Europarecht

Umsätze aus dem Essenverkauf an einem Verkaufsstand mit dem ermäßigten Steuersatz

Aktenzeichen  14 K 2081/15

Datum:
9.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UStB – 2017, 232
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 3 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet. Auf die streitigen Leistungen ist der allgemeine Steuersatz anzuwenden.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die „Lieferung“ der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. „Zubereitungen von Fleisch, Fisch …“ (Nr. 28), „Zubereitungen von Gemüse …“ (Nr. 32) und „verschiedene Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33).
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH – vom 30. Juni 2011 V R 18/10, BStBl II 2013, 246). … Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu bestimmen (BFH-Urteile vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BStBl II 2013, 244; in BStBl II 2013, 246). Für die Streitjahre gilt, dass die Abgabe von Standardspeisen wie z. B. von Bratwürsten und Pommes frites grundsätzlich eine Lieferung ist (BFH-Urteil in BStBl II 2013, 246; ab 1. Juli 2011 nicht mehr auf die Komplexität der Speisen abstellend: Art. 6 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem). Beim Bereitstellen von Bierzeltgarnituren, deren Auf- und Abbau sowie deren Reinigung einen gewissen personellen Einsatz erfordern, wird regelmäßig die Schwelle zum Restaurationsumsatz und damit zur Dienstleistung überschritten (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2013, 246, Rz 38).
Verzehrvorrichtungen sind bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung aber nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern (BFH-Urteil in BStBl II 2013, 246, Rz 32). Leistet jedoch ein Dritter an den Unternehmer und dieser wiederum an den Kunden, handelt es sich um ein Dienstleistungselement des die Speise abgebenden Unternehmers, das in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen ist (Finanzgericht Hamburg vom 7. April 2016 6 K 132/15, Mehrwertsteuer-Recht -MwStR- 2016, 728; vgl. UStAE 2015/2016 Abschn. 3.6 Abs. 5 Satz 3 ff.). Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob er sich der weitergehenden Auffassung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 (7 K 7248/14, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 162) anschließt, wonach bei der Bestimmung der Dienstleistungselemente dem Unternehmer solche Verzehrvorrichtungen eines Dritten wie eigene zuzurechnen seien, die aus objektiver Verbrauchersicht den Eindruck erweckten, ihm zu gehören.
Im Streitfall handelt es sich bei den vom Kläger angebotenen Speisen um Standardzubereitungen. Allerdings sind ihm das Bereitstellen der Bierzeltgarnituren und weitere Dienstleistungen wie die Abfallbeseitigung und das Bereithalten von Toiletten zuzurechnen.
Denn nach dem Pachtvertrag hatte der Kläger das Recht, seinen Kunden die Infrastruktur des Biergartens zur Verfügung zu stellen, was dann auch – entsprechend der Erwartung der Verbraucher – geschah.
Zwar ist dies nicht ausdrücklich im Pachtvertrag geregelt, weil dieser als Gegenstand lediglich die Verpachtung einer bestimmten Verkaufsfläche nennt. Jedoch ergibt die Auslegung des Vertrages nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dass der Kläger das Recht hatte, seinen Kunden die Nutzung der Infrastruktur des Biergartens zu ermöglichen. Dies folgt bereits daraus, dass er nicht nur den Pachtzins für die Verkaufsfläche, sondern nach Nr. 3 des Vertrages auch anteilig Kosten für die Müllabfuhr, Reinigung und Sauberhaltung des Biergartens zu tragen hatte. Dieser Kostenbeteiligung steht dann auch das Recht des Klägers gegenüber, die Infrastruktur des Biergartens entsprechend in Anspruch zu nehmen. Zudem durfte und musste der Kläger die Speisen während der Öffnungszeiten des Biergartens anbieten (Nr. 4 und 8 des Vertrages). Sein Speisensortiment war vorgegeben (Nr. 5 des Vertrages). Andere Stände ergänzten das Angebot, während der Betreiber des Biergartens die Getränke verkaufte. Die Verpachtung erfolgte damit in einem Gesamtkonzept „Biergarten“, bei dem wesentlich ist, dass dem Besucher nicht nur Speisen und Getränke in Selbstbedienung, sondern eine angenehme Umgebung zum Verzehr im Freien geboten wird.
Hieraus wird zugleich deutlich, dass der Kläger seinen Kunden das Recht einräumte, die Biergartengarnituren zum Verzehr sowie die weiteren Einrichtungen wie z. B. Toiletten zu nutzen.
Ohne entscheidende Bedeutung ist, dass die Besucher den Biergarten auch dann nutzen durften, wenn sie keine Speisen beim Kläger erwarben, und sie eigene Brotzeiten, d.h. in der Regel kalte und einfache Speisen, mitbringen durften. Denn dies ändert nichts daran, dass die Biergartengarnituren doch ausschließlich dazu dienten, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern. Der durchschnittliche Besucher geht nämlich in den Biergarten, um dort zu essen und zu trinken. Außerdem waren die vom Kläger angebotenen Speisen keine Brotzeiten, sondern erworbene, warme Speisen. Die Besucher wären daher nicht berechtigt gewesen, solche mitgebrachten Speisen im Biergarten zu verzehren. Somit musste der Kläger seinen Kunden erst das Recht verschaffen, den Biergarten insoweit zu nutzen.
Das BFH-Urteil vom 8. Juni 2011 XI R 33/08 (BFH/NV 2011, 1927) steht nicht entgegen. Denn – anders als im Streitfall – dienten dort die Stehtische und Bierzeltgarnituren im Gastronomiebereich eines Fußballstadions nicht ausschließlich dem Essen und Trinken. Außerdem hat hier der Kläger aus den dargelegten Gründen seinen Kunden selbst das Recht verschafft, die Biergartengarnituren zum Verzehr der bei ihm erworbenen Speisen zu nutzen. Das war nach dem Sachverhalt des BFH-Urteils in BFH/NV 2011, 1927 nicht der Fall.
Unerheblich ist schließlich die Einigung, welche die Beteiligten im Verfahren 14 K 3490/11 über die Besteuerung der Jahre 1998 bis 2004 erzielt haben. Denn nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung ist jeder Besteuerungszeitraum gesondert zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623, m.w.N.).
2. Nicht zu beanstanden ist die Schätzung des FA, dass bei 10% der Umsätze die Speisen nicht im Biergarten verzehrt, sondern mitgenommen wurden. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht erhoben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.


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