Europarecht

Schadensersatzanspruch, Berufung, Fahrzeug, Erfolgsaussicht, Kaufpreis, Marke, Vorabentscheidungsersuchen, Sittenwidrigkeit, Zulassung, Kommission, Software, Darlehen, Darlegungslast, Betrug, Zug um Zug, Aussetzung des Verfahrens, Gelegenheit zur Stellungnahme

Aktenzeichen  1 U 565/21

Datum:
20.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18689
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 222/21 2021-11-30 Endurteil LGBAYREUTH LG Bayreuth

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 30.11.2021 (Az.: 22 O 222/21) einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 32.736,08 € festzusetzen.
3. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.07.2022.

Gründe

I.
Der Kläger macht deliktische Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal geltend.
Der Kläger erwarb am 21.01.2017 den PKW VW Tiguan 2.0 TDI als Neuwagen von der Firma in als Neuwagen zum Kaufpreis von 45.600,00 € (K 1). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. Das vom Kläger zur Finanzierung aufgenommene Darlehen wurde abgelöst und das sicherungsübereignete Fahrzeug an den Kläger übereignet.
Das Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, er sei beim Kauf des Fahrzeugs einem Betrug zum Opfer gefallen. In dem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut. Zum einen ein sog. „Thermofenster“ und zum anderen eine sog. Zykluserkennung, durch welche die Software des Fahrzeugs erkenne, wenn der NEFZ durchlaufen werde und dann in einen besonderen Modus mit optimierter Abgasaufbereitung schalte, bei der möglichst wenige Stickoxide entstünden. Im tatsächlichen Fahrbetrieb liege die Abgasrückführungsrate viel niedriger und die Schadstoffgrenzwerte würden nicht eingehalten. Er sei beim Kauf davon ausgegangen, dass das Fahrzeug besonders umweltfreundlich betrieben werden könne.
Der Kläger hat in erster Instanz die Rückabwicklung des Kaufvertrages, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beantragt.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, dass das Fahrzeug über eine wirksame EG-Typgenehmigung verfüge. Der Motor EA 288 enthalte anders als der Motor EA 189 keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer sog. Umschaltlogik. Die Fahrkurve in Fahrzeugen mit EA 288-Motor sei dem KBA bereits Ende 2015 vorgestellt worden. Das KBA habe bestätigt, dass es keine im Prüfstandsbetrieb die Abgasrückführung optimierende Funktion gebe. Ein betrügerisches Verhalten der Organe der Beklagten sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Voraussetzungen der sekundären Beweislast seien nicht erfüllt. Die Verwendung des sog. Thermofensters sei technisch gerechtfertigt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche zu. Anders als in den Fahrzeugen mit EA 189 Motor seien in Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mit Umschaltlogik vorhanden. Dies hätten Überprüfungen seitens des KBA ergeben. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Delikt seien vom Kläger nicht schlüssig dargetan. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung, mit der er seine in erster Instanz gestellten Anträge weiterverfolgt.
Er wiederholt den Sachvortrag aus der ersten Instanz, wonach in dem Fahrzeug des Klägers mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien, nämlich eine Zykluserkennung, eine Dosierstrategie, ein Thermofenster und eine Manipulation des On-Board-Diagnosesystems (OBD). Das Landgericht habe die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vortrags insgesamt überspannt.
Die Klagepartei beantragt, das Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zur Beantwortung der mit Beschluss des LG Ravensburg vom 12.02.2021, 2 O 393/20 gestellten Rechtsfragen durch den EuGH Az.: C-100/21 auszusetzen. Die Klagepartei regt darüber hinaus an, die Entscheidung im Revisionsverfahren ZR 412/21 gegen das Urteil des OLG Naumburg vom 09.04.2021 – 8 U 68/20 abzuwarten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 28.03.2022 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:
1. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.217,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 32.736,08 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke VW vom Typ Tiguan 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) … nebst 2 Fahrzeug schlüsseln, KFZ-Schein, KFZ-Brief und Serviceheft.
Äußerst hilfsweise:
2. das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen Weiter beantragt der Kläger:
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte und Berufungsbeklagte mit der Annahme der in den vorgenannten Klageanträgen genannten Zugum-ZugLeistung in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, den Kläger und Berufungskläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe 1.873,06 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage für erledigt erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Das konkrete Fahrzeug unterliege unstreitig keinem Rückruf durch das KBA. Insgesamt gebe es für den konkreten Motortyp keinen verbindlichen Rückruf durch das KBA. Ebenso wenig existiere ein verpflichtendes Software-Update. Das Aggregat des streitgegenständlichen Typs sei durch das KBA intensiv geprüft worden; hierbei seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. Das KBA habe demzufolge zwischenzeitlich in einer Vielzahl von Auskünften gegenüber den Gerichten bestätigt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden seien.
Die Beklagte weist im Hinblick auf die beanstandete Fahrkurvenerkennung auf die Entscheidung des BGH vom 21.03.2022 im Verfahren VIa ZR 334/21 hin. Von der Verwendung des Thermofensters sei das KBA vorab in Kenntnis gesetzt worden. Eine Beweisaufnahme sei mangels substantiierten Vortrags des Klägers nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte treffe daher auch keine sekundäre Darlegungslast.
Jedenfalls fehle es an den subjektiven Voraussetzungen für einen deliktischen Schadensersatzanspruch. Auch aus sonstigen Anspruchsgrundlagen ergebe sich kein Schadensersatzanspruch. Der VI. Zivilsenat des BGH habe in einem ähnlich gelagerten Fall die Klageabweisung ohne Beweisaufnahme mit Beschluss vom 10.03.2022 bestätigt (VI ZR 417/19).
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 20.04.2022 Bezug genommen.
II.
1. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO liegen nicht vor.
Der Bundesgerichtshof hat den Schutzgesetzcharakter der europäischen Vorschriften im Sinne eines acte clair bereits verneint (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020, Az. ZR 252/19 Rn. 72 ff; BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. ZR 5/20, Rn. 10 ff.; BGH, Beschluss vom 07.07.2021, Az. ZR 218/21, Tz. 1 ff.). Dem schließt sich der Senat an.
Insbesondere geben weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission Anlass, hieran zu zweifeln.
Mit den tragenden Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung setzen sich die Landgerichte, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet haben, nicht auseinander.
Die Stellungnahme der Kommission besagt für die hier allein interessierende Frage, ob auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll, nichts. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23.03.2022 – ZR 667/21).
Es besteht auch keine Veranlassung, die Entscheidung des BGH im Verfahren ZR 412/21 gegen die Entscheidung des OLG Naumburg vom 09.04.2021 (8 U 68/20) abzuwarten. Auf die Entscheidung des OLG Naumburg vom 09.04.2021 im Verfahren 8 U 68/20 kommt es nicht an, da eine objektive Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung noch keine Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten begründen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022, VIa ZR 334/21 Rdnr. 23).
2. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth offensichtlich im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO weist der Senat den Kläger auf die beabsichtigte Entscheidung hin und gibt ihm zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu und zur beabsichtigten Festsetzung des Berufungsstreitwerts.
a) Zutreffend hat das Landgericht Bayreuth festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 826 BGB (i.V.m. §§ 31 bzw. 831 BGB) hat, da es an der substantiierten Darlegung der hierzu erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen fehlt.
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, welches nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: ZR 252/19; BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: ZR 536/15, WM 2016, 1975). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: ZR 536/15, WM 2016, 1975). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2019, Az.: ZR 512/17, NJW 2019, 2164).
bb) Als objektiv sittenwidrig wäre das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger insbesondere dann zu qualifizieren, wenn die Beklagte auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig Motoren in den Verkehr gebracht hat, obwohl die Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: ZR 252/19). Durch die Verwendung des Motors ginge dann nämlich nicht nur eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher, sondern auch die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung für die betroffenen Fahrzeuge eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung droht (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: ZR 252/19). Ein solches Verhalten wäre im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
cc) Nach Maßgabe dessen ist der Sachvortrag der Klägerseite nicht schlüssig und erheblich. Die dafür angebotenen Beweise sind unzulässige Ausforschungsbeweise und stellen ein willkürliches Vorgehen dar, das rechtsmissbräuchlich und deshalb prozessual unzulässig ist. Dies gilt insbesondere, weil der Kläger die Hinweise des KBA und deren Feststellungen und Mitteilungen bzw. das Unterlassen einer Beanstandung/eines Rückrufs schlicht ignoriert bzw. als (für ihn) nicht relevant hält.
(1) Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger Analogien zu den Vorgängen innerhalb des VW-Konzerns behauptet. Er behauptet, dass (auch) der in seinem Fahrzeug verbaute Motor über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge, so dass bei der Überprüfung der Abgaswerte auf einem Prüfstand zum Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen für die öffentlichrechtliche Zulassung durch die verwendete Software ein anderer Betriebsmodus eingeschaltet werde als bei Normalbetrieb. Die Zulassung zum öffentlichen Verkehr sei also erschlichen worden. Mit dieser Behauptung setzt der Kläger sich allerdings – anders als die Erwerber von Fahrzeugen, bei denen Rückrufe seitens des KBA erfolgt sind – in Widerspruch zu den Feststellungen des KBA. Dieses im Widerspruch zu den amtlichen Prüfungen stehende Vorbringen des Klägers kann aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ gemacht und mithin unbeachtlich sein, wenn keine substantielle Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Bundesbehörde erfolgt. Es bedarf tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass die klägerische Behauptung dennoch zutreffen könnte (BGH, Urteil vom 13.12.2002, Az. V ZR 359/01 juris; Beschluss vom 28.01.2020, Az. ZR 57/19 juris; OLG Bamberg, Urteil vom 03.02.2021, Az. 8 U 92/20; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 284).
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruches ist erst dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls den benannten Zeugen oder einem Sachverständigen die Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az. ZR 57/19 NJW 2020, 1740 m.w.Nw.). Es ist einer Partei auch nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist jedoch dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „auf das Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH a.a.O.). (3) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze stellt der Vortrag des Klägers zu den behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen in erster Instanz auch in der Berufungsinstanz eine Behauptung „ins Blaue hinein“ dar, insbesondere zum Thermofenster, dessen Bewertung durch das Erstgericht allein Gegenstand der Berufungsangriffe des Klägers ist.
Der Kläger trägt letztlich keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde sowie dass die öffentlichrechtliche Zulassung zum Betrieb des Motors im Verkehr erschlichen worden ist, obwohl die dazu erforderliche Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte nicht gegeben war. Der Kläger trägt nicht vor, dass vom KBA ein Rückruf der Fahrzeuge mit dem Motortyp EA 288 (2.0 TDI, Euro-Norm 6) angeordnet wurde, weil die gesetzlich geforderten Abgasgrenzwerte für die Zulassung zum Verkehr tatsächlich nicht eingehalten werden und die Zulassung zum öffentlichen Verkehr durch das KBA aufgrund der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für den normalen Betrieb während des Prüfzyklus auf dem Prüfstand gesetzeswidrig erschlichen wurde oder zumindest dass das KBA den Rückruf noch anordnen wird, weil es z. B. noch nicht zu einer Prüfung unter dem spezifischen Gesichtspunkt einer den Prüfstand erkennenden Abschalteinrichtung in der Software Zeit gefunden hat.
Es wird auch nicht vorgetragen, dass überhaupt ein Rückruf dieses Fahrzeugtyps oder andere Maßnahmen angeordnet wurden, weil die Abgaswerte im täglichen Betrieb die gesetzlich vorgegebenen Werte nicht einhalten. Vielmehr blieb unstreitig, dass das KBA Fahrzeuge mit Motoren des streitgegenständlichen Typs bei Fahrzeugen mit den betreffenden Motortypen selbst nicht zurückgerufen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger vorgetragenen freiwilligen Servicemaßnahme bzw. Updates, im Gegenteil. Gerade weil das KBA nach einer Prüfung bestimmte Typen von Fahrzeugen bzw. Dieselmotoren der Beklagten beanstandet hat, andere aber gerade nicht, zeigt, dass ein Rückruf für Fahrzeuge vom streitgegenständlichen Modell nicht erfolgen wird, weil es an einer täuschenden Software fehlt. Dies nach Auffassung des Senats umso mehr, da mittlerweile über sechs Jahre seit dem Bekanntwerden der grundsätzlichen Möglichkeit derartiger Manipulation zur Täuschung des KBA vergangen sind und genug Zeit für entsprechende Nachprüfungen blieb.
Zu beachten ist auch, dass die Beklagte bereits mit Klageerwiderung detailliert dargestellt hat, dass beim klägerischen Fahrzeug keine Umschaltung zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb hinsichtlich der Abgasrückführung stattfindet. Auch hat die Beklagte substantiiert vorgetragen, dass keine Täuschung des KBA erfolgte und das KBA bestätigt habe, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp keine Abschalteinrichtung verwende. Mit alldem setzt sich der Kläger weiterhin inhaltlich nicht ausreichend auseinander.
Der Kläger trägt konsequenterweise auch nicht vor, dass von ihm entweder durch das KBA oder durch die Beklagte gefordert wurde, sein Fahrzeug in eine Werkstatt zu bringen, damit eine die unzulässige Abschalteinrichtung behebende Software aufgespielt wird. Der Vortrag des Klägers stellt im Kern nur darauf ab, dass in einem anderen Motor im Mutterkonzern der Beklagten nachgewiesenermaßen eine rechtswidrige Abschalteinrichtung verwendet wurde, um zu behaupten, dass dies auch bei anderen/allen Dieselmotoren der Beklagten der Fall sein dürfte oder muss und hieraus Nachteile für ihn drohen. Diese Schlussfolgerung ist willkürlich, anhaltslos und nicht belastbar. Den Beweisanträgen auf Erholung von Sachverständigengutachten ist deshalb nicht nachzukommen.
(2) Der Vortrag der Klagepartei führt auch nicht zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu den technischen Gegebenheiten der mit dem Motor EA 288 ausgestatteten Fahrzeuge. Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der sich auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB beruft, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 284 Rdnr. 34). Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass der darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die gegnerische Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt oder es ihr zuzumuten ist, nähere Angaben zu machen. Die Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten sind hier nicht erfüllt. Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der unstreitige oder zu beweisende Vortrag des Beweispflichtigen greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Zöller-Greger, a.a.O, m.w.N.).
Daran fehlt es hier, wie bereits dargestellt. Im Übrigen hat die Beklagte wie dargelegt zum streitgegenständlichen Fahrzeug umfassend und detailliert vorgetragen, hätte einer sekundären Darlegungslast folglich sogar Genüge getan.
(3) Zum Thermofenster, dessen Bewertung durch das Erstgericht allein Gegenstand der Berufungsangriffe des Klägers ist, ist Folgendes anzumerken:
Diesbezüglich kann sogar dahinstehen, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, denn der Bundesgerichtshof hat mittlerweile mehrfach festgehalten, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen, selbst wenn dies aus Gründen der Kostensenkung und Gewinnerzielung geschieht. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist vielmehr nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dies setzt voraus, dass die handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. u. a. BGH, Beschluss v. 19.01.2021, Az. ZR 433/19, Beschluss vom 09.03.2021, Az. ZR 889/20, Urteil vom 13. Juli 2021 – ZR 128/20, Urteile vom 16. September 2021 – ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20).
Ein derart vorsätzliches Verhalten im Sinne einer bewussten sittenwidrigen Schädigungsabsicht kann nur dann angenommen werden, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde.
An einem solchen substantiierten Vortrag fehlt es hier. Der Kläger hätte vorliegend zumindest darlegen müssen, dass und warum Organe der Berufungsbeklagten, deren Wissen sie sich gemäß § 31 BGB analog zurechnen lassen müsste, die auf einem Gesetzesverstoß beruhende Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten Thermofensters zumindest billigend in Kauf genommen haben sollen. Da der Kläger keine konkreten Umstände dargelegt hat, die schlüssig auf ein sittenwidriges Vorgehen bzw. einen Schädigungsvorsatz hinweisen könnten, würde man es der Berufungsbeklagten auferlegen, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast eine negative Tatsache, nämlich die Unkenntnis und den fehlenden Vorsatz ihrer Organe darzulegen, was in dieser Allgemeinheit nicht zumutbar ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. Hinweisbeschluss v. 15.1.2020 – 11 U 92/19, BeckRS 2020, 9094 Rn. 33). Insoweit kann der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die hinsichtlich des von der Beklagten entwickelten Motors Typ EA 189 ergangene Rechtsprechung (grundlegend insoweit BGH, Urteil v. 25.05.2020, Az. ZR 252/19) verweisen. Die Implementierung einer zum Zwecke der Erkennung der Prüfstandssituation entwickelten Software, die ausschließlich in diesen Fällen das Emissionsverhalten des Fahrzeugs verändert, stellt sich als qualitativ vollständig anders dar als ein temperaturabhängiges Abgasrückführungssystem, welches vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand, und bei dem Gesichtspunkte des Motor- bzw. des Bauteilschutzes als technische Rechtfertigung plausibel und nachvollziehbar angeführt werden können. In derartigen Fällen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die verantwortlichen Organe der Beklagten von einer – möglicherweise – letztlich unzutreffenden, aber dennoch vertretbaren und im Übrigen auch von den im Überprüfungsverfahren involvierten staatlichen Stellen geteilten Gesetzesauslegung und -anwendung ausgegangen sind (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 04.07.2019, Az. 3 U 148/18; OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19). Der Senat erachtet diesbezüglich die in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19; OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019, Az. 3 U 148/18; OLG Stuttgart, Urteil v. 30.07.2019, Az. 10 U 134/19) geäußerte Auffassung als überzeugend, nach der bereits die kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) 2007/715 zeigt, dass die Gesetzeslage an dieser Stelle nicht unzweifelhaft und eindeutig ist. b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 31 BGB.
Diese würden jeweils die substantiierte Darlegung eines deliktischen Handelns bzw. einer vorsätzlichen Täuschungshandlung voraussetzen. Dieser ist – wie oben dargelegt – dem Kläger nicht gelungen. Im Übrigen scheitert dieser Anspruch bereits am Fehlen der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Einen Vermögensschaden hat der Käufer dann erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und bezahlten Kaufpreis nicht wert war. Zwischen dieser etwaigen Vermögenseinbuße mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten, etwa den Fahrzeughändler, erstrebt haben könnte, besteht jedoch keine Stoffgleichheit (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. ZR 5/20, Rn. 17 ff. m.w.N.).
c) Dem Kläger steht auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG zu.
§§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 5 VO 715/2007/EG stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. ZR 5/20 und Urteil vom 25.05.2020, Az. ZR 252/19).
III.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO) liegen nicht vor. Soweit Rechtsfragen zu beantworten waren, sind diese in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat weicht hiervon nicht ab. Auch ist eine mündliche Verhandlung in der vorliegenden Sache nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1222) hin.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von § 47 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen sein.


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