Europarecht

SARS-CoV-2, „Omikron-Variante“, Einreise aus einem Virusvariantengebiet, hier: Südafrika, Quarantäne trotz in Südafrika durchgemachter Infektion

Aktenzeichen  AN 18 E 21.02316

Datum:
30.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43060
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
CoronaEinreiseV § 2, § 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird – sowohl im Hauptantrag gemäß Ziffer I als auch in den hilfsweise gestellten Anträgen gemäß Ziffer III – abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragsteller begehren vorliegend – nach Auslegung der am 29. Dezember 2021 gestellten Haupt- und Hilfsanträge gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO – sinngemäß die vorläufige Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, sich gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 Coronavirus-Einreiseverordnung für 14 Tage ab dem Tag der Einreise abzusondern.
Sämtliche, auch hilfsweise gestellten Anträge, bleiben ohne Erfolg.
1. Der als „Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung“ bezeichnete und gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegende Antrag ist als Antrag nach § 123 VwGO statthaft, da in der Hauptsache eine Feststellungsklage zu erheben wäre. Denn vorliegend geht es entscheidungserheblich um die Frage, ob die Antragsteller aufgrund ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 27. Dezember 2021 aus Südafrika gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 der Verordnung zum Schutz vor einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARSCoV-2 (Coronavirus-Einreiseverordnung – CoronaEinreiseV) vom 28.9.2021 (im Folgenden: CoronaEinreiseV) verpflichtet sind, sich für einen Zeitraum von 14 Tagen ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise abzusondern.
In Abgrenzung zu § 47 Abs. 6 VwGO ist festzustellen, dass die Antragsteller ein Rechtschutzbedürfnis für den gestellten Antrag besitzen: Ersichtlich geht es gerade nicht darum, die Wirksamkeit der oben genannten Normen in Frage zu stellen, sondern vorläufig deren Anwendungsbereich bezogen auf die von den Antragstellern beschriebenen Umstände ihrer Einreise zu definieren und somit eine bestehende Rechtsunsicherheit vorläufig zu lösen.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Satz 2).
2. Richtiger Antragsgegner ist vorliegend weder die Bundesrepublik Deutschland noch der Freistaat Bayern. Da es nicht um den Bestand der hier streitgegenständlichen Norm geht, sondern vielmehr um deren Auslegung und Feststellung ihrer Anwendbarkeit im vorliegenden Einzelfall, und da vorliegend kein Vollzugsakt inmitten steht, sondern die Verpflichtungen aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 CoronaEinreiseV ohne Weiteres bestehen, ist vorliegend für die Bestimmung des richtigen Antragsgegners maßgeblich, wer für den Vollzug der Norm zuständig ist, wer also zur Auslegung über die Reichweite der normierten Verpflichtung im Einzelfall berufen ist.
Gemäß § 65 der Bayer. Zuständigkeitsverordnung (ZuStV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. 184, BayRS 2015-1-1-V), die zuletzt durch § 2 der Verordnung vom 14. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 902) geändert worden ist, sind für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes und des Bayerischen Infektionsschutzgesetzes die Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Kreisverwaltungsbehörde für die in … wohnhaften Antragsteller ist die Stadt …, deren Gesundheitsamt für den Vollzug der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zuständig ist, so dass diese gemäß dem Rechtsträgerprinzip (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) richtige Antragsgegnerin ist. Die Antragsteller haben ihren Antrag nach Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom heutigen Tage entsprechend umgestellt.
3. Das Bestehen eines Anordnungsanspruches wurde vorliegend jedoch nicht glaubhaft gemacht, so dass der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen war.
Die Unbegründetheit ergibt sich zunächst nicht aus dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Vielmehr wäre die begehrte Anordnung im Hinblick auf das grundgesetzlich verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geradezu geboten, wenn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Betroffenen schlechterdings unzumutbar wäre. Insoweit wäre zu Gunsten der Antragsteller zu berücksichtigen, dass eine Entscheidung in der – noch zu erhebenden – Hauptsache vor Ablauf der Absonderungsfrist am 10. Januar 2022 nicht zu erwarten ist. Aufgrund der Schwere und Intensität des hier inmitten stehenden Grundrechtseingriffs für die Antragsteller können diese nicht auf ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache verwiesen werden (vgl. zum Streitstand Buttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, Rn. 102 bis 105 f. – Beck online).
Allerdings sind die Erfolgsaussichten der hier noch nicht anhängigen Hauptsache nach ausreichender, aber auch erforderlicher summarischer Prüfung durch das Gericht (korrelierend zum Erfordernis der Glaubhaftmachung) nicht als hoch anzusehen.
Denn zum einen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV – wohl unstreitig – erfüllt (3.1). Zum anderen erweist sich die daraus ergebende Verpflichtung für die Antragsteller zur 14 tägigen Absonderung auch nicht aufgrund der etwaigen besonderen Umstände des Einzelfalls als unverhältnismäßig (3.2).
3.1 § 4 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinreiseV bestimmt: „Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 10 Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf eigene Kosten für einen Zeitraum nach Abs. 2 abzusondern.“
Die Antragsteller sind nach eigenem Vortrag am 27. Dezember 2021 in die Bundesrepublik Deutschland (wieder) eingereist und haben sich in den letzten 10 Tagen, nämlich vom 6. November bis zu ihrer Einreise, in einem Virusvariantengebiet aufgehalten.
Bei Südafrika handelt es sich um ein sog. Virusvariantengebiet im Sinne der CoronaEinreiseV.
So bestimmt § 2 Nr. 3a CoronaEinreiseV:
„Virusvariantengebiet ein Gebiet im Sinne des § 2 Nummer 17 des Infektionsschutzgesetzes, für das vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat festgestellt wurde, dass in diesem Gebiet eine bestimmte, in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht verbreitete Variante des Coronavirus SARS CoV-2 mit besorgniserregenden Eigenschaften auftritt, bei der relevante Anhaltspunkte dafür vorliegen oder in Bezug auf die noch Ungewissheit besteht, dass
a) bestimmte in der Europäischen Union zugelassene Impfstoffe oder eine vorherige Infektion mit dem Coronavirus SARS CoV-2 keinen oder nur einen eingeschränkten Schutz gegenüber dieser Variante aufweisen oder
b) sie andere ähnlich schwerwiegende besorgniserregende Eigenschaften aufweist, insbesondere, weil sie schwerere Krankheitsverläufe oder eine erhöhte Mortalität verursacht, (…)“.
Südafrika ist seit dem 28. November 2021 vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat als sog. Virusvariantengebiet im Sinne von § 2 Nr. 3a CoronaEinreiseV aufgrund der dortigen Verbreitung der besorgniserregenden Omikron-Variante eingestuft worden (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html, zuletzt abgerufen am 30.12.2021 um 10:20).
Zur Omikron-Variante als besorgniserregende Variante führt das RKI folgendes aus: „Omikron (B.1.1.529): Über diese Variante wurde zuerst am 24.11.2021 vom südafrikanischen Gesundheitsministerium berichtet, sie wurde am 26.11.2021 von der WHO zur VOC erklärt. Phylogenetische Untersuchungen zeigen, dass Omikron unabhängig von der derzeit dominierenden DeltaVariante entstanden ist. Sie besitzt im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von ca. 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein, darunter solche mit bekanntem phänotypischem Einfluss (Erhöhung der Transmission, Immunevasion, Übertragbarkeit), aber auch viele Mutationen, deren Bedeutung unklar ist. Die Variante wurde bereits in verschiedenen Ländern weltweit nachgewiesen und breitet sich rasant aus, darunter auch in Deutschland (siehe hierzu die Informationen in der Übersicht zu Omikron-Fällen in Deutschland und im RKI-Wochenbericht). In einigen Ländern ist Omikron bereits die dominierende Variante.“ (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html, zuletzt abgerufen am 30.12.2021, 10:42 Uhr)
Gegen die Einstufung Südafrikas im Hinblick auf die sog. Omikron-Variante als solche haben die Antragsteller keinerlei Einwendungen vorgebracht. Unerheblich ist insoweit tatbestandlich auch, dass Südafrika im Zeitpunkt der Einreise der Antragsteller dort noch kein Virusvariantengebiet war. Maßgeblich ist insoweit allein der Zeitpunkt der (Wieder-)Einreise nach Deutschland.
Die Rechtsfolge für die Einreise aus einem Virusvariantengebiet ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV: „Für Personen, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 10 Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, beträgt der Zeitraum in Abweichung von Satz 1 14 Tage; (…)“.
Die Antragsteller müssen sich demnach grundsätzlich für 14 Tage nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland absondern, d.h. in dem Zeitraum zwischen dem 28. Dezember 2021 bis zum 10. Januar 2022.
Im vorliegenden Fall besteht zudem keine Möglichkeit zur Verkürzung der 14 tägigen Verpflichtung zur Absonderung („Freitestung“), wie sie gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 CoronaEinreiseV für Geimpfte und Genesene vorgesehen ist: „Die Absonderung endet abweichend von Satz 1 vor dem Ablauf von 10 Tagen für genesene, geimpfte oder getestete Personen, wenn diese den Genesenennachweis, den Impfnachweis oder den Testnachweis nach § 7 Abs. 4 Satz 1 an die zuständige Behörde übermitteln. Im Fall der Übermittlung eines Testnachweises darf die zugrundeliegende Testung frühestens fünf Tage nach der Einreise erfolgt sein; bei Personen, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, endet die Absonderung fünf Tage nach der Einreise. Die Absonderung nach Abs. 1 Satz 1 wird für die Dauer, die zur Durchführung eines Tests erforderlich ist, ausgesetzt.“
Insoweit setzt § 4 Abs. 2 Satz 5, 2. Halbsatz Nr. 1 und 2 CoronaEinreiseV für die Einreise aus einem Virusvariantengebiet einschränkend voraus, dass:
„1. das betroffene Virusvariantengebiet nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und vor Ablauf der 14 Tage als Hochrisikogebiet eingestuft wird oder
2. die einreisende Person vollständig mit einem Impfstoff gegen das Coronavirus SARS CoV-2 geimpft ist, für den das Robert Koch-Institut festgestellt und auf seiner Internetseite ausdrücklich unter Bezug auf diese Vorschrift bekanntgemacht hat, dass dieser Impfstoff gegen die Variante hinreichend wirksam ist, derentwegen die Einstufung als Virusvariantengebiet erfolgt ist.“
Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt: Jedenfalls bis zum Zeitpunkt der heutigen gerichtlichen Entscheidung ist keine Einstufung Südafrikas von einem Virusvariantengebiet zu einem Hochrisikogebiet gemäß § 4 Abs. 2 Satz 5 2. Halbsatz Nr. 1 CoronaEinreiseV und keine Feststellung und Bekanntmachung des Robert-Koch-Instituts dahingehend erfolgt, dass der Impfstoff, mit dem die Antragsteller geimpft worden sind, gegen die Omikron-Variante hinreichend wirksam ist (§ 4 Abs. 2 Satz 5 2 Halbsatz Nr. 2 CoronaEinreiseV).
Vielmehr findet sich auf der Homepage des RKI folgende Feststellung: „Es besteht aktuell keine Feststellung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV durch das RKI, dass ein bestimmter Impfstoff gegen die Virusvariante hinreichend wirksam wäre, die zur Einstufung des Gebiets als Virusvariantengebiet geführt hat. Eine Ausnahme von der Quarantänepflicht für vollständig geimpfte Personen nach Voraufenthalt in einem Virusvariantengebiet besteht demnach nicht.“
(https://www…de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html, zuletzt abgerufen am 30.12.2021, 10:30 Uhr)
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 6 CoronaEinreiseV sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3.2 Die demgemäß grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV bestehende Verpflichtung der Antragsteller zur 14-tägigen Absonderung aufgrund ihrer Einreise aus einem Virusvariantengebiet erweist darüber hinaus nicht als unverhältnismäßig. Dies könnte nach Auffassung der erkennenden Kammer nur dann der Fall sein, wenn der mit § 4 CoronaEinreiseV beabsichtigte Zweck bereits erfüllt wäre bzw. durch die streitgegenständliche Verpflichtung zur Absonderung nicht mehr erfüllt werden könnte. Dann wäre die Absonderung der Antragsteller zur Erreichung des mit der CoronaEinreiseV erfolgten Zwecks nicht geeignet, so dass diese sich als unverhältnismäßig darstellen würde. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
So bestimmt § 1 CoronaEinreiseV den Zweck der Verordnung wie folgt: „Zweck dieser Verordnung ist es, im Rahmen der Einreise von Personen in die Bundesrepublik Deutschland Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und insbesondere mit besorgniserregenden Virusvarianten des Coronavirus SARS-CoV-2 frühzeitig zu verhindern, um seine Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern“.
Eine vorherige Zweckerreichung könnte man erwägen, wenn die Antragsteller glaubhaft gemacht hätten, in Südafrika an der Omikron-Variante erkrankt gewesen zu sein und mit hier verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit aufgrund dessen ausgeschlossen werden könnte, dass die besorgniserregende Omikron-Variante durch die Einreise der Antragsteller in Deutschland weiterverbreitet werden könnte. Dies ist jedoch – auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags der Antragsteller durch Schriftsatz vom heutigen Tage – nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.
Zwar behaupten die Antragsteller, in Südafrika an der Omikron-Variante erkrankt gewesen zu sein. Dies wird durch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten positiven Testnachweise vom 8. Dezember 2021 (Bl. 10 und 13 der Gerichtsakte) jedoch nicht bestätigt, da es sich dabei augenscheinlich nicht um variantenspezifische PCR-Tests handelt bzw. eine etwaige variantenspezifische Testung darin nicht zum Ausdruck kommt.
Es besteht zwar durchaus die Möglichkeit, dass sich die Antragsteller in Südafrika mit der Omikron-Variante angesteckt haben, weil beide mit Reiseantritt zweifach geimpft waren und die Omikron-Variante in Südafrika wohl bereits vorherrschend ist. Dem Vortrag der Antragsteller, die Tatsache, dass es sich bei ihnen um einen Impfdurchbruch gehandelt habe, spreche maßgeblich für die Omikron-Variante, ist entgegenzuhalten, dass es auch bei anderen Varianten zu Impfdurchbrüchen kommen kann, zum Beispiel bei der in Deutschland noch vorherrschenden Delta-Variante. Das RKI führt insoweit aus: „Das living systematic review der STIKOGeschäftsstelle zeigt, dass die Effektivität der COVID-19-Impfstoffy Comirnaty, Spikevax und Vaxzevria gegen jegliche Infektion für die Delta-Variante um 10-20 Prozentpunkte unter der Effektivität gegen die Alpha-Variante liegt. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass die Effektivität gegen Delta bezüglicher jeglicher Infektion schneller abnimmt als die Effektivität gegenüber anderen Varianten.“ (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVIDImpfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit.html, zuletzt abgerufen am 30.12.2021, 12:00 Uhr).
Das Gericht hält daher die Tatsache, dass die Antragsteller bei ihrem Aufenthalt in Südafrika an der Omikron-Variante erkrankt gewesen sind, für nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Ausführungen der Antragsteller, die Tochter, die noch nicht geimpft gewesen sein kann, sei unmittelbar vor ihnen erkrankt, führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Letztlich bleiben auch die Aussagen der Ärztin gegenüber den Antragstellern Spekulation, weil kein variantenspezifischer PCR-Test durchgeführt bzw. kein die Omikron-Variante nachweisender Testnachweis vorgelegt wurde.
Aus diesem Grund ist gerade nicht ausgeschlossen, dass die Antragsteller an einer anderen als der Omikron-Variante erkrankt waren und die Omikron-Variante nach Deutschland eintragen und weiterverbreiten können, sofern sie sich nicht für 14 Tage absondern würden.
Selbst wenn die Antragsteller jedoch tatsächlich an der Omikron-Variante erkrankt gewesen wären, kann eine Weiterverbreitung der Omikron-Variante durch die Einreise der Antragsteller nach Deutschland nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Hier ist zum einen die Einschätzung des Verordnungsgebers, welche auf den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts basiert, zu berücksichtigen: Im Rahmen der CoronaEinreiseV wird bei den Genesenen gerade nicht danach unterschieden, an welcher Variante sie erkrankt waren. Vielmehr gilt für sämtliche Genesene grundsätzlich eine Absonderungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV. Die Antragsgegnerin hat insoweit zudem zu Recht eingewandt, dass die Antragsteller gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV noch nicht dem Genesenenstatus unterfallen, weil die dort normierte Frist von 28 Tagen nach dem positiven PCR-Testnachweis, welcher vom 8. Dezember 2021 stammt, am Tag der heutigen gerichtlichen Entscheidung noch nicht eingehalten ist.
Zum anderen ist der Eintrag der Omikron-Variante nach Deutschland durch die Antragsteller nicht auszuschließen, weil auch eine erneute Infektion (Reinfektion) mit der Omikron-Variante – zum Beispiel im Flugzeug auf der Rückreise – denkbar ist und nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Das Robert Koch-Institut führt insoweit vielmehr aus: „Erneute Infektionen, bei denen unterschiedliche Virusvarianten nachweisbar waren, werden selten berichtet (225-230). Eine solche Konstellation spricht – in Abgrenzung zu einer länger anhaltenden PCR-Positivität nach Infektion – für eine Reinfektion. Die Definition einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 des RKI ist abrufbar unter www.rki.de/covid-19-meldepflicht. Da Reinfektionen bei endemischen Coronaviren (HCoV) vorkommen und die HCoV-Immunität mit der Zeit abnimmt, ist denkbar, dass – möglicherweise unbemerkt – auch Reinfektionen mit SARS-CoV-2 nicht ungewöhnlich sind (231, 232). Untersuchungen an Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst ergaben, dass Antikörper nach überstandener SARS-CoV-2 Infektion über mehrere Monate nachweisbar sind und Reinfektionen selten auftreten. Reinfizierte wiesen aber hohe Virusmengen im Nase-Rachenbereich auf und könnten SARS-CoV-2 somit potenziell übertragen, was die Bedeutung und konsequente Einhaltung der Schutzmaßnahmen unterstreicht (233).“ (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; jsessionid=7C8 492112038EB78872E381E2343573D.internet111?nn=13490888#doc13776792bodyText18, Ziffer 18, zuletzt abgerufen am 30.12.2021, 11:40 Uhr)
Dieser Aspekt kann jedoch – zumal im hier zu entscheidenden Eilverfahren mit seinem rein summarischen Prüfungsmaßstab – nicht abschließend geklärt werden. Die daher zu erfolgende Interessenabwägung fällt angesichts der besorgniserregenden Omikron-Variante und aufgrund des legitimen Verordnungszwecks, deren Ausbreitung in Deutschland zu verhindern, jedenfalls zu Lasten der Antragsteller aus.
4. Die beiden hilfsweise gestellten Anträge können dem Antragsbegehren der Antragsteller ebenfalls nicht weiterhelfen. Denn die Verpflichtung der Antragsteller, sich für 14 Tage nach der Einreise abzusondern, ergibt sich bereits aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 CoronaEinreiseV und bedarf keines Umsetzungsaktes mehr. Weder aus der E-Mail des Gesundheitsamts der Antragsgegnerin noch aus dem mündlichen Hinweis der Bundespolizei ergibt sich eine weitergehende – hierjustiziable – Verpflichtung der Antragsteller.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Ziffer 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, welche die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Da ein Fall der subjektiven Antragshäufung vorliegt, wurden die Werte der einzelnen Anträge addiert (vgl. Ziffer 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Die unter Ziffer III gestellten „Hilfsanträge“ wirken sich nicht streitwerterhöhend aus, weil diese keinen weiteren Streitgegenstand beinhalten, sondern das Begehren der Antragsteller, wie es sich aus dem Hauptantrag ergibt, lediglich auf einer – hilfsweisen – weiteren juristischen Grundlage formulieren.


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