Europarecht

Unrichtige Angaben im Aufenthaltserlaubnisverfahren kein geringfügiger Verstoß

Aktenzeichen  B 6 K 16.578

Datum:
8.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24053
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 7, § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 9, § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 95 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Da die Ausweisung als gebundene Entscheidung konzipiert ist, hat sich das Gericht nicht auf die rechtliche Bewertung der entsprechenden Erwägungen der Ausländerbehörde zu beschränken, sondern die Behördenentscheidung in vollem Umfang zu überprüfen und eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob die Ausweisung gesetzlich geboten ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwischen § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG und den anderen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbeständen wie insbesondere § 54 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AufenthG darf nicht dadurch eine Schieflage eintreten, dass § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG auch auf vergleichsweise unbedeutende Verstöße angewandt wird, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die unerlaubte Einreise ins Bundesgebiet ist kein geringfügiger Verstoß. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet ist kein geringfügiger Verstoß.(Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5 Keinen geringfügigen Verstoß begeht ein Ausländer, wenn er in einem Aufenthaltserlaubnisverfahren unrichtige Angaben macht, weil er damit den Tatbestand einer vorsätzliche Straftat erfüllt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klagen werden abgewiesen.
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Anfechtungsklagen sind unbegründet, weil die Verwaltungsakte nicht rechtswidrig sind und die Klägerinnen dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 VwGO, nachfolgend 1.). Die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen sind nicht begründet, weil die Klägerinnen unter keinem rechtlichen Aspekt den geltend gemachten Anspruch haben (§ 113 Abs. 5 VwGO, nachfolgend 2.).
1. Die Ausweisungen aus der Bundesrepublik Deutschland sind rechtmäßig.
a) Ausweisungen sind auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellt, weil im Streit um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiellrechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitzeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte von Art. 6 GG zu ermöglichen, (BVerwG; U. v.15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20/25f. Rn. 18 = InfAuslR 2008, 156/157; seither st. Rspr.). Da die Ausweisung als gebundene Entscheidung konzipiert ist, hat sich das Gericht dabei nicht auf die rechtliche Bewertung der entsprechenden Erwägungen der Ausländerbehörde zu beschränken, sondern die Behördenentscheidung in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob die Ausweisung gesetzlich geboten ist (VGH Kassel, B. v. 02.03.2016 – 9 B 1756/15 – InfAuslR 2016, 228/229).
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Gemäß § 54 AufenthG werden die dort aufgeführten Ausweisungsinteressen entweder als „besonders schwerwiegend“ (Abs. 1) oder als „schwerwiegend“ (Abs. 2) qualifiziert. Gleiches gilt umgekehrt für die Bleibeinteressen (§ 55 AufenthG). Schließlich nennt § 53 Abs. 2 AufenthG Umstände, die zusätzlich bei der Abwägung zu berücksichtigen sind.
Das Gericht hat deshalb zunächst festzustellen, ob einer der in § 54 AufenthG normierten Tatbestände verwirklicht ist, die spezielle öffentliche Interessen an einer Ausweisung umschreiben, und dann weiter zu prüfen, ob die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitraum fortbesteht. Anschließend sind die Bleibeinteressen anhand von § 55 AufenthG zu bestimmen. Schließlich ist das Ausweisungsinteresse gegen das Bleibeinteresse abzuwägen und zu ermitteln, welches Interesse überwiegt. Dabei sind je nach Einzelfall die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände und das Ausweisungsbzw. Bleibeinteresse gemäß § 54 und § 55 AufenthG nach ihrem spezifischen Gewicht zu berücksichtigen (vgl. dazu grundlegend BVerwG U. v. 22.02.2017 – 1 C 3/16 – BVerwGE 157, 325/329-332 = NVwZ 2017, 1883/1884f., jew. Rn. 20-26).
b) Zum Anlass für die Ausweisungsverfügung hat der Beklagte die Einreise und den Aufenthalt der Klägerinnen seit 06.04. 2016 bis 06.10.2016 genommen.
Hinzu kommt der Antrag beim Landratsamt F…auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus familiären Gründen vom 22.06.2016 unter Verweis auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit Herrn … S…
c) Aufgrund ihrer Wiedereinreise und ihrem erneuten Aufenthalt im Bundesgebiet und aufgrund der Berufung auf die familiäre Lebensgemeinschaft beim Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug hat die Klägerin zu 1 jeweils ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht.
Das Ausweisungsinteresse im Sinne von Absatz 1 wiegt u.a. dann schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat (§ 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG).
Dabei ist nicht erforderlich, dass der Ausländer wegen des Verstoßes bereits bestraft wurde. Zu beachten ist allerdings, dass zwischen § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG und den anderen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbeständen wie insbesondere § 54 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AufenthG, nicht dadurch eine Schieflage eintritt, dass § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG auch auf vergleichsweise unbedeutende Verstöße angewandt wird, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden seien (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 AufenthG Rn. 76f.).
aa) Kein geringfügiger Verstoß ist die unerlaubte Einreise ins Bundesgebiet (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 Rn. 80). Die Einreise eines Ausländers ist u.a. dann gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unerlaubt, wenn er nach § 11 Abs. 7 AufenthG nicht einreisen darf, es sei denn er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG. Ob dem Ausländer, der eingereist ist, ein persönlicher Vorwurf zu machen ist, spielt dabei anders als für die Verwirklichung des einschlägigen Straftatbestandes (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), d.h. der unerlaubten Einreise, keine Rolle (Westphal in Bergmann/Dienelt, a.a.O. § 14 Rn. 4 AufenthG).
Die Klägerin zu 1 ist unerlaubt eingereist. Mit bestandkräftigem Bescheid vom 07.01.2016 hatte das Bundesamt ein auf 10 Monate ab der Ausreise befristetes Einreiseverbot festgesetzt. Die Klägerin zu 1 ist am 03.04.2016 nach Mazedonien ausgereist, nach Angaben ihres Sohnes C… in der mündlichen Verhandlung aber bereits am 06.04.2016 wieder eingereist, ohne eine Betretenserlaubnis zu besitzen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine unerlaubte Einreise gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor. Da es nicht darauf ankommt, ob sie wissentlich und willentlich unerlaubt eingereist ist, kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei eingereist, weil sie, wie ihr Sohn in der mündlichen Verhandlung erklärte, eine Auskunft der Deutschen Botschaft in Skopje dahingehend verstanden habe, sie dürfe einreisen und im Bundesgebiet die Frage der Adoption der Klägerin zu 2 zu klären. Auf die Visumfreiheit für mazedonische Staatsangehörige für Kurzaufenthalte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 15 AufenthV, Art. 20 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 Schengener Durchführungsabkommen i. V. m. Anhang II EG-VisaVO kommt es dabei nicht an. Denn diese Regelung befreit nur von der Visumpflicht, sie hebt keine generelle Einreisesperre auf und gilt zudem nur für Mazedonier, die, anders als die Klägerin zu 1, keinen Daueraufenthalt beabsichtigen.
bb) Kein geringfügiger Verstoß ist auch der unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, a.a.O. § 54 Rn. 80), weil damit die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Straftat erfüllt werden (BVerwG, U. v. 24.09.1996 – 1 C 9/94 – BVerwGE 102, 63/66f. = NVwZ 1997, 1123/1124, zum insoweit vergleichbaren § 46 Nr. 2 AuslG).
Gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sich im Bundesgebiet aufhält.
Die Klägerin zu 1 hat sich von der Wiedereinreise am 06.04.2016 bis zu ihrer Abschiebung am 06.10.2016 entgegen der mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.01.2016 verfügten vollziehbaren Aufenthaltssperre im Bundesgebiet aufgehalten. Wenn nicht bereits von vornherein, war ihr jedenfalls mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23.08.2016, in dem darauf eingegangen worden war, bekannt, dass sie sich unter Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltssperre im Bundesgebiet aufhielt. Dennoch unternahm sie nichts, um ihren Aufenthalt von sich aus sogleich zu beenden, sondern setzte ihn fort, bis sie am 06.10.2016 abgeschoben wurde. Damit hat sie den Straftatbestand vorsätzlich verwirklicht.
cc) Keinen geringfügigen Verstoß begeht ein Ausländer schließlich auch dann, wenn er in einem Aufenthaltserlaubnisverfahren unrichtige Angaben macht, weil er auch dann den Tatbestand einer vorsätzliche Straftat erfüllt.
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige Angaben macht, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).
Die Vorschrift ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das als Rechtsgut das formelle Verfahren schützt, das der Gewährleistung materiell richtiger Aufenthaltstitel dient. Deshalb genügt es, dass die Angaben der Behörde in einem Verfahren nach dem AufenthG schriftlich zugegangen sind. Dagegen setzt der Tatbestand nicht voraus, dass die Angaben zur Ausstellung einer Urkunde geführt haben (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2018, § 95 AufenthG Rn. 56 m.w. N.).
Unrichtige Angaben werden gemacht, wenn der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels damit begründet wird, mit einem deutschen Partner die Ehe eingegangen zu sein und mit ihm in ehelicher Gemeinschaft zu leben, obwohl keine eheliche Lebensgemeinschaft vorliegt und es sich nur um eine zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossene Scheinehe handelt (Senge, a.a.O. Rn. 57 m.w.N.; BayObLG, B. v. 22.09.1989 – RReg 4 St 200/89 -NVwZ 1990, 302/303 zu § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG).
Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu Deutschen werden zur Herstellung und Wahrung der familiären bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Allein das formale Band der Ehe reicht daher für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Erst der Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechterhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus. Allerdings verbietet es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft, schematische oder allzu strenge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren. Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen (BVerwG, B. v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56/57). Dieser Wille muss, wie sich aus dem Wesen der Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ergibt, bei beiden Eheleuten bestehen. Ist der Wille, die eheliche Gemeinschaft im Bundesgebiet herzustellen, auch nur bei einem der Eheleute lediglich vorgeschützt, liegt eine Scheinehe vor (BVerwG, U. v. 30.3.2010 – 1 C 7.09 – BVerwGE 130, 222/227 Rn. 15f. = InfAuslR 2010, 350/351f.).
Die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zu 1 haben am 22.06.2016 beim Landratsamt F… unter Verweis auf die am 27.01.2016 geschlossene Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft mit Herrn S… eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG beantragt.
Damit hat die Klägerin zu 1, der der Vortrag zuzurechnen ist, unrichtige Angaben gemacht.
Denn nach der Überzeugung des Gerichts, die die Kammer gemäß § 108 Abs. 1 VwGO aus dem Gesamtergebnis des Verfahren insbesondere auch durch die informatorische Befragung der Klägerinnen und die Vernehmung von Herrn S… als Zeugen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist die innere Tatsache, eine eheliche Lebensgemeinschaf tim Bundesgebiet führen zu wollen, im Zeitpunkt der Antragstellung am 22.06.2016 bei der Klägerin zu 1 nicht erweislich, so dass zu diesem Zeitpunkt keine eheliche Lebensgemeinschaft vorlag.
Ein gewichtiges Argument gegen eine beabsichtigte eheliche Lebensgemeinschaft liegt bereits darin, dass die Ehe am 27.01.2016 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zwischen der Ablehnung des Asylfolgeantrages durch das Bundesamt am 07.01.2016 geschlossen wurde.
Darüber hinaus fällt ins Auge, dass die Klägerin zu 1, wie bei der getrennten Befragung der Ehegatten deutlich geworden ist, so gut wie gar nicht und wenn dann falsch über die persönlichen Verhältnisse ihres Ehemanns informiert ist. Auch wenn die mündliche Verhandlung, erst mehr als zwei Jahre nach der Beantragung des Aufenthaltstitels Ende Juni 2016 stattgefunden hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 keineswegs ihr Bekanntes inzwischen vergessen hat, sondern dass die Umstände ihr schon damals nicht bekannt waren, weil sie sich, entgegen dem ihn einer Lebensgemeinschaft Üblichen, nicht sonderlich für die Person ihres Ehemannes interessierte. So gab sie an, ihr Ehemann habe zwei Söhne aus einer früheren Ehe, während er glaubhaft versicherte, er habe vier erwachsene Kinder. Auch wusste sie nicht, ob seine Eltern noch leben und hatte keinen Kontakt zu seinen Verwandten. Außerdem räumte sie ein, sie wisse nicht, wo ihr Mann zum Zeitpunkt der Heirat gearbeitet habe.
Weiterhin sticht ins Auge, dass die Klägerin zu 1 die näheren Umstände ihres Kennenlernens und ihrer Heirat nur mit dürren Worten und ganz anders als ihr Ehemann schildert, der darüber detaillierter und mit großer Begeisterung und damit glaubhaft berichtet hat. Während sie berichtete, sie hätten sich in Passau einen Monat vor der Eheschließung in einem Cafe kennengelernt, gab er an, sei hätten sich bei McDonalds kennengelernt und erst nach einigen Monaten geheiratet. Auch die Hochzeitsfeier beschrieben die Eheleute unterschiedlich: Während die Klägerin zu 1 angab, sie hätten zu zweit gefeiert, sprach der Zeuge von einer Feier zusammen mit den Kindern der Klägerin zu 1 im P… Stadtteil O… Außerdem konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass sich der Wille der Klägerin mit ihrem Ehemann eine Lebensgemeinschaft zu führen, in einem familiären Zusammenleben von der Heirat Ende Januar 2016 bis zur Abschiebung Anfang Oktober 2016, unterbrochen lediglich von einer Rückkehr nach Mazedonien für wenige Tage im April 2016, verwirklicht hat.
Zwar haben die Eheleute die äußeren Voraussetzungen für ein Zusammenleben in G… geschaffen, indem der Ehemann im Erdgeschoss des Wohnhauses, in dem auch der älteste Sohn C… der Klägerin zu 1 im dritten Stock wohnte, eine Wohnung im Erdgeschoss anmietete und sich in G… anmeldete. Zudem besuchte die Klägerin zu 2 dort die Grundschule als Ganztagsschule.
Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 und ihre Tochter in einem über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden Umfang mit dem Zeugen in G… zusammengelebt haben. Zwar berichtete der Zeuge über gemeinsame Aktivitäten am Sonntag wie Baden, Essen und Spazierengehen.
Doch spricht gegen eine Lebensgemeinschaft, dass die Eheleute und die Klägerin zu 2 die angemietete Wohnung im Erdgeschoss bis Ende Juni 2016 nicht bezogen haben, wie die mit der (gescheiterten) Abschiebung am 13.06.2016 betrauten Polizeibeamten schriftlich festgehalten haben. Diese Feststellung hat der Zeuge mit dem nicht überzeugenden Argument, er habe die Wohnung bei seinem Wegzug nach P… Ende des Jahres 2016 ausgeräumt, nicht nachvollziehbar widerlegt. Außerdem fällt ins Gewicht, dass die Klägerin zu 1, wie sich bei ihrer Anhörung gezeigt hat, kaum Deutsch spricht, während ihr Ehemann des Mazedonischen nicht mächtig ist, und beide auch keine gemeinsame Fremdsprache, wie z.B. Englisch sprechen. Damit waren die Eheleute selbst für alltägliche Unterhaltungen auf die Hilfe der gut Deutsch sprechenden Klägerin zu 2 angewiesen.
Besonderes Gewicht hat schließlich, dass die Klägerin zu 1, obwohl sie angibt, mit dem Zeugen tagtäglich zusammengelebt zu haben, nicht genau wusste, wo er arbeitete und außerdem erklärte, er sei mit dem Zug oder Bus zu Arbeit gefahren und habe werktäglich acht Stunden gearbeitet. Demgegenüber hat der Zeuge, der darüber mit Sicherheit besser Bescheid weiß, in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei als selbständiger Maurer um 5.00 Uhr mit dem Auto zu wechselnden Arbeitsstellen gefahren und abends erst um 07.00 Uhr zurückgekehrt.
Alle diese Umstände bezeugen, dass die Klägerin zu 1, wenn ihr Ehemann sie nicht ohnehin lediglich an den Wochenenden von P… aus, wo er sein Gewerbe als selbständiger Mauerer angemeldet hatte, besuchte, während sie mit der Klägerin zu 2 in G… in der Nähe ihres Sohnes lebte, jedenfalls nicht der inneren Willen hatte, mit ihm eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen.
Die Klägerin zu 1 ist damit im Jahr 2016 unerlaubt eingereist, hat sich hier unerlaubt aufgehalten und unrichtige Angaben gemacht, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Damit hat sie dreifach in nicht geringfügiger Weise gegen eine aufenthaltsrechtliche und zwei strafrechtliche Rechtsvorschriften verstoßen. Es ist deshalb auch im Hinblick des eher restriktiv auszulegenden weitgefassten Tatbestandes des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gerechtfertigt, daraus ein schweres Ausweisungsinteresse abzuleiten.
d) Die von der Klägerin zu 1 ausgehende Gefahr bestand zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fort.
Bei der dazu vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Schwere des Verstoßes, die Umstände seiner Begehung, das Gewicht des bei einem erneuten Verstoß bedrohten Rechtsgutes sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden und der je höher der Rang des bedrohten Rechtsgutes ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen (BayVGH, B. v. 08.11.2017 – 10 ZB 16.2199 – juris Rn. 6, 8).
Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles hält es das Gericht für beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin zu 1 erneut vergleichbare Verstöße begehen wird.
Zwar ist davon auszugehen, dass sie seit der Abschiebung am 06.10.2016 nicht erneut trotz des Einreiseverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG eingereist ist, bevor ihr für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung eine Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erteilt wurde.
Dennoch hält es das Gericht für beachtlich wahrscheinlich, dass sie erneut gegen das Einreiseverbot verstößt. Denn für sie ist es relativ leicht und preisgünstig möglich, mit Pkw oder Bus aus ihrem Heimatland ins Bundesgebiet zu kommen. Außerdem leben hier neben ihrem Ehemann auch ihre beiden Söhne, mit denen sie nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, in wirklich enger Verbindung steht. Zudem ist das Gericht überzeugt, dass sie in Mazedonien fast nichts hält und sie nur darauf aus ist, wieder ins Bundesgebiet zu kommen und hier zu leben, nicht zuletzt auch um ihrer Tochter eine Schulausbildung im Bundesgebiet zu ermöglichen. Diese Umstände sprechen dafür, dass sie die Einreisesperre nicht abwartet. Zudem hat sie sich schon in der Vergangenheit, wie ihr halbjähriger illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet im Jahr 2016 und die Asylantragstellung unter falschem Namen beweisen, nicht rechtstreu gezeigt.
Würde die Klägerin zu 1 sich dann trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhalten, würde sie erneut gegen § 95 Abs. Abs. 2 Nr. 1b AufenthG verstoßen. Mit dieser Strafvorschrift sollen die sich aus dem AufenthG ergebenden Verhaltenspflichten durchgesetzt und damit mittelbar der Zuzug ins Bundesgebiet kontrolliert werden (Gericke in Münchner Kommentar zum StGB, Band 8, 3. Aufl. 2018, § 95 AufenthG Rn.1). Der Rang dieser Rechtsgüter rechtfertigt es, auch wenn die Klägerin zu 1 sich seit der Abschiebung an das Aufenthaltsverbot gehalten hat, die geschilderten Umstände ausreichen zu lassen, um einen erneuten Verstoß für wahrscheinlich zu erachten.
Schließlich erscheint es auch beachtlich wahrscheinlich, dass sie sich bei einem künftigen Aufenthaltserlaubnisverfahren darauf berufen, wird, sie sei mit einem Deutschen verheiratet und wolle mit ihm eine eheliche Lebensgemeinschaft führen. Damit würde sie gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verstoßen. Diese Vorschrift schützt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit von Aufenthaltstiteln (OLG Stuttgart, U. v. 10.09.2009 – 1 Ss 1161/09, NStZ-RR 2009. 387/387). Dieses hohe Rechtsgut rechtfertigt es, keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Verstoßes zu stellen. Deshalb reicht es aus, dass die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung mit Nachdruck die Auffassung vertrat, dass zwischen ihr und ihrem Ehemann seit Ende Januar 2016 bis heute eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Dass sie vom Bestehen einer Ehe mit allen Konsequenzen ausgeht, wird im Übrigen auch daran deutlich, dass sie, obwohl sie laut Eheurkunde nach deutschem Recht nicht den Familiennamen ihres Mannes angenommen hat, am 25.09.2017 für sich und ihre Tochter mazedonische Reisepässe auf den Namen „S…“ ausstellen ließ.
e) Auch gegenüber der Klägerin zu 2 besteht ein weiterhin bestehendes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Für die Klägerin zu 1 und ihre Tochter, für die sie die Personensorge ausübt, ist eine familienbezogene Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Da im Regelfall davon ausgehen ist, dass minderjährige Kinder gemeinsam mit den Eltern einreisen, sich hier aufhalten und das Bundesgebiet wieder verlassen, teilen sie das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern (BayVGH, B. v. 13.07.2010 – 19 ZB 10.1129 – juris Rn. 7).
f) Der Klägerin zu 1 steht kein besonders schwer oder schwer wiegendes Bleibeinteresse zur Seite.
Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG wiegt das Bleibeinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt.
Eine familiäre Gemeinschaft kann auch bestehen, wenn die Familienangehörigen aus gewichtigen Gründen wenig persönlichen Kontakt haben. Dann ist es allerdings erforderlich, dass das Bestehen einer über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausreichenden familiären Beistandsgemeinschaft auf andere Weise erkennbar sichergestellt ist, etwa durch eine intensive Kommunikation zwischen den Familienangehörigen als Indiz für eine gemeinsame Lebensgestaltung, durch Beistandsleistungen oder durch Besuche im Rahmen des Möglichen. Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit den Familienangehörigen als wesentlichen Bezugspersonen ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, B. v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56/57 zur ehelichen Lebensgemeinschaft).
Auch wenn im Hinblick darauf, dass die Klägerinnen sich nicht im Bundesgebiet aufhalten dürfen, abgesenkte Voraussetzungen an das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft mit Herrn … S…, der inzwischen wieder in P… lebt, gelten, leben die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit ihm, die als Ausdruck des Willens einer gemeinsamen Lebensführung anzusehen ist.. Diese Überzeugung hat das Gericht insbesondere aus der getrennten Befragung der Klägerinnen und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung sowie der Antwort des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 06.04.2018 auf eine Anfrage des Gerichts zu bestehenden Kontakten gewonnen.
Zwar ist der Kontakt zwischen den Eheleuten nach der Abschiebung nicht abgebrochen. Vielmehr hat die Klägerin zu 1 angegeben, sie würden regelmäßig ein-, zweimal die Woche skypen und könnten sich auf Deutsch unterhalten, weil die Klägerin zu 2 und ihre ältere Schwester dolmetschten. Zudem riefen sich die Familienmitglieder zu Feiertagen und Geburtstagen an. Weiter erklärten die Eheleute übereinstimmend, Herr S… überweise monatlich einen Geldbetrag zum Lebensunterhalt der Klägerin zu 1, die in Mazedonien weder arbeite noch Sozialleistungen beziehe. Auch erklärte sie, ohne weitere Details zu nennen, an ihrem Hochzeittag habe ihr Mann sie in Mazedonien besucht. Schriftsätzlich ließ sie weiter mitteilen, ihr Ehemann habe im Sommer 2017 eine Urlaubswoche in Mazedonien verbracht. Zudem versicherte sie, in den nächsten Tagen bis zum Ablauf der Betretenserlaubnis am 12.08.2018 wolle sie mit Mann und Tochter zusammen sein, kochen und spazieren gehen.
Die Kommunikation der Eheleute ist jedoch, näher betrachtet, kein Anzeichen dafür, dass die Klägerin zu 1 ihr Leben gemeinsam mit ihrem Ehemann als wichtigster Bezugsperson neben ihren Kindern gestalten will. Denn sie erklärte, sie unterhielten sich hauptsächlich darüber, wie die Klägerinnen wieder herkommen könnten und dass sie in Deutschland arbeiten könne. Außerdem tauschen sich die Eheleute über wichtige Veränderungen im Leben des anderen nicht aus. So musste die Klägerin zu 1 einräumen, nach ihrer Einreise zur mündlichen Verhandlung sei sie überrascht gewesen, dass er jetzt in P… wohne, weil sie von seinem Umzug aus G… zuvor nichts mitbekommen habe. Umgekehrt hat sie ihrem Ehemann zwar mitgeteilt, dass sie innerhalb Mazedoniens nach Str… umgezogen sei, aber nicht zeitnah berichtet, dass sie sich dort in einem von ihrer älteren Tochter erworbenen Haus niedergelassen hat.
Darüber hinaus bestehen unterschiedliche Vorstellungen, was die Wohnsituation bei einem künftigen Zusammenleben angeht. Während die Klägerin zu 1 sich nicht eben begeistert zeigte, künftig mit einer Zweizimmerwohnung in P… vorlieb nehmen zu müssen, versicherte der Zeuge, er renoviere derzeit seine zweite Wohnung, eine Vierzimmerwohnung, für die Rückkehr der Klägerinnen.
Angesichts des Vorstehenden vermag auch der Umstand, dass die zielstrebig auf einen erneuten Aufenthalt im Bundesgebiet hinarbeitenden Klägerin zu 1 und dem in der mündlichen Verhandlung deutlich angeheiterten Zeugen im Falle der erfolgreichen Sicherung des Aufenthalts der Klägerinnen im Bundesgebiet eine Reise in die Dominikanische Republik planen, keine innere eheliche Verbundenheit zu dokumentieren.
g) Die Abwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse ergibt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt.
Gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Beim Ausweisungsinteresse schlägt zunächst zu Buche, dass die Klägerin zu 1 durch ihre Einreise und ihren sechsmonatigen Aufenthalt von April bis Oktober 2016 und die unrichtigen Angaben gegenüber der Ausländerbehörde trotz der bestehenden Einreise- und Aufenthaltssperre nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat und damit den Tatbestand eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses erfüllt.
Bezüglich des weiteren öffentlichen Interesses daran, dass die Klägerinnen sich nicht im Bundesgebiet aufhalten, ist festzuhalten, dass die Klägerin zu 1 sich schon seit ihrer Einreise im Jahr 2014 nicht rechtstreu verhalten hat, weil sei unter falschem Namen in K… (Schleswig-Holstein) gelebt, einen Asylantrag gestellt und vom 14.08.2015 bis 08.03.2016 Duldungen von der Ausländerbehörde des dortigen Kreises St… erhalten hat. Zudem hat sie sich, obwohl sie verpflichtet war, in Bamberg ihren Wohnsitz zu nehmen, in G… niedergelassen. Des Weiteren war ihr Aufenthalt im Bundesgebiet seit 2014, außer in der Zeit des Asylerstverfahrens, nicht rechtmäßig sondern allenfalls geduldet. Hinzukommt, dass die Klägerin zu 1 zwar unter allen Umständen ihr Heimatland verlassen und in Deutschland leben will. Sie hat allerdings familiäre und verwandtschaftliche Verbindungen in Mazedonien und ist erst vor einiger Zeit in ein von ihrer volljährigen Tochter in Str… erworbenes Haus umgezogen. Schließlich ist zu beachten, dass sie trotz ihres mehrjährigen Aufenthalts weiterhin kaum Deutsch spricht und im Bundesgebiet bisher weder gearbeitet noch einen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht hat.
Für ein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet kann die Klägerin zu 1 bei Erlass des Bescheides am 27.07.2016 nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei mit einem Deutschen verheiratet und lebe mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft, so dass bei ihr gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse vorliege. Denn sie lebte nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann und der Klägerin zu 2. Daran hat sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nichts geändert, weil auch jetzt keine familiäre Lebensgemeinschaft besteht.
Was die übrigen, für einen Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Umstände anbelangt, kann die Klägerin zu 1 für sich geltend machen, dass sie persönliche Beziehungen nach Deutschland hat, weil hier ihr Ehemann lebt, mit dem sie zwar keine schützenswerte Lebensaber immerhin eine Begegnungsgemeinschaft verbindet. Zudem haben sich hier bereits seit längerem ihre beiden volljährigen Söhne mit aufenthaltsrechtlich gesichertem Status niedergelassen, mit denen sie in regem Kontakt steht. Zudem stünde für sie eventuell eine Wohnung in P… bereit, die gerade renoviert wird.
Die Klägerin zu 2 kann sich darauf berufen, dass ihre Adoption durch ihren Stiefvater eingeleitet ist, die ihr bei erfolgreichem Abschluss des Verfahrens gemäß § 6 StAG durch die Annahme als Kind zur deutschen Staatsangehörigkeit verhelfen würde. Zudem spricht sie gut Deutsch und hat in Deutschland schon die Schule besucht. Ihre fehlenden Bindungen nach Mazedonien haben außerdem dazu geführt, dass sie dem dortigen Schulunterricht schon wegen der kyrillischen Schriftzeichen nur schwer folgen kann.
Wägt man die angeführten Belange gegeneinander ab, überwiegt unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls das Ausweisungsinteresse.
Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass die Ausweisung zwar am 27.07.2016 verfügt wurde, als sich die Klägerinnen noch in Deutschland aufhielten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts leben sie jedoch schon fast zwei Jahre in Mazedonien. Auch die Ausweisung eines Ausländers, der sich im Ausland aufhält, weil er in Vollzug einer unanfechtbaren asylrechtlichen Abschiebungsandrohung abgeschoben wurde, ist im Hinblick auf die über die der Begründung der Ausreisepflicht hinausgehenden Wirkungen der Ausweisung rechtlich zulässig (BVerwG, U. v. 31.03.1998 – 1 C 28.97- InfAuslR 1998, 285/ 286-288). Bei der Abwägung ist jedoch im Blick zu behalten, dass die Ausweisung der Klägerinnen derzeit vorrangig den Zweck verfolgt, ihre erneute Einreise und ihren erneuten Aufenthalt zu verhindern.
Das Ausweisungsinteresse überwiegt deshalb, weil zu Lasten der Klägerin zu 1 wirkt, dass sie den Tatbestand eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses verwirklicht hat und sich schon zuvor als nicht rechtstreu erwiesen hat. Außerdem hat sie sich während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet von 2014 bis 2016 nicht integriert. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, kann sie sich demgegenüber nicht auf ein aus einer familiären Lebensgemeinschaft beruhendes Bleibeinteresse berufen, weil weder für die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland noch jetzt der Wille festzustellen ist, zusammen mit der Klägerin zu 2 mit Herrn S… ein gemeinsames Leben zu führen. Vielmehrt benutzt sie die Ehe nur zu dem ehefremden und strafrechtlich sanktionierten Zweck, sich und der Klägerin zu 2 die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
Gleiches gilt für die Klägerin zu 2. Auch das zu ihren Gunsten begonnene Adoptionsverfahren soll dazu dienen, wie ihr eigene Befragung in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, ihr zur deutschen Staatsangehörigkeit und damit ihr und auch der Klägerin zu 1 zu einem Aufenthalt in Deutschland zu verhelfen, und nicht dazu, gemäß § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ihrem Wohl einer im Werden befindlichen Eltern-Kind-Beziehung eine rechtliche Grundlage zu verleihen. Im Übrigen teilt sie das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer allein personensorgeberechtigten Mutter.
Die Ausweisungsentscheidung ist darüber hinaus auch verhältnismäßig.
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Ausländerbehörde nicht die vom Bundesamt verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (10 Monate ab der Ausreise) bzw. gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (36 Monate ab dem Tag der Abschiebung) wegen der Einreise und dem Aufenthalt trotz der bestehenden Einreise – und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 9 Satz 2 AufenthG verlängert und damit ein milderes Mittel gewählt hat. Vielmehr hat sie im Rahmen des ihr als Ordnungsbehörde eingeräumte Entschließungsermessens eine Ausweisung mit einem neuen auf vier Jahre befristeten Einreise.-und Aufenthaltsverbot ab dem Tag der Abschiebung erlassen. Dazu sah sich die Behörde insbesondere auch deshalb veranlasst, weil bis zum Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.01.2018, wie dem Gericht bekannt ist, Rechtsunsicherheit bei Behörden und Rechtsanwälten darüber bestand, ob für eine Veränderung und damit auch die Verlängerung eines vom Bundesamt verfügten und befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 oder § 11 Abs. 7 AufenthG gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde oder gemäß § 75 Nr. 12 das Bundesamt zuständig ist (BVerwG, U. v. 25.01.2018 – 1 C 7/17 – InfAuslR 2018, 202/203f. : jeweils Ausländerbehörde – für § 11 Abs. 2 vgl. Rn. 13, für § 11 Abs. 7 vgl. Rn. 12-23). Zudem wollte die Ausländerbehörde, nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen in einem Schriftsatz an das Landgericht P… vom 24.06.2016 geltend gemacht hatte, die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2016 sei durch die freiwillige Ausreise verbraucht und eine Rückführungsentscheidung i.S. d. Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie nicht getroffen mit dem Erlass der Ausweisung samt Abschiebungsandrohung sicher gehen und eine entsprechende Rückführungsentscheidung treffen.
Weiter ist die Ausweisung auch deshalb verhältnismäßig, weil die Klägerinnen es in der Hand haben, durch eine glaubhafte Abkehr von ihrem bisherigen Verhalten eine Aufhebung oder Verkürzung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen (zu diesem Argument vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2017 – 1 C 3/16 – BVerwGE 157, 325/ 351 = NVwZ 2017, 1883/1892 jew. Rn.58).
2. Die Klägerinnen haben darüber hinaus keinen Anspruch darauf, dass die vom Beklagten festgesetzte Befristung aufgehoben und der Beklagte verpflichtet wird, eine Befristung auf Null oder zumindest von kürzer als vier Jahren festzusetzen.
Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen wurde, weder erneut in dasBundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem AufenthG, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise-. und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Dazu hat sie in einem ersten Schritt im Einzelfall zu prognostizieren, wie lange das Verhalten des Ausländers, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die so ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, insbesondere an Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG gemessen und gegebenenfalls relativiert werden. Das Gericht hat bei seiner Kontrolle der Ermessensentscheidung gemäß § 114 Abs. 1 VwGO insbesondere zu prüfen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Ermessensgrenze nicht überschritten wurde. Wird ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist festgesetzt, ist die Entscheidung aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Ohne dazu verpflichtet zu sein, kann das Gericht dann in den Entscheidungsgründen ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen (BVerwG, U. v. 22.02.2017 – 1 C 27/16 – BVerwGE 157, 356/363-365 = InfAuslR 2017, 336/338f. jew. Rn. 23- 25).
Die gestellten Verpflichtungsanträge der Klägerinnen haben keinen Erfolg, weil sich das Ermessen der Behörde nicht entsprechend zu ihren Gunsten dahingehend verdichtet hat, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot bis zum 08.08.2018 oder jedenfalls auf weniger als vier Jahre zu befristen ist.
Die Befristung durch den Beklagten auf vier Jahre ab dem Tag der Abschiebung, d.h. bis 06.10.2020, war ermessensgerecht. Die Ausländerbehörde hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat und hat ihr Ermessen zu Recht dahingehend ausgeübt, das sie nunmehrstatt wie das Bundesamt eine Frist von drei Jahren – jetzt eine Frist von vier Jahren festgesetzt hat.
Zwar geht die Begründung der Befristung ersichtlich fehlt, wenn darauf abgestellt wird, die Klägerinnen seien aus der Republik Albanien (!) nur eingereist, um Sozialleistungen zu beziehen. Aber das weitere angeführte Argument, die Klägerinnen hätten keine schützenswerten Bindungen im Bundesgebiet erweist sich als selbständig tragfähig.
Zum einen löst erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus (BVerwG, B. 22.05.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56/57). Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat das Gericht jedoch die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin zu 1 diesen Willen nicht hat und, soweit derzeit vorhersehbar, auch in absehbarer Zeit nicht haben und sich dennoch auch zukünftig darauf berufen wird, sie führe mit Ehemann und Tochter eine familiäre Lebensgemeinschaft. Zum anderen ändert auch der Umstand, dass ihre beiden volljährigen Söhne rechtmäßig in Deutschland leben und hier erwerbstätig sind, nichts daran, dass eine Frist von vier Jahren festgesetzt werden durfte. Zwar unterfällt auch die Beziehung von Eltern zu ihren volljährigen Kindern Art. 6 Abs. 1 GG (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 27 AufenthG Rn.40). Daraus ergibt sich aber kein Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Aufenthaltsrechtliche Konsequenzen lassen sich aus einer Beziehung zu volljährigen Kindern nur ausnahmsweise dann ableiten, wenn die erwachsenen Kinder im Sinne einer Beistandsgemeinschaft auf die Lebenshilfe der ausländischen Eltern angewiesen sind oder umgekehrt (BVerwG, U. v. 30.11.1982 – 1 C 25/78- BVerwGE 66, 268/272f. = NJW 1983, 532/534 betr. den Nachzug nach dem AuslG). Dies wurde hier aber nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
Handelte der Beklagte bei der Festsetzung der Vierjahresfrist damit ermessensfehlerfrei, konnte sich sein Ermessen nicht darauf reduzieren, abweichend davon die beantragte kürzere Befristung anzuordnen.
3. Als unterliegender Teil tragen die Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO).


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