Europarecht

Quotierung von Laborleistungen bei Vertragszahnärzten

Aktenzeichen  S 38 KA 489/17

Datum:
9.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34193
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 35 Abs. 2
SBG V § 87b Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

I. Die Begründung eines Verwaltungsaktes muss sich grundsätzlich auf den konkreten Fall beziehen (vgl. Kopp/Ramsauer, Komment. zum VwVfG, Rn 19 zu § 39, inhaltsgleich mit § 35 SGB X). Deshalb besteht ein Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides und der Argumentation des Adressaten/Widerspruchsführers. Die Behörde muss sich deshalb insbesondere mit den vorgetragenen Argumenten des Adressaten/Widerspruchsführers befassen und auseinandersetzen. Solche Ausführungen zählen deshalb zu den wesentlichen Gründen. (Rn. 22)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegten Klagen – es handelt sich um kombinierte Anfechtungs- und Verbescheidungsklagen nach § 54 SGG – sind zulässig, erweisen sich aber als unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Es ist weder eine formelle, noch eine materielle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide festzustellen.
Insbesondere liegt auch kein Verstoß gegen das Begründungsgebot vor, das in § 35 SGB X enthalten ist. Nach § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.
Die angefochtenen Bescheide in der Fassung der Widerspruchsbescheide enthalten allgemeine Ausführungen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in den betroffenen Quartalen, insbesondere Hinweise auf Kapitel 32.2 und 32.3 EBM, Teil E vor Nr. 1 „der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V“ und auf Abschnitt B Nr. 3.1 des Honorarverteilungsmaßstabes 2016 (HVM). Des Weiteren wurde ausgeführt, die Abstaffelungsquote sei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Teil E Nr. 1.2 bekannt gegeben worden. Daran sei die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Bayerns nach § 87b Abs. 4 SGB V gebunden. Sie habe diesbezüglich keinen Gestaltungsspielraum. Im Rahmen des Klageverfahrens (Schriftsatz der Beklagten vom 9.9.2019) führte die Beklagte aus, die bundeseinheitliche Abstaffelungsquote Labor ergebe sich aus der Präambel Nr. 1 der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM-Ä.
Sinn und Zweck der Begründungspflicht von Verwaltungsakten als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und Ausprägung des Grundsatzes der Verwaltungsfairness (vgl. Kopp/ Ramsauer, Komment. zum VwVfG, Rn 5 zu § 39, inhaltsgleich mit § 35 SGB X) bestehen darin, dem Adressaten die Gesichtspunkte aufzuzeigen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, letztendlich auch zu beurteilen, ob aus seiner Sicht, weitere Rechtsmittel erfolgreich sein können. Die Begründungspflicht dient aber auch der Selbstkontrolle der Behörden. Da sich die Begründung grundsätzlich auf den konkreten Fall beziehen muss (vgl. Kopp/Ramsauer, Komment. zum VwVfG, Rn 19 zu § 39, inhaltsgleich mit § 35 SGB X), besteht ein Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides und der Argumentation des Adressaten/Widerspruchsführers. Die Behörde muss sich deshalb insbesondere mit den vorgetragenen Argumenten des Adressaten/Widerspruchsführers befassen und auseinandersetzen. Solche Ausführungen zählen deshalb zu den wesentlichen Gründen. Wenn die Klägerseite in den vorausgegangenen Verwaltungsverfahren allgemein vorgetragen hat, die Honorierung von Laborleistungen nach Kapiteln 32.2 und 32.3 EBM, insbesondere deren Abstaffelung sei ihres Erachtens sei nicht rechtens und die Beklagte darauf eingehend allgemeine Ausführungen macht, ist dies unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht von Verwaltungsakten rechtlich nicht zu beanstanden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es auch Ausnahmen von der Begründungspflicht gibt, die in § 35 Abs. 2 Ziff. 4 SGB X aufgeführt sind. Danach kann auf die Begründung verzichtet werden, wenn sich diese aus einer Rechtsvorschrift ergibt. Da die Präambeln zu Kapiteln 32.2 und 32.3 EBM eine Quotierung vorsehen, könnte es sich hierbei um eine solche Ausnahme von der Begründungspflicht handeln.
Es kann letztlich dahinstehen, ob die Begründung der Bescheide ausreicht und der Begründungspflicht des § 35 Abs. 1 SGB X entspricht, oder sogar eine Ausnahme von der Begründungspflicht nach § 35 Abs. 2 SGB X besteht. Denn jedenfalls können Begründungsmängel nach § 41 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Insofern ist auf jeden Fall durch die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 09.09.2019 eine Heilung eines etwaigen Begründungsmangels eingetreten.
Die angefochtenen Bescheide sind aber auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Grundsätzlich hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 08.08.2018 (Az. B 6 KA 26/17 R) festgestellt, eine einheitliche Abstaffelungsquote für die Vergütung von Laborleistungen sei rechtmäßig. Es handelte sich offensichtlich um Regelleistungen, nicht aber – wie hier – um Notfallleistungen, so dass die in dem genannten Urteil niedergelegten Rechtsgedanken nicht vollständig auf den streitgegenständlichen Fall zu übertragen sind. Insbesondere spielte die Regelung in § 87b Abs. 1 S. 3 SGB V keine Rolle.
Das vertragsärztliche Vergütungssystem, das äußerst komplex ist, beruht insbesondere auf zwei Säulen, nämlich dem „Zusammenspiel“ zwischen Einheitlichem Bewertungsmaßstab und dem Honorarverteilungsmaßstab. Während der EBM nach § 87 Abs. 2 SGB V den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und das wertmäßige, in Punkten ausgedrückte Verhältnis zueinander bestimmt, verteilen die Kassenärztlichen Vereinigungen die vereinbarte Gesamtvergütung an die Ärzte, Psychotherapeuten, Medizinischen Versorgungszentrum sowie ermächtigten Einrichtungen nach Maßgabe des Honorarverteilungsmaßstabes (§ 87b Abs. 1 SGB V).
Die Quotierung der Laborleistungen ergibt sich aus der Präambel zu Abschnitt 32.2 allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen. Dort ist folgendes bestimmt: „Der tatsächliche Vergütungsanspruch errechnet sich aus den vertraglich vereinbarten Euro-Beträgen nach Satz eins multipliziert mit der für das entsprechende Quartal gültigen Abstaffelungsquote gemäß den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V (Artikel 1, Nummer 24 GKV-VStG) zur Honorarverteilung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen Teil E und gilt als Höchstpreis.“ Mit der Quotierung soll eine bundesweite gleiche Vergütung von Laborleistungen sichergestellt werden und damit die in der Vergangenheit oft zu beobachtende Praxis, dort Laborleistungen zu erbringen, wo die Vergütung am höchsten ist, unterbunden werden.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen § 87b Abs. 1 S. SGB V ist nicht ersichtlich. Die genannte Vorschrift besagt, dass die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe erfolgt, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen. Die Vorschrift bezieht sich damit ausdrücklich auf den Honorarverteilungsmaßstab. Im streitgegenständlichen Verfahren führt zwar die Anwendung der Laborquote Q zu einer Minderung des Honorars für Leistungen des Abschnitts 32.2 und 32.3 EBM. Es handelt sich aber nicht um eine Minderung, die sich originär aus dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten ergibt, sondern aus dem EBM. Die Bewertung durch den EBM ist nach der Präambel Nr. 1 der Abschnitte 32.2 und 32.3 EBM gemindert durch die Anwendung der Abstaffelungsquote, für deren Festlegung nach der Präambel in Verbindung mit § 87b Abs. 4 S. 1 die Kassenärztliche Bundesvereinigung zuständig ist. Die Beklagte ist nach § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V verpflichtet, die Vorgaben der KBV zu beachten und diese im Honorarverteilungsmaßstab umgesetzt.
Aus den genannten Gründen waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m.§ 154 VwGO.


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