Europarecht

Sekundäre Darlegungslast des Herstellers zum Schädigungsvorsatz im sog. Diesel-Abgasskandal

Aktenzeichen  18 U 6516/19

Datum:
17.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22648
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 346, § 826, § 849
FZV § 3 Abs. 1 S. 2
VO [EG] Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2
VO [EG] Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10
ZPO § 138, § 287

 

Leitsatz

1. Das Inverkehrbringen eines Motors mit einer Umschaltlogik stellt eine sittenwidrige Täuschung der Klägerin durch die Beklagte dar.  (Rn. 26) (Rn. 36 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beklagte trifft die sekundäre Darlegungslast zum Schädigungsvorsatz sowie zur Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. (Rn. 51 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Schaden entfällt nicht durch die nach Vertragsschluss möglicherweise durchgeführte Installation des von der Beklagten zur Erfüllung der vom KBA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung entwickelten Software-Updates, weil dadurch die Belastung mit einer so nicht gewollten Verbindlichkeit nicht entfällt.  (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, wobei Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert, ist.  (Rn. 76 – 80) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 O 3884/18 2019-10-17 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I. Auf die Berufungen der Beklagten und der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 17.10.2019, Az. 8 O 3884/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.775,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.1.2019 zu bezahlen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € freizustellen.
I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 22%, die Beklagte 78%.
Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Klägerin 63% und die Beklagte 37%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich eines geringen Teils der Hauptsacheforderung (54,25 €) begründet. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1. Der Klägerin steht gem. §§ 826, 31 BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des vom Erblasser für das streitgegenständliche Fahrzeug gezahlten Kaufpreises von 28.449,51 € abzüglich des von der Schwiegertochter der Klägerin an diese gezahlten Kaufpreises und einer angemessenen Entschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu, insgesamt mithin von 10.775,26 €.
a. Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine Täuschung der Klägerin durch die Beklagte dar (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 44 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 4 ff.; OLG Celle, Urteil vom 20.11.2019 – 7 U 244/18 -, BeckRS 2019, 29589).
aa. Mit dem Inverkehrbringen des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.
Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das KBA als zuständiger Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorlagen.
bb. Vorliegend enthielt jedoch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 II 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 – VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 35). Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren entgegen dem konkludenten Erklärungswert des Inverkehrbringens gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.
Nach Art. 5 I VO [EG] Nr. 715/2007 hat der Hersteller nämlich von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO [EG] Nr. 715/2007) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO [EG] Nr. 715/2007) erreicht wird (BGH, NJW 2019, 1133, Rn. 10). Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 II 1 VO [EG] Nr. 715/2007), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 II 2 VO [EG] Nr. 715/2007) greifen.
Eine „Abschalteinrichtung“ ist nach Art. 3 Nr. 10 VO [EG] Nr. 715/2007 jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Ausgehend von diesen weitgefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug der Klägerin installierten Motorsteuerungssoftware um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 II VO [EG] Nr. 715/2007. Denn eine solche Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und schaltet in diesem Fall in den Modus 1, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden (NOx) verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert die Software den Modus 0, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs – Prüfstandlauf oder Echtbetrieb – und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt.
Soweit Art. 5 II 2 VO [EG] Nr. 715/2007 in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestattet, liegen die hierfür erforderlichen (engen) Voraussetzungen nicht vor. Die vorgesehenen Ausnahmen kommen – nicht zuletzt aufgrund des in Art. 5 I VO [EG] Nr. 715/2007 ausdrücklich benannten Regelungszwecks dieser Vorschrift – von vornherein nicht in Betracht, wenn die betreffende Abschalteinrichtung gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (andernfalls nicht erreichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen. Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 II 2 Buchst. A VO [EG] Nr. 715/2007), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 II 2 Buchst. B VO [EG] Nr. 715/2007).
b. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig.
aa. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12 -, juris Rn. 8 m.w.N.; BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 16).
bb. Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 31 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 48 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 4 ff.):
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben grundsätzlich nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel erscheint es hier aber als verwerflich: Bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer, rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Überdies erscheint auch die Art und Weise der Täuschung verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs (was bereits vielfach geschehen ist, wie aus einer Vielzahl veröffentlichter verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen bekannt ist). Das von der Beklagten angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar. Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.
Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns im vorliegenden Fall aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das KBA, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im Profitinteresse. Überdies liegt eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten) mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand kann es schon rechtfertigen, Sittenwidrigkeit im Sinn des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2016 a.a.O.).
c. Durch diese Täuschung hat der Klägerin einen Vermögensschaden erlitten, der in dem Abschluss des Kaufvertrags zu sehen ist (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 17 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 28 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 80 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 15 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 49 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 18 f.).
aa. § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter ab, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar.
Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs angesichts der unzulässigen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte oder seine Nutzbarkeit eingeschränkt war. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist mithin allein, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteile vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 -, juris Rn. 18; vom 19.7.2004 – II ZR 217/13 -, NJW 2004, 2668, und – II ZR 402/13 -, juris).
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es dabei allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Danach eingetretene Umstände können die sittenwidrige Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Geschädigten nicht ungeschehen machen.
bb. Diese Voraussetzungen waren im – maßgeblichen – Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben. Wegen der in dem erworbenen Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung drohte die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen mit der Folge, dass das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmungen bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr entspräche. Der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, war damit bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig.
Das streitgegenständliche Fahrzeug war mithin für die Zwecke des Erblassers nicht voll brauchbar und der Abschluss des Kaufvertrags begründete für den Erblasser eine nicht gewollte Verbindlichkeit.
d. Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB liegen vor.
aa. In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände voraus, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen.
Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen. Dies würde lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf rechtfertigen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 25 m.w.N.).
Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.9.2004 – II ZR 276/02 -, juris Rn. 36).
bb. Die deliktische Haftung einer juristischen Person gemäß § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 13, 23, 25 f.).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen. „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 5.3.1998 – III ZR 183/96 -, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 30.10.1967 – VII ZR 82/65 -, juris Rn. 11). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechts (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 31 Rn. 6).
cc. Insoweit trifft die Beklagte aber nach Ansicht des Senats eine sekundäre Darlegungslast, weil die Klägerin außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 559/14, Rn. 18, NJW 2016, 3244).
(1) Steht ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17.1.2008 – III ZR 239/06 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Der insoweit sekundär Darlegungspflichtige kann dabei im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen und Mitteilung der Ergebnisse verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 30.3.2017 – I ZR 19/16 -, juris Rn. 15). So liegt es im vorliegenden Fall (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 51 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 71 ff.).
(2) Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die „Klageschrift“ des New Yorker Generalstaatsanwalts und diverse Presseberichte vorgetragen, die Entscheidung für den Einbau der Manipulationssoftware sei in den Jahren 2005 und 2006 in der Zentrale der Beklagten in W. gefallen unter Beteiligung jedenfalls des ehemaligen Entwicklungschefs und des damaligen Leiters der Motorenentwicklung der Beklagten, und die Fa. R. B. GmbH, die die Software entwickelt habe, habe Mitarbeiter der Abteilung Antriebselektronik der Beklagten 2007 ausdrücklich vor der Problematik der Verwendung als „defeat device“ gewarnt (vgl. Klageschrift vom 17.12.2018 S. 15/42, Bl. 15/42 d.A.).
Die Beklagte bestreitet den Tatsachenvortrag der Klägerin und wendet ein, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder oder die übrigen von der Klägerin genannten Personen an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder diese gebilligt hätten. Keine von ihnen, einschließlich des Unterzeichners der Übereinstimmungserklärung, habe im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses davon Kenntnis gehabt. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern auf der Arbeitsebene getroffen worden. Die Fa. B. habe das streitgegenständliche Motorsteuergerät nicht hergestellt, das von der Klägerin zitierte Schreiben an die Beklagte betreffe eine völlig andere Funktion in Otto-Motoren. Die Beklagte bestreite daher, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben hätten, an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder im Zeitpunkt der Entwicklung von der Software gewusst und deren Einsatz gebilligt hätten (vgl. Klageerwiderung vom 4.3.2019, S. 26/33, Bl. 167/174 d.A.).
(3) Vorliegend ist der Vortrag der Klägerin als hinreichend substantiiert anzusehen, während die Beklagte der sie treffenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist.
Angesichts dessen, dass die Klägerin außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht, reicht ihr Vortrag zur Entwicklung der Abschaltautomatik und zu den daran beteiligten Personen aus, während sich die Beklagte als Folge der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht auf das Bestreiten der Kenntnis von Vorständen oder sonstigen Repräsentanten im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags beschränken durfte. Die Beklagte hätte vielmehr durch substantiierten Vortrag die Behauptungen der Klägerin erschüttern müssen und mindestens zu den von ihr behaupteten internen Untersuchungen sowie Ermittlungen durch beauftragte externe Personen im Einzelnen vortragen und darlegen müssen, welche Personen die Entwicklung der Softwarefunktion beauftragt bzw. bei dem Zulieferer bestellt haben und was die üblichen Abläufe bei einem solchen Auftrag bzw. einer Entscheidung von solcher Tragweite sind.
dd. Da hier die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen, gilt der Vortrag der Klägerin als zugestanden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO.
Zudem besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Vorstand oder Repräsentant der Beklagten den Einsatz der beanstandeten Motorsteuerungssoftware gekannt und gebilligt hat, weil ein „Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters“, der den Vorstand bzw. Repräsentanten, der den Einsatz der Motorsteuerungssoftware genehmigt hat, ebenfalls getäuscht haben müsste, höchst unwahrscheinlich wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019, a.a.O.).
e. Der Schadensersatzanspruch scheitert – entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts Braunschweig (Urteil vom 19.2.2019 – 7 U 134/17 -, BeckRS 2019, 2737 Rn. 186 ff.) – nicht aufgrund des Schutzzwecks des § 826 BGB (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 39 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 49 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 93 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 81 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 52; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 24 ff.)
Zwar ist auch im Bereich des § 826 BGB der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm zu beschränken, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten (st. Rspr. BGH, Urteil vom 3.3.2008 – II ZR 310/06 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Doch besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung für eine solche Beschränkung, denn die Haftung aus § 826 BGB knüpft – anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit bestimmten europarechtlichen Normen – nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO [EG] Nr. 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird.
f. Der Schaden in Form des Kaufvertragsabschlusses wurde nach den Feststellungen des Landgerichts durch das Handeln der Beklagten verursacht.
aa. An diese Feststellungen ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies wäre dann der Fall, wenn das Erstgericht bei seiner Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hätte oder die Feststellungen fehleroder lückenhaft wären (BGH NJW 2004, 1876; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage, § 529 Rn. 2, 3). Dahingehende Fehler des Erstgerichts bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung durch den Senat (BGH NJW 2005, 983, 984).
Der Erblasser konnte zwar zur Kausalität der Täuschung für den Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr angehört werden, da er bei Einreichung der vorliegenden Klage bereits verstorben war. Jedoch genügt es, dass der Getäuschte bzw. im vorliegenden Fall dessen Erbin Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.1995 – V ZR 34/94 -, juris Rn. 17). Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag. Es entspricht nämlich der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wenn ihnen bekannt wäre, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist in der Regel der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 25; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 37; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 91; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 20; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 44; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris).
g. Die Beklagte hat gem. §§ 249 ff. BGB der Klägerin als Erbin des Geschädigten sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.
aa. Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn – wie im vorliegenden Fall – der Geschädigte durch Täuschung zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht getäuscht worden wäre. Wenn er dann – wie der Erblasser im vorliegenden Fall – den PKW nicht erworben hätte, besteht die nach § 249 Abs. 1 BGB zu leistende Naturalrestitution in Geldersatz in Höhe des für den Erwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung des aus dem Vertrag Erlangten auf den Schädiger (vgl. BGH, Urteile vom 19.7.2004 – II ZR 217/03 und II ZR 402/02 -, juris; BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 -, juris Rn. 28; so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019, a.a.O.; KG Berlin, Urteil vom 26.9.2019 – 4 U 77/18 -, juris Rn. 122; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, a.a.O. Rn. 36).
bb. Dass die Kaufsache wegen zwischenzeitlicher Veräußerung nicht mehr vorhanden ist, lässt den mit dem Abschluss des Kaufvertrags entstandenen Schaden nicht entfallen, sondern führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich dazu, dass der an die Stelle des erworbenen PKW getretene Veräußerungspreis von 15.000 € auf den ursprünglichen Kaufpreis anzurechnen ist und dadurch den Schaden mindert (BGH, Urteil vom 19.7.2004 – II ZR 217/03 – juris). Dem hat die Klägerin in vollem Umfang Rechnung getragen, indem sie ihre Klage bereits vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz entsprechend teilweise zurückgenommen hat.
cc. Da es für die Schadensentstehung, wie dargelegt, maßgeblich auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ankommt, entfällt der Schaden nicht durch die nach Vertragsschluss möglicherweise durchgeführte Installation des von der Beklagten zur Erfüllung der vom KBA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung entwickelten Software-Updates, weil dadurch die Belastung mit einer so nicht gewollten Verbindlichkeit nicht entfällt. Das Software-Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen und rechtlich lediglich als Angebot zur Verhinderung weiterer Nachteile zu bewerten (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 a.a.O. Rn. 20; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 a.a.O. Rn. 98; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 a.a.O. Rn. 52).
Der Klägerin könnte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch allenfalls dann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu versagen sein, wenn der streitgegenständliche Pkw nach dem zwischenzeitlich erfolgten Aufspielen des Software-Updates in jeder Beziehung – einschließlich des Verkehrswerts – den berechtigten Erwartungen des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspräche und die Entgegennahme des Updates als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB auszulegen wäre. Etwa verbleibende diesbezügliche Zweifel gehen zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
Eine solche Auslegung scheitert hier schon daran, dass die Beklagte das Update nicht als Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerseite angeboten hat, sondern um der Auflage des KBA Genüge zu tun. Dies folgt bereits daraus, dass sie durchgehend jegliche Schadensersatzansprüche der Käufer, auch der Klägerin, bestritten und behauptet hat, das Fahrzeug sei auch mit der ursprünglichen Software mangelfrei.
Auch ließe sich die Entgegennahme der Leistung durch den Erblasser im vorliegenden Fall nicht als Annahme an Erfüllungs statt deuten. Angesichts des Bescheids des KBA läge es vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nahe, dass der Erblasser das Update aufspielen ließ, um die Weiternutzung seines Fahrzeugs nicht zu gefährden. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin bzw. des Erblassers auf eine gänzlich andere Leistung, nämlich die Rückgängigmachung der Kaufvertragsfolgen, gerichtet ist. Ein objektiver Empfänger wird nicht davon ausgehen, dass der Erblasser mit der Entgegennahme einer behördlich angeordneten „Nachbesserungsmaßnahme“ auf die bestehenden weitergehenden Ansprüche verzichten wollte, zumal die Beklagte das Aufspielen des Updates im Hinblick auf die Anordnung des KBA auch nicht von einer solchen Erklärung hätte abhängig machen können (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 a.a.O. Rn. 126; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 a.a.O. Rn. 121 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 a.a.O. Rn. 98).
dd. Von der danach verbleibenden Forderung in Höhe von 13.449,51 € ist eine angemessene Nutzungsentschädigung in Abzug zu bringen.
(1) Es stellt einen anerkannten Grundsatz des Schadensrechts dar, dass der Geschädigte infolge des schädigenden Ereignisses nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, dass ihm also neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet, unabhängig davon, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23.6.2015 – XI ZR 536/14 -, NJW 2015, 3160 m.w.N.).
Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes unter Wertungsgesichtspunkten bedarf stets einer besonderen Rechtfertigung. Wenn der Geschädigte – wie im vorliegenden Fall – im Wege des Schadensersatzes so zu stellen ist, als ob er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wäre es in sich widersprüchlich und regelmäßig unbillig, dem Geschädigten die Gebrauchsvorteile zu belassen, die er aus der Nutzung der Kaufsache gezogen hat.
Das deutsche Zivilrecht sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§§ 249 ff. BGB) vor, nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten. Die Bestrafung eines arglistig handelnden Täters und eine im Rahmen der Schuld angemessene Abschreckung sind mögliche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, nicht aber des Zivilrechts. Dadurch ist auch den einschlägigen europarechtlichen Regelungen Genüge getan, die dem nationalen Gesetzgeber auferlegen, für Verstöße wirksame Sanktionen zu verhängen, beispielsweise Art. 13 Abs. 2 lit. d VO (EG) 715/2007 betreffend das Verbot illegaler Abschalteinrichtungen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.9.2019 – 12 U 61/19 -, juris). Eine andere Sichtweise, wie sie beispielsweise im US-amerikanischen Recht gilt, widerspricht dem im deutschen Recht geltenden Bestrafungsmonopol des Staates mit den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien. Im Hinblick darauf sind ausländische Verurteilungen zu Strafschadensersatz in nicht unerheblicher Höhe wegen Verstoßes gegen den materiellen ordre public in Deutschland regelmäßig nicht vollstreckbar (vgl. BGH, Urteil vom 4.6.1992 – IX ZR 149/91 -, juris Rn. 72 ff.).
Ein Abschreckungseffekt für den Geschädigten, der ihn entgegen dem im Europarecht maßgeblichen Effektivitätsgrundsatz von der Geltendmachung seines Schadens abhalten könne, ist nach Ansicht des Senats mit der bloßen Anrechnung der gezogenen Nutzungen auf den Schaden nicht verbunden, anders als im Fall des kaufvertraglichen Gewährleistungsanspruchs auf Nachlieferung, der in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG geregelt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17.4.2008 – C-404/06 -, juris).
(2) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17.5.1995 – VIII ZR 70/97 -, NJW 1995, 2159, 2161).
Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Dieser betrug 28.449,51 €. Da entgegen der Ansicht der Klägerin der Umstand, dass die Voraussetzungen für die erteilte Typgenehmigung nicht vorlagen, nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führte und dessen Nutzbarkeit auch tatsächlich nicht beeinträchtigt war, besteht keine Veranlassung, der Berechnung lediglich den Materialwert des PKW zugrunde zu legen.
Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Der Senat schätzt gemäß § 287 BGB die Gesamtlaufleistung eines VW Touran auf 250.000 Kilometer.
Wie viele Kilometer der Erblasser und die Klägerin bis zum Verkauf des Fahrzeugs damit zurückgelegt haben, ergibt sich aus dem Parteivortrag nicht mit ausreichender Bestimmtheit und wurde auch vom Landgericht nicht festgestellt. Im Kaufvertrag vom 24.2.2019 (Anlage K 22) ist die Laufleistung mit 22.900 km angegeben, während die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht am 2.5.2019 angab, es seien „etwas über 23.000 km“ gewesen. Unstreitig ist, dass sich die Laufleistung zu diesem Zeitpunkt, also nur etwas mehr als zwei Monate nach dem Verkauf, auf 24.165 km belief. Der Senat schätzt – ausgehend von einer „linearen“ Verteilung der mit dem Auto gefahrenen Kilometer – die vom Erblasser und der Klägerin bis zum 24.2.2019 gefahrenen Kilometer auf 23.500.
Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 28.449,51 € x 23.500 km: 250.000 km = 2.674,25 € (nach dieser Formel berechnen die Nutzungsentschädigung auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 114; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 109; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 112; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 25; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 92 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 76). Damit verbleibt ein ersatzfähiger Schadensbetrag von 10.775,26 €, also etwas weniger, als der Klägerin im landgerichtlichen Urteil zugesprochen wurde.
ee. Dieser Betrag ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ab Rechtshängigkeit gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
2. Die Verurteilung zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erfolgte ebenfalls zu Recht.
a. Entgegen der Ansicht der Beklagten umfasst der gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähige Schaden der Klägerin auch die Freistellung vom Gebührenanspruch ihres anwaltlichen Vertreters. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung nicht alle adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteile vom 16.7.2015 – IX ZR 197/14 -, NJW 2015, 3447; vom 10.1.2006 – VI ZR 43/05 -, NJW 2006, 1065; vom 23.10.2003 – IX ZR 249/02 -, NJW 2004, 444, 446, jeweils m.w.N.). Der vorliegende Fall ist aber zum einen nicht so einfach gelagert, dass die Klägerin ihre Ansprüche ohne weiteres selbst hätte außergerichtlich geltend machen können. Zum anderen war die Beklagte im Oktober 2018, als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für sie außergerichtlich tätig wurde, nicht erkennbar zahlungsunwillig, so dass eine außergerichtliche Geltendmachung aus Sicht der Klägerin von vornherein zwecklos gewesen wäre.
b. Der vom Landgericht vorgenommene Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr nach 2300 VV RVG aus dem letztlich zugesprochenen Hauptsachebetrag ist jedenfalls nicht überhöht.
III.
Die Berufung der Klägerin ist ebenfalls gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, hat in der Sache aber nur hinsichtlich eines Teils der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1. Soweit die Klägerin die Zahlung eines höheren Hauptsachebetrags geltend macht mit der Begründung, dass das Landgericht eine wesentlich zu hohe Nutzungsentschädigung angerechnet habe, wird zur Begründung in vollem Umfang auf die Ausführungen oben unter II. 1. g. verwiesen.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises mit 4% jährlich ab Zahlung des Kaufpreises.
a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 849 BGB liegen nicht vor.
aa. Diese Vorschrift billigt dem Geschädigten ohne Nachweis eines konkreten Schadens Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen oder beschädigten Sache zu (vgl. Staudinger-Vieweg, BGB, 2015, § 849 Rn. 1). Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 41).
§ 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird, sondern erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld (BGHZ 8, 288, 298). Dabei ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06 -, NJW 2008, 1084 m.w.N).
Der Regelung des § 849 BGB kann dennoch ein allgemeiner Rechtssatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12.6.2018 – KZR 56/16 -, juris, Rn. 45 m.w.N.). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust an der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache – als pauschalierten Mindestbetrag – auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, NJW 1983, 1614 f.).
bb. Durch die in Betracht kommende unerlaubte Handlung der Beklagten ist der Klägerin bzw. dem Erblasser kein Verlust an Nutzbarkeit des gezahlten Kaufpreises entstanden, der nicht anderweitig ausgeglichen werden könnte.
Zum einen hat der Erblasser den Kaufpreis nicht in voller Höhe in Geld entrichtet, sondern in Höhe von 16.000 € durch Übereignung eines gebrauchten Fahrzeugs.
Zum anderen wurde die „Entziehung“ dadurch kompensiert, dass der Erblasser im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises das Eigentum und den Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug mit der abstrakten Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.8.2019 – 5 U 1218/18 -, BeckRS 2019, 20653 Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 137; a.A: OLG Oldenburg, Urteil vom 2.10.2019 – 5 U 47/19 -, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41). Ein etwaiger Minderwert des Fahrzeugs hat hierauf keinen Einfluss. Dass die Nutzung des Fahrzeugs im Zeitraum seit dem Kauf gegenüber einem mangelfreien PKW eingeschränkt gewesen wäre, trägt die Klägerin selbst nicht vor.
Überdies wäre der der Kaufpreissumme entsprechende Betrag mit der Möglichkeit, hieraus Nutzungen zu ziehen, auch dann nicht weiter im Vermögen des Erblassers verblieben, wenn dieser in Kenntnis des vorliegenden Mangels den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen und stattdessen den Kaufpreis für ein anderes Fahrzeug aufgewandt hätte (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.8.2019 – 5 U 1218/18 -, BeckRS 2019, 20653, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 139). Würde man die Verzinsungsregelung des § 849 BGB in diesem Fall gleichwohl anwenden, führte dies zu einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation, da die Klägerin durch das schädigende Ereignis wirtschaftlich besser stünde als ohne dieses. Das widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4.4.2014 – V ZR 275/12 -, juris Rn. 20 m.w.N.).
b. Wenn die Klagepartei sich für ihren Zinsanspruch auf die Nutzungen beruft, die die Beklagte aus dem ihr überlassenen Kaufpreis gezogen habe, lässt sie außer Acht, dass diesen Nutzungen keine Vermögenseinbuße der Klagepartei gegenübersteht, die Voraussetzung eines Schadens im Sinn der §§ 249 ff. BGB wäre. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist, wie ausgeführt, darauf gerichtet, dass der Käufer so gestellt wird, wie er stünde, wenn er nicht getäuscht worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10.1.2011 – VI ZR 325/09 -, BGHZ 188, 78). Der nach den genannten Vorschriften zum Schadensersatz Verpflichtete hat lediglich den sogenannten Differenzschaden zu ersetzen. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte. Dies gilt für die deliktische Haftung grundsätzlich auch dann, wenn sie neben einer vertraglichen Schadensersatzpflicht besteht. Eine entsprechende Anwendung des § 346 BGB ist daher entgegen der Ansicht der Klägerin nicht veranlasst.
3. Auch den auf Feststellung des Annahmeverzugs gerichteten Klageantrag hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.
a. Annahmeverzug gemäß § 293 BGB setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner die Leistung so anbietet, wie sie geschuldet wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl, § 293 BGB, Rn. 9). Bei einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung tritt Annahmeverzug nicht ein, wenn der Schuldner eine deutlich zu hohe Leistung fordert (BGH, Urteil vom 20.7.2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 27 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 16.9.2019 – 12 U 61/19 -, juris m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.9.2007 – 7 U 169/06 -, NJW 2008, 925; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 298 Rn. 2). Die potenziell weitreichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich der Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt.
b. Die Klägerin hat jedoch mit ihrem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 25.10.2018 (Anlage K 20) das Fahrzeug nur Zug um Zug gegen die Zahlung des vollen Kaufpreises angeboten. Dieses Angebot entspricht nicht der tatsächlich geschuldeten Leistung, denn die Beklagte hat, wie dargelegt, nur den Betrag zu zahlen, der sich nach Abzug einer angemessenen Nutzungsentschädigung ergibt. Die Klägerin wäre ersichtlich nicht bereit gewesen, den zutreffend errechneten Zahlungsbetrag entgegenzunehmen, denn sie vertritt auch im Prozess die Auffassung, eine Nutzungsentschädigung sei nicht oder nur in ganz geringfügiger Höhe abzuziehen.
4. Die Klägerin kann jedoch höhere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangen als vom Landgericht zugesprochen, wenn auch nicht in der von ihr beantragten Höhe, sondern nur in Höhe von 1.358,86 €.
a. Der Senat setzt in Übereinstimmung mit dem Landgericht als Geschäftsgebühr nach 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Zwar mag die Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich gewesen sein. Schon die Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit der Sache scheint aber nicht gerechtfertigt. Auch wenn im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit der Klägervertreter noch keine höchstrichterliche Entscheidung zum Dieselabgas-Skandal ergangen war, lagen doch bereits zahlreiche instanzgerichtliche Entscheidungen zu dessen rechtlichen Folgen vor, wie auch die mit der Klageschrift vorgelegten Urteile (Anlagen K 15 und K 16) belegen.
Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass die Klägervertreter neben der Klägerin eine Vielzahl von Käufern in Parallelverfahren vertreten haben. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.5.2013 – XI ZR 421/10 -, juris m.w.N.).
b. Das Landgericht hat die Geschäftsgebühr jedoch fälschlicherweise nach dem letztlich zugesprochenen Hauptsachebetrag bemessen. Für den Gegenstandswert der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Wert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Klägervertreter, also des Forderungsschreibens der Klägervertreter an die Beklagte vom 25.10.2018 (Anlage K 20), maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin den streitgegenständlichen VW noch nicht verkauft, so dass der dabei erzielte Kaufpreis noch nicht anzurechnen war. Dass damals die Laufleistung geringer war als 23.500 km (s.o. II. 1. G. dd.) steht dagegen nicht fest, da die Parteien hierzu keine Angaben gemacht haben.
c. Damit ergibt sich eine erstattungsfähige Gebühr in Höhe von 1.358,86 € (1,3 Geschäftsgebühr aus 25.775,26 € = 1.121,90 € zuzüglich der Auslagenpauschale von 20 € gemäß 7002 VV RVG und 19% Umsatzsteuer), die ab Verzugseintritt gem. § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen ist.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Senat weicht ab vom Urteil des OLG Braunschweig vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17, das einen Anspruch aus § 826 BGB verneint, und von den Entscheidungen des OLG Koblenz vom 16.9.2019, Az. 12 U 61/19 (juris Rn. 84) des OLG Köln vom 17.7.2019, Az. 16 U 199/18 (juris Rn. 29) und des OLG Oldenburg vom 2.10.2019, Az. 5 U 47/19 (BeckRS 2019, 23205 Rn. 41), die einen Zinsanspruch ab Zahlung des Kaufpreises bejahen.
Verkündet am 17.03.2020

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