Europarecht

Schadensersatz wegen fehlerhafter Durchführung eines Vergabeverfahrens

Aktenzeichen  27 U 3268/17 Bau

Datum:
13.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57695
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 92 Abs. 2, § 101 Abs. 1, § 138 Abs. 4,§ 540 Abs. 1 Nr. 1, § 543,§ 708 Nr. 10, § 711
VOB/B § 2 Abs. 3
BGB § 278, § 286, § 288, § 291, § 649 S. 2
VOB/A § 13 Abs. 1 Nr. 3§ 17 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo hat ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (vgl. z.B. BGH Urteil vom 26.10.1999, X ZR 30/98).  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass das Vergabeverfahren an einem Vergabefehler leidet, der Zuschlag einem Dritten tatsächlich erteilt worden ist und der Kläger den Zuschlag tatsächlich hätte erhalten müssen (vgl. BGH Urteil vom 18.09.2007, X ZR 89/04). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 2091/16 2017-08-09 Endurteil LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Kempten, Az. 11 O 2091/16, vom 09.08.2017 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 32.203,13 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 18.01.2017 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin. Diese trägt die Streithelferin selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen fehlerhafter Durchführung eines Vergabeverfahrens geltend.
Die Streithelferin F. Architekten B. GbR führte im Jahre 2015 im Auftrag der Beklagten für das Bauvorhaben „Umbau und Erweiterung H. Gymnasium“ in K. ein Vergabeverfahren durch.
An der Ausschreibung für das Verfahren beteiligten sich neben anderen Firmen auch der Kläger sowie die Firma M., die schließlich am 21.01.2016 den Zuschlag erhielt.
Nach den Berechnungen der Streithelferin war das Angebot der Firma M. geringfügig günstiger als das der Klägerin.
Bei Durchführung des Vergabeverfahrens sind zwei Fehler aufgetreten.
Zunächst wurde unter der Position 2.13 (Ausgleichsspachtelung) eine fehlerhafte Massenvorgabe von nur 230 m² anstelle einer tatsächlich zu bearbeitenden Fläche von 4.480 m² zugrunde gelegt. Dieser Fehler war sowohl dem Kläger als auch der Firma M. und der Beklagten bei Durchführung der Bietergespräche bekannt. Eine Massekorrektur wurde jedoch nicht vorgenommen.
Weiter kam es bei der Bearbeitung der eingegangenen Angebote bei der Streithelferin zu einem Übertragungsfehler mit der Folge, dass das Angebot der Firma M. geringfügig günstiger war als das des Klägers.
Nach Zuschlagserteilung an die Firma M. schloss die Beklagte mit dieser einen Aufhebungsvertrag und führte ein neues Vergabeverfahren durch, welches ebenfalls mit einem Zuschlag zugunsten der Firma M. endete.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 32.203,13 € in Form des positiven Interesses.
Das Landgericht Kempten hat die Klage mit Urteil vom 09.08.2017 abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht aus,
die Klage sei abzuweisen, weil dem Kläger nicht der Nachweis gelungen sei, dass ihm wegen des festgestellten Übertragungsfehlers ein Vermögensschaden entstanden sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass der Kläger bei korrekter Durchführung des Vergabeverfahrens auch tatsächlich den Zuschlag erhalten hätte. Nach Angaben des Zeugen Me. sei das Angebot des Klägers ohne den Übertragungsfehler zwar das wirtschaftlichste gewesen, aufgrund des in der Ausschreibung enthaltenen Massefehlers hätte dieser jedoch gleichwohl keine Vergabeempfehlung zugunsten des Klägers ausgesprochen. Nach Aussage des Zeugen Me. stehe damit gerade nicht fest, dass der Kläger ohne den Übertragungsfehler den Zuschlag erhalten hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass mit Zuschlagserteilung vom 21.01.2016 das förmliche Ausschreibungsverfahren geendet habe und eine Aufhebung des Verfahrens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sei. Auf die Frage, inwieweit eventuell in zulässiger Weise die Ausschreibung vorher hätte aufgehoben werden können, komme es demnach nicht mehr an.
Zudem hätte vorliegend auch kein Aufhebungsgrund vorgelegen, da eine grundlegende Änderung der Verdingungsunterlagen nicht erforderlich gewesen sei. Die Anpassung der Mengenänderung in der Leistungsposition 2.13 hätte in der Gesamtauftragssumme lediglich zu einer Preiserhöhung von ca. 23% geführt und sei nicht als schwerwiegender Grund, der eine Aufhebung einer Ausschreibung rechtfertige, zu werten. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt des Zuschlags eine mögliche Änderung der Mengen in Position 2.13 auch bekannt gewesen.
Hierbei habe das Landgericht völlig außer Acht gelassen, dass die Beklagte nach § 2 Abs. 3 VOB/B die Möglichkeit habe, bei Massenänderungen den Einheitspreis nachträglich zu korrigieren. In diesem Falle wäre der Kläger bereit gewesen, bei erhöhten Massen seinen Einheitspreis auf 3,50 € pro m² netto zu reduzieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags des Klägers wird auf die Berufungsbegründung vom 16.11.2017 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz:
Das Endurteil des Landgerichts Kempten vom 09.08.2017, Az. 11 O 2091/16, wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.203,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.07.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und beantragt,
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist der Ansicht,
der Berufungskläger verkenne, dass es auf den Massefehler erst dann angekommen wäre, wenn der Übertragungsfehler erkannt worden wäre. Bei Zugrundelegung der tatsächlichen Massen wäre dann wiederum die Firma M. zum Zuge gekommen, weshalb es nie zu einem Zuschlag zugunsten des Klägers hätte kommen können.
Zu Recht verweise das Landgericht auch darauf, dass die Beklagte jederzeit das Vergabeverfahren hätte aufheben können. Eine eventuelle Schadensersatzpflicht der Beklagten ginge dann lediglich auf das negative Interesse.
Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderung vom 22.12.2017 (Bl. 118/120 d. A.) Bezug genommen.
Die Streithelferin verteidigt ebenfalls das Ersturteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Streithelferin ist der Ansicht, eine Zuschlagserteilung zugunsten des Klägers hätte bereits deshalb nie erfolgen können, weil nicht das günstigste, sondern das wirtschaftlichste Gebot nach den Vergabebedingungen ausschlaggebend sei. Danach seien u. a. auch die Folgekosten zu berücksichtigen, hierunter seien auch die Kosten zu zählen, die aufgrund der Massenmehrung entstehen werden.
Hinzu komme, dass der Kläger den Massenfehler erkannt und die Beklagte nicht darauf hingewiesen habe, sondern vielmehr versucht habe, dieses Wissen spekulativ in Form einer Mischkalkulation für sich nutzbar zu machen, indem er den Einheitspreis für die Position 2.09 abgepreist und den Einheitspreis für die Position 2.13 aufgepreist habe.
Dies habe zwingend zur Folge, dass das Gebot des Klägers nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 c) VOB/A vom Verfahren auszuschließen sei.
Zudem sei das Vergabeverfahren aufgrund der Vertragsaufhebung mit der Firma M. ebenfalls aufgehoben worden, so dass ein erneutes Vergabeverfahren mit korrigierten Massen durchgeführt werden konnte.
Zum einen habe die Beklagte die Zuschlagserteilung rückgängig gemacht. Zum anderen genüge nach den Grundsätzen des rechtmäßigen Alternativverhaltens, dass die Beklagte eine Aufhebung des Vergabeverfahrens – anstelle der Zuschlagserteilung – rechtmäßig hätte vornehmen können.
Hinsichtlich des geltend gemachten Erfüllungsschadens ist die Streithelferin der Ansicht, dem Kläger stehe bereits aus Rechtsgründen kein Ersatz der allgemeinen Geschäftskosten zu. Im Übrigen bestreitet die Streithelferin vorsorglich mit Nichtwissen die Höhe dieser Kosten.
Wegen des weiteren Vortrags der Streithelferin in der Berufungsinstanz wird auf deren Schriftsätze vom 18.01.2018 und vom 25.05.2018 Bezug genommen.
In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 30.06.2018 hat der Prozessvertreter des Klägers zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass es sich hinsichtlich des „Wagnisses“ gemäß Formblatt 221, Pos. 2.3 um das allgemeine Geschäftswagnis des Klägers handle. Von der Beklagten wurde dies mit Nichtwissen bestritten.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß den §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 32.203,13 € in Form des positiven Interesses.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens des Bieters oder Bewerbers darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (vgl. z.B. BGH Urteil vom 26.10.1999, X ZR 30/98). Dabei setzt der geltend gemachte, auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch des Klägers voraus, dass das Vergabeverfahren an einem Vergabefehler leidet, der Zuschlag einem Dritten tatsächlich erteilt worden ist und der Kläger den Zuschlag tatsächlich hätte erhalten müssen (vgl. BGH Urteil vom 18.09.2007, X ZR 89/04).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
1) Das von der Beklagten durchgeführte Vergabeverfahren, an dem sich der Kläger als Bieter beteiligt hat, leidet an einem Vergabefehler.
1) Der Vergabefehler liegt darin, dass aufgrund eines Übertragungsfehlers im Büro der Streithelferin F. Architekten B. GbR von dieser die Angebote der Bieter rechnerisch fehlerhaft gewertet wurden. Dieser Übertragungsfehler führte, wie auch die Regierung von Schwaben in ihrem Schreiben vom 02.02.2016 (Anlage K 6) an die Beklagte festgestellt hat, dazu, dass die Firma M. fälschlicherweise als günstigster Bieter ermittelt wurde. Im Preisspiegel wurde von der Streithelferin für die Firma M. in Position 4.6 ein falscher Einheitspreis eingetragen mit der Folge, dass das Angebot der Firma M. mit 156.060,75 € brutto von der Streithelferin als günstigstes ermittelt wurde. Tatsächlich war jedoch das Angebot des Klägers mit 155.623,02 € brutto das günstigste.
Diesen Fehler muss sich die Beklagte gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, da sie sich zur Durchführung des Vergabeverfahrens der Streithelferin als Erfüllungsgehilfin bedient hat.
1) Im Rahmen der Prüfung des Vergabefehlers ist dagegen nicht zu berücksichtigen, dass die Streithelferin in den Ausschreibungsunterlagen bei der Position 2.13 (Untergrund ausgleichen, Ausgleichsspachtelung) eine Fläche von 230 qm anstelle der tatsächlich zu spachtelnden 4.480 qm angesetzt hat.
Wie der Zeuge Me. im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme bestätigt hat und auch dem Protokoll zum Bietergespräch vom 21.12.2015 (Anlage K 3) zu entnehmen ist, war sowohl dem Kläger als auch der Firma M. und der Streithelferin bei Durchführung dieses Bietergespräches bekannt, dass hinsichtlich der Position 2.13 in den Ausschreibungsunterlagen fehlerhafte Massen angegeben sind. Unter Ziffer 10. des Protokolls zum Bietergespräch (Leistungsumfang des Angebots) wurde hierbei als „zusätzliche Leistungen“ ausdrücklich vermerkt, dass die Spachtelung in allen Flächen erforderlich ist. Des Weiteren hält das Protokoll zu Position 2.13 fest „Ausgleichsspachtelung ist in allen Flächen erforderlich“.
Sowohl der Streithelferin und damit ihr gemäß § 278 BGB zurechenbar der Beklagten als auch dem Kläger und der Firma M. war somit bekannt, dass hinsichtlich der Position 2.13 Massenmehrungen auftreten werden. Trotzdem wurde das Vergabeverfahren von der Beklagten unter Zugrundelegung dieser Massen durchgeführt.
1) Es kann dahingestellt bleiben, ob diese fehlerhaften Massenangaben hinsichtlich der Position 2.13 die Beklagte berechtigt hätten, das Vergabeverfahren gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen „schwerwiegender Gründe“ aufzuheben.
Entscheidend ist, dass die Beklagte in Kenntnis dieses Massefehlers das Vergabeverfahren bis zum Zuschlag an die Firma M. durchgeführt hat und damit das Vergabeverfahren beendet war.
Im Übrigen wäre die Beklagte nach Auffassung des Senats aufgrund der fehlerhaften Angaben bei der Position 2.13 auch nicht zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt gewesen.
Zwar hätte die Durchführung des Auftrags unter Zugrundelegung der tatsächlichen Massen sowie der vom Kläger in seinem Angebot für die Position 2.13 angesetzten Einheitspreise zu einer Preissteigerung von ca. 23% geführt.
Der Kläger wäre in diesem Falle jedoch gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B auf Verlangen der Beklagten verpflichtet gewesen, einen neuen Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Auf ein solches Verlangen der Beklagten hätte der Kläger, von Beklagtenseite nicht bestritten, aufgrund der deutlich erhöhten Massen sein Angebot von 6.75 €/qm auf einen Einheitspreis von 3,50 €/qm netto reduziert.
Die Argumentation der Beklagten, das Angebot des Klägers hätte sich aufgrund der erhöhten Massen um ca. 19.000,00 € verteuert, ist somit nicht zielführend.
1) Aufgrund des Übertragungsfehlers der Streithelferin hinsichtlich der Position 4.6 (falscher Einheitspreis) hat die Firma M. am 21.01.2016 auch tatsächlich den Zuschlag erhalten.
1) Schließlich hätte der Kläger ohne den Übertragungsfehler der Streithelferin auch den Zuschlag erhalten müssen.
Gemäß Ziffer 10.6 der besonderen Vertragsbedingungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens waren, erhält unter Berücksichtigung aller Umstände das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag. Dabei sind für den Auftraggeber neben dem Preis auch weitere Gesichtspunkte von Bedeutung und bestimmen den wirtschaftlichen Wert der Leistung.
Als Wertungskriterien wurden dabei von der Beklagten Abwicklungs-, Begleit- und Folgekosten zugrunde gelegt.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien war das Angebot des Klägers auch das wirtschaftlichste.
Nach Angabe des Zeugen Me. (Seite 3 des Protokolls vom 05.07.2017, Blatt 55 der Akten) wurden beim Vergabevorschlag von der Beklagten auch weitere Umstände, wie technische Angebote, Zuverlässigkeit, Referenzen, Terminstreue usw. berücksichtigt. Entscheidend war jedoch, da die Firma M. und der Kläger bei den preisunabhängigen Kriterien etwa gleichwertig waren, der Gesamtpreis.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei Festlegung des „wirtschaftlichsten Angebotes“ nicht zu berücksichtigen, dass für die Position 2.13 wegen der tatsächlichen Massenmehrungen von Mehrkosten in Höhe von 15.680,00 € netto auszugehen gewesen wäre.
Zum einen hatte die Beklagte gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, wie bereits ausgeführt, einen Anspruch auf Abänderung dieses Einheitspreises.
Zum anderen fallen unter „Folgekosten“ nur solche Kosten, die zusätzlich in Zukunft aufzuwenden sind, um das mit der Leistung verfolgte Ergebnis auch in Zukunft zu erhalten (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 24.05.2006, Verg1/2006 in ZfBR 2006, 719). Bei den aufgrund der Massenmehrung entstehenden Kosten handelt es sich jedoch um Kosten, die bereits im Rahmen der Durchführung eines Auftrages entstehen.
1) Der Zuschlag hätte dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb versagt werden müssen, weil sein Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 c) i. V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A von der Prüfung und Wertung der Angebote hätte ausgeschlossen werden müssen.
Zwar handelt es sich bei einer sogenannten „Mischkalkulation“ um eine typische Erscheinungsform unvollständiger Preisangaben im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, die zum Ausschluss des Bieters führen.
Der Bieter weist dabei einer bestimmten Leistung nicht die dafür tatsächlich verlangte, sondern eine geringere Vergütung zu und legt Kostenfaktoren, die bei der Kalkulation tatsächlich anfallen, auf andere Positionen um (vgl. BGH VergR 2004, 473).
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine solche „Mischkalkulation“ hinsichtlich der Positionen 2.13 und 2.9 vorgenommen hat, bestehen nicht.
Der Zeuge Me. selbst hat hierzu bei seiner Einvernahme im Termin vom 05.07.2017 erklärt, die Position 2.9 sei für die Ausschreibung nicht relevant gewesen und betreffe auch keine Massefehler, da die tatsächliche Fläche der auszubauenden Spachtelung erst im Nachhinein feststellbar gewesen sei.
Hierauf wurde auch beim Bietergespräch vom 21.12.2015 (Anlage K 3) hingewiesen. Zu Position 2.9 ist im Protokoll ausdrücklich vermerkt „Ausbau der Spachtelung gegebenenfalls nur in Teilbereichen“.
Bereits aus diesem Grund ist von einer Mischkalkulation des Klägers bezüglich der Positionen 2.13 und 2.9 nicht auszugehen.
Hinzu kommt, dass bei dem Bietergespräch alle Beteiligten, sowohl die Auftraggeberin als auch die Bieter, unstreitig Kenntnis von den zu geringen Massen bezüglich der Position 2.13 hatten. Der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe als einziger Bieter vorab hiervon Kenntnis gehabt und dies zu Lasten der Beklagten sowie anderer Bieter ausgenutzt, ist nicht im Ansatz nachvollziehbar und durch nichts belegt.
In diesem Zusammenhang ist zudem auf den von der Streithelferin vorgelegten Preisspiegel (Anlage StV 2) zu verweisen. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger bei der Position 2.13 mit einem Einheitspreis von 6,75 € keineswegs einen überhöhten Preis angesetzt hat. Laut Preisspiegel lagen die Angebote vielmehr zwischen 12,40 € und 2,80 € pro Quadratmeter.
1) Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 32.203,13 €.
Zu ersetzen ist hierbei das positive Interesse (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2007, X ZR 89/04).
Er hat den von ihm geltend gemachten Schaden, beschränkt auf „allgemeine Geschäftskosten“ und „Wagnis und Gewinn“, auch substantiiert dargelegt.
Unter Berücksichtigung der von der Beklagten ausgeschriebenen Massen sowie der in Position 2.13 nach dem Bietergespräch gegenüber allen Bietern berichtigten Flächen geht der Kläger dabei von einem Gesamtauftragsvolumen von 161.015,65 € aus (vgl. Anlage K 11). Auf Grundlage seiner Urkalkulation gemäß Formblatt 221 der Angebotsunterlagen (Anlage K 2) macht der Kläger dabei allgemeine Geschäftskosten von 5%, das heißt 8.050,78 €, sowie Kosten für Wagnis und Gewinn von 15%, das heißt 24.152,35 € netto, und damit einen Gesamtschaden von 32.203,13 € netto geltend.
Soweit die Beklagte diese detailliert vorgelegte Schadensberechnung pauschal als unschlüssig bestreitet, ist dies gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unbehelflich.
Die vom Kläger ausgewiesenen Zuschläge für Wagnis und Gewinn sind insgesamt auch nicht als ersparte Aufwendungen im Sinne des § 649 Satz 2 BGB a. F. anzusehen und damit auch nicht von dem Schadensersatzanspruch des Klägers abzuziehen.
Bei der Position „Wagnis und Gewinn“ handelt es sich nicht um Kosten, die lediglich ein im Hinblick auf eine bestimmte Leistung bestehendes konkretes Wagnis abgelten sollen, sondern um die Abgeltung der allgemeinen Risiken, die mit dem Geschäftsbetrieb als solchen verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2016, VII ZR 201/15 in NJW 2016, 2944).
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass in dem Formblatt zwischen Wagnis und Gewinn nicht gesondert unterschieden wird und die so ermittelten Zuschläge zur Ermittlung der Einheitspreise auf die für die angebotenen Teilleistungen ermittelten Herstellungskosten jeweils aufzuschlagen waren (so BGH a.a.O.).
Anhaltspunkte dafür, dass in die Vergütung des Klägers ausnahmsweise ein auf eine konkrete Vertragsleistung bezogenes Einzelwagnis einkalkuliert gewesen sei, das bei Nichtausführung als ersparte Aufwendung in Abzug zu bringen wäre, bestehen nicht.
Das durch keinen Tatsachenvortrag untermauerte Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen hierzu im Termin vom 13.06.2018 ist unbehelflich und gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich.
2. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Ein weitergehender Zinsanspruch aus Verzug gemäß den §§ 286, 288 BGB wurde vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen und war daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr., 101 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Die Entscheidung weicht nicht von Entscheidungen anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs ab und beruht im Wesentlichen auf den Umständen des Einzelfalles.


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