Europarecht

Subventionsrecht, Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, landwirtschaftlicher Betrieb in Bayern, keine Förderung außerbayerischer Flächen

Aktenzeichen  6 ZB 21.2057

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6576
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3
Art. 31 VO (EU) Nr. 1305/2013
Art. 1 VO (EU) Nr. 1305/2013
Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 VO (EU) Nr. 1305/2013

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 K 20.1302 2021-06-21 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juni 2021 – W 8 K 20.1302 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.225,08 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (sinngemäß) geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Klägerin ist Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs in Unterfranken und wendet sich gegen die Kürzung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten für ihre im Bundesland Hessen gelegenen Flächen.
Sie ist Landwirtin und hat ihren Betriebssitz in Bayern. Der Hof der Klägerin liegt rund 300 m Luftlinie von der Landesgrenze zu Hessen entfernt. Der landwirtschaftliche Betrieb der Klägerin umfasst Flächen, die zum Teil in Bayern und zum Teil in Hessen liegen.
Die Klägerin beantragte mit Mehrfachantrag vom 17. April 2019 u.a. die Ausgleichszulage (AGZ) 2019. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2019 gewährte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) B. N. a.d. Saale der Klägerin eine Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten in Höhe von 1.879 € ausschließlich für ihre in Bayern gelegenen Flächen. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2020 zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Juni 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid des AELF vom 3. Dezember 2019 und der Widerspruchsbescheid der FüAk vom 4. September 2020 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe unmittelbar aus dem Unionsrecht keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage auch für ihre in Hessen gelegenen Flächen. Die von der Klägerseite genannten Bestimmungen, insbesondere Art. 31 und 32 VO (EU) Nr. 1305/2013 sowie Art. 2 und Art. 11 VO (EU) Nr. 1306/2013 und Art. 4 VO (EU) Nr. 1307/2013 gäben für die Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten lediglich einen gesetzlichen Rahmen vor, begründeten jedoch weder subjektive Ansprüche des einzelnen Landwirts noch legten sie Details über die zu fördernden Maßnahmen und den Förderumfang fest. Entsprechende Festlegungen blieben der Ebene der Mitgliedstaaten bzw. in Deutschland aufgrund der föderalen Struktur den Bundesländern vorbehalten. Deshalb sei auf die richtliniengeleitete Förderpraxis des Beklagten abzustellen. Die bayerische AGZ-Richtlinie vom 1. März 2019 begrenze die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten eindeutig auf Flächen in Bayern. Dass in früheren Jahren auch eine Förderung außerbayerischer Flächen stattgefunden habe, hindere nicht, eine bestimmte Praxis für die Zukunft zu ändern. Konkrete Förderfälle für außerbayerische Flächen ab dem Jahr 2019 seien nicht bekannt. Auch andere Bundesländer förderten nur Flächen im eigenen Hoheitsgebiet, weitere Bundesländer gewährten die AGZ überhaupt nicht.
2. Die von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
a) An der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Der Zulassungsantrag setzt den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen nur die eigene abweichende Einschätzung entgegen, ohne damit schlüssige Gegenargumente aufzuzeigen, die das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Urteils ernstlich in Frage stellen würden.
Das Verwaltungsgericht hat in dem mit dem Zulassungsantrag angegriffenen Urteil mit überzeugenden Erwägungen festgestellt, dass der Klägerin im Jahr 2019 kein Anspruch auf Gewährung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ) für die in Hessen gelegenen landwirtschaftlichen Flächen zusteht. Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend wird folgendes ausgeführt:
Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf eine Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten kommt nicht die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, insbesondere deren Art. 31 und 32, unmittelbar in Betracht. Danach können die Mitgliedstaaten zwar Ausgleichszahlungen zugunsten von Landwirten in benachteiligten Gebieten gewähren, müssen dies aber nicht. Vielmehr entscheiden sie bzw. ihre regionalen Untergliederungen hierüber selbstständig und stimmen die dazu maßgebenden Programme mit der EU-Kommission ab (vgl. NdsOVG, U.v. 16.12.2014 – 10 LC 96.13 – juris Rn. 23).
Die für das Jahr 2019 beantragte Ausgleichszulage beruht vielmehr auf der Richtlinie des Freistaats Bayern zur Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß VO (EU) Nr. 1305/2013 vom 1. März 2019 (BayMBl 2019, Nr. 143 – im Folgenden: Förderrichtlinie). Diese Förderrichtlinie findet unionsrechtlich ihre Grundlage in der für das Förderjahr geltenden Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. L 347/487). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, steckt die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 lediglich den strategischen Rahmen ab und bestimmt die Schwerpunkte und Maßnahmen, innerhalb derer die durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums geförderte Politik durchgeführt wird (Art. 1 VO (EU) Nr. 1305/2013). Die Mitgliedstaaten entwickeln in diesem Rahmen (regionale) Programme (Art. 6 Abs. 2 und 3 VO (EU) Nr. 1305/2013). In diesem mehrstufigen Konzept ist angelegt, dass innerhalb des unionsrechtlichen Rahmens in den einzelnen Mitgliedstaaten und gegebenenfalls Regionen im Einzelnen unterschiedliche Förderprogramme aufgelegt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2021 – 3 C 7.20 – juris Rn. 8, 9). Entgegen der Auffassung des Zulassungsantrags kommt dem Beklagten daher durchaus eine Regelungskompetenz zu.
Nach der bayerischen Förderrichtlinie vom 1. März 2019 muss der Zuwendungsempfänger eine landwirtschaftliche Fläche von mindestens 3 ha in benachteiligten Gebieten in Bayern bewirtschaften und seinen Betriebssitz im Sinne von § 2 InVekoSV in Bayern haben (Nr. 4. Satz 1), was bei der Klägerin unzweifelhaft der Fall ist. Allerdings wird die Ausgleichszulage nur noch für landwirtschaftlich genutzte Flächen in den benachteiligten Gebieten Bayerns (förderfähige Fläche) gewährt (Nr. 2. Satz 1, Nr. 5.2 Satz 1, Nr. 5.3.2 und Nr. 5.3.5 Satz 2 der bayerischen Förderrichtlinie). Für Flächen, die nicht im Gebiet des Freistaats Bayern liegen, werden auch keine Übergangszahlungen gewährt (Nr. 7.2 Satz 1). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht im Einzelnen ausgeführt hat, ist diese Regelung weder europarechtswidrig noch verfassungswidrig. Vielmehr bleibt die regionale Beschränkung der förderfähigen Fläche innerhalb des Rahmens, den das Unionsrecht vorgibt und verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die mit dem Zulassungsantrag genannten europarechtlichen Vorschriften wie Art. 11 oder Art. 30 ff. der VO (EU) Nr. 1306/2013 begründen keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Gewährung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten. Das gleiche gilt für Art. 4, 12 und Art. 32, 33 der VO (EU) Nr. 1307/2013, die Vorschriften der Direktzahlungen an die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und die Anwendung der Basisprämienregelung betreffen, nicht aber die hier in Streit stehende Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten. Die Rüge der Ungleichbehandlung von in Bayern und außerhalb Bayerns liegenden Flächen greift nicht durch, da es maßgeblich auf die einheitliche Förderpraxis innerhalb des Gebietes des Freistaats Bayern ankommt und nach den nicht bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts dort ab dem Jahr 2019 keine abweichenden Förderfälle außerbayerischer Flächen bekannt sind.
b) Die hilfsweise beantragte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV „der Fragen der Auslegung von VO (EU) 1305/13, VO (EU) 1306/13 und VO (EU) 1307/13 mit Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt“ genügt nicht dem Darlegungsgebot. Soll die grundsätzliche Bedeutung aus der Klärungsbedürftigkeit von Unionsrecht und der Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen, hergeleitet werden, ist darzulegen, dass in dem erstrebten Berufungsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Regelung voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen sein wird und keine hinreichenden Gründe vorliegen, die die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich erscheinen lassen (BVerwG, B.v. 22.10.1986 – 3 B 43.86 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 243; B.v. 10.10.1997 – 6 B 32.97 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 29 S. 17). Die bloße Behauptung unionsrechtlicher Zweifelsfragen ohne Auseinandersetzung mit der themenrelevanten Rechtsprechung reicht hierfür nicht aus (BVerwG, B.v. 28.3.2019 – 1 B 7.19 – juris Rn. 4). Abgesehen davon wäre die mit dem Zulassungsantrag formulierte Fragestellung schon deshalb nicht vorlagefähig, weil sie nicht die Auslegung des Unionsrechts, sondern dessen Anwendung im Einzelfall betrifft. Das aber ist allein Aufgabe der nationalen Gerichte (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2021 – 6 C 21.2079 – juris Rn. 18).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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