Europarecht

Prozesskostensicherheitsleistung bei nur satzungsmäßigem EU-Sitz der Klägerin

Aktenzeichen  6 U 2594/17

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21416
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 110, § 17 Abs. 1, § 280 Abs. 2
BGB § 17 Abs. 1 S. 2, § 24, § 242
AEUV Art. 54

 

Leitsatz

Unterhält eine Klägerin als juristische Person des Privatrechts innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nur einen satzungsmäßigen Sitz, aber keinen Verwaltungssitz, so genügt dies nicht, um die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO (Leistung einer Prozesskostensicherheit auf Antrag der Beklagtenseite) zu verneinen.(Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 O 16818/16 2017-05-04 ZwU LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 04.05.2017 (Az. 7 O 16818/16) in Ziff. 1. aufgehoben.
2. Der Klägerin wird aufgegeben, den Beklagten wegen der Prozesskosten eine Sicherheit in Höhe von 105.000,- € zu leisten.
3. Zur Beibringung der Sicherheit wird der Klägerin eine Frist bis zum 06.04.2018 gesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 206 831 „Modem für ein drahtloses lokales Netzwerk“ in Anspruch, wobei die Parteien im vorliegenden Zwischenstreit darüber streiten, ob die Klägerin gemäß § 110 ZPO zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet ist.
Die Klägerin ist eine am 03.05.2016 gegründete GmbH mit satzungsmäßigem Sitz in Berlin und dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand „Errichtung einer europäischen Präsenz für Vertrieb und Verkauf von drahtlosen Produkten, welche das geistige Eigentum der Gesellschaft nutzen und Lizenztätigkeiten in Europa“ (vgl. Handelsregisterauszug, Anlage FBD BK 5). Die Klägerin wurde am 10.05.2016 zunächst unter dem Namen „S.-A. … GmbH“ im Handelsregister eingetragen. Die Änderung ihres Firmennamens in „P. V. GmbH“ wurde am 09.06.2016 eingetragen. Die Klägerin ist ausschließliche und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents, nachdem ihr dieses von ihrer amerikanischen Muttergesellschaft, der P.V. Inc., am 01.06.2016 übertragen wurde (die Umschreibung im Register erfolgte am 07.06.2016, Anlage K 8). Das operative Geschäft der Klägerin wird von dem in den USA ansässigen Mitgeschäftsführer der Klägerin, Herrn J. L. P., geführt, wobei nach Behauptung der Klägerin Akte der Geschäftsführung von dem Mitgeschäftsführer Thomas K., der am satzungsmäßigen Sitz der Klägerin in Berlin Wohn- und Geschäftsräume unterhält, in Deutschland umgesetzt werden. Beide Geschäftsführer der Klägerin sind alleinvertretungsberechtigt (vgl. Handelsregisterauszug, Anlage FBD BK 5).
Das Landgericht München I hat mit Zwischenurteil vom 04.05.2017 (Az.: 7 O 16818/16) den Antrag der Beklagten zurückgewiesen, der Klägerin aufzugeben, Prozesskostensicherheit zu leisten.
Zur Begründung führt das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, Folgendes aus:
Die Voraussetzungen des § 110 ZPO lägen nicht vor. Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin liege nicht außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union. Bei (Kapital-)Gesellschaften trete an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz, nicht der satzungsmäßige Sitz. Dies gelte jedenfalls dann, wenn am satzungsmäßen Sitz keine zustellfähige Adresse vorhanden sei. Die Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz entspreche der Intention des Gesetzgebers, die Prozesskostensicherheit nicht mehr von der Staatsangehörigkeit des Klägers, sondern nur noch von den aus seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort folgenden Schwierigkeiten der Anerkennung und Vollstreckung eines Kostentitels abhängig zu machen. Der Beklagte solle lediglich vor den typischen Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Vollstreckung geschützt werden, die dadurch entstünden, dass er seinen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren müsse. Der tatsächliche Verwaltungssitz sei „der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“ (BGH GRUR 2016, 1204, 1205 – Prozesskostensicherheit). Dass ein Verwaltungssitz der Klägerin in diesem Sinne nicht in Deutschland vorhanden wäre, hätten die Beklagten nicht nachgewiesen.
Insbesondere stehe nicht fest, dass Zustellungen am registermäßigen Sitz der Klägerin nicht bewirkt werden könnten. Das Vorhandensein eines Briefkastens für die Klägerin und eines Klingelschildes ihres Mitgeschäftsführers Kober spreche vielmehr für eine Erreichbarkeit der Klägerin an ihrem Sitz.
Des Weiteren stehe auch nicht fest, dass die Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv außerhalb der Europäischen Union in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Der Mitgeschäftsführer der Klägerin K. habe in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausgeführt, dass er formale Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornehme. Darüber hinaus setze er Entscheidungen in Deutschland um. So habe er den Klägervertreter mit der Klageerhebung beauftragt und bevollmächtigt. Damit seien unwiderlegt Entscheidungen der Unternehmensleitung im Inland in Geschäftsführungsakte umgesetzt worden.
Gegen die den Beklagten am 30.06.2017 zugestellte Entscheidung haben diese mit Schriftsatz vom 31.07.2017 (Bl. 375/376 d. A.) Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Fristverlängerung (vgl. Bl. 383 d. A.) mit Schriftsatz vom 13.09.2017 (Bl. 384/404 d. A.) begründet haben.
Die Beklagten führen zur Begründung ihrer Berufung unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Folgendes aus:
Der Klägerin sei das Klagepatent durch ihre Muttergesellschaft, der P. V. Inc., lediglich zum Zwecke der Führung des hiesigen Rechtsstreits und eines vorher initiierten Parallelverfahrens gegen LG E. übertragen worden. Die Klägerin besitze außer den beiden ihr zur Führung von Prozessen in Deutschland übertragenen Patenten keine Vermögenswerte. Sie sei ausschließlich zum Zweck der Umgehung des § 110 ZPO gegründet worden. Sie weise weder eine Außenpräsenz, noch eine Geschäftstätigkeit auf. Das operative Geschäft, welches sich seit der Gründung der Klägerin in der Führung von Patentverletzungsverfahren in Deutschland zum Zwecke der Erzwingung von Lizenzzahlungen erschöpfe, werde ausschließlich durch den in Florida, USA, wohnhaften Herrn J. L. P., gleichzeitig CEO und Mitgründer der P. Vision Inc., geleitet, der alleine die unternehmerischen Entscheidungen fälle. Der weitere „Mit-Geschäftsführer“, Herr Thomas K., erfülle lediglich untergeordnete formale Aufgaben, stelle seine Wohnung als Satzungssitz der Klägerin zur Verfügung und diene insgesamt als Strohmann, um der Klägerin den Anschein eines in Deutschland tätigen (Übergangs-)Geschäftsführers zu verleihen.
Die Klägerin habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Sinne des § 110 ZPO. Das Landgericht habe insbesondere die Anforderungen an den tatsächlichen Verwaltungssitz als „gewöhnlicher Aufenthalt“ juristischer Personen verkannt. Unter dem tatsächlichen Verwaltungssitz, auf den bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts einer juristischen Person im Sinne von § 110 ZPO nach ganz herrschender Meinung abzustellen sei, sei letztlich der Ort zu verstehen, an dem die tatsächlich maßgeblich tätigen Organe einer Gesellschaft ihre Entscheidungen träfen. Zwar habe der Bundesgerichtshof selbst das Abstellen auf den tatsächlichen Verwaltungssitz bisher – mangels Entscheidungserheblichkeit – offen gelassen (vgl. BGH GRUR 2016, 1205 – Prozesskostensicherheit). Die Ratio des § 110 ZPO, nämlich die Überlegung, dass mit dem Aufenthaltsort des der Zwangsvollstreckung unterliegenden Klägers typischerweise Vermögenswerte verbunden seien, die als Objekte einer Vollstreckung in Betracht kommen könnten, zwinge jedoch zu einem solchen Verständnis. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts komme es zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes nicht allein darauf an, ob an der entsprechenden Adresse Zustellungen bewirkt werden könnten. Zwar sei die Zustellmöglichkeit ein notwendiges, aber gerade kein hinreichendes Kriterium. Der tatsächliche Verwaltungssitz werde definiert als der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Es sei daher der Schwerpunkt der effektiven Verwaltungstätigkeit zu ermitteln. Der Ort, an dem gänzlich untergeordnete reine Verwaltungsaufgaben wie Buchführung und Steuerangelegenheiten bearbeitet würden, sei hingegen unerheblich. Im Falle einer GmbH sei ausgehend von diesen Grundsätzen, solange auch eine inländische Zustellmöglichkeit gegeben sei, auf den Tätigkeitsort der Geschäftsführung als Schwerpunkt der effektiven Verwaltungstätigkeit abzustellen. Der Tätigkeitsort der Geschäftsführung befinde sich dort, wo diese die operative Tätigkeit der Gesellschaft entfalte, also die Verwaltungsorgane überwiegend tätig würden, indem sie dort ihre Entscheidungen träfen und die Geschäfte der juristischen Person bestimmten. Dieses Verständnis werde bestätigt durch die Auslegung des Begriffs des Verwaltungssitzes in anderen Normen wie §§ 17 Abs. 1 S. 2, 24 BGB, Art. 54 AEUV, 64 EuGVVO und Art. 3 EuInsVO.
Die gesamte „Geschäftstätigkeit“ der Klägerin (die sich auf die Führung von Patentverletzungsklagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränke) werde aus den USA heraus geführt, indem Herr J. L. P. dort die maßgeblichen Entscheidungen treffe. Ein Verwaltungssitz in Deutschland sei nicht gegeben. Die Klägerin weise keinerlei Außenpräsenz oder Geschäftstätigkeit außer dem Führen der Patentstreitverfahren auf. Ihren ersten Satzungssitz habe die Klägerin zunächst in der B. Straße 28, c/o N. LLP, . München, mithin in den Kanzleiräumen ihrer Prozessbevollmächtigten gehabt. Eigene Geschäftsräume unterhalte sie aber auch an ihrem jetzigen Satzungssitz weiterhin nicht. Die Wohnung des Herrn Thomas K., in der er mit mindestens zwei weiteren Personen wohne, diene allenfalls als Zustellungsadresse für mindestens fünf unterschiedliche Gesellschaften. Die Klägerin habe auch keinen Mietvertrag über Räume abgeschlossen, die ihr als Büro dienen könnten. In der mündlichen Verhandlung habe Herr K. entsprechend beschrieben, dass sich „sein“ Büro in Berlin befinde. Auch die fehlende geschäftliche (Außen-)Präsenz der formellen Klägerin halte weiterhin an. Es sei bezeichnend, dass sich für diese auch nach nunmehr über einem Jahr nach Gründung weder eine Webseite noch Einträge in Telefonbüchern finden ließen. Über die üblichen Quellen ließen sich weder eine Telefonnummer, noch eine Faxnummer oder eine E-Mail-Adresse ausfindig machen, unter der sie oder Herr Thomas K. in seiner Eigenschaft als „Geschäftsführer“ zu erreichen wären (vgl. Anlagenkonvolut FBD 2). Auch halte die P. Vision Inc. weiterhin auf ihrer Webseite keinerlei Hinweise auf ihre deutsche Tochtergesellschaft bereit. Vielmehr verweise sie für Lizenzfragen ausschließlich auf eine amerikanische Telefonnummer und ein englisches Kontaktformular (vgl. Anlage FBD 3). Für Lizenzfragen sei damit offenkundig ausschließlich die Muttergesellschaft der Klägerin zuständig, auch wenn Herr K. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung behauptet habe, dass er zum Abschluss von Lizenzverträgen bevollmächtigt sei. Dieses könne nur dahingehend verstanden werden, dass er nicht kraft Stellung originär berechtigt sei, sondern einer Bevollmächtigung durch Dritte, d. h. des tatsächlichen Geschäftsführers, Jeffrey P., bedürfe.
Die Klägerin weise auch weiterhin keinerlei eigene Geschäftstätigkeit auf. Sie stelle weder in Deutschland Produkte her, noch importiere oder vertreibe sie solche in Deutschland oder anderswo. Sie habe auch keine Angestellten. Hinsichtlich der erhobenen Klagen führe die Muttergesellschaft und faktische Klägerin, die P. Vision Inc., die Geschäfte und halte die Fäden fest in der Hand. Auch die Bezahlung der hiesigen Prozessbevollmächtigten erfolge durch die P. Vision Inc., denn die Klägerin besitze hierzu schon nicht die finanziellen Mittel.
Dass die einzige „Geschäftstätigkeit“ inklusive der Prozesstaktik von der P. Vision Inc. vorgegeben und implementiert werde und sämtliche (Lenkungs)-Entscheidungen durch den eigentlichen Geschäftsführer der Klägerin, den in den USA wohnhaften J. L. P., getroffen würden, sei auch durch die Einlassung des Herrn K. in der mündlichen Verhandlung eindeutig bestätigt worden. Dies belegten auch die Abläufe des Parallelverfahrens gegen LG Electronics vor dem Landgericht München I (Az.: 7 O 9376/16) und der Klageerweiterung vom 10.02.2017 (nach Abtrennung nunmehr anhängig vor dem Landgericht München I unter dem Az.: 7 O 2147/17) sowie die von der P. Vision Inc. zu den Rechtsstreitigkeiten veröffentlichen Pressemitteilungen (vgl. Anlagen FBD 33, FBD 4), die eine Nennung der Klägerin oder des Herrn Thomas K. vermissen ließen. So würden auch die Schriftsätze der Klägerin in sämtlichen Verfahren mit Herrn J. L. P., dem faktisch einzigen und damit maßgeblichen Geschäftsführer der Klägerin, vor der Einreichung abgestimmt. Da es derzeit die alleinige Geschäftstätigkeit der Klägerin darstelle, mit den ihr durch P. Vision Inc. übertragenen Patenten durch Klageeinreichungen den Abschluss von Lizenzverträgen zu erzwingen, werde die einzige tatsächliche Geschäftstätigkeit aus den USA heraus gesteuert. Die tatsächliche Funktion des Herrn K. hingegen sei die eines Angestellten, der entsprechend den Weisungen von Herrn P. bzw. der P. Vision Inc. die formalen Dokumente unterschreibe, um den Anschein einer Geschäftstätigkeit in Deutschland zu erwecken. Er sei in keinerlei geschäftliche Entscheidungen eingebunden oder dürfe diese gar alleine treffen. Seine Tätigkeit sei die einer reinen Ausführungsperson, ohne irgendeine tatsächliche geschäftliche Aufgabe oder Entscheidungsbefugnis.
Der tatsächliche Verwaltungsort der Klägerin liege damit am Tätigkeitsort des Herrn J. L. P., mithin am Sitz der Muttergesellschaft, der P.Vision Inc. in Florida, USA, und nicht am satzungsgemäßen Sitz der hier vorgeschobenen Zweckgesellschaft der Klägerin.
Somit stehe fest, dass die Klägerin zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet sei. Bei der Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung seien die gerichtlichen Kosten der Beklagten bis zur Entscheidung über eine etwaige Nichtzulassungsbeschwerde zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung des auf 750.000,- € festgesetzten Streitwerts ergebe sich eine Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 102.248,40 €.
Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommen würde, dass der Wohnort des Strohmann „Geschäftsführers“ Herrn Thomas K. einen tatsächlichen Verwaltungssitz der Klägerin darstelle, weil Herr K. in seiner Wohnung ihm vorgegebene Aufträge erfülle und Schriftstücke unterschreibe, so wäre diese Konstruktion jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Denn es könne nach dem vorliegenden Sachverhalt kein Zweifel daran bestehen, dass die Gründung der Klägerin und die Übertragung des Klagepatents an dieselbe lediglich dem Zweck dienten, § 110 ZPO zu umgehen. Durch das Vorschieben der Klägerin handele die P. Vision Inc. rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, was der Klägerin zuzurechnen sei. Im Ergebnis sei die Klägerin nichts anderes als eine gewillkürte Prozessstandschafterin der P.Vision Inc.. Für solche Fälle sei es allgemein anerkannt, dass dies nicht zu einem Entfallen der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit führen könne. Es sei ferner in Fällen wie dem hiesigen, in dem statt einer Prozessstandschaft eine andere Gesellschaft zur Prozessführung vorgeschoben werde, anerkannt, dass dann ein Kläger aufgrund des Gedankens der Unbeachtlichkeit absichtlicher Gesetzesumgehung dennoch auf Antrag der Beklagten zur Leistung einer Sicherheit verpflichtet sei. Die rechtsmissbräuchliche Nutzung einer formellen Rechtsposition durch die hinter der Klägerin stehende eigentlich wirtschaftlich interessierte ausländische Person gebiete zumindest eine analoge Anwendung des § 110 ZPO.
Die Beklagten beantragen,
Das am 4. Mai 2017 verkündete Zwischenurteil des Landgerichts München I (Az.: 7 O 16818/16) wird abgeändert und der Klägerin gemäß § 110 ZPO aufgegeben, der Beklagten innerhalb einer vom erkennenden Gericht zu bestimmenden Frist die Prozesskostensicherheit in Höhe von jedenfalls € 102.248,40 zu leisten.
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin führt hierzu Folgendes aus:
Die Berufung sei bereits unzulässig, denn das Zwischenurteil des Landgerichts sei nicht separat anfechtbar. Die separate Anfechtbarkeit von Zwischenurteilen gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO sei eine Ausnahme für solche Zwischenurteile, welche eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage enthielten. Die allgemein vertretene Auffassung, dass ein Kläger, der im Wege eines Zwischenurteils zur Leistung von Prozesskostensicherheit gemäß § 110 Abs. 1 ZPO verurteilt werde, dieses Zwischenurteil nicht separat anfechten könne, werde damit begründet, dass ein solches Zwischenurteil keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage enthalte. Für ein Zwischenurteil, das eine Pflicht des Klägers zur Leistung von Prozesskostensicherheit verneine, könne nichts anderes gelten. Weder die Anordnung, noch die Ablehnung einer Prozesskostensicherheit enthalte eine implizierte Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage. Es bleibe richtigerweise bei dem Grundsatz, dass Zwischenurteile, für die § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gelte, nur gemeinsam mit der Schlussentscheidung angegriffen werden könnten.
Die Berufung sei in jedem Falle unbegründet. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin an ihrem Satzungssitz eine zustellungsfähige Adresse unterhalte, an der ihr Geschäftsführer zu normalen Geschäftszeiten üblicherweise anzutreffen sei. Das Landgericht habe auch zu Recht festgestellt, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin im Inland liege. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, dass der Geschäftsführer der Klägerin, Herr K., in Deutschland Entscheidungen der Geschäftsleitung umsetze (vgl. LGU, Seite 5). Die Beklagten hätten unstreitig gestellt, dass Herr K. die Erhebung der vorliegenden Klage in Auftrag gegeben habe.
Es entspreche herrschender Meinung, dass das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts im europäischen Inland im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO für eine juristische Person erfüllt sei, wenn sie im europäischen Inland eine zustellungsfähige Adresse und Geschäftsräume unterhalte. Dies sei überzeugend, denn anders als § 17 Abs. 1 ZPO, der ohnehin nur Inlandssachverhalte betreffe und zugunsten eines Klägers einen einfach zu bestimmenden Gerichtsstand festlege, solle § 110 ZPO einen Beklagten vor den Schwierigkeiten der Einleitung einer Auslandsvollstreckung bewahren. Ob ein Kläger Vermögen im europäischen Inland besitze und wo er welchen Anteil seiner Geschäftstätigkeit entfalte, sei für § 110 Abs. 1 ZPO zunächst einmal gleichgültig. Wichtig sei die formale Möglichkeit der Einleitung einer Zwangsvollstreckung durch Zustellung, nicht deren wirtschaftlicher Erfolg. Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten das Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse der Klägerin nicht substantiiert hätten. Das Landgericht habe zu Recht nicht darauf abgestellt, welche Aufgaben Herr K. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin im Einzelnen übernehme und wie die Beiträge der beiden Geschäftsführer der Klägerin im Verhältnis zueinander zu bewerten seien. Dies sei nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unerheblich (BGH GRUR 2016, 1204, Rn. 19 – Prozesskostensicherheit).
Das Landgericht habe darüber hinaus rechtsfehlerfrei festgehalten, dass jedenfalls dann, wenn – wie hier nicht – am satzungsgemäßen Sitz keine zustellungsfähige Adresse vorhanden wäre, auf den Verwaltungssitz der Klägerin abzustellen wäre. In seiner jüngsten Rechtsprechung vertrete der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass die Anwendung des § 110 Abs. 1 ZPO jedenfalls bei einem Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union ausscheide (BGH, Beschluss vom 23.08.2017, IV ZR 93/17, BeckRS 2017, 126173 Rn. 8, 10). Notwendige Voraussetzung der Ablehnung einer Prozesskostensicherheitspflicht sei ein Verwaltungssitz im europäischen Inland nach wie vor aber nicht, wie auch die Instanz-Rechtsprechung anerkenne.
Jedenfalls gehe der Berufungsangriff der Beklagten deshalb ins Leere, weil das Landgericht einen Verwaltungssitz der Klägerin im europäischen Inland geprüft und rechtsfehlerfrei bejaht habe. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein tatsächlicher Verwaltungssitz an dem Ort gegeben sei, an dem grundlegende Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden. Dass die umgesetzten Entscheidungen der Unternehmensleitung auch in Deutschland getroffen würden, sei nicht notwendig. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlange ausdrücklich lediglich die Umsetzung von grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung, nicht auch deren Fassung. Herr K. als Geschäftsführer der Klägerin setze am satzungsmäßigen Sitz der Klägerin in Berlin Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte um. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, dass Herr K. Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornehme und darüber hinaus Entscheidungen der Unternehmensleitung in Deutschland umsetze (vgl. LGU, Seite 5). Insbesondere habe Herr K. in seiner Funktion als Geschäftsführer der Klägerin die Erhebung der vorliegenden Klage in Auftrag gegeben. Dem seien die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten. Dass Herr K. die Entscheidung, das Klagepatent in Deutschland durchzusetzen, in konkrete Geschäftsführungsakte in Deutschland umsetze, sei deshalb unstreitig. Mehr sei für die Annahme eines Verwaltungssitzes in Deutschland im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich. Das Landgericht habe deshalb -streng genommen obiter – ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich der Verwaltungssitz der Klägerin im europäischen Inland befinde.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass Herr K. nicht nur die Durchsetzung des Klagepatents, sondern auch den weltweiten Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin für Deutschland betreue, was der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2017 in dem anhängigen Parallelverfahren vor dem Landgericht München I (7 O 2141/17) bekannt sei.
Die weiteren von der Beklagten angeführten Umstände hätten gemein, dass sie in § 110 Abs. 1 ZPO weder ausdrücklich noch impliziert Niederschlag fänden und nicht geeignet seien, eine Prozesskostensicherheitspflicht der Klägerin zu begründen.
Die seitens der Beklagten angeführten Vorschriften des § 24 BGB, des Art. 54 AEUV, 64 EuGVVO und Art. 3 EuInsVO habe das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht erwähnt. Es handele sich bei der Klägerin nicht um einen Verein, Insolvenzrecht sei nicht berührt und es handele sich bei § 110 Abs. 1 ZPO weder um unionsrechtlich harmonisiertes Recht, noch sei ersichtlich, dass die Einheit der Rechtsordnung es angesichts der angeführten Normen verlange, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prozesskostensicherheitspflicht nach deutschem Zivilprozessrecht abzuweichen.
Den Beklagten stehe auch kein Rechtsmissbrauchseinwand zu, aus dem eine Pflicht der Klägerin zur Leistung von Prozesskostensicherheit hergeleitet werden könne. Die Klägerin sei die Inhaberin des Klagepatents und setze dieses im eigenen Namen durch. Dass sie eine USamerikanische Muttergesellschaft habe, begründe keinen Missbrauchsvorwurf. Dies gelte insbesondere, nachdem das Klagepatent in Deutschland verwertet werden solle, weil eine Patentverletzung in Deutschland durch eine inländische Beklagte vorliege. Die Klägerin verfüge sowohl über Geschäftsräume als auch über Mitarbeiter in Deutschland und sie sei auch nicht anlässlich des hiesigen Verfahrens gegründet worden. Die Klägerin setze das Klagepatent erstens im Rahmen weiterer Verfahren gegen Dritte durch und betreue zweitens den Produktstart des WLAN-Repeaters der Klägerin in Deutschland.
Die Beklagten erwidern hierauf, das Zwischenurteil des Landgerichts, welches die gem. § 110 ZPO erhobene Einrede verwerfe, sei gem. § 280 Abs. 2 S. 2 ZPO selbstständig anfechtbar, da zugleich auf die Zulässigkeit der Klage erkannt werde, nachdem § 110 ZPO eine die Zulässigkeit der Klage betreffende Rüge i.S.d. § 282 Abs. 3 ZPO begründe.
Anders als die Klägerin es versuche darzustellen, vertrete die absolut herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, so jüngst auch der BGH (vgl. Beschluss vom 23.08.2017, Az. IV ZR 93/17, NJW-RR 2017, 1320), die Ansicht, dass maßgeblich für die Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit der tatsächliche Verwaltungssitz sein müsse. Auch habe der BGH mit Urteil vom 21.06.2016 (Az. X ZR 41/15, GRUR 2016, 1204) lediglich festgestellt, dass es nicht auf das Verhältnis der Beiträge von an unterschiedlichen Orten tätigen Geschäftsführern ankomme, wenn sich sämtliche Tätigkeitsorte – wie vorliegend nicht – in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befänden. Da sich vorliegend der Tätigkeitsort des tatsächlichen Geschäftsführers der Klägerin in den USA befinde, sei aber entscheidend, in welchem Verhältnis beide Geschäftsführer mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung und deren Umsetzung zueinander stünden. Die Klägerin habe weder substantiierten Vortrag geliefert, der eine geschäftsführende Tätigkeit des Herrn K. belegen könne, noch hätte sie die von den Beklagten vorgebrachten Anhaltspunkte für deren Fehlen widerlegt. Der erstmalige verspätete Versuch der Klägerin in der Berufungserwiderung, Herrn K. eine Rolle bei dem Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin in Deutschland zuzuschreiben, gehe ebenso fehl. Es sei bezeichnend, dass sie keine konkreten Aufgaben, Tätigkeiten, Entscheidungen oder Maßnahmen des Herrn K. vortragen könne, was nur den Schluss zulasse, dass es sich – wenn überhaupt – um untergeordnete verwaltende Tätigkeiten handele, während die maßgeblichen Entscheidungen weiterhin durch Herrn P. getroffen und veranlasst würden. Dies erkläre auch, weshalb die Klägerin von „ihrem“ Produkt spreche, obwohl Hersteller die P. Vision Inc. sei und der WLAN-Repeater weder in Deutschland erhältlich sei, noch eine Markteinführung soweit ersichtlich kurzfristig bevorstehe. Es werde bestritten, dass Herr K. für die vorliegende Beurteilung relevante Tätigkeiten und/oder Entscheidungen vornehme.
Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 22.02.2018 (Bl. 444/ 449 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin ist gem. § 110 Abs. 1 ZPO zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet.
1. Die Statthaftigkeit der Berufung gegen das den Antrag auf Prozesskostensicherheitsleistung zurückweisende Zwischenurteil des Landgerichts folgt aus § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO. Denn ein die Prozesskostensicherheitseinrede nach § 110 ZPO verwerfendes Zwischenurteil stellt – anders als ein Zwischenurteil, durch das der Einrede stattgegeben und die Sicherheitsleistung angeordnet wird (vgl. BGH NJW 1988, 1733; BGH NJW-RR 2006, 710 Rn. 6) – eine selbständig anfechtbare Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage dar im Sinne von § 280 Abs. 1, S. 1 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. BGH NJW 1988, 1733; BGH NJW-RR 2006, 710 Rn. 6; Musielak/Voit/Foerste, 14. Aufl. 2017, ZPO § 110 Rn. 9; BeckOK ZPO/Jaspersen, 26. Ed. 15.9.2017, ZPO § 110 Rn. 35; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 5; MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 113 Rn. 10; Kühnen, 10. Aufl., E. II. 2 Rn. 19; Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 113 Rn. 4).
2. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten auf ihre Einrede hin Prozesskostensicherheit zu leisten, sind gem. § 110 Abs. 1 ZPO vorliegend gegeben.
a) Nach § 110 Abs. 1 ZPO (ein Ausnahmetatbestand nach § 110 Abs. 2 ZPO greift hier nicht ein) muss eine Klagepartei, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten.
Als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO ist bei Kapitalgesellschaften deren Sitz anzusehen (BGH NJW-RR 2017, 1320; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 11 – Prozesskostensicherheit). Die Klägerin hat ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland (Berlin), streitig ist zwischen den Parteien, ob ihr Verwaltungssitz ebenfalls in Deutschland oder in den USA liegt. Die Frage, ob im Rahmen des § 110 Abs. 1 ZPO auf den satzungsmäßigen Sitz oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, wenn der Kläger als juristische Person des Privatrechts innerhalb der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nur einen satzungsmäßigen Sitz, aber keinen Verwaltungssitz unterhält, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird hierzu vertreten, es komme auf den tatsächlichen Verwaltungssitz an, jedenfalls wenn am satzungsmäßigen Sitz im Inland weder Geschäftsräume noch eine zustellungsfähige Anschrift unterhalten werden (OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944, 945; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 20.12.2012, Az. I-2 U 34/10, BeckRS 2013, 10184; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 2; MüKoZPO/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 110 Rn. 13; Musielak/Voit/Foerste, 14. Aufl. 2017, ZPO § 110 Rn. 4). Weitergehender sind das OLG München (Urt. v. 24.6.2010 – 29 U 3381/09, BeckRS 2010, 18320) und das OLG Düsseldorf (Urt. vom 25.02.2015, Az. 2 U 57/14, BeckRS 2015, 06726) davon ausgegangen, dass bei (Kapital-)Gesellschaften an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 110 Abs. 1 ZPO der tatsächliche Verwaltungssitz und nicht der satzungsmäßige Sitz tritt (ebenso Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, E. II. 2 Rn. 16).
Der Bundesgerichtshof hatte diese Konstellation bisher nicht zu entscheiden und hat sie daher offen gelassen (vgl. BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 12-14 – Prozesskostensicherheit; BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321). Er hat bislang nur festgestellt, dass die Anwendbarkeit des § 110 ZPO jedenfalls bei Vorhandensein eines Verwaltungssitzes innerhalb der Europäischen Union ausscheidet (BGH NJW-RR 2017, 1320; BGH NZG 2002, 1009, 1010).
b) Auf diese Frage kommt es im Streitfall an, denn die Klägerin hat nach den zugrundeliegenden Feststellungen zwar ihren statutarischen Sitz in Deutschland, ihr Verwaltungssitz liegt aber nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
(1.)
Maßgebend dafür, wo eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 15 – Prozesskostensicherheit). Dies setzt eine gewisse organisatorische Verfestigung einschließlich des Vorhandenseins von Räumlichkeiten voraus, in denen die Geschäftsführungsorgane ihre Tätigkeit für das Unternehmen tatsächlich ausüben und sich an die Gesellschaft gerichtete Postsendungen wirksam zustellen lassen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 25.2.2015 – 2 U 56/14, BeckRS 2016, 09830 Rn. 17; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl. 2018, E. II. 2 Rn. 17). Eine „effektive Umsetzung der grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte“ im Sinne der Definition des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321; BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 15 – Prozesskostensicherheit) erfordert dabei die Vornahme von Handlungen, die den Geschäftszweck und die Tätigkeit des Unternehmens inhaltlich beeinflussen und typischerweise auf der Ebene der Unternehmensleitung erfolgen. Eine bloß formale Ausführung von Entscheidungen, die anderenorts getroffen werden, stellt sich nicht als „effektive Umsetzung“ grundlegender Entscheidungen der Unternehmensleitung dar.
Wird die Geschäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen, kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befinden (BGH GRUR 2016, 1204 Rn. 20 – Prozesskostensicherheit). Umgekehrt bedeutet das -übertragen auf den vorliegenden Fall -, wenn sich der Tätigkeitsort eines der zwei Geschäftsführer nicht in der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums befindet, kommt es darauf an, in welchem Verhältnis beide Geschäftsführer mit Blick auf die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung und deren Umsetzung zueinander stehen.
(3.)
Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Klägerin in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum ohne gewöhnlichen Aufenthalt ist im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO, sind die Beklagten (MüKoZPO/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 110 Rn. 42; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 110 Rn. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017 § 110 Rn. 2). An die Vortragslast der Beklagten dürfen allerdings keine überspannten Anforderungen gestellt werden, denn sie haben keine eigenen Kenntnisse über die interne Organisationsstruktur der Klägerin und können diese auch allenfalls indiziell ermitteln. Der Klägerin ist die erforderliche Aufklärung hingegen ohne weiteres möglich und auch zumutbar. Es genügt deshalb, dass die Beklagten plausible Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nicht in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-15 U 67/16, BeckRS 2017, 113388 Rn. 42). Anschließend trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen des Zumutbaren die behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände substantiiert zu bestreiten. Kommt sie dieser Obliegenheit nach, hat die Beklagte als beweisbelasteten Partei den Nachweis ihrer Behauptung zu führen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-15 U 67/16, BeckRS 2017, 113388 Rn. 42).
Die Beklagten haben als Anhaltspunkt für einen fehlenden Verwaltungssitz der Klägerin in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum vorgetragen: Die Klägerin besitze außer den beiden ihr zur Führung von Prozessen in Deutschland übertragenen Patenten keine Vermögenswerte. Sie weise weder eine Außenpräsenz, noch eine Geschäftstätigkeit auf. Über die üblichen Quellen ließen sich weder eine Webseite, noch eine Telefonnummer, noch eine Faxnummer oder eine E-Mail-Adresse ausfindig machen, unter der sie oder Herr Thomas K. in seiner Eigenschaft als „Geschäftsführer“ zu erreichen wären (vgl. Anlagenkonvolut FBD 2). Auch halte die P. Vision Inc. weiterhin auf ihrer Webseite keinerlei Hinweise auf die Klägerin als ihre deutsche Tochtergesellschaft bereit. Vielmehr verweise sie für Lizenzfragen ausschließlich auf eine amerikanische Telefonnummer und ein englischsprachiges Kontaktformular (vgl. Anlage FBD 3). Das operative Geschäft, welches sich seit der Gründung der Klägerin auf die Führung von Patentverletzungsverfahren in Deutschland zum Zwecke der Erzwingung von Lizenzzahlungen erschöpfe, werde ausschließlich durch den in Florida, USA, wohnhaften Herrn J. L. P., gleichzeitig CEO und Mitgründer der Muttergesellschaft P.Vision Inc., geleitet, der alleine die unternehmerischen Entscheidungen fälle. Die Wohnung des Herrn Thomas K., in der er mit mindestens zwei weiteren Personen wohne, diene allenfalls als Zustellungsadresse für mindestens fünf unterschiedliche Gesellschaften.
(5.)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das operative Geschäft der Klägerin von den USA aus durch den weiteren Mitgeschäftsführer J. L. P. geführt wird (vgl. auch LGU, Seite 3). Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Entscheidung, dass wegen des Klagepatents (und des weiteren der Klägerin zustehenden Patents) in Deutschland Verletzungsklagen erhoben wurden, nicht von dem in Deutschland ansässigen Geschäftsführer der Klägerin Thomas K., sondern von dem weiteren Geschäftsführer und zugleich CEO der Muttergesellschaft P.Vision Inc. in den USA getroffen wurde. Soweit das Landgericht es hat ausreichen lassen, dass die Klägerin in Deutschland eine Zustellanschrift besitzt und dass Herr Kober formale Akte der Geschäftsführung in Deutschland vornimmt und den Klägervertreter mit der Klageerhebung beauftragt hat (vgl. LGU, Seite 5), kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag es nicht darauf ankommen, ob und in welchem Maße ein innerhalb der EU/des EWR residierender Geschäftsführer seine geschäftlichen Entscheidungen und Handlungen für den Kläger eigenverantwortlich trifft oder aber in Absprache, ggf. sogar nach konkreten Weisungen einer auswärtigen Muttergesellschaft vorzunehmen hat, sofern die Unternehmensverwaltung durch den Aufenthaltsort seiner Entscheidungen bestimmt wird (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Aufl., E. II. 2 Rn. 19). Vorliegend handelt der Mitgeschäftsführer K. aber auf die Weisungen des für das operative Geschäft verantwortlichen weiteren Geschäftsführers P., der von den USA aus agiert. Das Handeln des Herrn K. in Deutschland, der nach dem Vortrag des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung als „berufsmäßiger Geschäftsführer“ für verschiedene Gesellschaften agiert, bezieht sich demgegenüber nach dem festgestellten Sachverhalt auf rein formale Tätigkeiten. Dazu gehören auch die von Herrn Kober im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung angeführten Dienstleistungen wie die Erstellung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 04.05.2017, Seite 3, Bl. 343 d. A.). Dass damit in Bezug auf die klägerische Tätigkeit maßgebliche strukturelle Entscheidungen verbunden gewesen wären, hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch das lediglich pauschale Vorbringen der Klägerin, wonach Herr K. auch den weltweiten Produktstart eines WLAN-Repeaters der Klägerin für Deutschland betreue, genügt insoweit nicht. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, welche Handlungen Herr K. diesbezüglich wann und gegenüber wem mit welchem Ergebnis vorgenommen haben soll. Dass der benannte WLAN-Repeater in Deutschland bislang nicht angeboten wird, hat die Klägerin ebenso wenig in Abrede gestellt, wie den Vortrag der Beklagten, wonach die Klägerin in Deutschland über keinerlei Außenauftritt verfügt, der es Dritten ermöglichen würde, diese zu kontaktieren. Jegliche Verlautbarungen über die gegenständlichen Patente oder etwaige Produkte erfolgten bisher allein durch die Muttergesellschaft der Klägerin, ohne dass die Klägerin dabei in Erscheinung treten würde. Auch soweit Herrn K. im Rahmen der erstinstanzlichen Anhörung ausgeführt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 04.05.2017, Seite 3, Bl. 343 d. A.), er sei bevollmächtigt und bereit, Lizenzverträge abzuschließen, fehlt jeglicher substantiierter Sachvortrag dazu, dass derartige Lizenzvertragsabschlüsse konkret erfolgt sind oder auch nur im Raum stünden und diesbezügliche Tätigkeiten entfaltet worden wären.
Insgesamt hat die Klägerin keinen substantiierten Sachvortrag erbracht, der geeignet wäre, die von Beklagtenseite vorgetragenen und unstreitigen Tatsachen, die das Fehlen eines Verwaltungssitzes der Klägerin in Deutschland nahe legen, zu entkräften.
c) Das Vorhandensein eines bloßen satzungsmäßigen Sitzes der Klägerin in Deutschland (Berlin) genügt nicht, um die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO zu verneinen.
Der Bundesgerichtshof hat zur Begründung seiner Beurteilung, wonach die Anwendbarkeit des § 110 Abs. 1 ZPO jedenfalls bei Vorhandensein eines Verwaltungssitzes innerhalb der Europäischen Union ausscheidet (BGH NJW-RR 2017, 1320), ausgeführt, für die Anknüpfung an den Verwaltungssitz spreche bereits die Parallele zwischen dem Verwaltungssitz und dem „gewöhnlichen Aufenthalt“, auf den der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO für natürliche Personen abstelle. Darüber hinaus bestehe der Sinn und Zweck der Vorschrift darin, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auftreten. Für die Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs komme es aber eher auf den Verwaltungssitz als auf den Gründungs- oder satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft an, weil sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befinde, wo die Geschäfte geführt werden; der statutarische Sitz könne eine „leere Hülle“ sein. Darauf, dass im Einzelfall auch eine Vollstreckung am Verwaltungssitz gefährdet sein kann, komme es nicht an, weil dieses Risiko nicht höher als bei inländischen Klägern sei (BGH NJW-RR 2017, 1320, 1321).
Vor dem Hintergrund dieser vom Bundesgerichtshof ausgeführten Argumentation muss aber umgekehrt, wenn die Klägerin innerhalb der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum keinen Verwaltungssitz vorweisen kann, § 110 Abs. 1 ZPO zur Anwendung gelangen. Denn dann greift unter Zugrundelegung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs der Normzweck des § 110 Abs. 1 ZPO ein, wonach der obsiegende Beklagte vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren ist, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auftreten, wobei sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befindet und der statutarische Sitz nur eine „leere Hülle“ sein kann. Der Verwaltungssitz einer juristischen Person – also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden – entspricht auch in tatsächlicher Hinsicht dem bei natürlichen Personen maßgeblichen „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Sinne des Ortes, wo eine Person ihren faktischen Lebensmittelpunkt hat. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person grundsätzlich durch den satzungsmäßigen und nicht durch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz bestimmt wird, steht dem nicht entgegen. § 17 ZPO regelt nur Inlandssachverhalte im Rahmen der Frage des allgemeinen Gerichtsstandes und hat einen gänzlich anderen Normzweck als § 110 ZPO. Während § 17 ZPO dazu dienen soll, einer klagenden Partei einen möglichst einfach zu bestimmenden Gerichtsstand zu verschaffen, liegt die Ratio des § 110 ZPO darin, die beklagte Partei, die ihren Kostenerstattungsanspruch durchsetzen möchte, vor Schwierigkeiten der Auslandsvollstreckung zu bewahren (vgl. auch OLG Düsseldorf Teilurteil v. 20.12.2012 – I-2 U 34/10, BeckRS 2013, 10184).
3. Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich gem. § 112 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich nach den bereits aufgewendeten und den voraussichtlich noch aufzuwendenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten, die der beklagten Partei in allen Instanzen voraussichtlich erwachsen. Die Beklagtenseite hat diese voraussichtlich anfallenden Kosten auf 102.248,40 EUR beziffert (vgl. Berufungsbegründung Seite 18), was der Größenordnung nach angemessen, jedenfalls nicht überhöht erscheint und von Klageseite auch nicht in Zweifel gezogen wurde.
Die Fristbestimmung folgt aus § 113 S. 1 ZPO.
5. Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da mit dem die Prozesskostensicherheitsleistung anordnenden Zwischenurteil nicht über die Zulässigkeit der Klage i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 ZPO entschieden wird, so dass § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO insoweit nicht einschlägig ist (vgl. BGH NJW-RR 2006, 710 Tz. 6; BGH NJW 1988, 1733).


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