Europarecht

Schadensersatz, Berufung, Kaufpreis, Fahrzeug, Sittenwidrigkeit, untersagung, Verfahrensfehler, Revision, Zulassung, Klage, Rechtsverletzung, Voraussetzungen, Anspruch, Gefahr, offensichtlich aussichtslos, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  4 U 370/20

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53833
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 870/19 2020-09-18 LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 18.09.2020, Az. 22 O 870/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für die Berufung und die erste Instanz auf 25.364,54 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 28.05.2021.

Gründe

I.
Die Klagepartei macht Ansprüche im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselthematik geltend.
Die Klagepartei erwarb am 24.01.2018 ein Fahrzeug xx Golf GTD zum Kaufpreis von 31.705,67 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 ausgestattet. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffen.
Die Klagepartei begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist Schadensersatz im Zusammenhang mit der Manipulation am Fahrzeug zu leisten, sowie die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein objektiv sittenwidriges Verhalten sei abzulehnen, weil die Klagepartei keine Tatsachen vorgetragen habe, die ein manipulatives Vorgehen der Beklagten erkennen lassen.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klagepartei. Es werden Verfahrensfehler und materiellrechtliche Fehler gerügt. Insbesondere sei unstreitiger Vortrag nicht beachtet, Beweisanträgen sowie dem Verlangen nicht nachgegangen worden, den Typengenehmigungsantrag vorzulegen. Es liege ein Rückrufbescheid für ein Fahrzeug „T6“ vor.
Die Klagepartei beantragt unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs xx Golf GTD mit der Fahrgestellnummer … durch die Beklagte herrühren.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2434,74 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das Ersturteil.
II.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Auch liegen die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor. 4 U 370/20 – Seite 3 – Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden.
1. Soweit Verfahrensfehler gerügt werden, fehlt es an der Auswirkung auf das angegriffene Urteil. Der von der Klagepartei beanstandete übergegangene Vortrag ist nicht von Entscheidungserheblichkeit. Gleiches gilt für das Übergehen von Beweisanträgen und die Nichtvorlage des Typengenehmigungsantrags.
2. Zu Recht hat das Landgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs abgelehnt, weil die Überprüfung der Motorsteuerungssoftware durch das Kraftfahrtbundesamt keine Beanstandungen ergeben hat und auch kein verpflichtender Rückruf für das streitgegenständliche Fahrzeug erfolgt ist.
a) Ein Anspruch aus § 826 BGB scheidet mangels objektiver Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten aus.
Die Grundsätze für das Vorliegen einer objektiven Sittenwidrigkeit hat der Bundesgerichtshof in BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 dargelegt. Danach setzt eine objektive Sittenwidrigkeit das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung (a.a.O. Rn. 17, juris), eine besondere Verwerflichkeit des Handelnden (a.a.O. Rn. 18, juris) und die Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung (a.a.O. Rn. 19, juris) voraus.
Nachdem im vorliegenden Fall das Kraftfahrtbundesamt aufgrund der durchgeführten Untersuchungen die Motorsteuerungssoftware nicht beanstandet hat, bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung. Das deckt sich auch mit den amtsbekannten amtlichen Auskünften des Kraftfahrtbundesamtes zum Motor EA 288, welche die Beklagte nunmehr vorgelegt hat. Auch ist nach dem Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass ein verpflichtender Rückruf nicht angeordnet wurde. Soweit die Klagepartei auf einen verpflichteten Rückruf für ein Fahrzeug T6 verweist, so handelt es sich offensichtlich nicht um den vorliegenden Fahrzeugtyp.
b) Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehlt es an der Stoffgleichheit zwischen Vermögenseinbuße des Klägers und den erstrebten Vermögensvorteilen für die Beklagte (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20 -, Rn. 24, juris).
c) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG scheidet aus. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt offensichtlich nicht im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20 -, Rn. 12, juris).
III.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.
Beim Streitwert für die erhobene positive Feststellungsklage war gegenüber der entsprechenden Leistungsklage ein Abschlag von 20% vorzunehmen, § 3 ZPO. Der Kaufpreis war daher nicht in voller Höhe als Grundlage für den Streitwert heranzuziehen.


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