Aktenzeichen AN 17 S 19.50793
VO (EU) Nr. 604/213 Art. 18 Abs. 1b
VwGO § 80 Abs. 5
GRC Art. 4
EMRK Art. 3
Leitsatz
1. Systemische Schwachstellen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, sind im griechischen Asylsystem für Dublin-Rückkehrer nicht ersichtlich. (Rn. 28 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Griechenland grundsätzlich griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und, soweit sie keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe zugehören, erforderlichenfalls staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen können, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. (Rn. 40 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Griechenland im Zuge eines Dublin-Verfahrens.
Der 1980 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger, vor dem Bundesamt ausgewiesen durch Vorlage einer Geburtsurkunde der Iranischen Republik im Original. Er reiste nach seinen Angaben am 17. Juni 2019 auf dem Luftweg aus Griechenland kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juli 2019 einen förmlichen Asylantrag.
Nach den Ermittlungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hat der Antragsteller bereits am 11. Februar 2019 in Griechenland einen Asylantrag gestellt; ihm wurden dort am selben Tag Fingerabdrücke abgenommen (EURODAC-Treffer übermittelt am 19. Juni 2019).
Im Rahmen der Asylantragstellung und bei vorbereitenden Anhörungen am 15. Juli 2019 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sein Heimatland am 9. November 2018 verlassen und über die Türkei, in der er sich ca. zwei Monate aufgehalten habe, etwa im Januar 2019 nach Griechenland eingereist zu sein, wo er ca. fünf Monate verbracht habe und davon vier Monate inhaftiert gewesen sei. Sein primäres Ziel sei Deutschland gewesen. Jedoch habe man ihn und weitere Migranten am 11. Januar 2019 in Griechenland in einem Laster versteckt aufgefunden. Die griechischen Polizisten hätten sie schlecht behandelt, beschimpft und auch geschlagen. Er sei dann zunächst für zehn Tage in ein Untersuchungsgefängnis in Patras gekommen und danach in ein normales Gefängnis in Korinth verlegt worden. Dort seien sie mit Pakistanern zu zehnt bis fünfzehn Personen in einem Raum untergebracht gewesen. Es habe kein Licht gegeben und keine ärztliche Versorgung. Er habe seelische Probleme bekommen. In Korinth sei es auch kalt gewesen und man habe ihnen keine Decke oder warmes Wasser gegeben. Als ein Inhaftierter versucht habe, von den Verhältnissen im Gefängnis ein Foto zu machen und an eine Flüchtlingsorganisation zu senden, sei diesem das Mobiltelefon abgenommen und dieses zerschlagen worden. Die Pakistanis hätten die Iraner bedroht, weil sie davon erfahren hätten, dass sie die Religion gewechselt haben. Sie seien dann aber von den Pakistanis getrennt untergebracht worden. Er habe mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis eine Ausreiseaufforderung erhalten, das sei im Mai 2019 gewesen. Sein Asylantrag sei seines Wissens abgelehnt worden. In Deutschland habe er Verwandtschaft, einen Bruder, zwei Neffen, eine Cousine und seine Schwägerin. Er sei auf die Unterstützung durch seine Familie angewiesen. Er leide an zitternden Händen und Füßen, wogegen er bereits in der Türkei Tabletten eingenommen habe. Es gehe ihm erst besser, seit er in Deutschland sei. Er habe auch Darmprobleme. In seinem Herkunftsland habe er das Abitur abgelegt. Vom Studium sei er ausgeschlossen worden. Zuletzt habe er als Taxifahrer gearbeitet. Vom Wehrdienst im Iran sei er aus medizinischen Gründen befreit worden. Von seiner Familie – er habe einen zwölfjährigen Sohn und eine sechszehnjährige Tochter sowie eine Ehefrau – lebe er aus religiösen Gründen getrennt.
Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2019 hin teilte Griechenland am 25. Juli 2019 mit, dass der Antragsteller am 13. Januar 2019 in Patras registriert worden sei, dort einen Asylantrag gestellt habe und das Verfahren noch andauere. Die Rückübernahme des Antragstellers nach Art. 18 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) wurde erklärt. Dabei sicherten die griechischen Behörden im Antwortschreiben eine Unterbringung des Antragstellers gemäß den Regelungen der Richtlinie 2013/33/EU zu, wobei die Einzelheiten zum Zeitpunkt der Mitteilung des konkreten Überstellungsdatums mitgeteilt würden. Der Antragsteller werde am Flughafen in Griechenland durch Polizeibehörden unter Hinzuziehung eines Dolmetschers in Empfang genommen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines ersten Asylverfahrens betrage in Griechenland derzeit sechs Monate.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2019, dem Antragsteller gegen Empfangsbekenntnis in der ANKER-Dependance Nürnberg am 30. Juli 2019 bekannt gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Griechenland an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Feststellungen und Gründe Bezug genommen.
Mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 5. August 2019, bei Gericht am selben Tag per Telefax eingegangen, erhob der Antragsteller hiergegen Klage (Verfahren AN 17 K 19.50794), über die noch nicht entschieden ist und beantragte im Weiteren sinngemäß nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.
Der Antragsteller lässt mit gesondertem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. September 2019 vortragen, er habe in Griechenland kein Asyl beantragt. Soweit der Antragsteller in der zweiten Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hatte, man habe ihn abgelehnt, habe er damit zum Ausdruck bringen wollen, dass man ihn in Griechenland nicht als Asylbewerber haben wollte. Der Antragsteller habe den Großteil seiner Zeit in Griechenland im Gefängnis verbracht. Er habe deshalb dort nicht mit einer angemessenen Behandlung als Asylbewerber zu rechnen. Im Übrigen habe sich die Flüchtlingslage in Griechenland in den letzten Wochen allgemein erheblich verschlechtert, da eine Vielzahl weiterer Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland gelangt sei. Es liege somit nahe, dass der Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung auf völlig unzumutbare und menschenrechtswidrige Verhältnisse stoßen werde.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. August 2019,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.
Nach Anhörung der Parteien hat der Einzelrichter das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Entscheidung auf die Kammer gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 11. August 2020 übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte (Az. …*) und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage des Antragstellers entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, denn die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3. des klagegegenständlichen Bescheids) stellt sich nach summarischer Prüfung, wie sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geboten ist, als rechtmäßig dar. Die aus den Akten ersichtlichen Belange des Antragstellers erfordern nicht, im konkreten Fall, abweichend von der Wertung des Gesetzgebers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.
1. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Dessen Voraussetzungen liegen im hier zu betrachtenden Einzelfall vor.
a) Griechenland ist der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat. Der Asylantrag des Antragstellers ist demnach nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG unzulässig.
Die Zuständigkeit der Hellenischen Republik für die Bearbeitung und Entscheidung über den Asylantrag des Antragstellers in der Sache ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO). Aufgrund der Angaben des Antragstellers und der weiteren Ermittlungen des Bundesamtes, insbesondere des Ergebnisses der Abfrage aus der EURODAC-Datenbank und der Antwort der griechischen Dublin-Einheit auf das Aufnahmeersuchen des Bundesamtes, steht fest, dass der Antragsteller in einem Zeitraum Anfang Januar 2019 aus der Türkei kommend ohne Einreise- und Aufenthaltsberechtigung die Land- oder Seegrenze zu Griechenland überschritten hat und in der Folge am 13. Januar 2019 nach seinem Aufgriff durch griechische Polizeibehörden registriert worden ist. Seitdem hat er nach eigenen Angaben das Gebiet der Dublin-Mitgliedsstaaten nicht mehr verlassen.
Der Zuständigkeit Griechenlands für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem illegalen Grenzübertritt. Dieser Zeitraum bemisst sich also ausgehend vom Zeitpunkt des illegalen Grenzübertrittes bis zu der erstmaligen Stellung eines Antrages auf Gewährung internationalen Schutzes im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO (Hailbronner/Thym EU Immigration/Hruschka/Maiani, 2. Ed. 1.1.2016, VO (EU) 604/2013 Art. 13 Rn. 2; BeckOK MigR/Thomann, 5. Ed. 1.7.2020, VO (EU) 604/2013 Art. 13 Rn. 5), wobei sich die Berechnung der Frist nach der Vorschrift des Art. 42 Dublin III-VO richtet. Im Fall des Antragstellers hat dieser jedoch ausweislich der Treffermeldung in der EURODAC-Datenbank erstmals im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO am 11. Februar 2019 in Griechenland einen Antrag auf internationale Schutzgewährung gestellt, was in Bezug auf seinen nachgewiesenen Grenzübertritt von der Türkei aus die Frist des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ersichtlich wahrt.
Ein Übergang der Zuständigkeit von Griechenland auf die Antragsgegnerin aufgrund eines Ablaufs der Fristen aus dem (Wieder-)Aufnahmeverfahren der Art. 23 ff. Dublin III-VO ist nicht ersichtlich. Ausgehend von der Übermittlung des Ergebnisses der Abfrage aus der EURODAC-Datenbank hat das Bundesamt die griechische Dublin-Einheit fristgerecht binnen zwei Monaten (vgl. Art. 23 Abs. 1 u. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO) um Wiederaufnahme des Antragstellers ersucht, denn die Anfrage ging über das elektronische Dublin-Net am 16. Juli 2019 bei den griechischen Behörden ein. Die griechische Dublin-Einheit hat sich ebenfalls binnen der vorgesehenen Zwei-Wochen-Frist des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO mit Schreiben vom 25. Juli 2019, das am selben Tag über das elektronische Dublin-Net beim Bundesamt einging, positiv zur Wiederaufnahme geäußert. Die Aufnahmepflicht Griechenlands hat die griechische Dublin-Einheit dabei auf Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO gestützt.
b) Der Antragsteller kann sich nicht erfolgreich auf das Bestehen systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO in Griechenland im Allgemeinen berufen.
aa) Die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, wonach die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, basiert auf dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem. Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und dass sich die beteiligten Staaten insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (BayVGH, U.v. 19.1.2016 – 11 B 15.50130 – BeckRS 2016, 41725 Rn. 21; B.v. 20.3.2018 – 21 ZB 18.50020 – BeckRS 2018, 7783 Rn. 5). Aus diesem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. im Einzelnen mit Übersicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Prinzip: von Danwitz, Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Eine wertebasierte Garantie der Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts, EuR 2020, 61, beck-online) folgt allerdings keine unwiderlegbare Vermutung. Diese Vermutung greift nicht, wenn es in einem Staat wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber dort systemische Schwachstellen aufweisen, die die konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung und damit einer Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen (BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris Rn. 5 m.w.N.; U.v. 9.1.2019 – 1 C 19.18 – BeckRS 2019, 510 Rn. 19). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen darf nicht vorschnell angenommen werden, da die Bejahung zu einer partiellen Außerkraftsetzung des Dublin-Systems führt. So dürfen hinsichtlich Unterbringung und Versorgung Maßstab nicht die in Deutschland üblichen sozialen Standards sein, sondern allein die sich aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta ergebenden Mindeststandards, denn Sinn und Zweck der Dublin-Zuständigkeitsregelung besteht auch darin zu verhindern, dass Schutzsuchende sich einen Mitgliedstaat zur Prüfung ihres Asylantrags nach dessen wirtschaftlicher und sozialer Leistungskraft und damit nach Umfang der jeweils gewährten Sozialleistungen aussuchen. Von systemischen Schwachstellen kann nur gesprochen werden, wenn sie im Rechtssystem des anderen Staats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel werden dadurch gekennzeichnet, dass sie den Einzelnen nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft treffen, sondern sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen. Es muss sich um größere Funktionsstörungen handeln, die regelmäßig so defizitär sein müssen, dass sie die Annahme rechtfertigen, dort drohe einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die festgestellten Tatsachen müssen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein, um das o.g. gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten zu widerlegen. Sie müssen überdies verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt zu Grundrechtsverletzungen kommt. Grundrechtsverletzungen in Einzelfällen und bloße in der Person des Asylbewerbers begründete Hinderungsgründe für eine Überstellung – wie etwa Reiseunfähigkeit – sind nicht geeignet, systemische Schwachstellen zu begründen. Gleichwohl kann eine systemische Schwachstelle auch nur eine lediglich geringe Anzahl von Asylbewerbern betreffen, z.B. bestimmte, besonders schutzbedürftige Personengruppen (etwa Kleinkinder, schwangere Frauen oder Kranke). Aber auch bei besonders schutzbedürftigen Personen kann der Einwand einer systemischen Schwachstelle überwunden werden, wenn sichergestellt ist, dass die Asylbewerber im konkreten Einzelfall von den Mängeln des Systems verschont bleiben (vgl. Heusch, in Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rz. 236, 264, 265 m.w.N.; VG Regensburg, B.v. 16.8.2018 – 13 S 18.50524 – BeckRS 2018, 19523).
Zu prüfen ist demnach grundsätzlich, ob in Griechenland die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das gegenseitige Vertrauen nicht in Frage. Erst wenn ein Asylbewerber nach der Überzeugung des Gerichts wegen größerer Funktionsstörungen des griechischen Asylverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat, muss eine Abschiebung dorthin unterbleiben, mit der Folge, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich ist.
bb) In Bezug auf Griechenland ist zunächst einmal mit dem Bundesverfassungsgericht festzustellen, dass ab 2011 bis 2016 von der Europäischen Kommission bezogen auf Griechenland systemische Mängel bejaht wurden und damit der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens als erschüttert angesehen wurde (vgl. BVerfG B.v. 8.5.2017 – 2 BvR 157/17, juris, Rn. 16).
Am 8. Dezember 2016 stellte die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung C (2016) 8525 final an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 die Bemühungen dar, die Griechenland mit Unterstützung anderer Staaten und Hilfsorganisationen unternommen hatte, um die systemischen Mängel zu beseitigen. Die 19-seitige Empfehlung lässt sich knapp in der Aussage zusammenfassen, dass erhebliche Bemühungen zu einer spürbaren Verbesserung geführt haben, das System im Allgemeinen aber noch nicht allen Anforderungen genügt. Insbesondere die Unterbringungskapazitäten seien noch deutlich ausbaubedürftig (vgl. vorgenannte Empfehlung, S. 14, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/). Ein gewisser Grundstock an Kapazitäten etc. sei aber vorhanden. Deshalb empfiehlt die Europäische Kommission unter bestimmten Voraussetzungen und Modalitäten die Überstellung von Asylbewerbern nach Griechenland nach der Dublin-III-VO wieder aufzunehmen (vgl. vorgenannte Empfehlung, S. 17 f.). Ausgeschlossen von der Rückführung sollen Asylbewerber sein, bei denen die Zuständigkeit Griechenlands vor dem 15. März 2017 begründet wurde, sowie schutzbedürftige Asylbewerber einschließlich unbegleiteter Minderjähriger. Unerlässlich sei die im konkreten Einzelfall abgegebene griechische Zusicherung, dass der betroffene Asylbewerber in einer den EU-Normen und insbesondere der Richtlinie 2013/33/EU über Aufnahmebedingungen entsprechenden Aufnahmeeinrichtung untergebracht, sein Antrag in der in der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU vorgesehenen Frist bearbeitet und er in jeder Hinsicht im Einklang mit dem EU-Recht behandelt werde.
Die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Dezember 2016 wurde durch das Bundesministerium des Innern aufgegriffen. Mit Erlass vom 15. März 2017 (Az. AG M4 – 20203/1#1, abrufbar unter: http://www.aktiv-fuer-fluechtlinge-rlp.de/fileadmin/Dateien/Downloads/20170427_Dublin_Uberstellung_…15.pdf) wurde mit Ausnahme bei vulnerablen Personen die Stellung von Übernahmeersuchen an Griechenland angeordnet. Eine Überstellung erfolge nach Zustimmung und bis auf weiteres auf Basis einer Zusicherung durch Griechenland, dass die zu überstellende Person entsprechend den Normen der Richtlinie 2013/33/EU untergebracht und ihr Antrag nach Maßgabe der Richtlinie 2013/32/EU bearbeitet werde.
Der UNHCR erhob im April 2017 keine Einwendungen gegen die von der Europäischen Kommission ausgesprochene Empfehlung (vgl. VG Regensburg, B.v. 16.8.2018 – 13 S 18.50524 – BeckRS 2018, 19523 Rn. 25).
Das Bundesverfassungsgericht betonte in der o.g. Entscheidung vom 8. Mai 2017, dass die Beurteilung, ob festgestellte systemische Mängel wieder beseitigt wurden, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen müsse. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK hielt es die Einholung von Zusicherungen für zulässig (vgl. BVerfG, a.a.O, Rn. 11). Obgleich diese Entscheidung nicht Asylbewerber im Dublin-Verfahren, sondern einen anerkannten Schutzberechtigten betraf, ist der Maßstab dieser verfassungsrechtlichen Prüfung auch auf Asylbewerber im Dublin-Verfahren zu übertragen (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – BeckRS 2019, 25217).
Das Gericht geht hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Situation des griechischen Asylsystems bis in die Gegenwart unter Zuhilfenahme aktueller Erkenntnismittel von folgender Sachlage aus:
(1) Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist zunächst davon auszugehen, dass das griechische Asylverfahren für die Personengruppe der Dublin-Überstellten keine erheblichen Zugangshürden aufweist. Die Problematik von sog. Push-Backs an der Grenze zur Türkei, wonach Ausländern faktisch die Asylantragstellung in Griechenland verwehrt wird (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 5 f.), sind bezüglich des Antragstellers irrelevant, denn er wird als sog. Dublin-Rückkehrer behandelt. Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Rücküberstellung ist grundsätzlich vom Stand des Verfahrens in Griechenland abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa, weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat und der Betreffende von Griechenland im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO zurückgenommen wird, wird das Verfahren automatisch wiederaufgenommen. Andersfalls muss der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen (Raphaelswerk e.V., Griechenland: Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 3 ff.). Der Antragsteller wird aber gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO zurückgenommen, so dass sein Verfahren automatisch wiederaufgenommen wird.
Den seitens der griechischen Behörden bei Annahme eines (Rück-) Übernahmeersuchens – und so auch im Fall des Antragstellers – erteilten Zusicherungen ist zu entnehmen, dass die zuständigen Polizeistellen die überstellte Person bei Ankunft am Flughafen in Empfang nehmen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend unter anderem über ihre Rechte als Asylantragsteller und den Verfahrensablauf informieren (vgl. auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 4. Dezember 2019, S. 3). Hierzu gehören etwa Informationen über die einzuhaltende Antragsfrist sowie die Anschrift und Öffnungszeiten der zuständigen Behörde.
Zum 1. Januar 2020 wurden mit dem neuen griechischen Asylgesetz, das zudem im Mai 2020 erstmals überarbeitet wurde (vgl. Greek Council for Refugees and OXFAM Briefing, DIMINISHED, DEROGATED, DENIED – How the right to asylum in Greece is undermined by the lack of EU responsibility sharing, Stand 2.7.2020, S. 5, abrufbar unter: https://www.oxfam.de /system/files/documents/bp-diminished-derogated-denied.pdf), neue Verfahrensregeln eingeführt (vgl. überblicksartig auch: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Änderungen im griechischen Asylgesetz, Sachstandsbericht, WD 3 – 3000 – 035/20, Stand 5.3.2020, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/), nach denen ein eingeleitetes Asylverfahren nach der Weiterreise endgültig beendet wird und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nur im Rahmen eines Folgeverfahrens erfolgen kann. Dies betrifft jedoch dem Grunde nach nur Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes in Griechenland gestellt worden sind, nicht also den im Februar 2019 gestellten Asylantrag des Antragstellers.
(2) In Griechenland haben laut Gesetz alle Asylantragsteller, darunter auch sog. Dublin-Rückkehrer, grundsätzlich ein Recht auf angemessene Unterbringung. Rückkehrende Dublin-Überstellte kommen regelmäßig im Camp Eleonas auf dem griechischen Festland unter. Es liegen keine Kenntnisse über eine Einschränkung der Standards der Aufnahmerichtlinie in diesem Camp vor. Das (als offenes Camp geführte) Camp Eleonas verfügt über eine zentrale Lage in der Nähe der Großstadt Athen, gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, umfassende ärztliche Versorgung (allgemeinärztlich und zahnmedizinisch vor Ort) sowie Sat-TV und Freizeitmöglichkeiten (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3) und auch der Möglichkeit der Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen (vgl. z.B.: https://projectelea.org/about-us/). Zudem besteht die Möglichkeit der Unterkunft für Dublin-Rückkehrer über das ESTIA-Programm mit angemieteten Wohnungen des UNHCR bzw. der Unterbringung in Containern und Zelten in Flüchtlingslagern, verwaltet von IOM, ASB oder DRC (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Leipzig vom 28.1.2020). Im Rahmen des ESTIA-Programms, das fortlaufend betrieben wird und in erster Linie besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern in Griechenland offensteht (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 21), haben der UNHCR in ganz Griechenland verteilt Wohnkapazitäten für insgesamt 25.748 Personen angemietet, die derzeit zu ca. 97,3 Prozent ausgelastet sind (UNHCR, ESTIA Accommodation Capacity Weekly Update, Stand 10.8.2020, abrufbar unter: https://data2.unhcr.org/en/situations/mediterranean/location/5179).
(3) Darüber hinaus haben Dublin-Rückkehrer ausnahmslos Zugang zum sog. Cash-Card-Programm (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Berlin vom 4.12.2019). Hierbei handelt es sich um ein von der EUfinanziertes Programm des UNHCR. Der Auszahlungsbetrag liegt für alleinstehende Männer bei 150,00 Euro pro Monat und damit leicht unter der staatlichen Grundsicherung in Griechenland. Damit soll u. a. die Versorgung mit Lebensmitteln gewährleisten werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Greifswald vom 26.8.2018). Auch das Cash-Card-Programm wird fortlaufend betrieben (vgl. zum aktuellen Stand: UNHCR, Cash Assistance Update, Stand März 2020, abrufbar unter: https://data2.unhcr.org/en/documents/details/75464).
(4) Seit 1. Januar 2020 besteht in Griechenland eine Regelung, wonach alle Asylantragsteller eine medizinische Notfallversorgung erhalten (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Berlin vom 4.12.2019). Soweit das griechische Gesundheitssystem durch Sparmaßnahmen des griechischen Staates oft an seine Belastungsgrenzen stößt und insbesondere in lokalen Krankenhäusern mit teilweise langen Wartezeiten zu rechnen ist (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 25), trifft dies jedoch alle Einwohner des Landes unabhängig von ihrem Rechtsstatus. Der UNHCR arbeitet mit den griechischen Behörden zusammen daran, den Zugang von Asylbewerbern und anerkannt Schutzberechtigten zu medizinischer Versorgung zu verbessern und stellt hierzu insbesondere auch finanzielle und sächliche Mittel zur Verfügung (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 26; UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Juni 2020 S. 2).
cc) Zusammenfassend sind daher systemische Schwachstellen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, im griechischen Asylsystem für Dublin-Rückkehrer nicht ersichtlich (so auch: VG Cottbus, B.v. 18.2.2020 – 5 L 545/19.A – BeckRS 2020, 2045; VG Leipzig, B.v. 27.2.2020 – 6 L 413/19 – BeckRS 2020, 2907; VG München, B.v. 23.7.2019 – M 5 S 19.50682 – BeckRS 2019, 21961). Soweit der Antragsteller diesbezüglich im Jahr 2019 andere Erfahrungen gemacht haben will, ist dies auf Grund der aktuellen Lage in Griechenland, wie sie die Erkenntnismittel für Dublin-Rückkehrer vermitteln, nunmehr unerheblich und im Übrigen auch nicht geeignet, um über den Einzelfall hinausgehend systemische Mängel zu belegen.
Darüber hinaus erkennt das Gericht auch keine ernstzunehmende Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung der Versorgungs- und Unterbringungssituation für im Dublin-Verfahren rücküberstellte Schutzsuchende im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen im Camp Moria auf der Insel Lesbos. Zwar hat die durch Brandereignisse herbeigeführte Zerstörung dieses Camps eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage für über 12.000 Schutzsuchende mit sich gebracht, so dass es naheliegt, diese Menschen zumindest auf andere Flüchtlingscamps umzuverteilen. Der aktuellen Medienberichterstattung zum Camp Moria ist jedoch die gegenteilige Entschließung der griechischen Regierung zu entnehmen (bspw.: ttps://www.fr.de/politik/moria-griechenland-fluechtlingslager-lesbos-flammen-brennt-mirgation-seehofer-90039820.html), so dass eine unvermittelte Rückschlussreaktion auf die Kapazitätsfähigkeit der anderen griechischen Flüchtlingscamps im Hinblick auf das Ereignis im Camp Moria derzeit nicht gezogen werden kann.
dd) Auch ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass in dem Antwortschreiben der griechischen Dublin-Einheit vom 25. Juli 2019 auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes eine hinreichende Zusicherung des zuständigen Staates im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu sehen ist. Die griechischen Behörden gehen dabei auf den Einzelfall ein und berücksichtigen die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Dezember 2016 hinsichtlich angemessener Unterbringungs- und Versorgungskapazitäten der Rückkehrer. Die Prüfung dieser Kapazitäten ist Aufgabe der griechischen Behörden. Anhaltspunkte dafür, dass die griechischen Behörden Zusicherungen abgeben, obwohl sie eigentlich für eine Rücknahme der Asylbewerber keine Kapazitäten verfügbar haben, finden sich nicht (so auch: VG Regensburg, B.v. 16.8.2018 – 13 S 18.50524 – BeckRS 2018, 19523 Rn. 29).
ee) Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, in Griechenland inhaftiert worden zu sein, belegt auch dieser Umstand, seinen Wahrheitsgehalt unterstellt, noch keine systemischen Mängel des griechischen Asylsystems. Eine Inhaftierung von Asylbewerbern ist unter eng begrenzten Voraussetzungen nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (EU-Aufnahme-RL) zulässig, wobei die Haftgründe im Einzelnen der Regelung des nationalen Rechts vorbehalten bleiben. Eine Inhaftierung des Antragstellers nach seiner Entdeckung durch griechische Sicherheitsbehörden erweist sich somit nicht schon per se als ein untragbarer, konventions- und richtlinienwidriger Zustand. Dem Vortrag des Antragstellers vor dem Bundesamt ist aber im Weiteren nur zu entnehmen, dass er sich ca. 150 Tage in Griechenland aufgehalten habe, wovon er vier Monate in Haft verbracht habe. Der Antragsteller hat seinen diesbezüglichen Vortrag dahingehend konkretisiert, dass er einmal für zehn Tage in Patras in einem Untersuchungsgefängnis und danach nach Korinth in ein normales Gefängnis gebracht worden sei. Er sei dann mit einer Ausreiseaufforderung entlassen worden. Nähere Umstände zu seiner Inhaftierung, insbesondere Begleitumstände wie ihm gegenüber abgegebene Erklärungen der griechischen Behörden zum Grund seiner Inhaftierung und dass er eine solche Erklärung eingefordert habe oder die Vorlage eines Entlassungsscheins der griechischen Gefängnisverwaltung o.ä. hat der Antragsteller indes nicht angegeben, so dass sich jedenfalls im Rahmen einer summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für eine systemwidrige Inhaftierung des Antragstellers ergeben bzw. aufdrängen. Auch ist weder aus den Erkenntnismitteln des Gerichts zum griechischen Asylsystem noch aus allgemein zugänglicher Medienberichterstattung zu entnehmen, dass Asylbewerber in Griechenland in großem Stil, ggf. auch unter Missachtung von Art. 8 Abs. 1 der EU-Aufnahme-RL, für längere Zeit in Haft genommen werden und die ihnen zukommenden Rechte als Asylbewerber aufgrund der Inhaftierung nicht wahrnehmen können oder erschwert werden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation Griechenland, Stand: Mai 2017, Punkt „Asylhaft“; aida, country report Greece, Update 2019, B. Legal framework of detention). Insoweit fehlt es an hinreichenden Erkenntnissen, die eine Verallgemeinerung von regelmäßig defizitärer Handhabung von Haft nach der EU-Aufnahme-RL durch griechische Behörden erlauben, selbst wenn sich die Inhaftierung des Antragstellers im Einzelfall als rechtswidrig erweisen sollte.
Dass der Antragsteller zudem deshalb aus der Haft entlassen worden sein soll, weil „man ihn in Griechenland nicht als Asylbewerber haben wollte“, überzeugt nicht. Dem steht einerseits entgegen, dass nicht plausibel ist, warum eine Abschiebung des Antragstellers dann nicht aus der Haft heraus erfolgte, sondern man ihn quasi mit der Haftentlassung die Möglichkeit zum Untertauchen eröffnete. Zum anderen steht diesem Vortrag des Antragstellers die Erklärung der griechischen Dublin-Einheit vom 25. Juli 2019 entgegen, dass das Asylverfahren des Antragstellers noch anhängig sei und eine Übernahme nach Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO erklärt werde. Eine bereits erfolgte Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers in Griechenland ist danach nicht belegt.
c) Den Antragsteller erwartet schließlich nach Überzeugung des Gerichts auch im Falle einer Anerkennung als international Schutzberechtigter keine konventions- und richtlinienwidrige Behandlung. Auch für die Fallgruppe anerkannter Flüchtlinge stellen sich die Lebensverhältnisse in Griechenland nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend dar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Griechenland grundsätzlich griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und, soweit sie keiner besonders schutzbedürftigen (vulnerablen) Personengruppe zugehören, erforderlichenfalls staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen können, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
aa) Die Kammer geht dabei in ihrer ständigen Rechtsprechung zu Drittstaatenbescheiden in Bezug auf Griechenland von folgender Situation aus:
Die staatlichen Integrationsmaßnahmen im Allgemeinen erscheinen zweifelsohne defizitär. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen bzw. fehlt es an nennenswerten staatlichen Ressourcen zu einer Implementierung (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die „Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen“ sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.; BFA a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; UNHCR, Fact Sheet Greece, Juli 2020; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum, Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Anerkannt Schutzberechtigte, die sich während ihres Asylverfahrens in einer Flüchtlingsunterkunft oder einer im Rahmen des ESTIA-Programms zugewiesenen Wohnung aufgehalten haben, werden in der Regel nach ihrer Anerkennung aufgefordert, diese Unterkunft alsbald zu verlassen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit ca. 4.650 Appartements und insgesamt ca. 25.800 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Juli 2020). Dieses vom UNHCR betriebene und durch EU-Geldmittel (co) finanzierte Programm steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3).
Das Helios-2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannten nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: derzeit keine Kenntnisse des AA hierüber; vgl. auch: https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios) zugute.
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA a.a.O., S. 30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit (Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 4). Eine Erhebung des Refugee Support Aegean (RSA) vom 16. Juli 2018 ergab beispielsweise, dass in der Stadt Athen zwei Herbergen für Obdachlose bestehen, die zusammen eine Kapazität von 212 Plätzen für Erwachsene aufweisen. Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt sechs Monate. Diese Herbergen werden im Zusammenwirken mit NGOs bzw. durch das Rote Kreuz betrieben. Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (für alles Vorstehende: Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S.6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder gleich in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu tritt regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannt Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte einschränkungslos gegeben, unterliegt allerdings im Übrigen denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.).
bb) Unter Berücksichtigung eines strengen rechtlichen Maßstabes für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GRCh bezüglich der Versorgungs- und Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter, der im Hinblick auf eine eigenverantwortliche Lebensführung anzulegen ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97), ist unter summarischer Betrachtung des Vortrags des Antragstellers keine solche Verletzung ernsthaft („real risk“ – vgl. OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR) zu befürchten.
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19, BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase nach der Schutzzuerkennung ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich Nichtregierungsorganisationen bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23 – 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 – 54). Die Projekte der Nichtregierungsorganisationen können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Gerichts zumindest in einer Übergangsphase für anerkannte Flüchtlinge, die keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweisen, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Das Gericht kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Antragsteller einer besonders verletzlichen Personengruppe zuzuordnen ist. Er ist nach Überzeugung der Kammer sowohl altersbedingt als auch von seinem Ausbildungs- und Erfahrungsstand befähigt, eigenverantwortlich Sorge für seine Person ausüben zu können. Der Antragsteller lebt nach eigenem Bekunden von seiner Familie getrennt und reiste allein. Er schuldet in Griechenland keinen weiteren Personen Sorge. Von daher ist es dem Antragsteller zumutbar, auch eine ggf. niedrigentlohnte Hilfstätigkeit anzunehmen, um ein Einkommen zu erzielen und sich dabei auch örtlich flexibel zu zeigen. Gegenüber zurückkehrenden Migranten, denen bereits in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden ist, genießt der Antragsteller den Vorteil, sich noch im Asylverfahren zu befinden und somit auch eine reelle Chance auf (leichteren) Zugang zu EU- und UNfinanzierten Programmen hinsichtlich einer Unterkunftszuweisung, insbesondere des Helios-2-Programms zu erlangen. Es ist ihm möglich, bei einem Verbleib in Griechenland nach einem für ihn positiven Abschluss seines Asylverfahrens die gesetzlichen vorgesehenen Fristen für einen legalen Mindestaufenthalt bis zum Zugang zu staatlichen Sozialleistungen zu überbrücken.
d) Nach alledem liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin von ihrem gemäß Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 Dublin III-VO bestehenden Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hat. Ebenso fehlt es an validen Anhaltspunkten, die ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begründen können.
Die Abschiebungsanordnung erweist sich im Ergebnis als voraussichtlich rechtmäßig. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25. Juli 2019 muss somit erfolglos bleiben und war abzulehnen.
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.