Europarecht

Streit über die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung

Aktenzeichen  M 28 K 18.840

Datum:
15.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25541
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 20 Abs. 2 S. 1
KrWG § 3 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ist eine Sache zwar für ihren Zweck nicht mehr verwendungsfähig, wohl aber reparaturfähig, so bleibt ihre Zweckbestimmung erhalten, sofern die Reparatur ins Auge gefasst ist, beziehungsweise in absehbarer Zeit realisiert wird. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Merkmal der Unmittelbarkeit § 3 Abs. 3 Nr. 2 KrWG kann keine feste zeitliche Größe angeben werden. Bei einer mehrjährigen (Zwischen-)Lagerung wird man allerdings kaum mehr von einer unmittelbaren Ersetzung der Zweckbestimmung sprechen können. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sofern die Sache zur neuen Zweckverwendung eine Behandlung erfordert, wird dies der Unmittelbarkeit entgegen stehen, sofern diese Behandlung nicht im Sinne des Maßstabes der Verkehrsanschauung „sogleich“ eingeleitet wird. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine rechtlich verbindliche Begrenzung der Anlagengröße kann sich zwar insbesondere aus einer verbindlichen Erklärung des Anlagenbetreibers ergeben. Fehlt eine rechtliche Begrenzung ist allein der mögliche Betriebsumfang entscheidend. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
5. Entgegen den formalen Wortlaut von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist eine Beseitigungsanordnung neben der Stilllegungsverfügung möglich. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Sowohl die Stilllegungsanordnung als auch die Anordnung der Beseitigung der sich auf dem Grundstück befindlichen Kraftfahrzeuge und Maschinen sowie die im Bescheid ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung erweisen sich als rechtmäßig. Auch gegen die Kostenentscheidung bestehen keine Bedenken. Im Einzelnen:
I.
Die für die Rechtmäßigkeitsprüfung entscheidende Reichweite der Beseitigungsanordnung ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese ergibt vorliegend eindeutig, dass die Anlage (die Lagerstätte der Klägerin) zwar insgesamt stillzulegen ist, hingegen nur die in der gutachterlichen Stellungnahme des T … vom 28. April 2016 genannten Fahrzeuge wegzuräumen sind. Die Tatsache, dass sich danach möglicherweise noch andere, in diesem Gutachten nicht aufgezählte Fahrzeuge, auf dem klägerischen Grundstück befinden, mithin das eigentliche Ziel der Beklagten, Räumung des klägerischen Grundstücks und Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, nicht vollständig erreicht sein wird, ergibt nichts anderes und führt auch nicht etwa (wegen Zweckverfehlung) zur Rechtswidrigkeit des Bescheids.
II.
Die in Ziffer 1. und Ziffer 1.1 des Bescheids angeordnete Stilllegung der Anlage findet ihre Rechtsgrundlage, wie vom Beklagten im Bescheid angegeben, in § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen ist.
§ 20 Abs. 2 BImSchG knüpft an die formelle Illegalität genehmigungsbedürftiger Anlagen an (vgl. BVerwG, U.v. 28.01.1992 – 7 C 22.91 – juris) und setzt deshalb voraus, dass eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigte Anlage errichtet oder betrieben wird.
1.) Bei der von der Klägerin betriebenen Lagerstätte handelt es sich um eine nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlage:
a) Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 BImSchG bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung.
Der Anlagenbegriff umfasst nach der Legaldefinition des § 3 Absatz 5 Nummer 3 BImSchG u. a. Grundstücke, auf denen – wie vorliegend – Stoffe gelagert oder abgelagert werden.
Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51 BImSchG) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen, § 4 Absatz 1 Satz 3 BImSchG). Dies ist mit der 4. BImSchV geschehen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der auf § 4 Absatz 1 Satz 3 BImSchG gestützten 4. BImSchV bedürfen die Errichtung und der Betrieb der im Anhang 1 genannten Anlagen einer Genehmigung, soweit – wie vorliegend – den Umständen nach zu erwarten ist, dass sie länger als während der zwölf Monate, die auf die Inbetriebnahme folgen, an demselben Ort betrieben werden.
b) Die Genehmigungsbedürftigkeit der von der Klägerin betriebenen Lagerstätte folgt vorliegend jedenfalls aus Ziffer 8.14.3.3 des Anhang 1 zur 4. BImSchV: Danach bedürfen Anlagen zum Lagern von Abfällen über einen Zeitraum von jeweils mehr als einem Jahr mit einer Aufnahmekapazität von weniger als 10 Tonnen je Tag und einer Gesamtlagerkapazität von weniger als 150 Tonnen, soweit es sich nicht um gefährliche Abfälle handelt, einer Genehmigung (im vereinfachten Verfahren).
aa) Bei den auf dem Grundstück der Klägerin gelagerten Fahrzeugen und Maschinen handelt es sich um Abfälle:
Der Abfallbegriff der 4. BImSchV bestimmt sich nach der Legaldefinition des § 3 KrWG (VGH BW, B.v. 19. September 2013 – 10 S 1725/13 – juris). Danach sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss (§ 3 Absatz 1 Satz 1 KrWG).
Nach § 3 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist der Wille zur Entledigung im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Alt. 2 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen (§ 3 Absatz 3 Satz 2 KrWG).
Ist eine Sache zwar für ihren Zweck nicht mehr verwendungsfähig, wohl aber reparaturfähig, so bleibt ihre Zweckbestimmung erhalten, sofern die Reparatur ins Auge gefasst ist, beziehungsweise in absehbarer Zeit realisiert wird. Entsprechend liegt es, wenn ein Gegenstand infolge eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit, eventuell auch nach den für seinen Gebrauch maßgeblichen Bestimmungen, nicht mehr eingesetzt wird oder eingesetzt werden darf. Für das Merkmal der Unmittelbarkeit kann keine feste zeitliche Größe angeben werden. Jedenfalls bei einer mehrjährigen (Zwischen-)Lagerung wird man allerdings kaum mehr von einer unmittelbaren Ersetzung der Zweckbestimmung sprechen können. Sofern die Sache zur neuen Zweckverwendung eine Behandlung erfordert (etwa: Reparatur oder Reinigung einer durch Verschmutzung für den ursprünglichen Zweck verwendungsunfähig gewordenen Sache), wird dies der Unmittelbarkeit entgegen stehen, sofern diese Behandlung nicht im Sinne des Maßstabes der Verkehrsanschauung „sogleich“ eingeleitet wird (vgl. Versteyl, in: ders./Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 20; Petersen, in: Jarass/Petersen (Hg.), KrWG, 2014, § 3 Rn. 83, 88; VG Karlsruhe B.v. 5. Februar 2016 – 9 K 5063/15 – juris).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den auf den Betriebsgrundstücken gelagerten Gegenständen, soweit sie vom Bescheid vom 26. Januar 2018 erfasst sind, um Abfall nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG, ohne dass es auf die in § 3 Absatz 4 KrWG legaldefinierte Verpflichtung zur Entledigung noch ankommen würde:
(1) Die auf den Betriebsgrundstücken gelagerten Gegenstände haben ihren ursprünglichen Verwendungszweck, Teilnahme am Straßenverkehr – bzw. für die Baumaschinen die Nutzung als Arbeitsgerät – verloren. Unabhängig davon, dass die Fahrzeuge auch aus Gründen des Straßenverkehrsrechts beziehungsweise des technischen Arbeitsschutzes nicht mehr einsatzfähig erscheinen, sind sie unstreitig im derzeitigen Zustand nicht mehr fahrtüchtig oder sonst einsatzfähig. Insoweit ist sowohl die Stellungnahme des T als auch das von der Klägerin selber in Auftrag gegebene Gutachten eindeutig.
Der T kam in seiner Stellungnahme zusammenfassend zu der Einschätzung, dass alle begutachteten Fahrzeuge als „Schrottfahrzeuge“ zu qualifizieren seien. Wenn der KFZ-Sachverständige in seinen Gutachten vom 10. Juli 2017 und 26. März 2018 ausführt, dass die Fahrzeuge mit teilweise geringem, teilweise normalem und teilweise erheblichem Aufwand in fahrfähigen Zustand gebracht werden könnten, so ist daraus zu schließen, dass sie im derzeitigen Zustand jedenfalls nicht einsatzfähig sind.
Es kann vorliegend daher insoweit dahinstehen, ob die Verkehrsanschauung im (außereuropäischen) Ausland für die Beurteilung der Abfalleigenschaft nach deutschem und nach europäischem Recht maßgebend ist (vgl. verneinend VG München, U.v. 05. September 2013 – M 17 K 12.4459 – juris).
(2) Eine neuer Verwendungszweck ist auch nicht „unmittelbar“ an die Stelle des alten Verwendungszwecks getreten (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG):
(aa) Die Fahrzeuge und Maschinen lagern überwiegend schon seit mehreren Jahren auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin. Dies ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Klägerin (vgl. insoweit auch die Angaben des Angestellten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, Herrn A., welcher eine durchschnittlich drei- bis vierjährigen Verweildauer der Fahrzeuge auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin angab) aber auch aus der gutachterlichen Stellungnahme des T vom 28. April 2016 (S. 2): „Aufgrund solcher Informationen konnte festgestellt werden, dass viele Fahrzeuge schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb waren…“. Auch das von der Klägerin selber in Auftrag gegebenen Gutachten geht in diese Richtung, wenn es ausführt „Verunreinigung durch Moos und Verwitterung waren vorhanden, sind aber bei Fahrzeugen, die für den Export bestimmt sind als normal zu beurteilen, da die betreffenden Fahrzeuge sich meist mehrere Jahre auf solchen Verkaufsplätzen befinden und für die potenziellen Kunden nicht von besonderem Ausschlag sind.“ (vgl. zum Zweckfortfall bei Personenkraftfahrzeugen durch Abmelden und mehrjähriges Abstellen im Freien: OVG RhPf, B.v. 24. August 2009 – 8 A 10623/09 – juris; vgl. weiter BayVGH, B.v. 13. März 2013 – 20 ZB 13.8 – juris).
(bb) Ein neuer Verwendungszweck im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 KrWG besteht vorliegend auch nicht deshalb, weil die Fahrzeuge und Baumaschinen von der Klägerin weiterverkauft werden sollten: Alleine die Absicht, die Gerätschaften zu verkaufen und sie damit zum Gegenstand eines Handelsgeschäfts zu machen, verleiht diesen nicht einen Verwendungszweck als Handelsware. Denn Abfällen im Sinne des § 3 KrWG kommt nicht selten ein Material- und damit ein Marktwert zu, ohne dass dies der Abfalleigenschaft entgegen stünde; der Abfallbegriff des § 3 KrWG hat nicht die wirtschaftliche Wertlosigkeit des Gegenstandes oder Stoffes zur Voraussetzung (vgl. BayVGH, B.v. 13. März 2013 – 20 ZB 13.8 – juris).
(cc) Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie die Fahrzeuge und Baumaschinen in das Ausland, beispielsweise nach Osteuropa oder Afrika, verkaufe und diese dort dann wieder genutzt würden, entweder gemäß ihrer früheren Bestimmung (Reparatur) oder als „Ersatzteillager“. Dieser neue Verwendungszweck (im Ausland) tritt jedoch nicht „unmittelbar“ im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 KrWG an Stelle des alten, weggefallenen Verwendungszwecks. Selbst wenn man die Unmittelbarkeit im Sinne dieser Vorschrift eher weiter auslegen wollte, so ist jedenfalls bei einer mehrjährigen (Zwischen-)lagerung wie vorliegend nicht mehr von einer unmittelbaren Ersetzung des Verwendungszwecks im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 KrWG auszugehen. Vorliegend ist zudem nicht einmal eindeutig ersichtlich, welchem neuen Verwendungszweck die Fahrzeuge und Maschinen konkret zugeführt werden sollen. Der Klägerin ist nach eigenem Vortrag nicht bekannt, ob die Fahrzeuge und Maschinen im Ausland repariert und entsprechend ihrer früheren Nutzung verwendet werden sollen oder ob sie, wie es sich wohl angesichts des Zustands der Fahrzeuge zumindest teilweise aufdrängt, lediglich als „Ersatzteillager ausgeschlachtet“ werden sollen (Schriftsatz vom 20. Februar 2018, S. 3).
Eine unmittelbare Anschlussverwendung der Gerätschaften scheidet nach alledem aus.
Insgesamt ist somit festzustellen, dass die ursprüngliche Zweckbestimmung der auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin gelagerten Gerätschaften unzweifelhaft entfallen ist und bislang noch nicht bzw. nicht unmittelbar ein neuer Verwendungszweck eingetreten ist.
bb) Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass auf dem in Streite stehenden Grundstück die Fahrzeuge und Maschinen jedenfalls zu nicht unerheblichen Teilen geplant und gewollt über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr gelagert werden, so dass die Voraussetzungen der Ziffer 8.14.3.3 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV („über einen Zeitraum von jeweils mehr als einem Jahr…“) erfüllt ist: Zum einen gehen die im Verfahren vorliegenden Gutachten von einer Lagerdauer von mehreren Jahren aus: So führt der T … in seiner gutachterlichen Stellungnahme aus, viele der Fahrzeuge seien schon seit mehreren Jahren nicht mehr in Betrieb (s.o.). Anhand des Zustands der Bereifung (Luftverlust etc.) habe ebenfalls darauf geschlossen werden können, dass einige Fahrzeuge schon seit längerer Zeit nicht mehr bewegt wurden. Das von der Klägerin selber in Auftrag gegebenen Gutachten spricht ebenfalls hierfür (s.o.). Auch der Beschäftigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Verweildauer der Gegenstände auf dem vorliegend betroffenen Betriebsgrundstück der Klägerin im Durchschnitt etwa drei bis vier Jahre betrage (s.o.). Im Rahmen Ziffer 8.14.3.3 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV ist ersichtlich nicht erforderlich, dass jeder einzelne Gegenstand, auch tatsächlich über einen Zeitraum von über einem Jahr gelagert wird.
c) Überdies ist die von der Klägerin betriebene Lagerstätte, wie vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, auch nach den Ziffern 8.12.1.1 und 8.12.1.2 Anhang 1 zur 4. BImSchV genehmigungsbedürftig:
Hiernach bedürfen Anlagen zum Lagern von gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 30 Tonnen oder mehr einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Vorliegend handelt es sich um gefährliche Abfälle (§ 48 Satz 2 KrWG i. V. m. § 1 und § 3 Abs. 1 Abfallverzeichnisverordnung (AVV) i. V. m. Nr. 16 01 04* Anlage zur AVV [Abfallverzeichnis]: „Altfahrzeuge“). Es ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei den auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin gelagerten Fahrzeugen (ausschließlich) um „Altfahrzeuge, die weder Flüssigkeiten noch andere gefährliche Bestandteile enthalten“, handelt, was dazu führen würde, dass sie nicht als gefährlicher Abfall zu qualifizieren wären (Anlage zur AVV Abfallverzeichnis Nr. 16 01 06). Das T-Gutachten vom 28. April 2016 führt nämlich aus, dass bei den begutachteten Fahrzeugen teilweise Betriebsflüssigkeiten gefehlt hätten. Einige Fahrzeuge hätten bezüglich der Betriebsflüssigkeiten Undichtigkeiten (Kühlwasser, Bremsflüssigkeit, Motoröl, Lenkungsöl) aufgewiesen.
Das Sachverständigengutachten vom 10. Juli 2017 führt zwar aus: „Zum Zeitpunkt der Besichtigung waren keinerlei Undichtigkeiten (Ausfluss von Betriebsstoffen) an den Fahrzeugen festzustellen und der Unterboden (Schotter) zeigt keinerlei Spuren von Altöl/Kühlflüssigkeit oder sonstigen Betriebsstoffen.“ Aus dieser Formulierung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sich in den gelagerten Fahrzeugen keine Betriebsflüssigkeiten mehr befunden haben.
Die Klägerin rügt, es sei im streitigen Bescheid nicht hinreichend dargelegt, dass die hier relevanten, im Anhang 1 zur 4. BImSchV genannten Mengenschwellen, überschritten seien. Maßgeblich für die Frage der Überschreitung der Mengenschwelle und der Grundstücksgröße ist § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV: „Hängt die Genehmigungsbedürftigkeit der im Anhang 1 genannten Anlagen vom Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Leistungsgrenze oder Anlagengröße ab, ist jeweils auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang der durch denselben Betreiber betriebenen Anlage abzustellen.“
Insoweit ist vorliegend schon auf das T-Gutachten vom 28. April 2016 zu verweisen: In diesem werden 57 Fahrzeuge, mithin „ca. 2/3 der sich auf dem Grundstück befindlichen Fahrzeuge“, beschrieben. Schon hieraus lässt sich unschwer die Möglichkeit ersehen, auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin mehr als 30 Tonnen Altautos zu lagern. Unabhängig davon drängt es sich auf, dass auf einer Fläche von der Größe des Betriebsgrundstücks der Klägerin Fahrzeuge von mehr als 30 Tonnen gelagert werden können: Das streitgegenständliche Betriebsgrundstück der Klägerin hat zumindest eine tatsächlich als Lager genutzte Fläche von 2.800 qm, von ihr angemietet sind insgesamt 3.500 qm (vgl. Ausführungen des Kriminalfachdezernats München vom 8. September 2016, Behördenakte Blatt 14).
Sofern hier entsprechende Ausführungen des Beklagten im Bescheid fehlen, führt dies jedoch entgegen der Annahme der Klägerin nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnungen. Denn nur das (völlige) Fehlen oder wesentliche Mängel einer Begründung machen den Verwaltungsakt nach § 39 BayVwVfG rechtswidrig (vgl. auch Tiedemann in BeckOK, VwVfG, Stand 1. Juli 2019, § 39 Rn. 94), davon ist hier nicht auszugehen.
Die Klägerin trägt weiter vor, bei der Frage der Bestimmung der Anlagengröße und -kapazität hätte berücksichtigt werden müssen, dass sie sich im Verwaltungsverfahren dazu bereit erklärt hätte, keine weiteren Abfälle auf ihr Betriebsgrundstück zu verbringen.
Auch mit diesem Einwand kann die Klägerin vorliegend nicht durchdringen: Eine rechtlich verbindliche Begrenzung der Anlagengröße kann sich zwar insbesondere aus einer verbindlichen Erklärung des Anlagenbetreibers ergeben. Fehlt eine rechtliche Begrenzung ist allein der mögliche Betriebsumfang entscheidend (Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 4 Rn. 24). Bei der Äußerung des vormaligen Bevollmächtigten der Klägerin im Verwaltungsverfahren handelt es sich aber nicht um eine solche rechtlich verbindliche Erklärung. Denn diese sollte ersichtlich nur für die Dauer des Verwaltungsverfahrens bzw. des gerichtlichen Verfahrens gelten und die Klägerin nicht auf Dauer verpflichten, keine weiteren Fahrzeuge und Maschinen mehr auf dem Grundstück zu lagern. Denn die Klägerin hat den Bescheid des Beklagten gerade insgesamt angegriffen und vorgetragen, dass die auf ihrem Betriebsgrundstück gelagerten Gegenstände keinen Abfall darstellten, mithin die Anordnung der Stilllegung und der Beseitigung der Fahrzeuge und Maschinen nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin hat also die Feststellung des Beklagten, dass es sich bei den Fahrzeugen und Maschinen um Abfall handele, gerade nicht akzeptiert. Eine rechtliche Beschränkung der Anlagengröße dergestalt, dass künftig keinerlei Altfahrzeuge mehr dort gelagert werden sollten, besteht insoweit nicht.
d) Eine Genehmigungsbedürftigkeit der streitgegenständlichen Anlage besteht vorliegend im Übrigen ebenfalls gemäß den Ziffern 8.12.3.1 und 8.12.3.2 des Anhang 1 der 4. BImSchV, wie von dem Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid angegeben: Danach sind Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- oder Nichteisenschrotten einschließlich Autowracks, mit einer Gesamtlagerfläche von 1.000 Quadratmetern oder mehr oder einer Gesamtlagerkapazität von 100 Tonnen oder mehr immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Hinsichtlich Grundstücksgröße und Mengenschwelle der Gesamtlagerkapazität kann auf die Ausführungen unter c) verwiesen werden.
Demnach hat die Klägerin eine nach dem BImSchG genehmigungsbedürftige Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben.
2.) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen die Soll-Bestimmung des § 20 Absatz 2 Satz 1 BImSchG liegt nicht vor. Das Gesetz räumt durch das Tatbestandsmerkmal „soll“ der vollziehenden Behörde ein sogenanntes intendiertes Ermessen ein. Wegen des hohen Ranges, den das Bundesimmissionsschutzgesetz der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen bei Errichtung und Betrieb von Anlagen einräumt und wegen der Bedeutung, die dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bei bestimmten Anlagen für die Gewährleistung dieses Zieles zukommt, ermächtigt § 20 Absatz 2 Satz 1 BImSchG mit dem Soll-Befehl die Behörde dazu, im Regelfall die Stilllegung oder Beseitigung einer ungenehmigt betriebenen Anlage anzuordnen.
Darin liegt jedoch zugleich die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgende Beschränkung, dass in atypischen Fällen zu prüfen und darüber zu entscheiden ist, ob ein milderes Mittel ausreicht, um die Einhaltung der Betreiberpflichten (vgl. § 5 BImSchG) zu gewährleisten. Hat die Behörde begründeten Anlass zu der Annahme, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben wird, materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen und sei lediglich formell illegal, so muss sie prüfen, ob sie von der Stilllegung oder Beseitigung als einem unverhältnismäßigen Mittel absieht und dem Betreiber aufgibt, unverzüglich die für die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens erforderlichen Unterlagen einzureichen. Zweifel gehen dabei zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage. Die Behörde braucht nicht erst umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen über die materielle Genehmigungsfähigkeit anzustellen. Sie muss dies umso weniger, je schädlicher die Umwelteinwirkungen sind, die von dem ungenehmigten Betrieb der Anlage ausgehen können (vgl. VGH BW, B.v. 19. September 2013 – 10 S 1725/13 – juris).
Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt keine atypische Fallgestaltung vor, in der ein Absehen von der gesetzlichen Regelverpflichtung gemäß § 20 Absatz 2 Satz 1 BImSchG zur Stilllegung oder Beseitigung einer formell illegal betriebenen Anlage geboten wäre. Weder bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage offensichtlich den materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen entspricht, noch hat die Immissionsschutzbehörde durch jahrelange Duldung einen Vertrauensschutztatbestand dahingehend gesetzt, dass sie von einer Beseitigungsverfügung Abstand nehmen werde. Selbst wenn man die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage der Klägerin unterstellt, so liegt deren Genehmigungsfähigkeit keinesfalls auf der Hand. Denn auch in diesem Fall müsste weiter ermittelt werden, ob von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 1 BImSchG ausgehen und ob die sonstigen Betreiberpflichten des § 5 BImSchG eingehalten werden. Dabei dient gerade das – von Ausnahmen abgesehen – aufwendige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren der Ermittlung und Klärung konkreter Gefahrenquellen sowie der Kontrolle der Mittel zu ihrer Beherrschung. Solange es nicht mit einer für den Antragsteller positiven Genehmigungsentscheidung abgeschlossen ist, lässt sich regelmäßig nicht absehen, ob sich die vom Gesetz- und Verordnungsgeber angenommene potentielle Gefährlichkeit beziehungsweise Lästigkeit der Anlage realisieren kann (vgl. VGH BW, B.v. 19. September 2013 – 10 S 1725/13 – juris; VG Karlsruhe B.v. 5. Februar 2016 – 9 K 5063/15 – juris). Die Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Anlage in der Form, wie sie derzeit betrieben wird, drängt sich nicht auf. Insbesondere bedürfte es vorliegend für die Genehmigung einer Lagerstätte für Altautos und Baumaschinen auch angesichts der Tatsache, dass sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück Schotteruntergrund befindet, aller Voraussicht nach zumindest Vorgaben zum Gewässerschutz, vor allem zum Schutz des Grundwassers, die derzeit – soweit ersichtlich – nicht eingehalten werden.
Soweit die Klägerin vorträgt, im Rahmen der Prüfung des Ermessens hätte die Behörde berücksichtigen müssen, dass die Stilllegung und Räumung der Anlage für sie wirtschaftliche Schwierigkeiten bedeute, so ist darauf hinzuweisen, dass dies bei der Schließung einer immissionsschutzrechtlichen Anlage der Regelfall sein dürfte. Darüber Hinausgehendes hat die Klägerin schon nicht substantiiert vorgetragen. Insoweit ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Stilllegung der Anlage in Ziffer 1. und 1.1 (das Verbot der Verbringung weiterer Abfälle auf das Grundstück) ohne Übergangs- oder Auslauffrist unverhältnismäßig wäre. Für die Verbringung der Fahrzeuge und Maschinen vom Betriebsgrundstück (Ziffer 1.2) wurde der Klägerin eine Frist von sechs Wochen ab Bestandskraft gesetzt, für Anhänger und Auflieger sogar eine Frist von 14 Wochen gewährt (siehe hierzu unter 3.)).
3.) Die unter Ziffer 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Beseitigung der im T-Gutachten vom 28. April 2016 näher konkretisierten Fahrzeuge vom Betriebsgrundstück stellt sich vorliegend als (Teil der) Stilllegung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BImSchG der von der Klägerin betriebenen Anlage dar. Der Beklagte hat insoweit zu Recht nicht auf die „Beseitigungsalternative“ des § 20 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BImSchG abgestellt. Denn ohne Beseitigung der Fahrzeuge würde die Anlage zur Lagerung von Abfällen weiter betrieben, auch ohne dass es irgendwelcher aktiver Handlungen von Seiten der Klägerin bedürfte. Die bloße Existenz der Fahrzeuge auf dem Betriebsgrundstück würde vielmehr dazu führen, dass die Anlage, die Lagerstätte der Klägerin, weiterbetrieben würde. Daher war zur Stilllegung das Verbringen der Altfahrzeuge, die gleichsam die Betriebsmittel der Anlage darstellen, vom Betriebsgrundstück der Klägerin erforderlich. Die Anordnung der Beseitigung der Fahrzeuge in Ziffer 1.2 stellt sich somit als Konkretisierung der Stilllegungsanordnung in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids dar.
Unabhängig davon wäre vorliegend auch entgegen den formalen Wortlaut von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG („oder“) eine Beseitigungsanordnung neben der Stilllegungsverfügung möglich (vgl. VG Karlsruhe, B.v. 5. Februar 2016 – 9 K 5063/15; Posser in BeckOK, BImSchG, Stand 1. April 2018, § 20 Rn. 30.2).
Nachdem sich die Verbringung der Fahrzeuge vom Grundstück der Klägerin schon als Teil der Stilllegung der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage darstellt, geht auch der Hinweis von Klägerseite fehl, die richtige Rechtsgrundlage für die Beseitigung vom Betriebsgrundstück finde sich allein in Art. 31 Abs. 2 BayAbfG. Diese Vorschrift betrifft die Beseitigung verbotener Ablagerungen außerhalb von Abfallentsorgungs- oder -lagerstätten. Das Vorgehen gegen unzulässige Anlagen zur Lagerung von Abfällen ist hingegen in § 20 Abs. 2 BImSchG geregelt. Vorliegend handelt es sich aber nicht um die Ablagerung von Abfällen außerhalb einer Abfalllagerstätte, so dass jedenfalls auch § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG einschlägige Rechtsgrundlage ist (vgl. BayVGH, B.v. 12. April 1999 – 20 B 98.3564 – juris; BayVGH B. v. 11. November 2003 – 20 CS 03.1828 – juris).
Hinsichtlich der Ermessensausübung gilt das unter Ziffer 2.) Ausgeführte. Auch wurde der Klägerin hinsichtlich der Beseitigung der Fahrzeuge und Maschinen vom Grundstück eine Frist von sechs Wochen ab Bestandskraft des Bescheids gewährt. Hinsichtlich der Beseitigung von Anhängern und Aufliegern, mithin den Fahrzeugen, bei welchen sich laut Vortrag von Seiten der Klägerin die Verbringung vom Grundstück als besonders aufwändig gestaltet, wurde mit in der mündlichen Verhandlung geändertem Bescheid sogar eine Übergangsfrist von 14 Wochen gewährt. Daher stellt sich die Ermessensausübung des Beklagten auch insoweit als rechtmäßig dar und entspricht der Verhältnismäßigkeit.
Bedenken gegen die im Bescheid in Ziffer 2. ausgesprochene Zwangsgeldandrohung bestehen nicht.
Nach alledem erweist sich der Bescheid des Beklagten somit als rechtmäßig, so dass die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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