Europarecht

Tierschutzwidrige Haltung von Pferden durch Dritte

Aktenzeichen  W 8 K 18.1040

Datum:
11.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4025
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Eine tierschutzrechtliche Duldungsanordnung dient auch dazu, dass Tiere auf Dauer ohne rechtliche Hindernisse an geeignete dritte Tierhalter weiterveräußert werden und dort verbleiben können, wobei sich der Duldungsbescheid nicht durch die Veräußerung der Tiere erledigt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 16a TierSchG bietet auch die Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung gegenüber dem Eigentümer, soweit diese erforderlich ist, um bei der Vollstreckung von Anordnungen nach dem Tierschutzgesetz etwa entgegenstehende private Rechte Dritter auszuräumen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Duldungsverfügung ist aufgrund ihres Sinn und Zwecks zu prüfen, ob der Eigentümer im Falle der Rückgabe der Tiere an ihn in der Lage wäre, eine tierschutzgerechte Haltung des Tieres zu gewährleisten, denn Sinn und Zweck der Duldungsverfügung ist es in Bezug auf den Eigentümer sicherzustellen, dass ein Tier, das ein anderer Tierhalter tierschutzwidrig gehalten hat, nicht wieder an den Eigentümer herauszugeben ist, wenn dieser eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung nicht sicherstellen kann. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Duldungsverfügung zur Beseitigung eines Vollzugshindernisses kann auch noch nachträglich ergehen (wie BVerwG BeckRS 2016, 48414). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Der streitgegenständliche Duldungsbescheid entfaltet noch Rechtswirkungen zu Lasten der Klägerin und beschwert diese, denn er ist Rechtsgrundlage und zwar mit Dauerwirkung, dass ein tierschutzwidriges gehaltenes Tier nicht wieder an den Eigentümer herausgegeben wird. Die Duldungsanordnung dient auch gerade dazu, dass die Pferde auf Dauer ohne rechtliche Hindernisse an geeignete dritte Pferdehalter weiterveräußert werden und dort verbleiben können. Der Duldungsbescheid hat sich auch in der vorliegenden Fallkonstellation nicht durch die Veräußerung der Pferde erledigt (vgl. aber abweichend: VG Augsburg, B.v. 18.9.2009 – Au 5 S 09.987 – juris; BayVGH, B.v. 26.11.2009 – 9 C 09.2574 – juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 26. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dass die Voraussetzungen gemäß § 16a TierSchG im vorliegenden Fall gegeben sind, hat der Beklagte im Bescheid vom 26. Juli 2018, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet.
Ergänzend wird – wie auch schon weitgehend im Prozesskostenhilfebeschluss vom 12. November 2018 – noch ausgeführt:
Der streitgegenständliche Bescheid vom 26. Juli 2018 ist formell rechtmäßig. Ein durchgreifender Anhörungsmangel gem. Art. 28 BayVwVfG ist nicht gegeben. Zwar ist vorliegend eine Anhörung der Klägerin nach Art. 28 BayVwVfG unterblieben. Jedenfalls ist eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Art. 45 BayVwVfG durch Nachholung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingetreten (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2005 – 1 C 9/04 – BVerwGE 123, 90 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 9 f.).
Rechtsgrundlage für die Duldungsverfügung ist § 16a TierSchG. Gemäß § 16a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ermächtigt die zuständige Behörde gegenüber dem Halter zur Fortnahme der Tiere, wenn diese erheblich vernachlässigt sind oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufweisen. Die Anordnungen können auch gegen den Eigentümer gerichtet sein, wenn sie zur Durchsetzung einer gegen den Halter erlassenen tierschutzrechtlichen Anordnung nötig sind, um die tierschutzwidrigen Bedingungen zu beseitigen. § 16a TierSchG bietet somit auch die Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung gegenüber der Eigentümerin, soweit diese erforderlich ist, um bei der Vollstreckung von Anordnungen nach dem Tierschutzgesetz etwa entgegenstehende private Rechte Dritter auszuräumen (VG München, B.v. 11.7.2000 – M 22 S 00.2921 – juris Rn. 27).
Im Rahmen der Duldungsverfügung ist aufgrund ihres Sinn und Zwecks zu prüfen, ob der Eigentümer im Falle der Rückgabe der Tiere an ihn in der Lage wäre, eine tierschutzgerechte Haltung des Tieres zu gewährleisten. Denn Sinn und Zweck der Duldungsverfügung ist es in Bezug auf den Eigentümer sicherzustellen, dass ein Tier, das ein anderer Tierhalter tierschutzwidrig gehalten hat, nicht wieder an den Eigentümer herauszugeben ist, wenn dieser eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung nicht sicherstellen kann (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 38).
Nach dem aktuellen Sachstand war und ist die Klägerin nicht in der Lage, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung ihrer beiden Pferde sicherzustellen. Die Klägerin hat sich lediglich auf ihre formale Eigentümerstellung und die Rechtswidrigkeit des unmittelbaren Zwangs gegenüber B. G. berufen. Ein Vorbringen oder gar einen Nachweis, ob und wie sie selbst im Zeitpunkt des Erlasses des Duldungsbescheides im Stande gewesen wäre, eine mangelfreie Ernährung, Pflege und Unterbringung ihrer Pferde sicherzustellen, hat die Klägerin dagegen nicht geleistet. Hierfür sind auch keine sonstigen Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr spricht für die gegenteilige Annahme, dass die Klägerin ihre beiden Pferde selbst nicht tierschutzgerecht gehalten und einem Tierhalter überlassen hatte, der nicht zu einer mangelfreien Tierhaltung in der Lage gewesen ist (vgl. VG Würzburg U.v. 16.7.2018 – W 8 K 18.205 – juris). Die Klägerin stand während des Verwaltungsverfahrens – sowie in früheren Verfahren – sowohl mit dem Tierhalter, ihrem Lebensgefährten, als auch mit dem Landratsamt bzw. mit dem Veterinäramt in Kontakt und hatte dadurch die Kenntnis von den seitens des Landratsamts – über Jahre hinweg – beanstandeten tierschutzwidrigen Mängeln. Dennoch hat die Klägerin nicht einmal versucht, die tierschutzwidrige Haltung zu verbessern, geschweige denn erfolgreiche Maßnahmen zur Verbesserung vorgenommen. Weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren hat die Klägerin ansatzweise die Einsicht gezeigt, dass die Tierhaltung durch B. G. tierschutzwidrig war und hätte verbessert werden müssen. Die Klägerin hat vielmehr auch als Zeugin im Verfahren W 8 K 18.205 deutlich gemacht, dass sie selbst mit der Haltung der Tiere nichts mehr zu tun haben wolle (vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 26.07.2018 – W 8 E 18.927 – juris Rn. 30, S. 10 des Beschlussabdrucks).
Die Klägerin, die nach ihren eigenen Angaben Eigentümerin der Pferde „U* …“ und „P* …“ ist bzw. war, hat weder dargelegt noch nachgewiesen, dass sie in der Lage gewesen ist, eine dauerhafte, den Anforderungen des § 2 entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung ihrer beiden Pferde sicherzustellen. Wie bereits in den Verfahren gegen den Lebensgefährten B. G. (vgl. VG Würzburg, B.v. 07.03.2018 – W 8 S 18.206 – juris; U.v. 16.07.2018 – W 8 K 18.205 – juris) ausgeführt, waren die Tiere beim Lebensgefährten der Klägerin unter tierschutzwidrigen Umständen untergebracht und versorgt, worauf diesem auch die Haltung und Betreuung der Pferde untersagt wurde. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2018 im Verfahren W 8 K 18.205 als Zeugin ausdrücklich ausgesagt, dass sie selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die Pferde zu versorgen. Die Klägerin hat des Weiteren in der Vergangenheit nichts unternommen, um die tierschutzwidrigen Zustände und die tierschutzwidrige Behandlung der Pferde durch den Lebensgefährten zu unterbinden.
Die Klägerin hat bis heute keine überzeugenden konkreten Angaben über das etwaige Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit gemacht und auch nicht erklärt, wie sie in der Folgezeit eine artgerechte Unterbringung und Versorgung der Tiere gewährleisten können wolle (vgl. schon im Einzelnen VG Würzburg, B.v. 26.07.2018 – W 8 E 18.927 – juris). Sie gab einerseits zunächst nur an, sie hätte die Tiere anderweitig unterstellen wollen. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, sie hätte zum Zeitpunkt der Wegnahme der Pferde diese schon quasi verkauft gehabt bzw. verkaufen wollen, ohne dazu aber nähere substanziierte Angaben zu machen oder gar Belege vorzulegen. Des Weiteren hat die Klägerin nicht vorgebracht, dass sie gerade nach Erlass des Wegnahmebescheides an ihren Lebensgefährten vom 6. Februar 2018 bzw. nach tatsächlicher Wegnahme der Pferde Mitte März 2018 bis zur Weiterveräußerung der Pferde im April 2018 konkret beim Landratsamt Bad Kissingen vorgesprochen hat, um die Veräußerung ihrer Pferde seitens des Landratsamtes Bad Kissingen an Dritte zu vermeiden und anstelle dessen die Abgabe der Pferde an zuverlässige Dritte in Eigenregie zu bewerkstelligen.
Auch der Einwand der Klägerin, sie habe keine Möglichkeit gehabt, sich zu der Wegnahme zu äußern bzw. zeitnah gegen die Wegnahme vorzugehen, da sie bislang keinen Bescheid über die Wegnahme erhalten habe, verfängt nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass der gegenüber ihrem Lebensgefährten B. G. als Halter ergangene Bescheid vom 6. Februar 2018, mit dem dieser unter anderem zur Duldung der Wegnahme und Veräußerung der Pferde verpflichtet wurde, mangels dinglicher Wirkung für sich nicht in die Rechte der Klägerin eingriff, sondern nur die Rechtsbeziehung zwischen dem Lebensgefährten B. G. als Adressaten des Bescheides und den Beklagten regelte (vgl. OVG Bremen, B.v. 29.10.2018 – 1 B 230/18 – juris).
Unabhängig davon hat das Gericht keine Zweifel, dass der Klägerin sowohl die über Jahre hinweg andauernden tierschutzwidrigen Umstände als auch der an ihren Lebensgefährten ergangene Bescheid mit der diesem gegenüber angeordneten Duldung der Wegnahme und Weiterveräußerung der Tiere bekannt waren. Gleichwohl hat die Klägerin nichts unternommen, um für tierschutzgemäße Zustände bzw. konkret eine anderweitige tierschutzgerechte Unterbringung und Haltung zu sorgen, gerade auch nach Erlass des Untersagungsbescheides an ihren Lebensgefährten im Februar 2018 unter Wegnahme der Pferde bei ihm Mitte März 2018. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht schon wiederholt entschieden, dass eine Duldungsverfügung zur Beseitigung eines Vollzugshindernisses auch noch nachträglich ergehen kann (BVerwG, U.v. 28.4.1972 – IV C 42.69 – BverwGE 40, 101 m.w.N.).
Das Gericht hat den Eindruck, dass sich die Klägerin nunmehr auf ihre formale zivilrechtliche Eigentümerposition beruft, ohne auch nur ansatzweise eine tierschutzgerechte Haltung ihrer Pferde gewährleisten zu können. Vor diesem Hintergrund erscheint der Erlass einer Duldungsanordnung das zweckdienliche und auch verhältnismäßige Mittel, um dauerhaft und rechtlich einwandfrei eine tierschutzgerechte Haltung und Betreuung der Pferde durch Dritte sicherzustellen. Durch die Nachholung der Duldungsanordnung werden jedenfalls im Nachhinein etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Übereignung an Dritte endgültig beseitigt. Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Dritten mittlerweile Eigentum erworben haben und die Klägerin ihr Eigentum verloren hat. Eine Rückabwicklung der Veräußerung der Tiere kommt nicht mehr in Betracht (vgl. auch OVG Bln-Bbg, B.v. 08.10.2018 – OVG 5 S 13.18 – juris).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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