Europarecht

Nebenbestimmung über Bepflanzungspflicht in Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 9 K 16.1565

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG BayVwVfG Art. 36

 

Leitsatz

Wenn aufgrund eines bestandskräftigen Bescheids bereits seit zwei Jahren eine Verpflichtung zur Bepflanzung eines Grundstücks besteht, kann in einem weiteren Bescheid die Verpflichtung zur unverzüglichen Bepflanzung ausgesprochen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Gericht kann entscheiden, obwohl kein Vertreter der Klägerin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (§ 102 Abs. 1 und Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist teilweise – nämlich bezogen auf die Anfechtung des Hinweises auf die Stromleitungen – bereits unzulässig (im Folgenden 1.), im Übrigen zwar zulässig, aber unbegründet (im Folgenden 2.).
1. Soweit die Klägerin die Formulierung im streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid vom … März 2016 unter II. 2., dass die Leitungen für Strom usw. der Stadtwerke … nicht überbaut werden dürften, angreift, ist die Klage bereits unzulässig.
Insofern ist die auf Aufhebung dieser Formulierung gerichtete Klage als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO zu qualifizieren und deshalb unzulässig, weil dieser Hinweis – anders als die Baugenehmigung als solche – keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) darstellt. Es fehlt an dem Tatbestandsmerkmal der Regelung. Mit dem als „Hinweis“ bezeichneten Text wird – bezogen auf die hier streitgegenständliche Formulierung, dass die Leitungen für Strom usw. der Stadtwerke … nicht überbaut und überpflanzt werden dürften – keine Regelung gegenüber der Klägerin getroffen, sondern nur auf die bestehende Rechtslage hingewiesen.
Die Verwendung des Begriffs „Hinweis“ allein genügt zwar noch nicht dafür, das Tatbestandsmerkmal der Regelung zu verneinen. Jedoch folgt das aus dem Inhalt dieses Hinweises. Die Klägerin wird darin darauf hingewiesen, dass es ihr nach anderen gesetzlichen Vorschriften als im Bescheid angesprochen nicht gestattet ist, Stromleitungen der Stadtwerke … zu überbauen bzw. zu überpflanzen. Diese Verpflichtung würde auch dann bestehen, wenn sie in diesem Bescheid nicht angesprochen wäre.
Ob sich die Klägerin gegen den Hinweis mit einer anderen Klageart – beispielsweise einer Feststellungsklage – zur Wehr setzen könnte, kann offenbleiben, da die Klägerin eindeutig einen Anfechtungsantrag gestellt hat, dieser jedoch nicht statthaft ist.
Darauf, dass der Hinweis auch in der Sache nicht zu beanstanden ist, kommt es daher nicht an.
2. Soweit sich die Klage auf die Aufhebung von I. 1. der Nebenbestimmungen – nämlich dass die Bepflanzung gemäß Freiflächengestaltungsplan vorzunehmen ist und bis spätestens in der Pflanzperiode März/April 2016 nach Fertigstellung des Vorhabens zu geschehen hat – ist sie zulässig, aber unbegründet.
Die mit diesem Aufhebungsantrag verfolgte isolierte Anfechtung der genannten Nebenbestimmungen ist statthaft. Die heutige Rechtsprechung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit geht ganz überwiegend gemäß der Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von der grundsätzlichen Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtungsklage gegen alle Arten von Nebenbestimmungen aus (vgl. nur BVerwG, U.v.17.10.2012- 4 C 5/11 -, BVerwGE 144, 341/342 = NVwZ 2013, 805; VG München, U.v.31.07.2014 – M 11 K 13.2836 -, juris Rn. 24 m. w. N.). Danach ist die verfolgte Anfechtungsklage hinsichtlich der angefochtenen Nebenbestimmungen zulässig, da eine isolierte Aufhebbarkeit der angefochtenen Nebenbestimmungen nicht offenkundig und von vornherein ausscheidet.
Die Nebenbestimmungen (Art. 36 BayVwVfG) unter I. 1. sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Verpflichtung, die Bepflanzung gemäß dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan durchzuführen, ist nicht zu beanstanden.
Zwar hat die Beklagte weder im Bescheid noch sonst im Verwaltungsvorgang begründet, warum gerade die fünf Mannaeschen – die aufgrund einer Revision in den Bauvorlagen Teil der genehmigten Bauantragsunterlagen wurden – gewählt werden müssen.
Allerdings hat die Beklagte, unabhängig davon, dass die Klägerin bereits nicht dargetan hat, warum sie keine Mannaeschen will und auch nicht dazu Stellung genommen hat, was stattdessen gepflanzt werden soll – die Bepflanzung in den vorgelegten Bauvorlagen Freiflächengestaltungsplan ist auch nicht näher spezifiziert -, in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die Mannaeschen hier deswegen verlangt werden, weil die auf dem Nachbargrundstück anschließende Bepflanzung ebenso geartet ist. Die Absicht, hier eine gewisse Einheitlichkeit herzustellen, ist ein nicht zu beanstandender sachlicher Gesichtspunkt für die Verpflichtung zur Pflanzung der fünf Mannaeschen.
Ebenso wenig ist die Verfügung, spätestens in der Pflanzperiode März/April 2016 nach der Fertigstellung des Vorhabens die Freiflächengestaltung durchzuführen, zu beanstanden.
Zwar wäre dies angesichts des Bescheidsdatums vom … März 2016 in der Tat zu kurzfristig, wenn hier nicht ein besonderer Umstand vorliegen würde, der das in diesem Falle sehr wohl rechtfertigt.
Die Beklagte verweist nämlich zu Recht darauf, dass bereits der mit dem ursprünglichen Baugenehmigungsbescheid für das streitgegenständliche Grundstück vom … Oktober 2013 genehmigte Freiflächengestaltungsplan dieselbe Verpflichtung enthielt.
Die beiden Baugenehmigungsbescheide waren ohnehin – mit Ausnahme des Kiosks – identisch. Daher bestand für das streitgegenständliche Grundstück bereits seit März/April 2014 bzw. genauer gesagt mit Ablauf des April 2014 die Verpflichtung, die Freiflächengestaltung so vorzunehmen wie auch im streitgegenständlichen Bescheid verfügt.
Der ursprüngliche Genehmigungsbescheid ist auch bestandskräftig.
Ob es sich in Bezug auf die Freiflächengestaltung – neu genehmigt wurde wie gesagt lediglich der Kiosk – nun um einen Zweitbescheid oder um eine wiederholende Verfügung handelt, kann dabei offenbleiben. Denn jedenfalls bestand die Verpflichtung, die Freiflächengestaltung sowie genehmigt durchzuführen, zum Zeitpunkt der Pflanzperiode März/April 2016 – wie in der angegriffenen Nebenbestimmung verfügt – bereits seit zwei Jahren.
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist es ohne weiteres recht- und verhältnismäßig, zu verlangen, die mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügte Pflanzperiode März/April 2016 einzuhalten. Ob deswegen, weil dieser Zeitraum im Entscheidungszeitpunkt bereits abgelaufen ist, das im Bescheid angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.
Der Umstand, dass sich der ursprüngliche Bescheid an den damaligen Bauherren und nicht die jetzige Klägerin gerichtet hat, ist dabei unerheblich, denn die Verpflichtung betrifft das streitgegenständliche Grundstück; insofern ist die hiesige Klägerin Rechtsnachfolgerin des damaligen Bauherren und hat die bestandskräftige ursprüngliche Baugenehmigung vom … Oktober 2013 genauso zu befolgen wie die streitgegenständliche. Beide sind für die Klägerin gleich verbindlich.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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