Europarecht

Offensichtlich unbegründete Klage gegen Überstellung nach Österreich

Aktenzeichen  M 1 K 16.50384

Datum:
11.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26479
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 1, 2, Art. 13 Abs. 1 S. 1, S. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 lit. b
AsylG § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1
VwGO § 84 Abs. 1 S. 3
AufenthG § 60a Abs. 2c S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Österreich verfügt über eine umfassende Gesundheitsfürsorge, die österreichischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitärem Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird eine Klage in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz durch Gerichtsbescheid als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so ist der Gerichtsbescheid unanfechtbar; auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung findet nicht statt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist offensichtlich unbegründet. Der Bescheid vom 7.7.2016 ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des Bescheids und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
1. Die Republik Österreich hat dem auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO gestützten Ersuchen der Beklagten vom 11. März 2016, den Kläger wieder aufzunehmen, mit Schreiben vom 22. März 2016 entsprochen und sich bereit erklärt, den Asylbewerber zu übernehmen und die Prüfung des Asylantrags durchzuführen.
Art. 3 Abs. 1 der Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist vorliegend Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ausgehend von den Erkenntnissen aus dem Asylverfahren und der Klagebegründung vom … Juni 2016 ist der Kläger im Dezember 2015 über Österreich nach Deutschland eingereist. Nach den Angaben der österreichischen Behörden hat er dort am 3. Dezember 2015 einen Asylantrag gestellt. Dies ergibt sich aus dem bei einer EURODAC-Abfrage für den Antragsteller erzielten Treffer mit der Kennzeichnung „AT1“ (vgl. Art. 24 Abs. 4 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 – EURODAC-VO -). Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten unzutreffend sind, bestehen nicht, zumal nach Art. 23 Abs. 1 lit. c EURODAC-VO sogar eine normative Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten erhobenen und an das Zentralsystem übermittelten Daten besteht. Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 der Dublin III-VO erloschen, da zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in Österreich am 3. Dezember 2015 (vgl. Art. 7 Abs. 2 der Dublin III-VO) der illegale Grenzübertritt noch nicht länger als zwölf Monate zurücklag.
Damit ist die Republik Österreich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 der Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Mit ihrer Zustimmung vom 22. März 2016 zum Wiederaufnahmegesuch der Beklagten vom 11. März 2016 hat sie dies auch ausdrücklich anerkannt.
2. Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO, auch i. V. m. Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO, begründen würden, sind wieder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit sich der Kläger allein auf seinen labilen psychischen Zustand und eine damit im Zusammenhang stehenden Selbstverletzungsneigung beruft, wird damit weder das Bestehen einer Erkrankung belegt noch vorgetragen, dass eine solche gegebenenfalls derzeit behandlungsbedürftig sei.
Zudem würde selbst eine aktuell bestehende und ausreichend nachgewiesene psychische Erkrankung des Klägers nicht ohne weiteres einen individuellen, außergewöhnlichen humanitären Grund darstellen und die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 und Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO rechtfertigen bzw. bedingen. Denn es sind keine Gründe dafür ersichtlich, die ausnahmsweise zur Annahme einer individuellen Gefahr für den Kläger führen könnten, in Österreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Österreich über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die österreichischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Traumatisierte Flüchtlinge erhalten psychologische und psychiatrische Behandlung. Für das Gericht besteht daher kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die vom Kläger unbelegt geltend gemachten psychischen Belastungen im Bedarfsfalle auch in Österreich als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hohem medizinischen Standard behandelt werden können und dass entsprechende Behandlungsmöglichkeiten auch Asylsuchenden offenstehen (vgl. dazu aktuell beispielsweise VG München, U.v. 6.5.2016 – M 12 K 15.50793 – juris Rn. 41).
3. Ein der Abschiebung nach Österreich entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert dargetan.
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Dies ist von Seiten des Klägers nicht erfolgt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen, und zwar als offensichtlich unbegründet nach § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 1 AsylG, § 30 Abs. 1 AsylG.
Dieser Gerichtsbescheid ist gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 1 AsylG unanfechtbar, auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung findet nicht statt (VG München, GB v. 8.2.2008 – M 22 K 07.51094 – juris Rn. 33 m.w.N.; GB v. 12.9.2018 – M 1 K 1747311 – juris).


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