Europarecht

Schadensersatz wegen eines nicht ausgeführten Überweisungsauftrags in die Ukraine

Aktenzeichen  191 C 7921/16

Datum:
30.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZBB – 2019, 352
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
KWG § 25h Abs. 2
GWG § 11 Abs. 1, Abs. 1a, § 12
BGB § 249 Abs. 1, § 254 Abs. 2 S. 1, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 281, § 675o Abs. 2, § 675z S. 1
VO (EU) Nr. 208/2014 Art. 2 Abs. 2
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Lehnt eine Bank, bei der ein in Deutschland ansässiges Handelsunternehmen sein Girokonto unterhält, unter Hinweis auf § 25h Abs. 2 KWG, EU-Sanktions-VO 208/2014 sowie ihre internen Richtlinien für Überweisungen in die Ukraine die Ausführung einer Überweisung von 3.000,00 € an einen Zahlungsempfänger in der Ukraine ab, kann sie deswegen dem Kontoinhaber zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie keine nachvollziehbaren Tatsachen für einen Verstoß gegen die Sanktionsbestimmungen vorbringen kann.
2. Der Schaden des Kontoinhabers liegt in der durch die überraschende Verweigerung der Ausführung der Überweisung liegenden Zahlungsverzögerung.
3. Der Schaden des Kontoinhabers kann darin bestehen, dass sein ausländischer Vertragspartner nach seinem Heimatrecht wegen des Vorliegens einer Fremdwährungsschuld einen Strafzins an den Staat zahlen muss und er wegen dieser Zahlungspflicht aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kontoinhaber von diesem Ersatz verlangen kann.
4. Die Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrags in die Ukraine durch eine Bank begründet unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 675o Abs. 2 BGB dann eine Schadensersatzverpflichtung der Bank, wenn diese trotz eines von ihr behaupteten Verdachts gegen das Geldwäschegesetz entgegen § 11 Abs. 1 GWG aF nicht die zuständigen Behörden informiert hat und weder Auftraggeber noch Empfänger der Überweisung zu den Personen zählen, die im Anhang I der VO (EU) Nr. 208/2014 genannt werden und denen nach Art. 2 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 208/2014 weder mittelbar noch unmittelbar Gelder zugutekommen dürfen. Im Gerichtsverfahren kommt der Bank eine dahingehende Darlegungspflicht zu, dass die streitgegenständliche Transaktion mittelbar einer der in dem Anhang I der VO (EU) Nr. 208/2014 genannten Personen zugutekommen sollte. (Rn. 26 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 616,70 € sowie zu Händen des Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt, weitere 281,60 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
2., weitere 281,60 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.05.2016 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
6. Der Streitwert wird auf 2.616,70 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Das Amtsgericht München ist sachlich zuständig gem. §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG.
2. Die Umstellung des ursprünglichen Feststellungsantrags bzgl. des Verzugsschadens in einen Leistungsantrag ist zulässig. Der Übergang von der positiven Feststellungszu einer deckungsgleichen Leistungsklage ist als ohne weiteres zulässige Klageerweiterung gem. § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen (BGH NJW-RR 2002, 283).
3. Die Erhebung des Anspruchs bzgl. des entgangenen Gewinns war gem. §§ 261 II, 253 ZPO ordnungsgemäß. Es handelt sich diesbezüglich um eine nachträgliche objektive Klagehäufung, die als Klageänderung zu werten ist (Thomas/Putzo-Reichold, 39. Aufl. 2018, § 260 ZPO Rn. 3). Die Erhebung des Anspruchs war im vorliegenden Fall sachdienlich i.S.d. § 263 ZPO, da der Antrag auf Erstattung des entgangenen Gewinns auf demselben Prozessstoff wie die weiteren Anträge beruht.
II.
1. Die Klage ist nur teilweise begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB Schadensersatz in Höhe von 616,70 €, da sie den ihr vom Kläger erteilten Überweisungsauftrag vom 08.03.2016 über 3.068,14 € nicht ausgeführt hat.
Die Beklagte war aufgrund des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger verpflichtet, die Überweisung vom 08.03.2016 auszuführen.
Gem. § 675o Abs. 2 BGB ist ein Zahlungsdienstleister nicht berechtigt die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen, wenn die im Zahlungsdienstrahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Dem lässt sich entnehmen, dass die Ablehnung eines Zahlungsauftrages die begründungsbedürftige Ausnahme darstellt (vgl. MüKo-BGB-Jungmann, Band 5/2, 7. Aufl. 2017 § 675o BGB Rn. 3). Die Beklagte als Zahlungsdienstleister i.S.d. Vorschrift konnte nicht durchschlagend aufzeigen, welche Gründe die Ablehnung gerechtfertigt hätten.
a) Der Verweis auf das Geldwäschegesetz in der zum Zeitpunkt der Überweisung geltenden Fassung (im Folgenden GWG a.F.) überzeugt nicht. Gem. § 11 Abs. 1 GWG a.F. hätte die Beklagte bei Verdacht auf Geldwäsche die zuständigen Behörden informieren müssen. Eine in diesem Sinne angetragene Transaktion dürfte gem. § 11 Abs. 1a GWG a.F. erst nach Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft oder mit dem Ablauf von zwei Tagen nach der Anzeige erfolgen, wenn bis dahin keine Untersagung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Dem lässt sich entnehmen, dass die Frage, ob die Transaktion durchgeführt werden soll, in die Entscheidungshoheit der Staatsanwaltschaft fällt. Dass die Transaktion durch die Staatsanwaltschaft untersagt wurde, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch unter Berücksichtigung des § 12 GWG a.F. hätte eine solche Entscheidung der Staatsanwaltschaft jedenfalls dem Gericht offenbart werden müssen. Ebenso hat die Beklagte nicht dargetan, wieso im Falle der streitgegenständlichen Überweisung ihr und nicht der Staatsanwaltschaft die Entscheidungsbefugnis über die Durchführung der Transaktion obliege.
b) Die Heranziehung der EU-Verordnung Nr. 208/2014 begründet ebenfalls kein Ablehnungsrecht. Gem. Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 208/2014 dürfen weder mittelbar noch unmittelbar den im Anhang I der Verordnung genannten Personen Gelder zugutekommen. Weder der Kläger noch sein Vertragspartner sind in der Liste zu finden, sodass allenfalls mittelbare Begünstigungen in Betracht kämen. Gründe, die dafür sprechen, dass die streitgegenständliche Transaktion mittelbar einer im Anhang I genannten Person zugutekommen sollte, hat die Beklagte entgegen ihrer Darlegungspflicht – trotz Hinweis durch das Gericht – nicht substantiiert dargelegt. Der bloße Verweis, dass die Transaktion auf Geschäftsbeziehungen in die Ukraine beruht und mehrere Beträge an denselben Geschäftspartner unter derselben Vertragsnummer erfolgten, kann nicht ausreichen. Anderenfalls wären keinerlei geschäftliche Beziehungen aus der EU mit der Ukraine mehr möglich, die mehrere Überweisungen erfordern. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die EU-Verordnung über ihren Zweck, die genannten Personen wirtschaftlich zu isolieren, hinaus beabsichtigt, sämtlichen Handel aus der EU mit der Ukraine zu unterbinden. Die Beklagte hätte damit – eventuell nach einer kurzzeitigen Unterbrechung des Vorgangs zur Prüfung, ob Verbindungen mit den in Anhang I genannten Personen festgestellt werden können – die Überweisung durchführen müssen.
c) Zuletzt kann der Verweis auf „interne Richtlinien“ – auch unter Berücksichtigung des § 25h KWG – nicht überzeugen, da anderenfalls Sinn und Zweck des § 675o Abs. 2 BGB unterlaufen würde. Ablehnungen von Überweisungen wären in diesem Fall eben nicht nur bei entgegenstehenden Vertragsvereinbarungen oder Widersprüchen zu sonstigen Rechtsvorschriften möglich, sondern stünden im freien Belieben des Zahlungsdienstleisters.
2. Der Kläger kann gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB wegen der Nichtausführung der Überweisung Schadensersatz statt der Leistung verlangen.
Die Beklagte hat durch die vertragswidrige Nichtausführung der Überweisung eine Pflicht aus ihrem Vertrag mit dem Kläger verletzt. Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten, §§ 276, 278 BGB. Hierdurch ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden. § 675z S. 1 BGB steht derartigen Ansprüchen auf Folgeschäden nicht entgegen (Palandt-Sprau, 77. Auflage 2018, § 675z BGB Rn. 2).
3. Der kausale Schaden des Klägers liegt darin, dass ihn sein Vertragspartner in Höhe von 616,70 € in Anspruch genommen hat und insoweit eine Haftung des Klägers ausgelöst wurde.
a) Das Gericht geht davon aus, dass dem Kläger tatsächlich eine Verbindlichkeit gegenüber seinem ukrainischen Vertragspartner in Höhe von 616,70 € entstanden ist.
Nach Ziffer 9.1.2. des zwischen dem Kläger und seinem Vertragspartner geschlossenen Vertrages haften die Vertragsparteien zwar nur verschuldensabhängig. Andererseits hatte der Kläger die Verantwortung, dass seine Zahlungen rechtzeitig erfolgen. Insoweit bediente er sich der Beklagten und muss für deren fehlerhafte Beurteilung der Rechtslage gegenüber seinem Vertragspartner einstehen.
Die Höhe des Haftungsschadens des Klägers bemisst sich nach dem beim Vertragspartner des Klägers eingetretenen Schaden, den dieser aufgrund des Vertrages auf den Kläger abwälzen kann. Das Gericht ist davon überzeugt (§ 287 ZPO), dass wegen der Zahlungsverzögerung ein Schaden von 616,70 € ausgelöst wurde. Eine Sittenwidrigkeit dieses Betrages gem. § 138 BGB – wie von der Beklagten vorgetragen – kann insbesondere im Verhältnis zur Höhe der nicht ausgeführten Überweisung nicht festgestellt werden. Auch der vorgebrachte Vergleich mit den Verzugszinsen nach deutschem Recht greift nicht, da hier ein Schaden des Vertragspartners aufgrund einer Strafzahlung an die örtlichen Behörden eintritt. Es gilt vielmehr auch in diesem Fall der Grundsatz der Totalreparation, wonach der Schädiger sämtliche eingetretenen Schäden ersetzen muss (s. Palandt-Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 249 Rn. 1).
b) Der Kläger hat auch die Anforderungen der Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 S. 1 a.E. BGB erfüllt, weshalb der Anspruch keiner Kürzungen bedarf. Eine frühere Überweisung konnte der Kläger nicht erreichen. Der Kläger hatte sich unmittelbar – sogar noch am selben Tag – nach der Ablehnung des Vorgangs durch die Beklagte an ein anderes Kreditinstitut gewandt hat, um die streitgegenständliche Überweisung durchzuführen. Nach der Absage durch dieses Kreditinstitut hat er sich unverzüglich an eine weitere Bank gewendet und nach Abschluss eines Vertrages mit dieser die Überweisung schnellstmöglich getätigt. Die für den Einwand des § 254 BGB beweisbelastete Beklagte trägt keinen davon abweichenden Sachverhalt vor.
3. Das Gericht kann sich dagegen nicht davon überzeugen (§ 287 ZPO), dass dem Kläger wegen der verspäteten Überweisung ein Gewinn i.H.v. 2000 € entgangen ist.
Der Kläger trägt insoweit vor, dass sich sein Warenbestand verringerte und er Kundenwünsche nicht erfüllen konnte (Schriftsatz vom 02.07.2018, Seite 5/6 = Bl. 80/87 d.A.), was sich in fallenden Betriebseinnahmen der Monate März bis Juni 2016 abbilde.
Dieser Vortrag führt nicht zur Überzeugung des Gerichts, dass dem Kläger wegen der kurzfristigen Zahlungsverzögerung ein Verlust entstanden ist (§ 287 ZPO). Es fehlt schon jeder Vortrag, welche konkreten Waren (Art, Spezifizierung etc.) der Kläger in diesem Zeitraum bestellt hatte und die ihm wegen der Zahlungsprobleme nicht geliefert wurden. Der Kläger legt weder Bestellungen vor, die wegen der Zahlungsverzögerung nicht angenommen wurden noch Bestellungen, die wegen der Zahlungsverzögerung nicht ausgeführt oder zurückgehalten wurden. Allein ein möglicher Rückgang des Umsatzes im ersten Halbjahr 2016 kann viele Gründe haben. Hinzu kommt, dass sich ein möglicher Umsatzrückgang wegen der zeitlich begrenzten Lieferverzögerung in einem Monat in einem späteren Monat wieder ausgeglichen hat. Wegen des Fehlens brauchbarer Anknüpfungstatsachen kam auch ein Sachverständigengutachten nicht in Frage.
4. Für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung steht dem Kläger nach §§ 280, 281 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 281,60 € zu.
Durch die Pflichtverletzung der Beklagten war der Kläger gezwungen, anwaltlichen Rat einzuholen. Die damit ausgelösten Kosten stellen daher einen ersatzfähigen Vermögensschaden dar.
Diesen Schaden schätzt das Gericht auf 281,60 € (1,3 Geschäftsgebühr VV 2300). Der Gegenstandswert des vom Kläger erteilten Auftrags bemisst sich nach dessen Interesse, die verweigerte Überweisung durchzuführen. Insoweit darf einerseits nicht auf den eher zufälligen Überweisungsbetrag abgestellt werden, andererseits betraf die damit verbundene Problematik unmittelbar das Geschäftsmodell des Klägers, der Handel mit der Ukraine treibt und auf einen reibungslosen Zahlungsverkehr angewiesen ist.
Dieses Interesse schätzt das Gericht auf bis 3.000,00 €, woraus sich für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger eine Geschäftsgebühr von 281,30 € (= 261,30 € netto + 20,00 € Auslagen) ergibt.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über den darauf entfallenden Teil der Kosten gem. § 91a ZPO zu entscheiden. Die davon erfassten ursprünglichen (Feststellungs-)Anträge waren begründet, erst bei deren späteren Bezifferung verliert der Kläger, was im Ergebnis zur Kostenaufhebung führt.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1 GKG.


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