Europarecht

Schadensersatz, Kaufvertrag, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Bescheid, AGB, Sachmangel, Software, Frist, Anspruch, Erstattung, Zeitpunkt, Form, Herausgabe, Kosten des Rechtsstreits, Zug um Zug, kein Anspruch

Aktenzeichen  20 O 4380/19

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49082
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger besitzt keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Rückzahlung bzw. Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Die Klage ist sowohl in den Hauptanträgen als auch in den Hilfsanträgen unbegründet.
I. Es beseht kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1), weil die Sachmängelgewährleistungsrechte jedenfalls verjährt sind.
Gemäß Ziffer VI. 1. der Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten zu 1) verjähren Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
Ziffer VI. 1. ist entgegen der Auffassung der Klagepartei wirksam. Soweit sich die Klagepartei auf die Entscheidung des BGH vom 29.04.2015, VIII ZR 104 aus 14, beruft, lagen dieser andere AGB zugrunde.
Grundsätzlich hat der BGH in dem zitierten Verfahren die Möglichkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr beim Gebrauchtwagenkauf bejaht, stellte jedoch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB fest. Die streitgegenständlichen AGB sehen zwar, ebenso wie die in der Entscheidung des BGH bemängelten AGB, auch Ausnahmen von der einjährigen Verjährungsfrist vor, sie sind aber anders formuliert als die vom BGH seinerzeit zu beurteilenden. In Ziffer VI. 2 der AGB der Beklagten zu 1) werden nicht Schadensersatzansprüche generell ausgenommen, sondern nur solche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Insoweit sind die Schadensersatzansprüche, für die eine andere Verjährungsregelung gilt als die einjährige Verjährungsfrist, klar umrissen und es ergibt sich nicht der in der Entscheidung des BGH dargestellte Widerspruch, der die Verjährungsverkürzung auf ein Jahr intransparent erscheinen ließ.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 07.04.2017 an den Kläger übergeben. Verjährung trat daher ein Jahr später ein, so dass bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 15.03.2019 die Verjährungsfrist abgelaufen war.
II. Es besteht auch kein Anspruch gegen die Beklagte zu 2), weil die Anspruchsvoraussetzungen für einen deliktischen Anspruch nicht erfüllt sind. Vertragliche Ansprüche kommen mangels Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ohnehin nicht in Betracht.
Die Klagepartei hat zuletzt mit Anlagenkonvolut K 105 den Bescheid des KBA vorgelegt, mit dem der Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtung angeordnet wurde. Aufgrund der Fahrzeugtypengenehmigungsummer konnte der Bescheid auch unschwer dem streitgegenständlichen Fahrzeug zugeordnet werden. Die Beklagte zu 2) hat dann auch bestätigt, dass es sich um den richtigen Bescheid handle. Somit steht fest, dass der Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtung auf der SCR-Katalysator-Problematik beruht, die die Klagepartei in der Klage auch angesprochen hat.
1) Es ist kein Anspruch gemäß §§ 826,31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung gegeben. Die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Täuschung durch die Beklagte sind nicht vorgetragen.
a) Das Gericht ist weiterhin der Auffassung, die es bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 15.7.2020 geäußert hat, dass der klägerische Sachvortrag zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausreichend substantiiert ist, soweit es nicht um die vom KBA als unzulässig eingestufte AdBlue-Technologie geht. Nachdem das KBA als insoweit maßgebliche Behörde die AdBlue-Technologie als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hat, sind insoweit die Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag herabzusetzen.
Bzgl. der darüber hinaus ins Feld geführten Abschalteinrichtungen (Aufheizstrategie, Thermofenster, Getriebemanipulation) ist das Gericht der Auffassung, dass die Umstände, die die Klagepartei anführt, um ihren Verdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu begründen, nicht ausreichend spezifiziert vorgetragen sind, um eine Beweisaufnahme darauf zu stützen. Das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung setzt einen spezifizierten Sachvortrag dazu voraus, dass sich der Schadstoffausstoß im Falle der Änderung gewisser Bedingungen verändert, weil auf das Emissionskontrollsystem eingewirkt wird, und wie er sich konkret verändert. Es sind hier weit strengere Anforderungen an den Sachvortrag zu stellen als in den Fällen, in denen das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem EA189- Motor ausgestattet ist, für den das KBA bereits das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung festgestellt hat und in seinem Rückrufbescheid ausführlich begründet hat. Das Gericht hält es durchaus für zumutbar, konkrete Abgaswerte in Zahlen vorzutragen, aus denen sich die Veränderung der Werte für den streitgegenständlichen Motor unter bestimmten Bedingungen ergibt.
b) Die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Täuschung sind darüber hinaus nicht dargetan, so dass die Klagepartei auch auf die AdBlue-Technologie keinen Anspruch aus § 826 BGB stützen kann.
Das Urteil des BGH zum EA189-Motor vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, stützt die Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf die strategische Konzernentscheidung, aktiv und präzise die Motorsteuerungssoftware im Hinblick auf ein gewolltes Ergebnis zu manipulieren und durch Täuschung des KBA die Typenzulassung zu erhalten. Entsprechende Feststellungen hat der BGH als gegeben und als nicht zu beanstanden erachtet. Ein Sachvortrag, der derartige Feststellungen begründen könnte, liegt jedoch im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb die BGH-Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist.
Bei der Verwendung einer Umschaltlogik, bei der die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im Normalbetrieb befindet und – wie beim EA189-Motor – in den entsprechenden Modus schaltet, ergibt sich die Sittenwidrigkeit schon aus der Verwendung einer solchen Umschaltlogik. Eine solche Abschalteinrichtung ist erkennbar unzulässig, so dass am Vorsatz nicht zu zweifeln ist. Bei einer anderen die Abgasreinigung beeinflussenden Motorsteuerungssoftware kann beim Fehlen konkreter Anhaltspunkte aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen in dem Bewusstsein agiert haben, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.
Die Diskussion um die Zulässigkeit des Thermofensters verdeutlicht, dass die Rechtslage insoweit nicht eindeutig ist und nicht der Vorwurf einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung oder bewussten Täuschung gemacht werden kann, wenn der Hersteller bisher von der Zulässigkeit eines Thermofensters ausgegangen ist.
Dies gilt auch für die weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen, insbesondere der vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuften AdBlue-Strategie. Aus ihrer Unzulässigkeit lässt sich nicht quasi „automatisch“ der Schluss einer Täuschung des KBA und der Erwerber ziehen und eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung bejahen. Vielmehr muss eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und – anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Solange dies aber der Fall ist, fehlt es am Vorsatz und an dem für die Sittenwidrigkeit erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit.
Der Inhalt des maßgeblichen Bescheids des KBA ergibt keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2). Im Bescheid wird festgestellt, das durch die gewählte Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert werde. Hiermit folge das KBA seiner im Bescheid zum VW Tuareg vertretenen Rechtsposition. Es verkenne jedoch hierbei nicht, dass technisch nachvollziehbar die Abschaltung des Emissionskontrollsystems im weit geringeren Umfang stattfinde als im Fall des VW Tuareg. Gleichwohl gebiete Art. 5 der Verordnung (EG) Nummer 715/2007 die formale Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung (Seite 3). Schon aus der Wortwahl im Bescheids ergibt sich also, dass das KBA selbst davon ausgeht, es würden auch andere Rechtspositionen vertreten werden und dass ein klarer, nicht zu diskutierende Verstoß jedenfalls nicht vorliegt.
Es kann im Ergebnis für dieses Verfahren sogar offen bleiben, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug gegeben ist.
2) Es besteht kein Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB. Dabei kann offen bleiben, ob ein Handeln eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters (§ 31 BGB) vorliegt, weil es jedenfalls am Vorsatz fehlt. Auf obige Ausführungen unter 1) wird insoweit Bezug genommen.
3) Es besteht auch kein Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2, 831 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, da es keinen Sachvortrag dazu gibt, dass ein Verrichtungsgehilfe getäuscht hätte.
4) Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ist schon deshalb nicht gegeben, weil es am vorliegende Übereinstimmungsbescheinigungen tatsächlich nicht gefehlt hat, was auch die Klagepartei nicht behauptet.
Darüber hinaus besitzen die §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV keinen Schutzgesetzcharakter, denn sie dienen nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.
5) Auch ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Nummer 10 VO (EG) 715/2007 oder in Verbindung mit § 38 Abs. 1 BImSchG ist zu verneinen, da auch diese öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dienen.
6) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 UWG. Insoweit fehlt es bereits an einer konkret auf den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bezogene Aussage.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Abs. 1 ZPO.


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