Europarecht

Schadensersatz, Fahrzeug, Bescheid, Berufung, Rechtsanwaltskosten, Gutachten, Geschwindigkeit, Wirksamkeit, Bank, Streitwertfestsetzung, Laufleistung, Beweislast, betrug, PKW, falsche Angaben, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, ins Blaue hinein

Aktenzeichen  8 O 16059/20

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53213
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 29.490,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus der bindenden Verweisung des Landgerichts Braunschweig gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO sowie zudem aus §§ 12, 17 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG.
II.
Die Klage gegen die Beklagte ist vollumfänglich unbegründet.
1. Die vom Kläger gegenüber der Beklagten beanspruchte Schadensersatzzahlung von 29.490,00 € zuzüglich Deliktszinsen in Höhe von 3.419,22 € Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs BMW X1 kommt aus keinem denkbaren Rechtsgrund in Betracht. Die von der Beklagten vor dem Hintergrund der Fremdfinanzierung des Kaufpreises bestrittene Aktivlegitimation des Klägers kann insoweit offenbleiben.
a) Vertragliche Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte schon deshalb nicht zu, weil der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von der Beklagten gekauft hat. Vertragliche Ansprüche macht der Kläger gegen die Beklagte auch nicht geltend.
b) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG. Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch darauf, dass er von der Beklagten zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt jedoch weder im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV noch im Aufgabenbereich von Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10-16, zitiert nach juris).
c) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB. Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB würde voraussetzen, dass sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Betrugstatbestands gemäß § 263 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssten der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensvorteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein. Dies ist hier nicht der Fall, vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 17-26, zitiert nach juris.
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung zu. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Hierbei ist das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkret Geschädigten zugrunde zu legen.
Dem Kläger ist vorliegend nicht der Nachweis des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug gelungen.
(1) Die Behauptungen des Klägers, die Beklagte habe unzulässige Abschalteinrichtungen im N47 Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs verwendet, sind Behauptungen des Klägers ins Blaue hinein. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher nicht veranlasst. Der Kläger bezieht sich in Teilen seiner Schriftsätze pauschal auf den „Abgasskandal“ und macht Ausführungen zu anderen Fahrzeugen und Motoren. Ein konkreter Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug und dessen Motor fehlt hingegen in weiten Teilen. Die Klage beruht nach Auffassung des Gerichts letztlich auf dem bloßen Verdacht, die Beklagte habe die Abgasreinigung „manipuliert“. Ein derartiger, letztlich pauschaler und einer General- und Vorverurteilung gleichkommender Vortrag wird den Anforderungen der ZPO an einen substantiierten Klagevortrag nicht gerecht.
(2) Gegen die Vermutungen des Klägers spricht, dass es zu einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts in Bezug auf den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp unstreitig nicht gekommen ist. Die Beklagte hat wiederholt darauf hingewiesen, dass vom Kraftfahrt-Bundesamt für den streitgegenständlichen Motortyp N47 keinerlei Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts vorliege, welcher unzulässige Abschalteinrichtungen zum Gegenstand habe. Der Beklagte hat insoweit auf amtliche Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts in Parallelverfahren verwiesen und diese vorgelegt (Anlage B 1a und Anlage B 1b). Die Beklagte hat zudem auf Messungen des Kraftfahrt-Bundesamts im Rahmen der Untersuchungskommission „Volkswagen“ verwiesen, die zum Ergebnis hatten, dass zu dem dort untersuchten Fahrzeug BMW 320 2.0 l Euro 5 mit dem Motortyp N47 unauffällige Messwerte festgestellt werden konnten. Der Hinweis des Klägers auf Rückrufe des Kraftfahrt-Bundesamts betreffend andere BMW-Modelle und Motoren (BMW 750d, BMW M550d) führt insoweit nicht weiter. Diese Rückrufe betrafen gerade nicht den Motor N47. Die Beklagte hat zudem überzeugend ausgeführt, dass es sich hierbei lediglich um eine fehlerhafte Bedatung gehandelt habe, die nichts mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu tun habe.
(3) Des Weiteren ist von dem Kläger bereits nicht schlüssig vorgetragen, dass im streitgegenständlichen Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wäre. Erforderlich ist, dass klägerseits die Umstände zum Konstruktionsteil und zu der Abschaltung der Abgasreinigung in bestimmten Umwelt- oder Fahrsituationen voll dargelegt und gegebenenfalls auch nachgewiesen werden. Zur Abgrenzung vom grundsätzlich unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein hat der Kläger insoweit auch greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen. Auch zur Notwendigkeit der gewählten Ausgestaltung ist zunächst von einer allgemeinen Darlegungslast des Klägers auszugehen, dass und warum die entsprechende Abschalteinrichtung nicht technisch notwendig sein soll. Auch insoweit wären zur Abgrenzung von einem unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein entsprechende greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen. Erst dann kann die beklagte Autoherstellerin eine sekundäre Darlegungslast treffen, nämlich insbesondere soweit es um die Vorfrage geht, aus welchen technischen Gründen eine konkret dargelegte und gegebenenfalls nachgewiesene Abschalteinrichtung herstellerseits für notwendig gehalten wird. Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht.
(4) Soweit sich der Kläger u.a. unter Hinweis auf Messungen der Deutschen Umwelthilfe (Anlage K C2) und behauptete unveröffentlichte Messungen des Kraftfahrt-Bundesamts (vgl. Schriftsatz vom 12.01.2021, S. 25 ff., Bl. 218 ff. und Schriftsatz vom 05.03.2021, S. 23 f., Bl. 274 f. d.A.) auf eine im Realbetrieb des Fahrzeugs angeblich deutliche Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte bezieht, um dadurch das Vorhandensein weiterer, von dem sog. Thermofenster unabhängiger unzulässiger Abschalteinrichtungen zu begründen, dringt er gleichfalls nicht durch. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug unterliegt noch nicht dem strengeren, auch den Ausstoß im realen Fahrbetrieb berücksichtigenden Testregime WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) oder RDE (Real Driving Emissions), sondern dem alten NEFZ-Testzyklus. Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) 715/2007 führt dazu aus:
„Die Kommission sollte prüfen, ob der Neue Europäische Fahrzyklus, der den Emissionsmessungen zugrunde liegt, angepasst werden muss. Die Anpassung oder Ersetzung des Prüfzyklus kann erforderlich sein, um Änderungen der Fahrzeugeigenschaften und des Fahrerverhaltens Rechnung zu tragen. Überprüfungen können erforderlich sein, um zu gewährleisten, dass die bei der Typgenehmigungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen. Der Einsatz transportabler Emissionsmesseinrichtungen und die Einführung des „not-to-exceed“-Regulierungskonzepts (der Hersteller muss gewährleisten, dass sein Fahrzeug in allen Betriebszuständen die Grenzwerte nicht überschreitet) sollten ebenfalls erwogen werden.“
Den von dem Kläger postulierten Gleichlauf zwischen den im NEFZ-Prüfzyklus gemessenen und den auf der Straße erreichten Werten sieht der europäische Gesetzgeber für das streitgegenständliche Fahrzeug gerade noch nicht vor, sodass ein Rückschluss von einer etwaigen Grenzwertüberschreitung im Realbetrieb auf die Existenz von unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht möglich ist (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.10.2020 – 17 U 296/19, BeckRS 2020, 29048, Rn. 53 ff.). Der von der Klagepartei zitierten Entscheidung des EuG vom 13.12.2018, T-339/16, T-352/16, T-391/1, ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Zu Recht hat die Beklagte zu genannter Entscheidung darauf hingewiesen, dass genannte Entscheidung des EuG sich nicht mit Fahrzeugen der Abgasnorm EU5 befasse. Für den vorliegenden Streit ist das Urteil des EuG damit nicht einschlägig.
(5) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Bezug auf das Vorbringen zum sog. „Thermofenster“ zu. Ob das sog. „Thermofenster“ eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, kann dahinstehen (OLG München, Beschluss vom 29.09.2020 – 8 U 201/20, Rn. 24, zitiert nach juris; vgl. jetzt auch BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, BeckRS 2021, 847 zum Daimler-Thermofenster). Jedenfalls ist der Einsatz des sog. „Thermofensters“ nicht sittenwidrig. Es liegt kein Verstoß gegen „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts München, Beschluss vom 29.09.2020 – 8 U 201/20, Rn. 25-34, wird Bezug genommen. Demnach sprechen Experten von einem „Thermofenster“, wenn die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur gesteuert wird. Grund sind Kohlenwasserstoffe und Ruß im Abgas. Wenn die unverbrannten Rückstände in den kalten Rohrleitungen kondensieren, setzen sie die abgasführenden Bauteile zu. Unter Hinweis auf den gesetzlich zulässigen Bauteilschutz reduzieren die Hersteller die Abgasrückführung bei deutschen Durchschnittstemperaturen. Die vom Bundesverkehrsminister eingesetzte „Untersuchungskommission“ hat dazu festgestellt: „Alle Hersteller nutzen Abschalteinrichtungen …“ (vgl. Anlage K C3, S. 119). Die Automobilindustrie und ihr folgend der Bundesverkehrsminister gehen davon aus, ein „Thermofenster“ sei zulässig (Führ, NVwZ 2017, 265). Bei dieser Sachlage ist in dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen, die mit einem Thermofenster ausgerüstet sind, kein sittenwidriges Verhalten zu sehen. Denn selbst wenn man der Auffassung der Klagepartei folgen würde, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, könnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hätte. Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet, von den Zulassungsbehörden anerkannt und selbst noch im Untersuchungsbericht als offenbar zulässig und sinnvoll angesehen worden. Auch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten ließe sich insoweit nicht feststellen. Es fehlt hierzu bereits an ausreichendem Vortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten bezüglich der angeblich mit dem sog. „Thermofenster“ einhergehenden weiteren Mängel sowie auch an greifbaren Anhaltspunkten hierfür. Dazu wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung und greifbare Anhaltspunkte dafür erforderlich gewesen, warum und wodurch Organe der Beklagten die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Form eines sog. „Thermofensters“ mindestens billigend in Kauf genommen haben sollen. Eine entsprechende Darlegung ist nicht erfolgt.
Schließlich verfängt auch nicht die zuletzt geäußerte Behauptung des Klägers, von der Beklagten seien Abschalteinrichtungen bei der Beantragung der Typgenehmigung nicht angegeben worden. Es seien insbesondere keine konkreten Angaben zum Thermofenster bzw. der Reduzierung der Wirksamkeit der Emissionsstrategie gemacht worden. Die Beklagte ist genannten Behauptungen entschieden entgegengetreten und hat ausgeführt, dass sie im Typgenehmigungsverfahren weder etwas verschleiert noch falsche Angaben gemacht habe. Die irische National Standards Authority of Ireland (NSAI) als Typgenehmigungsbehörde des Motor-/Abgassystems habe vielmehr dieses in Kenntnis der Temperaturabhängigkeit zugelassen. Die Behauptungen des Klägers zum Typgenehmigungsverfahren genügen den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei nicht. Der Kläger trägt ins Blaue hinein vor, ohne zumindest greifbare Anhaltspunkte für falsche Angaben der Beklagten im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens vorzubringen. Den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beweisangeboten der Klagepartei (vgl. Schriftsatz vom 05.03.2021, S. 4 f., Bl. 255 f. d.A.) war nicht nachzugehen, da dies auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre.
Zudem erschöpft sich der Klagevortrag zum sog. Thermofenster im Wesentlichen in der Darstellung, dass bei dem streitgegenständlichen Motor ein sog. „Thermofenster“ bei der Abgasregulierung zur Anwendung komme. Das sog. Thermofenster habe zur Folge, dass die Abgasreinigung im streitgegenständlichen Fahrzeug nur bei Außentemperaturen von +17 Grad Celsius bis +33 Grad Celsius zu 100 % vorgenommen werde. Über +33 Grad Celsius und unter -11 Grad Celsius werde die Abgasrückführung vollständig deaktiviert. Zwischen -11 Grad Celsius und +17 Grad Celsius werde die Abgasrückführung iterativ reduziert. Auch erfolge eine Deaktivierung ab einem Drehmoment von über 200 Nm und einer Motordrehzahl von über 2.900 Umdrehungen/min. Ab einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 60.000 km werde die Abgasrückführung ebenfalls abgeschaltet. Demgegenüber bringt die Beklagte vor, dass das Emissionskontrollsystem des Fahrzeugs bei normalen Betriebsbedingungen nicht unzulässig in seiner Wirksamkeit verringert werde. Weder arbeite die Abgasrückführung lediglich in einem Temperaturfenster von 20 bis 30 Grad Celsius, noch werde die Abgasrückführung unzulässig in anderen Betriebssituationen reduziert, weder nach Zeit, Geschwindigkeit, Laufleistung, Leistung, Lenkradstellung oder dem Betrieb von Nebenverbrauchern oder sonstigen Parametern. Die Außentemperatur sei kein Parameter, nach dem die Abgasrückführung geregelt werde. Der klägerische Vortrag ist nicht ausreichend substantiiert. Der Kläger stellt weder Konstruktionsteile oder spezielle Umwelt- und Fahrsituationen gerade in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug näher dar noch setzt er sich mit der Notwendigkeit der gewählten Ausgestaltung auseinander. Er behauptet im Wesentlichen, dass eine Abgasreinigung vor allen Dingen bei Außentemperaturen von +17 Grad Celsius bis +33 Grad Celsius vorgenommen werde. Dies sei eine unzulässige Abschaltvorrichtung. Eine nähere Darlegung zum streitgegenständlichen Fahrzeugtyp BMW X1 wird nicht vorgebracht und unter Beweis gestellt. Letztlich erschöpft sich der Vortrag des Klägers zum sog. Thermofenster in weiten Teilen aus einkopierten Zitaten aus Gutachten, Berichten und Urteilen betreffend andere Fahrzeugtypen. Die Aneinanderreihung von Zitaten aus Gutachten, Berichten und Urteilen vermag insoweit nicht den notwendigen, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Sachvortrag zu ersetzen. Die Ausführungen des Klägers genügen den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei nicht. Der Kläger trägt ins Blaue hinein vor, ohne zumindest greifbare Anhaltspunkte aufzeigen. Konkrete Anknüpfungstatsachen, weshalb das konkret beim streitgegenständlichen Fahrzeug BMW X1 eingesetzte Thermofenster nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen sollte, trägt die Klagepartei nicht vor. Zudem wäre bei Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts zu erwarten, der aber nicht einmal von der Klagepartei behauptet wird. Die Erholung des angebotenen Beweises eines Sachverständigengutachtens wäre unter diesen Voraussetzungen eine unzulässige Ausforschung. Ein Anspruch aus § 826 BGB in Bezug auf das sog. Thermofenster scheidet auch aus diesem Grund aus.
(6) Entsprechendes gilt für alle weiteren behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen bzw. Manipulationen (insbesondere unzulässiges „Hard Cycle Beating“, unzulässige Zykluserkennung nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), unzulässige Funktion vergleichbar der Abschalteinrichtung bei Volkswagen mit der internen Bezeichnung 14/15-V Funktion, Manipulation der On Board Diagnose Einheit). Auch insoweit stellt der Kläger weder Konstruktionsteile oder spezielle Umwelt- und Fahrsituationen gerade in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug näher dar noch setzt er sich mit der Notwendigkeit der gewählten Ausgestaltung auseinander. Eine nähere Darlegung zum streitgegenständlichen Fahrzeugtyp wird nicht vorgebracht und unter Beweis gestellt. Die Ausführungen des Klägers genügen den Anforderungen an die Darlegung und Beweislast der Klagepartei nicht. Der Kläger trägt ins Blaue hinein vor, ohne zumindest greifbare Anhaltspunkte aufzeigen. Zudem wäre bei Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, der bereits seit mehreren Jahren auf dem Markt ist, ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts zu erwarten, der aber gerade nicht vorliegt. Die Erholung des angebotenen Beweises eines Sachverständigengutachtens wäre unter diesen Voraussetzungen eine unzulässige Ausforschung.
Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang angebotenen Zeugenbeweise. Es handelte sich insoweit um unbeachtliche sog. Beweisermittlungsanträge. Dies betrifft insbesondere den Antrag auf Vernehmung des angebotenen Zeugen … im Zusammenhang mit der Behauptung des Einsatzes einer unzulässigen Funktion vergleichbar der Abschalteinrichtung bei Volkswagen mit der internen Bezeichnung 14/15-V Funktion. Der Zeuge … soll offensichtlich nicht eine Tatsache, sondern eine Auffassung eines Dritten, mithin eine Vermutung ohne jede Aussagekraft bezeugen. Zudem soll sich diese Auffassung nur auf eine „ähnliche Funktion wie die Abschalteinrichtung bei Volkswagen“ beziehen. Diesem Beweisermittlungsantrag war nicht nachzugehen (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 11.07.2019, Az. 8 U 1449/19, S. 23-25 – Anlage B11). Gleiches gilt für die weiteren im Zusammenhang mit der angeblichen „14/15-V Funktion“ ohne substantiierte Beweisbehauptung benannten Zeugen (insbesondere Zeugen … und …).
Auch aus den vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten aus anderen Gerichtsverfahren (insbesondere Gutachten von … vom 03.02.2020, vorgelegt als Anlage K C9 zu Bl. 194/251 d.A., sowie Gutachten von Prof. Dr.-Ing. B. vom 18.12.2020, vorgelegt als Anlage K C11 zu Bl. 252/277 d.A.) folgt kein Hinweis auf die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Die Gutachten betreffen weder das streitgegenständliche Fahrzeug noch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp BMW X1, sondern andere BMW Modelle und zwar BMW 116d bzw. BMW 320d. Das Gutachten von Prof. Dr.-Ing. B. geht zudem davon aus, dass ein unmittelbarer Rückschluss von einer Grenzwertüberschreitung im Realbetrieb auf die Existenz von unzulässigen Abschalteinrichtungen möglich sei. Wie zuvor ausgeführt, ist dies in rechtlicher Hinsicht nicht zutreffend. Im Gutachten von … vom 03.02.2020 sieht der Gutachter in dem Umstand, dass ein Software-Update für das dort verfahrensgegenständliche Fahrzeug existiere, einen Hinweis auf die mangelnde Notwendigkeit der ursprünglich vorhandenen Programmierung zum Motorschutz, teilt im Übrigen aber auch mit, dass für eine weitere Bewertung die Mitteilung weiterer Anknüpfungstatsachen erforderlich sei. Damit ist dem Gutachten von … vom 03.02.2020 kein Schluss auf die Existenz unzulässiger Abschalteinrichtungen beim N47 Motor des begutachteten Fahrzeug BMW 116d zu entnehmen. Für den streitgegenständlichen Fall ist das Gutachten insoweit irrelevant, zumal für das vorliegend streitgegenständliche Fahrzeug die Existenz eines Software-Updates beklagtenseits bestritten wurde. Dem ist die Klagepartei nicht mit substantiiertem Sachvortrag entgegengetreten. Den vorgelegten Gutachten ist im Ergebnis kein relevanter Hinweis auf die Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu entnehmen.
(7) Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19, ändert nichts an den vorstehenden Ausführungen. Keineswegs sollte diese höchstrichterliche Entscheidung den Kläger von jeglichen Anforderungen an einen substantiierten Vortrag befreien. Der Bundesgerichtshof zeigte hier lediglich für den Einzelfall eine Grenze auf, jenseits derer er eine Überspannung der Substantiierungsanforderungen sah. In dem Beschluss heißt es aber auch: „Vielmehr ist von ihm nur zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf.“ An solchen greifbaren Umständen fehlt es jedoch im Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren.
(8) Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV war nicht veranlasst. Die auf eine entsprechende Vorlage gerichteten Anträge der Klagepartei werden abgelehnt.
e) Auch aus § 831 Abs. 1 BGB folgt kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte. Gemäß den vorstehenden Ausführungen ist den Verrichtungsgehilfen der Beklagten hier insbesondere keine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB bzw. im Sinne von § 826 BGB zur Last zu legen. Damit scheidet auch ein Anspruch aus § 831 Abs. 1 BGB aus.
2. Mangels Hauptforderung bestehen auch keinesfalls Ansprüche auf Deliktszinsen, Prozesszinsen, Feststellung eines Annahmeverzugs oder Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte.
Die Klage war im Ergebnis insgesamt unbegründet und daher vollumfänglich abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung war gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO vorzunehmen.


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