Europarecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Berufung, Marke, Fahrzeug, Sittenwidrigkeit, PKW, Haftung, Mithaftung, Rechtsmittel, Hinweisbeschluss, Anmeldung, Klage, Kenntnis, Zug um Zug, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  33 U 908/21

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47472
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

71 O 1282/20 (2) 2020-12-15 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.12.2020, Aktenzeichen 71 O 1282/20 (2), wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Tatsächliche Feststellungen
Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ von der Beklagten Schadensersatz.
Am 10.12.2013 erwarb der Kläger von einem Händler einen Pkw Audi Q3 2.0 TDI als Neufahrzeug zu einem Gesamtbetrag von 43.482,17 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor des Typs EA 189 des Volkswagenkonzerns ausgestattet.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.12.2020 Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO. Änderungen oder Ergänzungen haben sich in der Berufungsinstanz nicht ergeben.
Das Erstgericht hat die Klage aufgrund eingetretener Verjährung abgewiesen. Insbesondere habe die Anmeldung des Klägers zur Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG die Verjährung nicht gehemmt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufungsbegründung (nachfolgend abgekürzt: BB) vom 24.03.2021 (Bl. 142/146) und rügt Rechtsverletzungen durch das Erstgericht.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 142):
1.Das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt 71 O 1282/20 vom 15.12.2020 wird aufgehoben.
2.Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke Audi Q.3, Fahrzeugidentifikationsnummer …00 an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 29.039,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.03.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 141),
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 14.04.2021 (Bl. 147/152) wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen gegeben. Mit Schriftsatz vom 05.05.2021 (Bl. 153/155) nahm der Kläger inhaltlich zum Hinweisbeschluss Stellung.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Begründung
I.
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen, da sämtliche Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, da das angefochtene Urteil des Landgerichts Ingolstadt im Ergebnis richtig ist. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts sowie auf seinen Hinweisbeschluss vom 14.04.2021 Bezug, in dem er seine leitenden Erwägungen zum Ausdruck gebracht hat. Der hierauf erwidernde Schriftsatz des Klägers vom 05.05.2021 vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen:
1.) Es bleibt dabei, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB auf der Grundlage der erstinstanzlichen, unstreitigen, für den Senat bindenden Feststellungen aufgrund der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht durchsetzbar ist, § 214 Abs. 1 BGB (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20).
a.) Zwar wäre vorliegend zweifelsohne auf der Grundlage der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19) grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch des Klägers, der am 10.12.2013 einen PKW Audi Q 3 erworben hatte, der mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet ist, und der vom sog. Abgasskandal betroffen ist, in Betracht gekommen. Aufgrund der Kenntnis des Klägers von der individuellen Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Abgasskandal im Jahr 2016 konnte die erst im Juni 2020 gegen die hiesige Beklagte erhobene Klage die am 31.12.2019 abgelaufene, dreijährige Verjährung nicht mehr rechtzeitig hemmen gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
b) Auch scheidet bei dem vorliegenden Sachverhalt eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB durch die Anmeldung des Klägers zur gegen die VW AG gerichtete Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig aus. Das Recht, insbesondere das Recht der Verjährung, ist ein „formales“ Recht. Demnach kommt eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB selbstverständlich nur gegenüber der Partei in Betracht, gegenüber der das Recht verfolgt wird. Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Kläger in Bezug genommenen Bekanntmachung des OLG Braunschweig vom 18.09.2019, wonach die Verjährungsfrist bei „gegen die Musterbeklagte“ geltend gemachte Schadensersatzansprüche nicht vor dem Schluss des Jahres 2019 zu laufen beginnt. Zweifelsohne handelt es sich bei der VW AG, gegen die sich die Musterfeststellungsklage, der sich der Kläger angeschlossen hatte, ausschließlich gerichtet hatte, und der Audi AG, gegen die sich die vorliegende Klage richtet, um zwei verschiedene juristische Personen, um zwei verschiedene „rechtlich selbständige Unternehmen“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 05.05.2021, Bl. 154), mithin auch um zwei verschiedene Beklagte. An all dem ändert nichts, dass es sich bei der VW AG auch um einen „Mutterkonzern“ handeln mag, der auch Käufern anderer Marken, die einen PKW erworben haben, der mit einem von ihr hergestellten Motor EA 189 ausgestattet ist, ein Vergleichsangebot unterbreitet hat. Das auch ihm gegenüber von der VW AG unterbreitete Vergleichsangebot wollte der Kläger nicht annehmen und hat stattdessen die Beklagte verklagt.
Nicht recht verständlich ist der Vortrag des Klägers, wonach „innerhalb des Konzerns … diese zwei rechtlich selbständigen Unternehmen identisch“ seien (S. 2 des Schriftsatzes vom 05.05.2021, Bl. 154). Auch die Ausführungen dazu, von wem aus Käufern Schadensersatz zugebilligt wird, blenden erneut die rechtliche Selbständigkeit der VW AG und der Audi AG aus und verkennen, dass für eine etwaige deliktische Haftung von Fahrzeugherstellern im Zusammenhang mit dem Abgasskandal nicht die Frage im Mittelpunkt steht, wer „Hersteller der Marken“ ist, sondern wer Hersteller des etwaig vom Abgasskandal betroffenen Motors ist bzw. für dessen Herstellung ggfs. in Mithaftung genommen werden könne.
2.) Nur als obiter dictum sei daher noch hinzugefügt:
Unabhängig von all dem scheidet ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die hiesige Beklagte auch auf der Grundlage der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 08.03.2021 – VI ZR 505/19, juris) aus. Danach setze die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht habe. Über eine Wissenszusammenrechnung führe kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (BGH vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13, 22 f., 27 m.w.N.). So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lasse, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt würden (vgl. BGH a.a.O. Rn. 23), so lasse sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen (Leitsatz und Rz. 23 ff.). Daher komme eine Haftung der dort beklagten Audi AG nur in Betracht, wenn sie bzw. ihre Vertreter den Haftungstatbestand des § 826 BGB vollständig selbst verwirklicht hätten. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn nicht nur bei der VW AG als Muttergesellschaft, sondern auch bei der Audi AG eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen worden wäre oder für die Beklagte handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt gewesen wären (Rz. 20). Außerdem komme ein sittenwidriges Vorgehen dann in Betracht, wenn die für die Audi AG handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (Rz. 21 f.). Für ein derartiges Vorstellungsbild der Vertreter der Beklagten sei die Klagepartei jedoch im Grundsatz voll darlegungs- und beweispflichtig (Rz. 25). Der Umstand, dass die Beklagte die von ihrer Muttergesellschaft entwickelten und gelieferten, rechtswidrig manipulierten Motoren in ihre Fahrzeuge einbaut habe, genüge insoweit nicht (Rz. 30).
In der Berufungsinstanz berücksichtigungsfähige Tatsachen, die diesen Anforderungen gerecht würden, sind vom Erstgericht weder festgestellt noch sonst anhand des Klägervortrages ersichtlich.
Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 4 ZPO
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, da eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, nicht inmitten steht. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO. Vom Kläger wurde im Übrigen auch die beantragte Zulassung der Revision nicht näher begründet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf der Basis des klägerischen Antrages auf bis zu 30.000 € festzusetzen, § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG.


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