführungen doch Anlass zu der Besorgnis, dass er die geltenden Bestimmungen der Rechtsordnung, gerade auch soweit sie dem Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs dienen, nicht befolgen wird.
Der Kläger ist nach polizeilichen Erkenntnissen der so genannten „Reichsbürger-/Selbstverwalter-Szene“ zuzurechnen. Er führt in mehreren Schriftsätzen durchgehend aus, dass er die Rechtsverbindlichkeit der Bundesrepublik Deutschland ablehne und ihr jegliche Legitimation abspreche. Er führt in seiner Klagebegründung explizit aus, dass die Bundesrepublik kein Staat sei, dass die existierende staatliche Ordnung sozusagen verfassungswidrig sei, was sich auch darin manifestiere, dass der Bundestag lediglich eine Firma darstelle, die zwangsläufig dann über keinerlei Gesetzgebungskompetenz verfügen könne. Er führt da aus, dass er lediglich das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 anerkenne, was letztendlich selbstverständlich zur Folge habe, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Staat im völkerrechtlichen Sinne sei. Es mangele an Staatsvolk und Staatsgebiet. Die Bundesrepublik Deutschland sei demzufolge eine Verwaltungseinheit, die eine „Modalität der Fremdherrschaft“ organisiere, mit anderen Worten einen nur administrativen Organismus darstelle. Im Übrigen sei auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden, dass das Bundeswahlgesetz verfassungswidrig sei, was zur Folge habe, dass es keinen rechtsgültig gewählten Bundestag gebe, was wiederum zur Folge habe, dass alle von ihm beschlossenen Gesetze mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig seien. Das Parlament könne somit keine Gesetze erlassen, die verfassungsmäßig in Ordnung seien. Da die Gesetze also nicht von einem ordnungsgemäß dazu berufenen Gesetzgeber stammten, könnten die Gesetze nicht rechtsstaatlich sein und hätten keinen Anspruch auf Gehorsam. Vielmehr sei der Bundestag und die Bundesregierung sofort aufzulösen und ein Volksentscheid durchzuführen. Die Bürger in Deutschland müssten die Täuschung erkennen und diesen, in seinen Augen, Verbrechern die Gefolgschaft versagen. Hinzu käme, dass die Bundesrepublik Deutschland sowie deren Organe lediglich privatrechtliche Firmen darstellten, die dem Handelsrecht unterlägen, die aber keine Gesetze erlassen könnten. Dies wiederum habe zur Folge, dass alle Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst nur als Privatperson handelten und für ihre Handlungen und Taten persönlich hafteten. Er wisse letztendlich auch nicht, welche Gesetze in unserem Land gelten. Dies habe aber alles nichts mit seiner Zuverlässigkeit zu tun.
Daraus lässt sich nach der Rechtsauffassung der Kammer eine Haltung jedenfalls gegenüber bundesrechtlichen Bestimmungen entnehmen, die die Prognose der luftverkehrssicherheitlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigt. Dass der Kläger demgegenüber auch stets ausführt, er habe sich noch immer an alle bestehenden Gesetze gehalten, ändert daran nichts, da dies wiederum keine besondere Zuverlässigkeit nach sich zieht, weil das Erfüllen gesetzlicher Pflichten von jedermann grundsätzlich auch erwartet werden darf.
Letztendlich ist aufgrund der Äußerungen und Mitteilungen des Klägers im Wege der Gesamtwürdigung des Einzelfalls im Sinne von § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG davon auszugehen, dass sich hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Klägers weiterhin ernstliche Zweifel ergeben. Dies wird auch durch allgemein zugängliche Erkenntnisquellen bestärkt, insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst erstellten Homepage „…g“, für die der Kläger feststellt, dass er zwar auf diese Webseite seit längerem keinen Zugriff mehr habe, deren Inhalte er aber weiter vertritt. Danach hat sich der Kläger bereits im Januar 2008 bei allen höchsten Ämtern (der Bundesrepublik) abgemeldet und unter Selbstverwaltung gestellt.
Zusammenfassend kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass beim Kläger selbst schwere Defizite am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger, der als zentrales Argument ausführt, der Bundestag sei lediglich eine Firma, er sei auch nicht verfassungsgemäß zustande gekommen, weil das Bundesverfassungsgericht das Bundeswahlgesetz als nichtig erachtet habe, keine Gewähr dafür bietet, stets die notwendigen luftsicherheitsrechtlichen Vorschriften zu beachten. Wenn jemand einer Norm die Gültigkeit nicht zuspricht, ist die Gefahr jedenfalls sehr groß, dass er sich inhaltlich an die Beachtung dieser Norm nicht gebunden fühlt, auch wenn er ausführt, er habe sich stets an alles gehalten. Von der Aussage, die Normen seien verfassungswidrig und aufgrund staatsrechtlicher bzw. völkerrechtlicher Gegebenheiten nicht gültig, ist es nur ein kleiner Schritt dazu, diese Normen dann letztendlich auch nicht zu beachten. Unter Berücksichtigung der bereits dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es somit nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die luftverkehrssicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers aufgrund oben genannter Erkenntnisse verneint. Es bestehen vielmehr mehr als nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers, der mit vielen Zitaten und juristischen Erkenntnissen, wie dargelegt, die Auffassung vertritt, die Bundesrepublik Deutschland, seine Staatsorgane und damit letztendlich auch die von diesen erlassenen Gesetze, beispielsweise somit auch das Luftsicherheitsgesetz, entsprächen nicht der Verfassung und seien, wenn man es auf die Spitze treiben würde, auch nicht zu beachten. Gleichzeitig seien die diese Gesetze vollziehenden Beschäftigten und Beamten nicht anzuerkennen und „aus dem Amt zu jagen“. Eine Gewähr dafür, dass der Kläger stets alle luftsicherheitsrechtlichen Vorschriften beachten wird, besteht daher nicht. Es bestehen Bedenken, dass der Kläger nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit stets das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt und die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs selbst bei Inaussichtstellen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen derzeit in vollem Umfang im Sinne von § 7 Abs. 6 LuftSiG erfüllt.
Auch soweit der Kläger ausführt, er habe sich stets an alle Vorschriften gehalten und werde dies auch in Zukunft tun, sind diese Ausführungen nicht geeignet, den Kläger in einem anderen Licht als der Unzuverlässigkeit stehen zu lassen. Der Kläger macht zwar in der mündlichen Verhandlung einen stets beherrschten Eindruck und versichert auch, dass er sich nie etwas zuschulden kommen lassen werde, sowie einen sehr guten Leumund habe, doch kann dies angesichts seiner oben genannten Ausführungen und angesichts der Tatsache, dass er auch nach eigenem Bekenntnis dem so genannten „Reichsbürger-/Selbstverwalterkreis“ angehört, nichts daran ändern, dass es an einer Zuverlässigkeit des Klägers mangelt. Die sonstige Erkenntnis zweifels am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne von § 7 Abs. 1a Satz 4 Nr. 3 LuftSiG führt zur Überzeugung der Kammer somit dazu, dass auch unter Berücksichtigung von für den Kläger positiven Erkenntnissen bei einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls die Zuverlässigkeit des Klägers zu verneinen ist.
Die Feststellung der Zuverlässigkeit hätte somit gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung nicht mehr ergehen können.
Die übrigen Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG sind eingehalten. Auch die Jahresfrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG wurde gewahrt. Der Beklagte hat das ihm zukommende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt, weswegen sich der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 14. Februar 2019 als rechtmäßig erweist.
Dies hat wiederum zur Folge, dass eine Rechtsverletzung des Klägers durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht erkennbar ist.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache gerade im Hinblick auf die Zuverlässigkeit so genannter Reichsbürger grundsätzliche Bedeutung hat.


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