Europarecht

Personenstandssache: Prüfungsmaßstab für die Berichtigung eines Eintrages

Aktenzeichen  31 Wx 151/19, 31 Wx 154/19, 31 Wx 155/19,

Datum:
13.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StAZ – 2021, 118
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PStG § 48 Abs. 1 S. 1
FamFG § 26

 

Leitsatz

1. Eintragungen im Personenstandsregister, die den Angaben eines irakischen Reisepasses entsprochen haben, sind nach Maßgabe eines nunmehr anders lautenden zweiten irakischen Reisepasses erst dann berichtigungsfähig (§ 48 Abs. 1 S. 1 PStG), wenn zweifelsfrei geklärt ist, welcher der Reisepässe inhaltlich richtig ist und wie es zu den Abweichungen kam. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diese Klärung ist im Personenstandsverfahren eigenständig, ohne Bindung an Feststellungen der Ausländerbehörde vorzunehmen (Anschluss an BGH BeckRS 2017, 113226). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

722 UR III 26/18 2019-02-06 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 06.02.2019 aufgehoben. Die Anträge der Bet. zu 1) und 2) auf Berichtigung der beim Standesamt M… geführten Geburtenregistereinträge Nr. G … vom … und Nr. G … vom … werden zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eltern zweier minderjähriger Kinder, die im Geburtenregister des Standesamtes M… als D…, geboren am … und Y…, geboren am … eingetragen sind. Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten die Berichtigung des Geburtenregisters dahin gehend, dass als Familienname der Kinder nicht der bislang eingetragene Name S…, sondern der nunmehr angegebene Familienname des Vaters Z… eingetragen werden soll. Der Kindsvater ist im Jahre 2001 nach Deutschland gekommen und führte damals den Familiennamen „S…“. Dazu legte er dem Standesamt im Rahmen der Eintragungen ins Geburtsregister 2013 und 2014 einen irakischen Reisepass Nr. G … – ausgestellt am … – vor, aus welchem sich folgende Personalien ergaben: Lxx S…, geboren am … in …/…. Der Reisepass wurde durch das LKA überprüft und als nicht gefälscht erachtet.
Im Rahmen des Berichtigungsverfahrens legte der Bet. zu 1) nunmehr einen weiteren, ebenfalls auf ihn ausgestellten irakischen Pass Nr. A … – ausgestellt am … – vor, der folgende Personalien enthält: L… Z…, geboren am … in …/…. Auch dieser Pass wurde vom LKA überprüft. Hinweise auf eine Fälschung ergaben sich auch bei diesem Pass nicht.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 06.02.2019 die zulässigen Berichtigungsanträge für begründet erachtet. Der Antragsteller habe durch Vorlage der irakischen Dokumente die Namensführung und Schreibweise wie tenoriert nachgewiesen. Dabei sei es unerheblich, dass auch der ursprünglich vorgelegte irakische Reisepass nicht als Fälschung eingestuft worden war, da sich die Namensführung aus den aktuellen irakischen Dokumenten, die ebenfalls keine Fälschungsmerkmale aufwiesen, ergäben.
Gegen diesen Beschluss hat die L… mit Schriftsatz vom 22.02.2019 Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts war aufzuheben und die Berichtigungsanträge zurückzuweisen
1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG darf ein abgeschlossener Registereintrag außer in den Fällen des § 47 PStG nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Das Gericht hat die Anordnung zu erlassen, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen ist (OLG Karlsruhe MDR 2016, 1388). An den Nachweis der Unrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist der volle Beweis erforderlich, eine bloße Glaubhaftmachung genügt nicht (BGH FamRZ 2017, 1337 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23 01.2018, I-3 Wx 129/17 – juris Rn.9; OLG München StAZ 2006,295). Das Gericht – hier der Senat – muss sich die volle Überzeugung von der Richtigkeit der beantragten Eintragung bilden können (OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 10).
Das Verfahren nach § 48 PStG unterliegt gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG iVm § 26 FamFG dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht hat eine Berichtigung zu veranlassen, wenn es aufgrund einer umfassenden Amtsermittlung zum Ergebnis gelangt, dass der Registereintrag unrichtig ist. Die objektive Feststellungslast für die Unrichtigkeit trägt der Antragsteller (BGH FamRZ 2017, a. a. O.; BayObLG NJW-RR 1999, 1309; OLG Nürnberg StAZ 2015, 84, 85), so dass eine Berichtigung zu unterbleiben hat, wenn sich eine Unrichtigkeit nicht feststellen lässt. Danach hat das Gericht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG iVm § 26 FamFG die Ermittlungen durchzuführen, die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich sind. Das Verfahren muss geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen, wobei die Ausgestaltung des Verfahrens dem Grundrechtsschutz des Betroffenen Rechnung tragen muss (BGH FamRZ 2017 ).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann sich der Senat keine volle Überzeugung von der Richtigkeit der beantragten Eintragungen bzw. von der Unrichtigkeit der bestehenden Eintragungen bilden. Unzutreffend hat nämlich das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss alleine auf die neueren Dokumente, auf eine Vereinheitlichung mit der Namensführung der Ausländerbehörde und ein Auseinanderfallen der irakischen Dokumente mit den in Deutschland geführten Registern abgestellt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Beteiligten zu 1) vorgelegten früheren Dokumenten hat indes nicht stattgefunden, obwohl die Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG dies geboten hätte.
a) Der Beweis der Unrichtigkeit der im irakischen Reisepass G …ausgestellt am … in … – enthaltenen Eintragungen zur Identität des Bet. zu 1) wurde bislang nicht erbracht. Der Bet. zu 1) ist dort als „L… S… geboren am … in …/…“ aufgeführt. Dieser Reisepass wurde vom BayLKA überprüft und als echt befunden. Dieser Pass ist mit einem Fingerabdruck des Bet. zu 1) versehen. Ca. einen Monat nach Ausstellung des Reisepasses ist der Bet. zu 1) von Erbil aus am 19.06.2008 nach Saloniki in Griechenland gereist. Dabei legen die zahlreichen Stempel im Reisepass nahe, dass der Bet. zu 1) zur Ausstellung des Reisepasses vor Ort war. Der Nachweis der Unrichtigkeit dieses Reisepasses wäre aber unabdingbare Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Berichtigung in Betracht zu ziehen sein könnte. Auch eine erforderliche Erklärung irakischer Behörden hinsichtlich der Abweichungen in Namen, Geburtsnamen, Geburtsort und Familienstand und der Erforderlichkeit einer Berichtigung hat der feststellungsbelastete Bet. zu 1) bislang nicht vorgelegt. Die insoweit getätigten Angaben des Bet. zu 1), er habe im Rahmen der Ausstellung des Reisepasses 2008 einen falsche Identität angegeben, da er sich vor dem Regime Saddam Husseins gefürchtet habe, erscheint dem Senat nicht besonders glaubwürdig, da zu diesem Zeitpunkt das Regime Hussein nicht mehr existierte.
b) Der nunmehr vom Bet. zu 1) vorgelegte irakische Reisepass A … – ausgestellt am … – gibt seine Identität nunmehr mit „L… Z… geboren am … in …/…“ an. Auch dieser Reisepass wurde vom BayLKA untersucht und als von amtlicher Seite ausgestelltes Echtdokument eingestuft. Somit unterscheiden sich beide Pässe nicht nur namensmäßig, sondern auch im Geburtsdatum und Geburtsort. Zwar hat der Bet. zu 1) eine irakische Staatsangehörigkeitsurkunde, die dem Reisepass A … entsprechende Angaben enthält. Jedoch lässt sich auch dadurch die Identität des Bet. zu 1) nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Denn ausweislich der Auskunft der irakischen Botschaft war auch für die Beantragung des Reisepasses G … die Vorlage einer Staatsangehörigkeitsurkunde erforderlich, so dass nicht ausschließbar ist, dass der Bet. zu 1) im Rahmen der Beantragung des Reisepasses G … eine solche Urkunde, die den Angaben des Reisepasses G … entspricht, vorgelegt hat. Nachdem beide Reisepässe für echt erachtet wurden, ist für den Senat nicht feststellbar, welcher der beiden Reisepässe die zutreffende Identität des Bet. zu 1) wiedergibt. Der nunmehr vom Bet. zu 1) vorgelegte Reisepass A … nebst Staatsangehörigkeitsurkunde und Namensbestätigung reichen aber zum Nachweis einer Unrichtigkeit nicht aus, da ihnen grundsätzlich kein höherer Beweiswert als dem Reisepass G … zukommt. Eine Stellungnahme irakischer Behörden zu den Abweichungen in Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Familienstand wurde nicht vorgelegt. Solange nicht zweifelsfrei geklärt ist, welcher irakische Reisepass auch inhaltlich richtig ist und wie es zu den Abweichungen kam, ist die beantragte Berichtigung ausgeschlossen.
c) Auch die Bestätigung über die Änderung der personenbezogenen Daten durch die Ausländerbehörde führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn in Personenstandssachen ist die Identität der einzutragenden Person vom Standesamt bzw. dem Gericht immer selbständig zu überprüfen (BGH FamRZ 2017 1337 ). Die Feststellungen der Ausländerbehörde entfalten keine Bindungswirkung. Das Amtsgericht hätte daher auf deren Bestätigung ohne eigene Überprüfung seine Entscheidung nicht stützen dürfen.
Die Entscheidung des Amtsgerichts war daher aufzuheben und der Antrag auf Berichtigung – jedenfalls derzeit – zurückzuweisen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.


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