Europarecht

Schadensersatz, Berufung, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Kaufpreis, Revision, Sittenwidrigkeit, Annahmeverzug, Software, PKW, Darlegungslast, Beweislast, Auslegung, Kommission, konkrete Anhaltspunkte, Darlegungs und Beweislast, konkrete Gefahr

Aktenzeichen  1 U 368/19

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51271
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

23 O 383/19 2019-10-14 Endurteil LGBAYREUTH LG Bayreuth

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 14.10.2019 (Az: 23 O 383/19) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Fahrzeugkauf geltend.
Der Kläger erwarb im November 2016 von der Fa. Z. GmbH in … einen gebrauchten PKW A. zum Preis von 24.960,00 €. Der Kaufpreis wurde teilweise darlehensfinanziert. In dem PKW ist der von der Beklagten entwickelte und hergestellte Dieselmotor des Typs EA 288 verbaut.
Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei vom sog. Abgasskandal betroffen. Der Motor EA 288 sei ebenso wie der Motor EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der sog. Umschaltlogik versehen. Darüber hinaus sei das Fahrzeug mit einem unzulässigen Thermofenster ausgestattet. Außerdem habe die Beklagte den Kläger über weitere im Fahrzeug befindliche Abschalteinrichtungen, insbesondere das On-Board-Diagnosesystem (OBD), die Lenkwinkelerkennung, die Temperaturerkennung und die Zeiterfassung getäuscht.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte hafte ihm auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Fahrzeug sei von der Beklagten bewusst und willentlich unter Verschweigen der den Organen der Beklagten bekannten gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung in den Verkehr gebracht worden und drohe mangels Erfüllung der Vorschriften über die EG-Typengenehmigung stillgelegt zu werden.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger erstinstanzlich klageweise die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zahlung von Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übergabe des erworbenen Fahrzeugs unter Anrechnung einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km geltend gemacht, ferner die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, dass es sich bei dem Fahrzeug des Klägers um ein solches handele, das vom Abgasskandal betroffen sei und darauf hingewiesen, dass in dem Fahrzeug nicht der Motor EA 189 verbaut sei, sondern der mit diesem nicht identische Motor EA 288, der nicht die gleiche Software enthalte wie der Motor EA 189. Das Fahrzeug weise keine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Das Kraftfahrbundesamt (KBA) habe den streitgegenständlichen Motor im Hinblick auf die bei den EA 189-Fahrzeugen monierte Umschaltlogik überprüft und festgestellt, dass keine unzulässige Umschaltlogik zum Einsatz komme. Weitere unzulässige Abschalteinrichtungen seien in dem Fahrzeug nicht verbaut. Die Beklagte hat darüber hinaus die Angaben zum Vorsatz der Organe der Beklagten bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, die Voraussetzungen für eine allein in Betracht kommende deliktische Haftung der Beklagten seien vom Kläger nicht mit Substanz dargetan. Der Kläger habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass das Fahrzeug des Klägers mit dem Motor EA 288 wie Fahrzeuge mit dem Vorgängermotor EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet sei. Bei der diesbezüglich vom Kläger angestrebten Beweisaufnahme würde es sich um eine unzulässige Ausforschung handeln. Auch bezüglich des erforderlichen Täuschung- und Schädigungsvorsatzes der Organe des Herstellers fehle es an einem schlüssigen Vortrag des Klägers. Der Kläger könne auch nicht geltend machen, dass das in der Motorsteuerung unstreitig befindliche Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, über die die Beklagte ihn als Käufer getäuscht habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt.
Er trägt vor, das Landgericht habe verkannt, dass nicht das KBA darüber zu befinden habe, ob illegale Abschalteinrichtungen verbaut seien, sondern es Aufgabe des Gerichts sei, eigenständige Tatsachenfeststellungen zu treffen und die Subsumtion unter die maßgeblichen europäischen Vorschriften vorzunehmen. Das Landgericht hätte den klägerseits angebotenen Beweis dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit mindestens einer von der Beklagten entwickelten Abschalteinrichtung versehen worden sei, um die zulässigen Abgaswerte zu erreichen, durch Erholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen.
Der Kläger wiederholt seine Behauptung, ebenso wie die Motoren der Baureihe EA 189 verfüge auch der Motor im Fahrzeug des Klägers aus der Baureihe EA 288 über eine Umschaltlogik, die erkenne, wann das Fahrzeug im Prüfstandsmodus sei und dann einen besonderen Modus aktiviere, bei dem weit niedrigere Abgaswerte gemessen würden, als im normalen Betrieb des Fahrzeugs auf der Straße. Darüber hinaus verfüge das Fahrzeug des Klägers über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 in Form eines Thermofensters, bei dem die Beklagte in das On-Board-Diagnosesystem (OBD) eingegriffen, damit dieses keine Fehlermeldung bei der unzureichenden Abgasreinigung außerhalb des vorprogrammierten Temperaturfensters anzeige. Darüber hinaus handele es sich bei der im Fahrzeug verbauten Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung und Zeiterfassung um weitere unzulässige Abschaltvorrichtungen. Der Kläger ist der Auffassung, insoweit seiner Substantiierungslast genügt zu haben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bayreuth, Az.: 23 O 383/19, verkündet am 14.10.2019 und zugestellt am 21.10.2019 abzuändern und wie folgt zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 26.647,68 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 27.11.2016 bis 18.06.2019 und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke A. mit der Fahrgestell-Nr. … zu zahlen.
1. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 19.06.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2019 zu zahlen Hilfsweise
3. Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bayreuth, Az.: 23 O 383/19, vom 14.10.2019 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Hilfsweise
4. Die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der Berufungsbegründung mit den dort enthaltenen Angriffen mangele es an einer eingehenden und individuellen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil.
Darüber hinaus sei die Berufung unbegründet. Das Landgericht habe etwaige Ansprüche der Klagepartei zutreffend und rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Sachvortrag des Klägers beziehe sich weiterhin nahezu ausschließlich auf den Motor EA 189, ein Bezug zum Motor EA 288 werde nicht hergestellt. Die Beklagte bestreitet weiterhin das Vorhandensein einer unerlaubten Abschalteinrichtung bei streitgegenständlichen Motor, weshalb auch ein Rückruf des KBA betreffend die Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 288 nicht erfolgt sei. Auch das Verkehrsministerium hätte ausdrücklich bestätigt, dass bei den Fahrzeugen mit dem Motor EA 288 die von den Motoren der Baureihe EA 189 bekannte Abschalteinrichtung nicht zum Einsatz komme. Ein Thermofenster sei keine unzulässige Abschalteinrichtung. Außerdem fehle es für einen Anspruch aus § 826 BGB, §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB am subjektiven Tatbestand.
1. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die Sitzungsniederschrift vom 10.09.2020 Bezug genommen. Die Berufung ist als zulässig anzusehen, da sie den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO noch genügt. Trotz ersichtlicher Verwendung von Textbausteinen aus Schadensersatzverfahren betreffend mit dem Motor EA 189 ausgestattete Fahrzeuge der Beklagten ist sie hinreichend auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten ist und lässt erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 520 Rdnr. 35).
2. Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet.
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer deliktischen Haftung der Beklagten sind, wie schon vom Erstgericht zutreffend angenommen, von der Klagepartei nach wie vor nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Weder die Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung wie bei den EA 189-Motoren ausgestattet, noch die Behauptung, das Fahrzeug enthalte ein unzulässiges „Thermofenster“, sind mit greifbaren Umständen unterlegt. Auch betreffend die weiteren behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen in Form des OBD-Systems, der Lenkwinkelerkennung und der Zeiterfassung fehlt es an hinreichender, über die bloße Behauptung hinausgehender Substanz. Eine Beweisaufnahme zu diesen Behauptungen hätte, wie bereits das Landgericht zu Recht angenommen hat, zu einer bloßen Ausforschung von nicht mehr als spekulativ in den Raum gestellten Behauptungen geführt und hatte daher zu unterbleiben.
a) Zwar ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich – wie hier der Kläger – nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19, Rdnr. 8). Gleichwohl ist von dem Kläger zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf. Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung sind jedenfalls nicht erst dann gegeben, wenn das Kraftfahrtbundesamt (KBA) eine Rückrufaktion angeordnet hat (BGH a.a.O., Rdnr. 10, 13).
b) Auch bei eingehender Auseinandersetzung mit dem klägerischen Sachvortrag unter Beachtung dieser vom BGH aufgestellten Maßstäbe verbleibt es bei der Bewertung, dass der Klägervortrag konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug eine Abschalteinrichtung aufweist, die mit derjenigen des Motors EA 189 identisch ist bzw. dieser entspricht, nicht aufzeigt und diese auch sonst nicht ersichtlich sind.
aa) Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass auch Fahrzeuge der Beklagten mit dem Nachfolgemotor EA 288 mit einer unzulässigen Umschaltlogik ausgestattet sind, die auf dem Prüfstand andere Werte liefert als im realen Betrieb auf der Straße, hat der Kläger im Verfahren nicht vorgetragen.
(1) Soweit sich der Kläger insoweit auf ein Schreiben der X. AG an das KBA vom 29.12.2015 (Blatt 18-20 d.A. und Berufungsbegründung Seite 9 ff.) stützt, geht aus diesem hervor, dass die in den Motorsteuerungsgeräten (MSG) hinterlegte Fahrkurve, mit welcher die Optimierung der NOx-Emissionen bei dem bezeichneten Aggregat vorgenommen wurde, zwar auch in dem Nachfolgeaggregat EA 288 enthalten ist, „hier aber nicht zu einer Optimierung der NOxEmissionen im Prüfstandsbetrieb eingesetzt wurde“. Die Behauptung, auch in dem Motor der Baureihe EA 288 sei eine Umschaltlogik eingebaut, wird durch das vorgelegte Schreiben damit nicht gestützt. Aus dem Schreiben ergibt sich im Gegenteil, dass bei Fahrzeugen mit EA 288 Motor in der Motorsteuerungssoftware keine Optimierung der Emissionen im Prüfstandsbetrieb vorgenommen wurde.
(2) Der Kläger trägt weiter vor, bei allen EA 189-Fahrzeugen sei die sog. „Akustikfunktion“ (= Prüfstandsmodus) auch auf die EA 288 Fahrzeuge übertragen worden (Klageschrift Seite 8 und Berufungsbegründung Seite 12 ff.). Der Kläger beruft sich insoweit auf die auch das streitgegenständliche Fahrzeug erfassenden Anlagen K 3 und K 4, in denen beschrieben werde, welche Umschaltstrategien die Beklagte beim EA 288 Motor implementiert habe (Anlagen K 3 und K 4, entsprechend Seite 13 ff. der Berufungsbegründung). Der Kläger beruft sich insbesondere auf die „Applikationsanweisung Diesel, Fahrkurven EA 288 NSK“, in der ausgeführt wird:
„Anwendungsbeschreibung:
NSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven zur Erkennung des Precon und des NEFZ um die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOx-/DESOx-Events) nur streckengesteuert zu platzieren. Im normalen Fahrbetrieb strecken- und beladungsgesteuerte Platzierung der Events; Beladungssteuerung als führende Größe“.
Hieraus meint der Kläger ableiten zu können, dass auch Fahrzeuge mit einem Motor der Baureihe EA 288 mit einer Manipulationssoftware ausgerüstet seien, die auf dem Prüfstand andere Abgaswerte messe als im realen Betrieb auf der Straße. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der zitierten Passage der Anwendungsbeschreibung indes nicht. Die zitierte Applikationsanweisung enthält lediglich Anweisungen bezüglich der Durchführung der Fahrzyklen Precon und NEFZ. Bezüglich des Vorhandenseins einer Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware hat die zitierte Passage keine Aussagekraft. Dies gilt auch für die Anlagen K 3 und K 4 im Übrigen. Aus diesen Unterlagen ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei Fahrzeugen mit einem EA 288 Motor die Abgasreinigung im Prüfmodus auf dem Rollenprüfstand anders arbeitet als auf im realen Betrieb auf der Straße.
(3) Der von der Berufung herangezogene Aufsatz mit dem Titel „How they did it“ betrifft die vom Abgasskandal betroffenen Motoren des Typs EA 189. Mit den Nachfolgemotoren des Typs EA 288 befasst sich der Aufsatz hingegen nicht. Es ergeben sich mithin auch hieraus keine Anhaltspunkte dafür, dass in Fahrzeugen mit einem Motor des Typs EA 288 eine illegale Umschaltlogik enthalten ist.
(4) Ein Zusammenhang zwischen den Ausführungen auf Seiten 22-31 der Berufungsbegründung, die die Entwicklung des Dieselskandals in Bezug auf den Motor EA 189 schildern, und dem Motor der Baureihe EA 288 ist nicht zu erkennen. Die Schilderung der Entwicklung des Dieselskandals lässt keinen Bezug zu Manipulationen in Bezug auf den Motor der Baureihe EA 288 erkennen. Die Vernehmung der hierzu benannten Zeugen (Blatt 25-27 der Berufungsbegründung) war entbehrlich, da der unter Beweis gestellte Sachvortrag als hier nicht entscheidungserheblich als wahr unterstellt werden kann, nachdem nicht ausgeführt ist, inwieweit der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers für Motoren der Generation EA 288 von Bedeutung sein sollte. Der gesamte unter Beweis gestellte Sachvortrag betrifft den Motor EA 189.
(5) Dem Antrag auf Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Az. 411 Js 49032/15 und 411 Js 46675/15 war nicht nachzukommen, denn es ist nicht dargetan, inwieweit die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig für das vorliegende Verfahren von Bedeutung sein könnten. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen betrafen gerichtsbekannt den Motor der Baureihe EA 189. Dass auch die Motoren der Nachfolgegeneration EA 288 Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind, wurde nicht vorgetragen. Aus den Ausführungen auf Seite 30 der Berufungsbegründung ergibt sich vielmehr, dass die Klagepartei aus den Ermittlungsakten erst Erkenntnisse für einen weiteren Sachvortrag gewinnen will. Dass auch Motoren der Generation EA 288 Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen sind, wurde klägerseits nicht behauptet.
(6) In der Berufungsbegründung wird weiter behauptet, dass das Fahrzeug des Klägers bis zum 20-fachen des der EG-Übereinstimmungsbescheinigung zugrunde liegenden Wertes emittiere, nämlich bis zu 1.000 mg/kn NOx. Der Kläger hat dies unter Beweis gestellt durch Erholung eines Sachverständigengutachtens (Seite 30 der Berufungsbegründung). Das zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachten war gleichwohl nicht zu erholen, weil es darauf für die Entscheidung nicht ankommt. Aus einer Überschreitung der Grenzwerte auf der Straße, die der Kläger behauptet, folgt noch nicht das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik. Es ist gerichtsbekannt, dass Emissionswerte branchenweit im normalen Fahrbetrieb höher sind als unter Prüfbedingungen, insbesondere im NEFZ – Prüfzyklus. Für die Frage des Vorhandenseins einer Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware hat dieser Umstand keine Aussagekraft.
(7) Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Bamberg vom 10.09.2020 hat der Kläger keine substantiellen Anhaltspunkte für die behauptete Abschalteinrichtung vorgebracht. Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Senat erklärt, dass er sich bei dem Autokauf betrogen fühle, weil es offensichtlich sei, dass der Motor nicht das hergebe, was er verspreche. Es könne ja sein, dass beim Motor geschummelt wurde und er das Fahrzeug von heute auf morgen nicht mehr fahren dürfe. Der Kläger meint, er sehe diese Gefahr immer noch. Darauf gekommen sei er, weil es ja offensichtlich sei, dass beim Motor geschummelt worden sei (Seite 2 und 3 des Protokolls). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sein Fahrzeug vom xx-Abgasskandal betroffen ist, obwohl darin ein anderer Motor verbaut ist als bei den vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger vermutet lediglich, dass das der Fall sei.
Nach alledem erweist sich Betroffenheit des klägerischen Fahrzeugs vom Dieselskandal bei allem schriftsätzlichen Volumen als bloße Vermutung ohne Tatsachengrundlage (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2019, 3 U 416/19)
bb) Zudem sind auch die subjektiven Haftungsvoraussetzungen nicht dargelegt. Der Kläger hat jedenfalls ein vorsätzliches Handeln der Beklagten nicht offengelegt. Sofern die Klagepartei zur Behauptung der unzulässigen Abschalteinrichtung auf den von den EA 189-Motoren bekannten Sachverhalt verweist, genügt dies nicht zur Darlegung des Vorsatzes der Beklagten, denn es handelt sich dabei um eine andere Motorenbaureihe. Die Ausführungen des Klägers beziehen sich auf die Baureihe der EA 189-Motoren und sind nicht ohne weiteres auf die Nachfolgemotoren der EA 288-Generation übertragbar. Da die Klagepartei bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung auch bei den Motoren der Baureihe EA 288 vorbringt, konnte sie auch keine substantiellen Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Beklagten behaupten.
cc) Der Vortrag der Klagepartei führt auch nicht zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu den technischen Gegebenheiten der mit dem Motor EA 288 ausgestatteten Fahrzeuge. Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der sich auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB beruft, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 284 Rdnr. 34). Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass der darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die gegnerische Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt oder es ihr zuzumuten ist, nähere Angaben zu machen. Die Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten sind hier nicht erfüllt. Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der unstreitige oder zu beweisende Vortrag des Beweispflichtigen greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Zöller, a.a.O mwN aus der Rechtsprechung). Daran fehlt es hier. Der Sachvortrag des Klägers erschöpft sich in der Behauptung, dass auch in der Motorsteuerung der Baureihe EA 288 eine Umschaltlogik enthalten sei. Konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung hat der Kläger nicht geliefert. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
bb) Auch die Behauptung der Klagepartei, das Fahrzeug sei mit einem als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehenden sog. Thermofenster ausgestattet, begründet keinen Anspruch aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB gegen die Beklagte, denn es fehlt jedenfalls an der hinreichenden Begründung eines entsprechenden sittenwidrigen Verhaltens bzw. subjektiven Tatbestands.
(1) Objektiv sittenwidrig ist nach der Rechtsprechung ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383, Rn. 9; Teilversäumnis- und Endurteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, Rn. 16). Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. Insbesondere die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten ist im Grundsatz auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1987 ‒ II ZR 9/87, NJW 1988, 700). Hinzutreten muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 13.12.2011 – XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800, Rn. 28; Urteil vom 03.12.2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380; vgl. insgesamt Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 826, Rn. 4 m.w.N.).
(2) Bei einer „Schummelsoftware“ in Form einer Umschaltlogik, wie sie beim vom Kläger in Bezug genommenen xx-Motor EA 189 verwendet wurde, ist unschwer von Sittenwidrigkeit in objektiver wie in subjektiver Hinsicht auszugehen. Der Hersteller hat dort in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich die Kunden getäuscht. Er hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung seines Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als Sittenverstoß zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).
(3) Anders stellt sich die Lage demgegenüber bei der Verwendung eines Thermofensters dar. Eine Sittenwidrigkeit kommt hier nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019 – 3 U 148/18, juris Rn. 6). Das ist jedoch nicht der Fall.
Bei Abschalteinrichtungen, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand, und bei denen Gesichtspunkte des Motorrespektive des Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft angeführt werden können, kann bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden bzw. Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt haben, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Vielmehr muss in dieser Situation, selbst wenn hinsichtlich des Thermofensters von einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen sein sollte, eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019 – 3 U 148/18, juris Rn. 6). Umstände, die das in Frage stellen würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Hat die Beklagte aber die Rechtslage fahrlässig verkannt, dann fehlt es sowohl am erforderlichen Schädigungsvorsatz als auch an dem für die Sittenwidrigkeit in subjektiver Hinsicht erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 826, Rn. 8) wie der Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände. Dass auf Seiten der Beklagten das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben vorhanden war, ist weder dargetan noch ersichtlich.
Dass die Gesetzeslage an dieser Stelle nicht unzweifelhaft und eindeutig ist, zeigt neben der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 2007/715/EG auch der Umstand, dass sich das Kraftfahrt-Bundesamt wie auch das Bundesverkehrsministerium (BMVI) offenbar bislang nicht von der Unzulässigkeit des behaupteten sogenannten „Thermofensters“ im streitgegenständlichen Fahrzeug haben überzeugen können und ein Rückruf sämtlicher betroffener Fahrzeuge behördlich bis heute gerade nicht angeordnet worden ist. Insbesondere ist ein verbindlicher behördlicher Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeuges unstreitig bis heute nicht erfolgt.
Nach der Einschätzung der vom BMVI eingesetzten Untersuchungskommission X. liegt ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 715/2007/EG ausdrücklich (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission X., Stand April 2016, S. 123):
„Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“
Aus Sicht der Untersuchungskommission bedarf es der weiteren Untersuchung durch die Aufsichtsbehörden im Einzelfall, die für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bisher offenbar nicht zur Feststellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und zu einem Rückruf geführt hat.
Schließlich zeigt auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben ist, gegen welche die Beklagte bewusst verstoßen hätte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019 – 3 U 148/18, juris Rn. 6).
Eine Auslegung, wonach ein „Thermofenster“ eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, ist daher jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden. Damit verstößt die Verwendung eines Thermofensters von vorneherein nicht gegen „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“: Denn selbst unterstellt, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, weil es andere technische Möglichkeiten gegeben hätte, die Stickoxid-Emissionen gering zu halten, und dies die Ausnahmeregelung nach Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausschließt, könnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hätte. Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet, von den Zulassungsbehörden anerkannt und selbst noch im Untersuchungsbericht als offenbar zulässig und sinnvoll angesehen worden (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. September 2020 – 8 U 201/20 -, Rn. 28, juris; OLG Dresden Urt. v. 16.7.2019 – 9 U 567/19, BeckRS 2019, 23150 Rn. 18, 19, beckonline; ähnlich OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, BeckRS 2019, 30856: zum Daimler-Motor OM 651; OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 – 12 U 246/19, BeckRS 2019, 25135 zum Daimler-Motor OM 642; OLG Köln, Beschluss vom 4.7.2019 – 3 U 148/18, BeckRS 2019, 15640: zu OM 651; OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.9.2019 – 12 U 123/18, BeckRS 2019, 23793; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.7.2019 – 10 U 134/19, WM 2019, 1704 = BeckRS 2019, 17247 zu OM 651).
Auch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten ließe sich insoweit nicht feststellen, da es hierzu bereits an ausreichendem Vortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten fehlt. Der erforderliche Schädigungsvorsatz im Rahmen von § 826 BGB, der getrennt von der Sittenwidrigkeit – auch von deren subjektiver Seite – festzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1966 ‒ VI ZR 1/65, WM 1966, 1148; Urteil vom 28.06.1966 – VI ZR 287/64, WM 1966, 1150), bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird.
Fahrlässigkeit, auch grobe, genügt nicht (BGH, Urteil vom 06.06.1962 ‒ V ZR 125/60, NJW 1962, 1766; Teilversäumnis- und Endurteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, Rn. 25: Eine Schädigung ist erkennbar und drängt sich auf!). Der Vorsatz muss sich auf den Schaden erstrecken, eine nur allgemeine Vorstellung über eine etwa mögliche Schädigung genügt nicht (BGH, Urteil vom 24.04.2001 ‒ VI ZR 36/00, NJW 2001, 2880). Andererseits ist Schädigungsabsicht nicht erforderlich. Es genügt, dass der Schädiger den Schadenseintritt vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550, Rn. 32; Teilversäumnis- und Endurteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, Rn. 26; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 826, Rn. 10 f.). Maßgeblich ist dabei nicht der heutige Meinungsstand oder die heutige Rechtsprechung einzelner Spruchkörper der Gerichte, sondern der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs durch die Beklagte.
Bei Verwendung einer Umschaltlogik liegt der Schädigungsvorsatz auf der Hand, da durch das Inverkehrbringen der Hersteller konkludent erklärt, dass das Fahrzeug den geltenden Rechtsvorschriften entspricht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 ‒ 13 U 142/18, juris Rn. 9 ff.). Dass eine Umschaltlogik gesetzeswidrig ist, sie aber nach ihrer Entwicklung trotzdem bei den entsprechenden Fahrzeugen zum Einsatz kommen würde, die in den Verkehr gebracht werden, ist den handelnden Personen zwangsläufig bewusst. Eine Schädigung der Käufer nehmen sie jedenfalls billigend in Kauf.
Demgegenüber kann hinsichtlich eines Thermofensters wie dargelegt nicht davon ausgegangen werden, dass auf Seiten der Beklagten bewusst eine – unterstellt – objektiv unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wurde. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist allenfalls von einer fahrlässigen Verkennung der Rechtslage auszugehen. Dann fehlt es aber am notwendigen Schädigungsvorsatz, da dieser das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben erfordert (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019 – 3 U 148/18, Juris Rn. 6; LG Karlsruhe, Urteil vom 18.04.2019 – 11 O 120/18, juris Rn. 57).
Die Frage, ob das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers ein Thermofenster enthält und ob es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der zitierten EU-Verordnung handelt, kann daher dahinstehen. Für einen Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung fehlt es jedenfalls am erforderlichen subjektiven Tatbestand. Aus diesen Gründen scheidet auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB aus, denn auch dieser setzt einen Schädigungsvorsatz voraus.
cc) Auch der klägerische Sachvortrag zu behaupteten weiteren Manipulationsvorrichtungen vermag der Klage und damit der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
(1) Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe in das On-Board-Diagnosesystem (OBD) eingegriffen, damit dieses keine Fehlermeldung bei der unzureichenden Abgasreinigung außerhalb des vorprogrammierten Temperaturfensters anzeige, und die Schlussfolgerung, dies sei aus Sicht der Beklagten nicht erforderlich, wenn sie von der Zulässigkeit des Thermofensters überzeugt gewesen wäre, beruht auf der Prämisse, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige, zum alleinigen Zweck der Abgasmanipulation mit sittenwidriger Zielrichtung eingebaute Abschalteinrichtung handelt. Hiervon ist, wie oben dargelegt, jedoch nicht ohne weiteres auszugehen.
(2) Die behauptete Lenkwinkelerkennung gibt es gerichtsbekannt bei zwei Audi-Modellen. Diese erkennen am Lenkwinkel, wenn sie auf einem Prüfstand stehen, wobei die Abgasreinigung voll aktiviert wird, während die Wagen im Straßenbetrieb mehr Schadstoffe ausstoßen. Das KBA stufte dies als unzulässig ein und hat deshalb hinsichtlich der betroffenen Modelle (A 7 und A 8 mit V 6 und V 8 Dieselmotoren, die von 2009 bis 2013 gebaut wurden) einen Rückruf angeordnet.
Im vorliegenden Fall fehlt es allerdings an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug mit dem Motor EA 288 eine Lenkwinkelerkennung verbaut ist. Der Kläger behauptet vielmehr erkennbar ins Blaue hinein, dass eine Lenkwinkelerkennung auch in seinem Fahrzeug vorhanden sei.
(3) Auch das vom Kläger behauptete Vorhandensein eines Temperatursensors, der zusätzlich die Temperatur messe und erkenne, dass über einen der Prüfstandsmessung vorausgehenden Zeitraum die Temperatur konstant 20 Grad Celsius betrage (sog. Aufwärmphase), führt nicht zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Selbst wenn damit eine gleichbleibende Temperatur sichergestellt werden soll, damit im Prüfstandsmodus die jeweiligen Messungen stets unter den gleichen Bedingungen für die Bauteile stattfinden, und es außerhalb des Prüfstandes eine solche gleichbleibende Temperatur nicht gibt, ergibt der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers noch nicht, dass es sich bei der Temperaturerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und diese von der Beklagten zu manipulativen Zwecken eingesetzt wird. Der Kläger trägt vielmehr selbst vor, dass die gleichbleibende Temperatur auf dem Prüfstand dazu dient, dass vergleichbare Messergebnisse zustande kommen.
(4) Soweit der Kläger vorträgt, dass der Prüfzyklus im NEFZ in der Regel 22 Minuten betrage und auch das streitgegenständliche Fahrzeug mittels einer Zeiterfassung die Dauer der Messung erfasse und für diesen Zeitraum nur für den Prüfstand auf einen scheinbar sauberen Modus umstelle, fehlt es auch insoweit fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt und dass die geschilderte Zeiterfassung im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut ist.
(5) Auch die vom Kläger ins Feld geführte und zitierte Medien- und Presseberichterstattung begründet keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass auch im Fahrzeug des Klägers eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Worin diese konkret bestehen soll, geht aus diesen Berichten nicht hervor.
(6) Der ergänzende Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 17.07.2020 (dort Sette 14 ff.) bietet keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Hierbei handelt es sich um den Versuch, den Sachvortrag durch konkrete Meßergebnisse der Deutschen Umwelthilfe betreffend ein Fahrzeug der Marke Audi, welches mit einem EA 288-Motor ausgestattet war, zu untermauern mit der Begründung, diese Fahrzeuge hielten die im Betrieb auf dem Prüfstand die Grenzwerte ein, im normalen Straßenbetrieb würden diese jedoch weit überschritten.
Der Umstand, dass die gesetzlichen Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb eingehalten werden, auf der Straße jedoch nicht, ist kein greifbarer Umstand, aus dem folgt, dass das Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist. Es ist allgemein und gerichtsbekannt, dass die Angaben der Hersteller bezüglich Emissionswerte von den realen Werten im Straßenbetrieb abweichen. Daraus folgt indes noch nicht, dass die Beklagte die Motorensteuerungssoftware in manipulativer Absicht so programmiert hat, dass auf dem Prüfstand andere Werte gemessen werden als im Straßenbetrieb.
Die manipulative Absicht der Beklagten beim Motor EA 189 ergab sich daraus, dass die Software, die den Motor steuert, so programmiert war, dass diese erkannte, wann das Fahrzeug im Prüfstandsbetrieb war und dann die Messung automatisch auf einen besonderen Modus umstellte, in dem die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten wurden. Darin lag die unzulässige Manipulation. Eine solche kann nicht durch Messergebnisse bei Fahrversuchen, sondern letztlich nur durch eine Untersuchung des Quellcodes der Motorensteuerungssoftware durch einen Softwarespezialisten festgestellt werden. Die Differenz zwischen den bei Fahrversuchen festgestellten NOx-Werten im Prüfstandsbetrieb und im realen Fahrbetrieb ist insoweit irrelevant, weil sich daraus eine Manipulation nicht herleiten lässt.
c) Abschließend ist festzustellen, dass hinsichtlich des klägerischen Fahrzeuges – anders als bei den Fahrzeugen mit EA 189 – Motor – zu keinem Zeitpunkt die konkrete Gefahr einer Zulassungsentziehung oder Betriebsuntersagung bestand, weil ein behördliches Einschreiten seitens des KBA hier nicht erfolgt ist. Es ist daher auch nicht erkennbar, dass der Vertragsschluss über das konkrete Fahrzeug für den Kläger nachteilig gewesen ist.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage des hinreichend substantiierten Sachvortrags einer Partei ist eine Frage des Einzelfalls. Die vom BGH hierzu aufgestellten Maßstäbe hat der Senat beachtet.


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