Europarecht

Schadensersatz, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Kaufpreis, Genehmigung, Zulassung, Kaufpreiszahlung, Vergleich, Auslegung, Pkw, Herausgabe, Anspruch, Freistellung, Zeitpunkt, Zug um Zug, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorrang der Leistungsklage

Aktenzeichen  73 O 809/19

Datum:
16.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54793
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 69.636,29 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Es kann offen bleiben, ob die Klagepartei Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, da die Klagepartei auch bei Zugrundelegung einer solchen Eigentümerstellung keinen Anspruch hat, der die begehrten Feststellungen, die hilfsweise mit Hilfsantrag 1 begehrte Leistung und die hierzu mit Hilfsantrag Ziff. 2 hilfsweise begehrten Feststellungen zu begründen vermag.
I. Ein Anspruch der Klagepartei gem. § 311 Abs. 3, 241 BGB besteht nicht. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Prospekthaftung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Prospekthaftung im Bereich der Kapitalanlagen geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen. Anders als bei Kapitalanlagen gibt es für Pkw jedoch zahlreiche allgemein zugängliche Quellen, um sich vor der Kaufentscheidung über ein bestimmtes Modell zu informieren.
II. Ein Schadensersatz gem. §§ 826, 249 BGB besteht nicht. Es kann offen bleiben, ob das im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendete Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, da die Klagepartei bereits nicht hinreichend dargelegt hat, dass die Beklagte im Sinne von § 826 BGB mit Schädigungsvorsatz handelte, also durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeuges einen Schaden der Klagepartei in Kauf genommen hat (1.). Auf die Frage einer Zurechnung gemäß § 31 BGB bzw. § 831 BGB kommt es daher nicht an. Hinsichtlich des Vorliegens einer unzulässigen Aufwärmstrategie, welche den Prüfstand erkenne und deswegen weniger CO2-Austoß produziere, ist der klägerische Vortrag zum Bestehen eines Schadens nicht hinreichend substantiiert (2.). Hinsichtlich der gerügten Manipulationen des geringen AdBlue-Verbrauchs, der ausschließlichen Verwendung des sog „E-Modus“ im Prüfstand und eines manipulierten OBD-Systems war jeweils kein Beweis zu erheben, da der Vortrag „ins Blaue hinein“ erfolgt ist (3.).
1. Die Klagepartei hat bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Beklagte wusste oder zumindest in Kauf genommen hat, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Motorsteuerung versehen war.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Abgasrückführungssystem des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht durchgehend in Betrieb ist, sondern bei Vorliegen bestimmter, zwischen den Parteien im Einzelnen streitiger Parameter abschaltet. Aus der Fassung der insoweit maßgeblichen Verordnung (EG) 715/2007 ergibt sich jedoch gerade, dass die Abgasrückführung zu bestimmten Zwecken ausgeschaltet werden darf (Art. 5 Abs. 2 lit. a). Zwar hat die Klagepartei vorgetragen, diese Ausnahmeregelung sei eng auszulegen und lasse ein Abschalten nur in weit weniger Situationen zu, als dies hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeuges tatsächlich der Fall sei. Indes ist diese Auslegung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm und deren unterschiedlichen Übersetzungen nicht zwingend. Zudem handelt es sich bei der vorliegenden Einrichtung – anders als bei den in Kraftfahrzeugen eines anderen Herstellers offensichtlich verbauten Motoren – nicht um eine solche, die die Testsituation auf einem Prüfstand erkennt und allein deswegen eine andere Abgasbehandlung durchführt, sondern um eine Abschaltung bei Vorliegen bestimmter, vom Prüfstand unabhängiger Parameter. Zu der Frage der Zulässigkeit dieser Einrichtung werden höchst unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. Dies ergibt sich bereits aus dem Vortrag der Parteien im hiesigen Rechtsstreit sowie aus den durch beide Parteien zitierten Urteilen, Mithin kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagte eine unterstellte Unzulässigkeit kannte oder auch nur für möglich hielt. Vielmehr bleibt bereits nach dem Vortrag der Klagepartei die Möglichkeit offen, dass die Beklagte von einer Zulässigkeit ausging, so, wie sie es im hiesigen Rechtsstreit weiterhin behauptet.
Die Beklagte traf insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast. Stattdessen obliegt es der Klagepartei, substantiiert darzulegen, aus welchen Indizien sie auf eine Arglist der Beklagten schließt. Erst wenn sie hierzu hinreichend vorträgt obliegt es der Beklagten, diesen Vortrag zu widerlegen. Es kommt daher auch nicht darauf an, welche Gremien beziehungsweise Funktionsebenen innerhalb der Beklagten in die Entwicklung des Motors und der für die Abschaltung maßgeblichen Software eingebunden waren. Es bleibt nämlich, wie bereits dargelegt, bereits unter Berücksichtigung des Vortrags der Klagepartei die Möglichkeit offen, dass die entscheidenden Personen von einer Zulässigkeit der Abschalteinrichtung in der tatsächlich verwendeten Form ausgingen.
Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Haftung nach § 826 BGB ausscheidet, wenn der Handelnde der redlichen Überzeugung war, er dürfe in Verfolgung eines erlaubten Interesses handeln. Dies schließt die Annahme eines vorsätzlichen Sittenverstoßes aus (BGH, Urt. v. 15.09.1999, Az. I ZR 98/97 m.w.N.). Vor dem Hintergrund der Auslegungsbedürftigkeit der VO 715/2007/EG und der Vertretbarkeit der Auffassung, die temperaturabhängige Abgasregelung falle jedenfalls unter die Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, scheidet die Annahme einer sittenwidrigen Schädigungsabsicht auf Grundlage des klägerischen Vortrags ohne weitere Beweisaufnahme zur genauen Funktionalität der Abgasreduzierung aus.
2. Hinsichtlich des Vorliegens einer unzulässigen Aufwärmstrategie, welche den Prüfstand erkenne und deswegen weniger CO2-Austoß produziere, ist der klägerische Vortrag zum Bestehen eines Schadens nicht hinreichend substantiiert. Der Vortrag der Beklagten, die vom Kraftfahrtbundesamt mit Bescheid vom 10.07.2018 (Anlage B10) weiterhin als unzulässig eingeordnete „Bedatung des Warmlaufs“ sei am streitgegenständlichen Fahrzeug bereits im August 2017 durch ein Softwareupdate ohne Kenntnis der Klagepartei entfernt worden, wurde nicht bestritten. Soweit die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, seines Wissens seien keine Softwareupdates aufgespielt worden und er habe hierzu auch keinen Auftrag erteilt, stellt dies kein ausdrückliches Bestreiten, sondern eine Mitteilung eigener Wahrnehmungen und Kenntnisse dar, welche die Durchführung des Updates ohne Wissens der Klagepartei nicht ausschließt. Vortrag der Klagepartei, warum auch nach Entfernung der vom Kraftfahrtbundesamt kritisierten „Bedatung des Warmlaufs“ ein klägerischer Schaden bestehen soll, ist jedoch nicht gegeben.
3. Hinsichtlich der gerügten Manipulationen des geringen AdBlue-Verbrauchs (b.), der ausschließlichen Verwendung des sog „E-Modus“ im Prüfstand (c.) und eines manipulierten OBD-Systems (d.) war jeweils kein Beweis zu erheben, da der Vortrag „ins Blaue hinein“ erfolgt ist.
a) Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache ist zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufs Geratewohl gemacht sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, Urt. v. 23.04.1991, Az. X ZR 77/89; BGH, Beschl. v. 16.04.2015, Az. IX ZR 195/14).
Eine Partei genügt grds. ihrer Darlegungslast, wenn die sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Beschl. v. 16.04.2015, Az. IX ZR 195/14). Einer Partei darf grds. nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen von jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten gerechtfertigt werden können (BGH, Urt. v. 27.05.2003, Az. IX ZR 283/99).
b) Zum Vortrag der Klagepartei, der streitgegenständliche Pkw reduziere im Straßenverkehr die Verwendung von AdBlue, um häufigeres Nachfüllen von AdBlue zu verhindern, ist kein Beweis zu erheben, da dieser Vortrag „ins Blaue hinein“ erfolgt ist. Vorliegend bestehen auch unter Anwendung der gebotenen Zurückhaltung keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die von der Klagepartei aufgestellte Behauptung. Der Verweis auf ein Fahrzeug des Typs Volkswagen Tourareg mit dem gleichen Motor wie im streitgegenständlichen Fahrzeug, welches deswegen zurückgerufen worden sei, verfängt nicht, da der klägerische Vortrag nicht näher darlegt, warum sich allein aus dem gleichen Motor der vorgetragene Ad-Blue-Verbrauch ergeben soll; vielmehr wird an anderer Stelle in der Klageschrift vorgetragen, dass die Motoren und die Motorsteuersoftware gerade nicht 1:1 übernommen worden, sondern für die Beklagte die Motorleistung erhöht worden sei, wozu die Motoren umgebaut und angepasst worden seien. Deshalb verfängt auch der pauschale Verweis auf Fahrzeuge der Audi AG nicht. Aus den vorgelegten Presseartikeln (Anlagen K7 bis K9) ergeben sich ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte, da diese nicht ausdrücklich die Beklagte betreffen.
c) Zum Vortrag der Klagepartei, dass es durch ausschließliche Verwendung eines sog. „E-Modus“ im Prüfstand anstelle des dynamischen Schaltprogramms („DSP“) im Realbetrieb aufgrund der anderen Schaltpunkte des „DSP“ im Vergleich zum „E-Modus“ zu einem mind. dreifach erhöhter Stickoxidausstoß im „DSP“-Modus komme, ist mangels hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte ebenfalls kein Beweis zu erheben, da die Klagepartei erneut lediglich auf andere Fahrzeuge verweist, die aus den bereits getätigten Ausführungen keine hinreichenden Rückschlüsse auf das streitgegenständliche Fahrzeug zulassen.
d) Zum Vortrag der Klagepartei, das OBD-System müsse manipuliert sein, da dieses bei einer Inspektion sowie bei der Abgasuntersuchung unzutreffend melde, dass die Abgassysteme des Kraftfahrzeuges ordnungsgemäß funktionieren würden, fehlen ebenfalls keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die von der Klagepartei aufgestellte Behauptung, da diese allein auf dem Vortrag zu anderen Manipulationen beruht, mit welchem die Klagepartei aus den bereits genannten Gründen nicht durchdringt.
III. Aus den unter Ziff. II. zu den jeweiligen Manipulationsvorwürfen dargestellten Gründen besteht auch kein Anspruch der Klagepartei gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
IV. Ein Anspruch der Klagepartei gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG besteht nicht. Zwar dient § 16 UWG ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte i.S.v. § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf der Klägerin geht im Kern dahin, dass die Beklagte mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten, weshalb kein besonderer Vorteil angepriesen wurde.
V. Ein Anspruch der Klagepartei gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG a.F. besteht nicht. Unabhängig davon, ob § 4 Nr. 11 UWG a.F. überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, was zumindest fraglich ist, hat die Beklagte jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen, deren Einhaltung § 4 Nr. 11 a.F. schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind. Die Klagepartei selbst bezweifelt nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren erzielt wurden.
VI. Weitere Anspruchsgrundlagen, aus denen sich der klägerische Anspruch ergeben würde, sind nicht ersichtlich.
VII. Mangels Bestehens eines Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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