Europarecht

Rücknahme eines Zuwendungsbescheides wegen vorzeitigen Maßnahmebeginns

Aktenzeichen  RN 5 K 17.1888

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24520
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1 S. 1 u. 2 u. Abs. 2 S. 1, 3 Nr. 3 u. S. 4
BayHO Art. 23, Art. 44
BGB § 133, § 145, § 157

 

Leitsatz

1 Für die gerichtliche Überprüfung der Erteilung einer Förderung bzw. ihres Widerrufs ist entscheidend, wie die Behörden des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschriften im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind (Anschluss an BVerwG BeckRS 9998, 50184).  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Angebots des Bauherrn für die Frage eines förderungsschädlichen Maßnahmebeginns im Sinne der Vorbeginnklausel widerspricht nicht Sinn und Zweck der Förderrichtlinien. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sonderkündigungsrechte, die in keinerlei Bezug zu der Gewährung von Fördermitteln stehen, ändern an der Annahme einer rechtlichen Bindung nichts. (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei Zweifeln obliegt es dem Förderungsnehmer, sich vor Antragstellung bei der Bewilligungsbehörde Klarheit zu verschaffen, ob durch die Bestellung bereits ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn vorgelegen hat. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
I.
Der Rücknahmebescheid vom 02.10.2017, mit dem der Beklagte seinen Zuwendungsbescheid vom 08.02.2016 in voller Höhe aufhob, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den Rücknahmebescheid vom 02.10.2017 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, da der Zuwendungsbescheid vom 08.02.2017 – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – wegen Verstoßes gegen Art. 23 und 44 BayHO i.V.m. den einschlägigen Richtlinien rechtswidrig war. Denn der Kläger hatte und hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Zuwendung aus dem 10.000-Häuser-Programm in Höhe von 12.500,00 €. Der Kläger durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG).
Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien.
Maßgebend für den Zuwendungsbescheid waren ausweislich des Zuwendungsbescheids vom 08.02.2017 (vgl. Ziffer 1.2) insbesondere die Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015, dort vor allem Ziffer 6.1 der Richtlinie und die anliegenden Merkblätter A „Allgemeines“, E „EnergieeffiziensBonus“ und T3 „TechnikBonus“ in der jeweils geltenden Fassung, der Förderantrag „EnergieSystemHaus“, elektronisch eingegangen am 01.03.2016, postalisch eingegangen am 06.06.2016, die Online-Bestätigung zum Antrag „Energieeffizient Bauen (KfW Nr. 153) sowie die Bestätigung der Hausbank über die KfW-Förderung.
Der Förderbescheid vom 08.02.2017 war schon deshalb rechtswidrig, weil der Kläger entgegen der Vorgabe nach Ziffer 6.1 der Richtlinie vor dem Eingang des elektronischen Förderantrags bei der zuständigen Bewilligungsstelle und vor der Bestätigung des Eingangs der Bewilligungsstelle mit der Maßnahme begonnen hat.
a) Als Maßnahmenbeginn gilt nach Ziffer 6.1 der Richtlinie der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrages (vgl. ebenso Nr. 1.3 VV zur Art. 44 BayHO), konkret hier die Unterzeichnung bzw. Vergabe des ersten Auftrags (vgl. Merkblatt A sowie Nr. 3b des Onlineantrages).
Der Kläger nahm die elektronische Antragstellung auf der Antragsplattform am 01.03.2016 vor. Die verbindliche Auftragserteilung an die … GmbH, d.h. die Bestellung des …-Hauses datiert aber auf den 27.02.2016 und fand daher bereits vor der elektronischen Antragstellung statt. In der – hier aber noch nicht anwendbaren – Neufassung der Förderrichtlinien vom 24. Januar 2018 ist mittlerweile ausdrücklich festgelegt, dass mit der Maßnahme nicht vor dem bestätigten Eingang des elektronischen Förderantrags begonnen werden darf und dass der maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich die bindende Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss ist (vgl. hier Ziffer 6.1 Satz 3 und 5 der RL n.F.). Die nunmehr ausdrücklich in den Richtlinien verschriftlichten Voraussetzungen galten indes schon vorher und entsprachen der schon zuvor geübten Verwaltungspraxis, sodass die Neufassung der Richtlinien insoweit als deklaratorische Klarstellung anzusehen ist (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 16. April 2018 – W 8 K 18.34, Rn. 36).
Der Kläger hat mit Datum vom 27.02.2016 ausdrücklich „die Bestellung eines …-Hauses“ unterschrieben (vgl. Bl. 84 und 85 der Behördenakte). Diese Bestellung stellt dabei einen Antrag des Klägers dar, § 145 BGB. Dies ergibt sich durch Auslegung dieser Erklärung gemäß §§ 133, 157 BGB, da die Baufirma als Erklärungsempfängerin nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte diese als Angebot auf Abschluss eines Vertrags zur Lieferung und Erstellung eines Fertighauses verstehen musste (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9 und VG Augsburg, Urteil vom 17. Juli 2018 – Au 8 K 17.1909 -, Rn. 35, juris). Dies geht auch aus dem Bestellformular der Baufirma vom Juli 2015 hervor, wonach der Bauherr der Firma … GmbH […] den Abschluss eines Werkvertrags über die Lieferung und Errichtung eines … Hauses anbietet und sich der Bauherr an dieses Angebot sechs Wochen nach Unterzeichnung dieser Bestellung gebunden hält (vgl. Blatt 84 der Behördenakte).
b) Wenn der Kläger und der Beigeladene nun auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Juli 2018 – Au 8 K 17.1909 – verweisen, in dem das VG Augsburg für das Vorliegen eines förderschädlichen vorzeitigen Maßnahmebeginns auf den Abschluss des Vertrags mit Eingang der Auftragsbestätigung der Firma … und nicht auf die Abgabe des Angebots abstellen, so kann dem nicht gefolgt werden.
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen nämlich keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Sie begründen nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht, und kann lediglich überprüfen, ob die ausgeübte Verwaltungspraxis den vorgenannten Grundsätzen genügt (BayVGH v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964). Für die gerichtliche Überprüfung der Erteilung einer Förderung bzw. ihres Widerrufs ist deshalb entscheidend, wie die Behörden des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden sind (vgl. BVerwG NJW 1996, 1766 (1767)). Entscheidender Anknüpfungspunkt für den Selbstbindungsgrundsatz ist letztlich also „die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit” (vgl. BVerwG DVBl. 1996, 814; ähnlich Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG § 40 Rn. 105, 111; BVerwG DÖV 2012, 780). Für den Zuwendungsbereich bedeutet dies vor allem, dass die zuständige Bewilligungsbehörde durch regelmäßige Wiederholung bestimmter Förderentscheidungen eine bestimmte Förderpraxis entwickelt. Diese bindet sie bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde regelmäßig die Gewährung einer Zuwendung bzw. nimmt die Behörde einen Zuwendungsbescheid regelmäßig wegen fehlender Fördervoraussetzungen zurück, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt oder Leistungen trotz fehlender Fördervoraussetzungen belässt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig ist (vgl. Müller/Richter/ Ziekow, Handbuch Zuwendungsrecht, A. Grundlagen Rn. 91, beck-online).
Der Beklagte trägt glaubhaft vor, dass es ständige Verwaltungspraxis war und ist, im Bereich der Energiesystemhäuser in Bezug auf den vorzeitigen Maßnahmebeginn stets auf die Auftragserteilung durch den Bauherrn abzustellen (vgl. Blatt 64 und 111 der Gerichtsakte). Nichts anderes geht auch aus den vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie erlassenen Vollzugshinweisen zum 10.000-Häuserprogramm – Vorzeitiger Maßnahmebeginn (vgl. Blatt 115 der Gerichtsakte) hervor. Dort heißt es wie folgt:
„Auf dem zum Programmteil „EnergieSystem-Haus“ zugehörigen Merkblatt A sowie im Förderantrag wird der Maßnahmebeginn als Erteilung des ersten Auftrags für Bauleistungen definiert. In der ständigen Förderpraxis der Bewilligungsbehörden wird auf die Definition im Merkblatt A abgestellt und der Maßnahmebeginn mit der Auftragserteilung durch den Antragsteller definiert. Diese Förderpraxis ist durch das bayerische Haushaltsrecht gedeckt.“
Zwar führen die Vollzugshinweise weiterhin aus, dass grundsätzlich sowohl das Abstellen auf den Zeitpunkt der Abgabe des bindenden Angebots durch den Kunden als auch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Annahme dieses Angebots durch den Fertighaushersteller und damit auf den Vertragsschluss haushaltsrechtlich zulässig sei. Wie zuvor bereits dargelegt, kommt es jedoch entscheidend auf die gängige Förderpraxis der zuständigen Bewilligungsbehörden an. So heißt es in den Vollzugshinweisen weiter:
„Aus folgenden Gründen ist beim Beginn der vorzeitigen Maßnahme auf das Angebot zum Abschluss des jeweiligen Werklieferungsvertrags abzustellen:
– Bei der Prüfung der Unterlagen kann auf das Datum der Auftragserteilung und damit auf die bindende Willensbekundung des Antragstellers abgestellt werden. Der Maßnahmebeginn hängt somit nicht von einer weiteren Willenserklärung (Annahme des Angebots durch die (Fertighaus-)Firma) ab, dessen Zeitpunkt der Antragsteller nicht beeinflussen kann.“
– Missbrauchsmöglichkeiten durch Vertragsgestaltungen werden so vermieden.
Dieses Vorgehen erleichtert den Bewilligungsstellen zudem die Bearbeitung der Anträge, da so ein einheitlichen Vorgehen gewährleistet werden kann.“
Insofern hat sich der Beklagte durch seine ständige Förderpraxis selbst gebunden und muss bereits aus Gleichbehandlungsgründen (Art. 3 Abs. 1 GG) auch beim Kläger auf den Zeitpunkt der verbindlichen Auftragserteilung durch den Bauherrn abstellen.
c) Ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Abgabe des Angebots des Bauherrn widerspricht auch nicht Sinn und Zweck der Förderrichtlinie bzw. der Vorbeginnklausel.
Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmenbeginns ist zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie die Sicherung einer Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsbehörde. Zudem soll die Förderung einen Anreizeffekt haben. Ein Antragsteller, der vor Erteilung eines Förderbescheides mit der Realisierung beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – VPR 2017, 23). Zudem soll die Bewilligungsbehörde nicht bereits vor vollendete Tatsachen gestellt werden (vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 16. April 2018 – W 8 K 18.34 -, Rn. 40, juris).
All dies tritt jedoch bereits mit der Abgabe des bindenden Angebots des Bauherrn ein, da sich der Bauherr nicht mehr einseitig von seinem Antrag lösen kann (vgl. § 145 BGB) und es damit allein in der Sphäre des Vertragspartners, hier im Fall also der … GmbH liegt, wann diese das Angebot annimmt, sodass es schließlich zu einem rechtswirksamen Vertragsschluss kommt. Weder der Bauherr, noch die Bewilligungsbehörde haben nach Abgabe des verbindlichen Angebots noch Einfluss darauf, ob und wann der Werkvertrag mit der Baufirma zustande kommt. Wenn das VG Augsburg ausführt, dass ein Empfänger erst dann zu erkennen gibt, dass er das Vorhaben auch ohne staatliche Zuwendungen verwirklichen will, wenn „er eine rechtliche Bindung eintritt“, so ist dem zwar zuzustimmen (VG Augsburg, Urteil vom 17. Juli 2018 – Au 8 K 17.1909 -, Rn. 33, juris). Genau diese rechtlich relevante Bindung ist für den Bauherrn – und nur auf diesen ist nach Sinn und Zweck der Vorbeginnklausel beim vorzeitigen Maßnahmebeginn abzustellen – aber bereits mit Abgabe des für ihn verbindlichen Angebots eingetreten. Unerheblich ist dagegen, wann und ob sich auch der Vertragspartner rechtlich bindet, da der Empfänger bereits mit Abgabe seines verbindlichen Angebots zu erkennen gibt, dass er das Vorhaben – ggf. auch ohne staatliche Zuwendungen – verwirklichen möchte und sich nicht mehr einseitig lösen kann.
Nach dem Sinn und Zweck der Vorbeginnklausel ist demgemäß hinsichtlich der rechtlichen Bindung allein auf den Bauherrn abzustellen und damit schon die rechtsverbindliche Bestellung bzw. Auftragsvergabe erfasst, die der Betreffende nicht mehr einseitig rückgängig machen kann (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 16. April 2018 – W 8 K 18.34 -, Rn. 40, juris).
d) An der rechtlichen Bindung des Klägers ändert auch das schriftlich vereinbarte Sonderkündigungsrecht „Verkauf Altimmobilie“ sowie die angeblich mündlich vereinbarten Sonderkündigungsrechte „Finanzierung“ und „Kauf des zu bebauenden Grundstücks“ nichts.
Denn sowohl das schriftlich vereinbarte Sonderkündigungsrecht „Verkauf Altimmobilie“ sowie die angeblich mündlich vereinbarten Sonderkündigungsrechte „Finanzierung“ und „Kauf des zu bebauenden Grundstücks“ stehen in keinerlei Bezug zu der Gewährung von Fördermitteln nach dem 10.000-Häuser-Programm. Die Nichtgewährung der hier gegenständlichen Förderung stellt keinen Kündigungsgrund im Sinne dieser Sonderkündigungsrechte dar.
Keinem der Sonderkündigungsrechte sowie den vorliegenden Unterlagen kann entnommen werden, dass die Bestellung und/oder der Vertragsschluss in Abhängigkeit von der Gewährung der Förderung geschlossen sein sollte (vgl. SächsOVG, B.v. 12.12.2016 – 1 A 311/15 – juris). Eine auch die Förderung erfassende Einschränkung der verbindlichen Willenserklärung muss, damit das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns nicht praktisch leerläuft, ausdrücklich und eindeutig für den Fall der Nichtgewährung von Fördermittel vereinbart werden und in der Bestellung bereits enthalten sein (NdsOVG, U.v. 13.9.2012 – 8 LB 58/12 – BauR 2013, 640). Dies entsprach auch der gängigen Verwaltungspraxis des Beklagten bei Fertighäusern (vgl. Vollzugshinweise des StMWi, Blatt 116 der Gerichtsakte), wonach eine Einschränkung des verbindlichen Angebots nur dann als förderunschädlich anzuerkennen ist, wenn sie sich ausdrücklich auf die Gewährung von Fördermitteln bezieht und im bindenden Angebot des Antragstellers mit enthalten war.
2. Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid vom 08.02.2016 konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG) vom Beklagten zurückgenommen werden.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Der Kläger hat in seinen am 01.03.2016 elektronisch übermittelten Antrag erklärt, dass zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch kein Auftrag für eine Bauleistung erteilt worden sei (Blatt 3 der Behördenakte) und dass mit dem Vorhaben zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch nicht begonnen worden sei, d.h. es sei bis dahin noch kein Auftrag für bauliche Maßnahmen am Gebäude vergeben worden (Blatt 5 der Behördenakte), obwohl er kurz zuvor am 27.02. die ihn rechtlich bindende Bestellung bei der Firma … GmbH aufgegeben hat. Der Kläger bestätigte bei seiner Antragstellung zudem, dass er die einschlägigen Richtlinien und Merkblätter zur Kenntnis genommen hat (Blatt 5 der Behördenakte).
Vor diesem Hintergrund greift auch Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG. Danach kann sich der Begünstigte auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Kläger bestätigte bei seiner Antragstellung, dass er die einschlägigen Richtlinien und Merkblätter zur Kenntnis genommen hat und dass ihm bekannt sei, dass zu Unrecht – insbesondere aufgrund unzutreffender Angaben oder wegen Nichtbeachtung der geltenden Richtlinien und Bestimmungen der Zuschusszusage – erhaltene Zuschüsse zurückzuzahlen sind (Blatt 5 der Behördenakte).
Selbst wenn man dem Kläger zugutehalten möchte, dass der Maßnahmebeginn zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in der Förderrichtlinie entgegen der Definition im Antragsformular und im Merkblatt A noch „mit Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags“ definiert war, so hätte es dem Kläger bei Zweifeln oblegen, sich vor Antragstellung bei der Bewilligungsbehörde Klarheit zu verschaffen, ob durch die Bestellung bereits ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn vorgelegen hat (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. April 2012 – 4 A 1055/09 -, NVwZ-RR2012, 671, juris, und Beschluss vom 8. Januar 2013 – 4 A 149/12 -; auch: OVG Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2004 – 2 A 680/03 -, Rn. 11, juris). Die Obliegenheit, sich bei Unklarheiten über die konkreten Bedingungen der Auszahlung, der Verwendung und der Abwicklung der Zuwendung bei der zuwendenden Stelle zu informieren, folgt aus der Eigenart des Zuwendungsverhältnisses. Dieses ist dadurch geprägt, dass der Zuwendungsempfänger Steuergelder, die dem haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unterfallen, letztlich für eigene Zwecke ausgibt. Diese besondere Qualität weist ein Zuwendungsverhältnis auch grundsätzlich und unabhängig davon auf, ob es sich bei dem jeweiligen Zuwendungsempfänger ebenfalls um eine öffentliche Stelle handelt oder nicht (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. August 2013 – 12 A 1751/12 -, Rn. 11, juris).
Zudem konnte der Kläger auch als juristischer Laie offensichtlich nicht davon ausgehen, dass er sich noch nicht rechtlich gebunden hatte, obwohl er gleichzeitig Sonderkündigungsrechte vereinbarte. Der Kläger hätte bei Betrachtung des Bestellformulars für das …-Haus vom 27.02.2018 erkennen müssen, dass er damit bereits ein rechtsverbindliches Angebot abgegeben hatte und sich nicht mehr einseitig von dieser Verpflichtung lösen konnte.
3. Der Beklagte hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von seiner Rücknahmemöglichkeit Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen des Beklagten sind jedoch nicht zu beanstanden.
Der Beklagte führt im Rücknahmebescheid vom 02.10.2016 zutreffend aus, dass bei der Entscheidung über die Rücknahme des Zuwendungsbescheids die auf die Durchsetzung des Haushaltsrechts gerichteten öffentlichen Interessen gegen die wirtschaftlichen Interessen des Zuwendungsempfängers abzuwägen seien. Weiterhin führt der Beklagte aus, dass der Kläger als Zuwendungsempfänger gegen die Förderabgaben verstoßen habe, indem er vor der elektronischen Antragstellung mit der geförderten Maßnahme begonnen und ein …-Haus bestellt habe. Diese Voraussetzungen seien dem Kläger bekannt gewesen, sodass sein Interesse am Bestand des Bewilligungsbescheides nicht dem öffentlichen Interesse an einem einheitlichen und rechtmäßigen Vollzug der Förderrichtlinie überwiegen könne. Der Beklagte hebe Zuwendungsbescheide in gleich gelagerten Fällen regelmäßig auf bzw. lehne Förderanträge ab, wenn bereits vorzeitig mit der Maßnahme begonnen wurde. Hierbei werde beim vorzeitigen Maßnahmebeginn bayernweit einheitlich auf die Auftragserteilung abgestellt. Nachdem auch keine besonderen schutzwürdigen Gründe für den Bestand des Zuwendungsbescheides vorliegen, spreche in diesem Fall neben dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch der Grundsatz der Gleichbehandlung sowie das Interesse an einem einheitlichen und rechtmäßigen Vollzug der Förderrichtlinie dafür, den rechtswidrigen Zuwendungsbescheid wieder zurückzunehmen und die fehlgeleiteten Fördermittel förderfähig Maßnahmen zuzuleiten.
Diese vom Beklagten angeführten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit der Verwaltungspraxis des Beklagten. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Zudem ist nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Demnach entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es erfolgt zudem eine Ermessensreduzierung. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. Kopp, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 48 Rn. 127b und 127c). Für einen solch atypischen Ausnahmefall ist, wie der Beklagte ausgeführt hat, aber nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte plausibel darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Haushaltsführung und der Grundsatz der Gleichbehandlung für die Rücknahme sprechen.
Da auch sonst keine Mängel des streitgegenständlichen Bescheides ersichtlich sind, war die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenpflicht der Beigeladenen nach § 154 Abs. 3 VwGO besteht nicht, da sie keinen Antrag gestellt hat. Mangels (erfolgreicher) Antragstellung entsprach es auch nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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