Europarecht

Mängelbeseitigung, Außerbetriebsetzung, nicht vorschriftsmäßiges Fahrzeug, unzulässige Abschalteinrichtung, EG-Typgenehmigung, Begründung der Vollzugsanordnung

Aktenzeichen  11 CS 21.2750

Datum:
21.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 956
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 5
FZV § 3 Abs. 1 S. 2
FZV § 5 Abs. 1 und 2
EG-FGV § 25 Abs. 2
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 10 S 21.1283 2021-10-06 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen, soweit sie unzulässig ist, und im Übrigen zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die Halterin eines von einer Rückrufaktion betroffenen Kraftfahrzeugs der Marke Daimler-Benz ist, wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung bzw. alternativ zur Außerbetriebsetzung ihres Fahrzeugs.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt Ansbach mit, es habe beim Fahrzeug der Antragstellerin eine Abweichung von den Abgasemissionsvorschriften festgestellt. Der Fahrzeughersteller, den das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtet habe, die Abweichung abzustellen, habe alle betroffenen Fahrzeuge zurückgerufen. Die Antragstellerin habe nicht an der Rückrufaktion teilgenommen, weshalb ihr Fahrzeug nicht den geltenden Typgenehmigungsvorschriften entspreche.
Mit Schreiben vom 11. November 2020 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, innerhalb von 14 Tagen eine Bestätigung der ausführenden Werkstätte über die Mängelbeseitigung vorzulegen oder alternativ das Fahrzeug außer Betrieb zu setzen. Ferner hörte es sie zum Erlass eines kostenpflichtigen Bescheids zur Beseitigung der Fahrzeugmängel und zu einer Betriebsuntersagung an.
Daraufhin ließ die Antragstellerin ihren damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 23. November 2020 vortragen, dass sich das von ihr angestrengte Klageverfahren gegen den Fahrzeughersteller in der Berufungsinstanz befinde und das Aufspielen des Software-Updates für sie die Gefahr einer Beweisvereitelung in diesem Rechtsstreit berge. Das Fahrzeug könne nicht mehr im „Urzustand“ einem Sachverständigen vorgeführt werden.
Das Landratsamt verlängerte die Beseitigungsfrist, wie hilfsweise beantragt, zuletzt bis zum 15. März 2021. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens entsprach es nicht.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2021 verpflichtete das Landratsamt die Antragstellerin, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids eine Bestätigung eines autorisierten Mercedes-Benz Partners vorzulegen, aus der hervorgehe, dass die Rückrufmaßnahme VS2M651KI und VS2M651R umgesetzt worden sei, oder alternativ, das Fahrzeug außer Betrieb setzen zu lassen. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an.
Am 14. Juli 2021 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Ansbach Anfechtungsklage erheben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen.
Mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag als unbegründet ab. Die Begründung des Sofortvollzugs genüge den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die auf § 5 Abs. 1 Alt. 1 FZV gestützte Anordnung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden, weil das Fahrzeug der Antragstellerin keinem genehmigten Typ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV entspreche und damit nicht vorschriftsgemäß im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung sei. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FZV dürften Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen seien. Die Zulassung werde nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspreche oder eine Einzelgenehmigung erteilt sei und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kfz-Haftpflichtversicherung bestehe. Die aus der ursprünglich dem Fahrzeughersteller für den jeweiligen Fahrzeugtyp mit dem Motor OM 651 erteilten EG-Typgenehmigung folgende Legalisierungswirkung, auf die sich die Antragstellerin zum Nachweis der Vorschriftsmäßigkeit ihres Fahrzeugs zunächst habe berufen können, bestehe nicht mehr fort. Denn das Kraftfahrt-Bundesamt habe im Jahr 2018 die verbaute Software zur Absenkung der Stickoxidemissionen als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 eingestuft und mit Bescheid vom 23. Mai 2018 auf der Grundlage des § 25 Abs. 2 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) gegenüber dem Hersteller des Fahrzeugs nachträgliche Nebenbestimmungen zu den Typgenehmigungen erlassen. Hierdurch sei dem Hersteller nachträglich die Pflicht auferlegt worden, die unzulässige Abschalteinrichtung auch bei bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen zu entfernen, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen und dies nachzuweisen. Die nachträglichen Nebenbestimmungen hätten zur Modifikation der ursprünglichen Typgenehmigung geführt. Daher könne sich der Eigentümer oder Halter eines hiervon betroffenen Fahrzeugs nicht mehr auf die Legalisierungswirkung der modifizierten Typgenehmigung berufen, solange er deren modifizierte Voraussetzungen nicht erfülle, d.h. an der Rückrufaktion nicht teilgenommen habe. Da das Fahrzeug der Antragstellerin dieser modifizierten Typgenehmigung nicht entspreche und die Erteilung einer Einzelgenehmigung nicht nachgewiesen sei, seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 5 Abs. 1 Alt. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV nicht erfüllt. Für eine Anordnung gemäß § 5 Abs. 1 FZV müsse nicht zwingend eine Gefährdung der Verkehrssicherheit vorliegen. Das Landratsamt habe auch erkannt, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 FZV einen Ermessensspielraum eröffne und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung sei das Einschreiten der Zulassungsbehörde zur Verhinderung der Teilnahme eines vorschriftswidrigen Fahrzeugs am Straßenverkehr regelmäßig intendiert. Ausdruck verhältnismäßigen Vorgehens sei, dass die Behörde der Antragstellerin vor einer Betriebsuntersagung zwei Fristverlängerungen und nochmals die Möglichkeit gewährt habe, eine Teilnahmebestätigung an einer Rückrufaktion vorzulegen. Es bestehe keine andere Möglichkeit als die – für die Antragstellerin kostenlose – Durchführung eines Software-Updates, um die vollständige Konformität mit der EG-Typgenehmigung herzustellen. Dabei sei aus Sicht des Verordnungsgebers unerheblich, ob sich das Software-Update als technisch nachteilig darstellen sollte, weil die Maßnahme auch dann verhältnismäßig wäre, um die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte sicherzustellen. Entsprechendes gelte für die Frage, ob das Software-Update eine taugliche bzw. ausreichende Nacherfüllung im Sinne des Kaufrechts darstelle und ob die Antragstellerin am Einbau der Abschalteinrichtung ein Verschulden treffe. Der Einwand, die Verschlechterung der Luftreinheit stelle keinen technischen Mangel eines Fahrzeugs dar, der eine Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV rechtfertige, gehe bereits deshalb ins Leere, weil das Landratsamt keine Betriebsuntersagung angeordnet habe. Im Übrigen lasse § 5 Abs. 1 FZV Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit vor umwelt- und gesundheitsschädigenden Emissionen zu. Nichts anderes ergebe sich aus dem Zivilprozess, den die Antragstellerin führe. Sie sei auf die Möglichkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens zu verweisen. Entgegen ihrer Ansicht sei die streitgegenständliche Anordnung auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Beitrag ihres Fahrzeugs zur Schadstoffbelastung als sehr gering anzusehen sei. Unter Berücksichtigung des gefahrenabwehrrechtlichen Charakters der Maßnahme komme es im Ergebnis nur auf die Summe der durch die Fahrzeuge mit erhöhten Abgaswerten verursachten Luftverunreinigungen an. Ein einzelner Verursacher von Emissionen könne sich der Einhaltung von Emissionsbegrenzungen nicht mit dem Verweis darauf entziehen, dass sein individueller Beitrag für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefahr führe. Die für die Vorlage des Mängelbeseitigungsnachweises gesetzte Frist von vier Wochen erscheine angemessen, nachdem die Antragstellerin bereits zuvor unter Fristsetzung erfolglos aufgefordert worden sei, eine Bestätigung vorzulegen. Ferner gehe der Einwand ins Leere, die Bestimmung einer Nachweisfrist, die kürzer sei als die Rechtsmittelfrist, sei aus rechtsstaatlichen Gründen unzulässig. Denn sonst müsste sich die Behörde immer an der Rechtsbehelfsfrist orientieren. Die Rechtsbehelfsfrist sei aber auch nicht verkürzt worden, da bei freiwilliger Befolgung der behördlichen Anordnung innerhalb der gesetzten Frist wegen des Einwands widersprüchlichen Verhaltens im Nachhinein nicht doch ein Rechtsbehelf eingelegt werden könne. Zudem könne der Betroffene unabhängig von der gesetzten Nachweisfrist von vier Wochen innerhalb der Monatsfrist einen Rechtsbehelf einlegen. Auch die der Antragstellerin eröffnete Möglichkeit der Außerbetriebsetzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei rechtmäßig. Sie habe dadurch nochmals die Möglichkeit erhalten, die Sachlage zu überdenken und das Update doch aufspielen zu lassen. Außerdem entspreche die Vorgehensweise dem Regelungsgehalt des § 5 Abs. 1 FZV. Im Gegensatz zur absoluten Betriebsuntersagung mit der Konsequenz des § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 FZV bleibe der Antragstellerin die sie begünstigende Möglichkeit, ihr Fahrzeug doch noch an der Rückrufaktion teilnehmen zu lassen oder es alternativ abzumelden, um die weitere Situation abzuwarten.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Zur Begründung wurde vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FZV rechtsirrig angenommen. Das Fahrzeug der Antragstellerin sei vorschriftsgemäß. Es verfüge über eine gültige EG-Typgenehmigung im Sinne von § 2a Nr. 4a FZV. Diese sei weder widerrufen noch zurückgenommen worden, was allein dem Kraftfahrt-Bundesamt zustehe. Der Antragsgegner dürfe sich durch Erlass eines für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakts keine weitergehenden Rechte als das Kraftfahrt-Bundesamt verschaffen. Andernfalls würden die innerbehördlichen und durch das Rechtsstaatsprinzip geschützten Zuständigkeitsverteilungen unterlaufen. Ferner sei der streitgegenständliche Bescheid auch ermessensfehlerhaft. Bei der Ausübung des Auswahlermessens sei es zu einem Fehlgebrauch gekommen. Hiermit setze sich das Verwaltungsgericht nur mittels Verweises auf § 117 Abs. 5 VwGO auseinander. Die Erwägungen im Hinblick auf die vorgetragene „Beweisvereitelung“ im Zivilprozess seien völlig unzureichend und trügen die abweisende Entscheidung nicht. Der Antragsgegner habe nicht den Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 FZV erkannt und sein Ermessen von zweck- und sachfremden Erwägungen leiten lassen. Schutzzweck der Fahrzeug-Zulassungsverordnung sei allein die Sicherung des Straßenverkehrs und damit der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor Gefahren, die von einem technisch mangelhaften Fahrzeug ausgingen. Dass ein solcher Mangel gerade nicht vorliege, werde daraus ersichtlich, dass die EG-Typgenehmigung weiterhin gültig sei. Die Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeugs sei weder geeignet noch erforderlich oder angemessen. Das Verwaltungsgericht habe die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne überhaupt nicht geprüft. Das Mittel sei geeignet, wenn der damit verfolgte Zweck überhaupt erreicht oder zumindest gefördert werden könne. Legitimer Zweck der Maßnahme könne grundsätzlich nur die Straßenverkehrsgefährdung sein, was hier aber nicht ersichtlich sei. Die Betriebsuntersagung sei unzureichend. Der Antragstellerin hätte ohne Gefährdung des Straßenverkehrs eine weitere Fristverlängerung gewährt werden können, um das anhängige Klageverfahren ohne Beweisvernichtung abzuschließen. Eine Abmeldung des Fahrzeugs sei ihr nicht zuzumuten, da sie es benötige. Zumal ein (rechtswidriger) Verwaltungsakt als staatliche Handlungsform unzulässig sei. Da die Verwaltungsakte, die die Untersagungen anordneten, rechtswidrig seien und die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 i.V.m. § 14 FZV nicht vorlägen, seien auch die Verpflichtung zur Herausgabe der Kennzeichenschilder und der Fahrzeugscheine (Außerbetriebsetzung) und die Gebührenfestsetzung rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht habe ferner fehlerhaft angenommen, dass der Bescheid formell und materiell hinreichend begründet sei. Insofern genüge es nicht, überhaupt eine Begründung abzugeben. Vielmehr bedürfe es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen. An einer solchen und sich detailliert mit allen Fragen des Sachverhalts auseinandersetzenden Begründung der Vollzugsanordnung fehle es hier. Außerdem sei noch auf die Fernsehsendung „Frontal 21“ vom 21. Januar 2020 zu verweisen. Nach einem Test eines Mercedes C 220 CDI, Euro 5, durch einen Sachverständigen habe das Fahrzeug vor dem Update 715 mg/km Stickoxide und nach dem aufgespielten Update 792 mg/km ausgestoßen. Es sei also zu einer Erhöhung des NoX-Ausstoßes gekommen. Es sei davon auszugehen, dass die vorgenannten Ergebnisse auch bei den hier streitgegenständlichen Fahrzeugen nach Aufspielen des Updates eintreten würden. Der Leiter des Zentrums für Kfz-Elektronik und Verbrennungsmotoren der TH Aschaffenburg könne die Behauptung des Kraftfahrt-Bundesamtes, dass das Software-Update zu einer Reduzierung des NoX-Ausstoßes um 38% geführt habe, nicht nachvollziehen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Soweit die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, ist sie unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Aus den in den Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu ändern oder aufzuheben wäre.
Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 139), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Kraftfahrzeugeigentümer oder -halter eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erweist. Ist der Betrieb eines Fahrzeugs untersagt, hat es der Eigentümer oder Halter nach § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV unverzüglich nach Maßgabe des § 14 außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Da die Betriebsuntersagung als Dauerverwaltungsakt das Fahrzeug bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung von der Teilnahme am Straßenverkehr ausschließt (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV), ist insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 5 FZV Rn. 6a m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt § 5 Abs. 1 FZV der Zulassungsbehörde nicht vor, nur zum Schutz der Verkehrssicherheit bzw. anderer Verkehrsteilnehmer tätig zu werden. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den im Klageschriftsatz vom 14. Juli 2021 zitierten Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (B.v. 26.2.2018 – 12 K 16702/17 – juris Rn. 16) und des Verwaltungsgerichts Hamburg (B.v. 20.6.2018 – 15 E 1483/18 – juris Rn. 18). Hiernach hatte die Behörde ihre Vollzugsanordnung jeweils auf den Schutz der Verkehrssicherheit gestützt, obwohl sie die Maßnahmen tatsächlich aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes getroffen hatte. Deshalb hielten die Gerichte die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht für ausreichend begründet im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO. Die Beschlüsse enthalten jedoch keine Aussage dahin, dass die Behörde entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 FZV nur zum Schutz der Verkehrssicherheit hätte tätig werden dürfen. Die Verfahren hatten allein die Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung und deren Begründung zum Gegenstand. Eine Gefährdung der Verkehrssicherheit mag bei vorschriftswidrigen Fahrzeugen häufig vorliegen, ist jedoch für die Aufforderung zur Mängelbeseitigung und für die Betriebsuntersagung nicht Voraussetzung (BayVGH, U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.824 – ZfSch 2019, 714 = juris Rn. 30; U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.823 – juris Rn. 22).
Soweit die Antragstellerin ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung wiederholt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FZV lägen nicht vor, ist schon zweifelhaft, ob sie damit den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Denn sie setzt sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a), das Kraftfahrt-Bundesamt habe die ursprüngliche Typgenehmigung gegenüber dem Hersteller durch nachträgliche Nebenbestimmungen modifiziert, sodass sich die Antragstellerin nicht mehr auf die Legalisierungswirkung der Genehmigung berufen könne, solange sie nicht deren modifizierte Voraussetzungen erfülle. Dem Beschwerdevortrag liegt offensichtlich die unausgesprochene Ansicht zugrunde, dass die Zulassungsvoraussetzungen aufgrund einer Änderung der ursprünglich erteilten EG-Typgenehmigung ohne deren Widerruf oder Rücknahme nach § 25 Abs. 3 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV) vom 3. Februar 2011 (BGBl I S. 126), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2021 (BGBl I S. 3146), nicht entfallen können (vgl. zu dieser Diskussion Röhl, NZV 2020, 183/190 ff.; VG Stuttgart, B.v. 27.4.2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 18). Dies wurde allerdings nicht erläutert, begründet oder belegt und entspricht auch nicht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Nach § 25 Abs. 2 EG-FGV kann das Kraftfahrtbundesamt zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbstständiger technischer Einheiten oder Bauteile Nebenbestimmungen anordnen. Die Zulassungsbehörde darf ihrerseits für Maßnahmen gegenüber den Fahrzeughaltern die gegenüber dem Hersteller modifizierte EG-Typgenehmigung zugrunde legen, mit der Folge, dass die betroffenen Fahrzeuge ohne Teilnahme an der Rückrufaktion als nicht mehr vorschriftsmäßig im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV anzusehen sind (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.2019 a.a.O. Rn. 35 bzw. Rn. 29; HessVGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261.19 – NVwZ 2019, 1297 = juris Rn. 10; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 – 1 S 125.18 – NVwZ 2019, 1143 = juris Rn. 10). Damit maßt sie sich keine weitergehenden Rechte als das Kraftfahrt-Bundesamt an, sondern reagiert auf dessen Mitteilung über den Wegfall einer Zulassungsvoraussetzung. Weder das an den Fahrzeughersteller gerichtete Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen im Typgenehmigungsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl Nr. L 171 S. 1) noch der die Befugnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes regelnde § 25 EG-FGV im Verfahren zur Überwachung der Übereinstimmung mit der Typgenehmigung entfalten eine Sperrwirkung dahingehend, dass sämtliche Fragen der Typgenehmigung außerhalb der genannten Verfahren kein zulässiger Prüf- oder Anknüpfungsgegenstand sein dürften (ausführlich dazu OVG NW, B.v. 25.5.2020 – 8 B 1179/19 – NWVBl 2020, 469 = juris Rn. 43 f.)
Die technische Eignung des vom Kraftfahrt-Bundesamt geforderten Software-Updates zur Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte und sonstige in seiner Zuständigkeit liegende Fragen spielen im zulassungsrechtlichen Verfahren keine Rolle. Die Zulassungsbehörden sind weder verpflichtet noch in der Lage, derartige technische Fragen einer eigenen Überprüfung zu unterziehen. Die Typgenehmigung und die Typprüfung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen obliegt allein dem Kraftfahrt-Bundesamt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamts [KBAG] vom 4.8.1951 (BGBl I S. 489), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.7.2021 [BGBl I S. 3146], § 2 Abs. 1, § 25 EG-FGV) (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.5.2021 – 1 LA 117/20 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.823 a.a.O. Rn. 36; HessVGH, B.v. 20.3.2019 a.a.O. Rn. 12). Im Übrigen wären solche nur durch Sachverständige zu beantwortende technische Fragen nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu klären (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 a.a.O. Rn. 11).
Der angegriffene Bescheid erweist sich auch nicht wegen eines Ermessensfehlgebrauchs als rechtswidrig. Das Landratsamt hat das ihm durch § 5 Abs. 1 FZV eröffnete Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, indem es auf die Wertigkeit der Schutzgüter (Umwelt- und Gesundheitsschutz, Aufrechterhaltung rechtmäßiger Zustände) und die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen abgestellt hat. Hinsichtlich des Entschließungsermessens ist das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Senats folgend von intendiertem Ermessen ausgegangen (BayVGH, U.v. 22.10.2019 a.a.O. Rn. 40 bzw. Rn. 33; vgl. auch HessVGH, B.v. 20.3.2019 a.a.O. Rn. 13; VGH BW, B.v. 3.2.2020 – 10 S 625/19 – NJW-RR 2020, 411 = juris Rn. 9; Dauer in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 5 FZV Rn. 3: kein Entschließungs-, nur Auswahlermessen). Die Ausübung des Auswahlermessens ist aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat der Antragstellerin die Mängelbeseitigung als mildeste nach § 5 Abs. 1 FZV anzuordnende Maßnahme und die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs nach § 5 Abs. 2 FZV zur Wahl gestellt und mehrfach die Frist zum Nachweis der Mängelbeseitigung verlängert, bevor es einen kostenpflichtigen Bescheid erlassen hat. Das Landratsamt musste der Antragstellerin auch keine weitere Fristverlängerung gewähren, nachdem zwischen dem ersten Anschreiben und dem Bescheiderlass bereits mehr als sechs Monate verstrichen und keine Gründe erkennbar waren, die die Anordnung unbillig erscheinen ließen. Entgegen dem Beschwerdevortrag hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang nicht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen, was – da gesetzlich vorgesehen – freilich nicht zu beanstanden wäre. Zu dem Einwand, das behördliche Vorgehen berücksichtige nicht den legitimen Zweck des § 5 Abs. 1 FZV, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht es dem Zweck der Ermächtigung in § 5 Abs. 1 FZV, zugelassene, aber nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge bis zum Nachweis der Mängelbeseitigung nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Mittelbar dient die Maßnahme der Reduzierung des Stickoxidausstoßes der betroffenen Fahrzeuge im Normalbetrieb (BayVGH, U.v. 22.10.2019 a.a.O. Rn. 41 bzw. Rn. 34).
Die streitgegenständliche Anordnung ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig, weil die Antragstellerin eine „Beweisvereitelung“ in dem von ihr angestrengten Zivilprozess gegen den Fahrzeughersteller befürchtet. Das Verwaltungsgericht hat sie insoweit zu Recht auf das selbstständige Beweissicherungsverfahren oder eine vorübergehende Abmeldung ihres Fahrzeugs verwiesen (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.2019 a.a.O. Rn. 47 bzw. Rn. 38; OVG Berlin-Bbg, B.v. 25.3.2019 a.a.O. Rn. 11; OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 = juris Rn. 38).
Ferner trifft nicht zu, dass das Verwaltungsgericht auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht eingegangen ist. Vielmehr nimmt es inhaltlich zutreffend zu dem Einwand Stellung (Beschluss, S. 10), der Beitrag des Fahrzeugs der Antragstellerin zur Schadstoffbelastung sei als sehr gering anzusehen. Nur mit Maßnahmen gegenüber allen betroffenen Fahrzeugen lässt sich die angestrebte umfassende Korrektur der von den Fahrzeugherstellern verwendeten unzulässigen Softwareprogrammierung und damit eine Verbesserung des Abgasverhaltens der Motoren im Normalbetrieb, insbesondere die Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes, in messbarem Umfang erreichen (BayVGH, U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.824 a.a.O. Rn. 48). Wegen des im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwands, der mit der Betriebsuntersagung legitim verfolgbare Zweck (Abwendung von Straßenverkehrsgefährdungen) sei nicht erreichbar, wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
Mit dem nicht nachvollziehbaren Beschwerdevorbringen unter III. erfüllt die Antragstellerin nicht die Darlegungsanforderungen, wonach der Beschwerdeführer ausgehend von der Entscheidung konkret aufzeigen muss, in welchen Punkten und weshalb sie aus seiner Sicht nicht tragfähig und überprüfungsbedürftig ist, was u.a. eine rechtliche Durchdringung des Streitstoffs voraussetzt (Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76; Happ in Eyermann, VwGO, § 146 Rn. 22a f.). Zunächst ist in der Beschwerdebegründung von Verwaltungsakten die Rede, die die Untersagungen anordnen (jeweils im Plural), obwohl das Verwaltungsgericht bereits darauf hingewiesen hat, dass das Landratsamt keine Betriebsuntersagung verfügt hat. Aus der Rechtswidrigkeit der (nicht existenten) „Untersagungen“, nicht etwa ihrem Fehlen, zieht die Antragstellerin sodann den Schluss, dass auch die Außerbetriebsetzung rechtswidrig sei. Zu den konkreten Tatbestandsvoraussetzungen der zitierten Vorschriften (§ 5 Abs. 2, § 14 FZV) hat sie hingegen nichts vorgetragen.
Schließlich genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegen ihrer Ansicht den Anforderungen der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach an den Inhalt der schriftlichen Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2021 – 11 CS 21.1965 – juris Rn. 14 m.w.N.) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, aus der Begründung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO müsse hervorgehen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst gewesen sei, wobei im Bereich des Gefahrenabwehrrechts das Vollzugsinteresse mit dem Interesse am Erlass des Grundverwaltungsakts identisch sein könne, und bei einem Massenphänomen wie des serienmäßigen Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen in Kraftfahrzeugen, d.h. bei im Wesentlichen gleichartigen Sachverhalten, eine typisierende Begründung ausreichen könne (vgl. OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 548/18 – DAR 2018, 642 = juris Rn. 8, 15; B.v. 17.8.2018 – 8 B 865/18 – NVwZ 2018, 1662 = juris Rn. 10, 14; VGH BW, B.v. 3.2.2020 – 10 S 625/19 – NJW-RR 2020, 411 = juris Rn. 6). Vor diesem Hintergrund sind die behördlichen Ausführungen, es könne nicht hingenommen werden, dass nicht vorschriftsmäßige, gegen die Emissionsvorschriften verstoßende Fahrzeuge über einen längeren Zeitraum trotz großzügiger Fristsetzungen nicht mit einem Software Update nachgerüstet würden und somit das Vollzugsinteresse höher zu gewichten sei, ausreichend. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 80 Rn. 246; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 81; OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 548/18 – a.a.O. Rn. 20).
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.16 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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