Europarecht

Übertragung eines Eilverfahrens auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Auslegung nationalen Asylrechts im Lichte des Unionsrechts

Aktenzeichen  M 24 E 16.30188

Datum:
29.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132835
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AsylG § 23 Abs. 1, § 76 Abs. 4 S. 2
AsylVf-RL Art. 2b, Art. 6 Abs. 1
Dublin III-VO Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage, inwieweit einschlägige Vorschriften des AsylG wie zB Asylantragstellung und Aufenthaltsgestattung im Lichte des Unionsrechts (AsylVf-RL u. Dublin-III-VO) auszulegen sind. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Rechtsstreit wird auf die Kammer übertragen.

Gründe

I.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Antragsteller (ASt.) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin (Ag.) verlangen kann, ein Asylverfahren (mit den daran anknüpfenden Rechtsfolgen) einzuleiten.
Der ASt. ist türkischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am … Oktober 2015 bei der Aufnahmeeinrichtung (AE) für Asylbewerber … (AE …) der Regierung von Oberbayern (ROB), die ihm am … Oktober 2015 einen „Aufnahmeschein / ´White Paper´“ und am … Oktober 2015 eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BÜMA) ausstellte, wobei als zuständige AE die AE … bestimmt wurde. Über der Kopfzeile dieser (von einem Mitarbeiter der ROB unterzeichneten) BÜMA vom … Oktober 2015 findet sich ein Stempel „Termin zur Aktenanlage am “ mit dem handschriftlichen Eintrag: „…04.2016“. Die Antragspartei hat ein nicht unterzeichnetes und nicht datiertes, aber namentlich auf den ASt. bezogenes und als Aufnahmedatum den … Oktober 2015 benennendes Schreiben der „ROB – AE für Asylbewerber“ vorgelegt, das als Betreff die „Asylantragstellung“ bezeichnet und in mehreren Sprachen (verteilt über eine Seite mit mehreren Absätzen) unter anderem formuliert:
Asylantragstellung … Bitte fahren Sie am … Tag: Montag, Datum: …04.2016, Uhrzeit: 06:30 … mit Shuttlebus … Shuttle-Bus Interviews, … – … Straße … zum BAMF, … Str. 41, Federal Office … Die Taschengeldausgabe kann erst nach der Asylantragstellung erfolgen!!! …
Mit Schriftsatz vom 23. November 2015 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestellte sich der Bevollmächtigte (Bev.) des ASt. und führte unter anderem aus, das Schreiben zur Vorsprache zur Asylantragstellung am 6. April 2016 bestimme einen Termin in 6 Monaten, der weder für den Mandanten zumutbar noch mit der Regelung nach § 23 AsylVfG zu vereinbaren sei. Zudem werde dem ASt. entgegen § 55 AsylVfG bis zur Aktenanlage rechtswidrig keine Aufenthaltsgestattung ausgestellt. Das BAMF wurde aufgefordert, bis 1. Dezember 2015 einen Termin zur Asylantragstellung und Aktenanlage beim BAMF mitzuteilen.
Mit Schriftsatz des Bev. vom 11. Dezember 2015 wurde dieser Vortrag wiederholt und das BAMF aufgefordert, bis 18. Dezember 2015 einen Termin zur Asylantragstellung und Aktenanlage beim BAMF mitzuteilen.
Mit Antragsschrift vom 3. Februar 2016, bei Gericht eingegangen am 5. Februar 2016, beantragte der Bev.
die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, einen Asylantrag anzulegen und dem ASt. eine Aufenthaltsgestattung auszustellen.
Des Weiteren wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bev. und Aktenübersendung in dessen Kanzlei beantragt.
Die Ag. hat bislang keine Verwaltungsakten vorgelegt und nicht Stellung genommen.
Mit Telefax vom 18. Februar 2016 wurden die Antragspartei und die Ag. vom Unterzeichnenden zur beabsichtigten Übertragung des Rechtsstreits auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung angehört. Eine Rückäußerung erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Rechtsstreit ist gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer zu übertragen.
Das Verwaltungsgericht (VG) … ist insbesondere örtlich zuständig, weil der ASt. im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Antragseingangs aufgrund der BÜMA vom 26. Oktober 2015 seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG). Nach der Geschäftsverteilung des VG … ist die 24. Kammer für das Asylrecht mit Herkunftsland Türkei zuständig. Gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist im vorliegenden Eilverfahren im Ausgangspunkt kraft Gesetzes der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung berufen.
Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 76 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AsylG. Dies ergibt sich schon aus der nicht nur für den vorliegenden Fall bedeutsamen Frage, inwieweit ein Erfordernis besteht, die für das streitgegenständliche Begehren einschlägigen Vorschriften des Asylgesetzes (insbesondere §§ 14 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1, 55 Abs. 1 Satz 1, 63, 63a AsylG) im Lichte des Unionsrechts auszulegen, insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Buchst. b) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2013/32/EU (AsylverfahrensRL – AsylVf-RL), aber auch auf Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin-III-VO), Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2011/95/EU (QualifkationsRL – Q-RL) und Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme-RL).
Wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Kammer zu übertragen (§ 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Die Antragspartei und die Ag. wurden hierzu angehört und haben keine Einwände erhoben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Kammerentscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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