Europarecht

Untersagung der Haltung und Betreuung von Rindern

Aktenzeichen  23 CS 19.662

Datum:
30.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8682
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2
TierSchG § 2, § 2a, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Für das Tatbestandsmerkmal einer wiederholten Zuwiderhandlung im Sinne des § 16a TierSchG reichen bereits zwei Verstöße aus (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 110266). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verbot der Tierhaltung und Tierbetreuung im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen ist bereits dann gerechtfertigt, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schmerzen zugefügt werden (Fortführung von BayVGH BeckRS 2017, 124750). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein mangelhafter Pflege-, Ernährungs- und Gesundheitszustand einer Vielzahl von Tieren rechtfertigt den Erlass eines Haltungsverbotes sowie die Wegnahme des gesamten Rinderbestandes. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
4 Auch die vereinzelte kurzfristige Behebung einzelner Mängel schließt die Maßnahme nicht aus, wenn insgesamt eine ununterbrochene Kette von Verstößen vorliegt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
5 Eine zeitliche Befristung des Verbots ist nicht zulässig, da die zeitliche Befristung zu einer Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiedergestattung nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG führen würde. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 S 19.306 2019-03-13 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- €
festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. März 2019 (Au 1 S 19.306), deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
1. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen nicht die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 22. Februar 2019 hinsichtlich Ziffern 2 und 3.1 des Bescheids des Landratsamts G.vom 30. Januar 2019, mit dem ihm unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 5) das Halten und Betreuen von Rindern untersagt (Ziffer 2) und die Auflösung des auf seinem Anwesen vorhandenen Rinderbestandes bis zum 1. März 2019 (Ziffer 1) auferlegt wurden. Für den Fall, dass der Antragsteller die Auflösung des Rinderbestandes nicht rechtzeitig nachweise, wurde die Wegnahme der Tiere im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht (Ziffer 3.1).
a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das in Ziffer 2 ausgesprochene Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot – wie das Verwaltungsgericht Augsburg zutreffend ausgeführt hat – rechtlich nicht zu beanstanden. Es findet seine Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Nach dieser Vorschrift kann die Behörde demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nummer 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger andauernde Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von einem entsprechenden Sachkundenachweis abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Diese Voraussetzungen liegen nach dem summarischen Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens vor.
aa) Der Umstand, dass bei Betriebsbesuchen am 19. November 2018, am 2. Januar 2019 und bei den Ortbesichtigungen am 7. Januar 2019 und am 22. Januar 2019 sowie bei der Nachkontrolle am 28. Januar 2019 tierschutzwidrige Haltungsbedingungen bei den vom Antragsteller gehaltenen Rindern festgestellt wurden, rechtfertigt die Annahme der Behörde, dass der Antragsteller zur Haltung von Rindern ungeeignet ist und bei einer weiteren Tätigkeit im Zusammenhang mit der Haltung weitere Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zu erwarten sind (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2013 – 9 ZB 11.2455 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 17.3.2005 – 1 S 381/05 – juris Rn. 4). In den Akten befindet sich neben dem Ergebnisprotokoll des Amtsveterinärs vom 19. November 2018, das zahlreiche und „hochgradige“ Beanstandungen dokumentiert, zudem eine Fotodokumentation vom 2. Januar 2019, mit der eine tote Kuh im überdachten Außenbereich sowie offensichtlich unterversorgte und kranke Jungtiere und schließlich drei weitere tote Kühe im Stall festgehalten wurden. Das Ergebnis der Ortsbesichtigung vom 2. Januar 2019 wird von Vertretern des Wasserwirtschaftsamts D. in einem Bericht an die Polizeiinspektion Krumbach festgehalten, mit dem eine nicht vorschriftsgemäße Entwässerung gemeldet wird, die dazu führt, dass die Tiere gezwungen sind „in ihrem eigenen Mist/Gülle zu stehen“. Für das Tatbestandsmerkmal einer wiederholten Zuwiderhandlung reichen bereits zwei Verstöße aus (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.2016 – 3 B 34.16 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 9 CS 17.456 – juris Rn. 15). Nach den Feststellungen vom 7. Januar 2019 und vom 22. Januar 2019 hätten sich die Zustände zwar teilweise verbessert, aber immer noch habe eine ältere Kuh aus Tierschutzgründen während der Kontrolle am 22. Januar 2019 sofort getötet werden müssen und nach wie vor sei nicht sichergestellt, dass bei kranken oder verletzten Tieren ein Tierarzt in ausreichendem Umfang hinzugezogen werde und die Haltungseinrichtungen, mit denen die Tiere in Berührung kommen, angemessen gereinigt und desinfiziert würden. Im Hinblick auf die Schwere der festgestellten tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen und im Hinblick auf die vorgefunden toten Kühe, sind die Zuwiderhandlungen überdies auch als „grob“ im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2017 a.a.O.; B.v. 7.11.2006 – 25 CS 06.2619 – juris Rn. 5; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 48). Zudem ist anerkannt, dass ein Verbot der Tierhaltung und Tierbetreuung – wie hier – im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schmerzen zugefügt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2017 a.a.O. Rn. 16; B.v. 6.11.2017 – 9 C 17.328 – juris Rn. 7; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 a.a.O. juris Rn. 51 m.w.N.; Moritz in Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 47 m.w.N.).
Nach den Feststellungen des beamteten Tierarztes vom 19. November 2018 und 28. Januar 2019 (Bl. 12 ff der Behördenakten) sowie nach den Feststellungen der Polizeiinspektion K. und des Wasserwirtschaftsamts D. vom 2. Januar 2019 (Bl. 14 ff der Behördenakten) und schließlich auch nach den Feststellungen der Tierärztin des Tiergesundheitsdienstes Bayern e.V. vom 29. Januar 2019 (Bl. 59 f) hat der Antragsteller die von ihm gehaltenen Rinder nicht ordnungsgemäß versorgt, sie zu spät einem Tierarzt zur Behandlung zugeführt und sie nicht artgerecht untergebracht, wodurch den Rindern erhebliche Schmerzen zugefügt wurden. Das Landratsamt hat insoweit auf die unzureichende Stallhygiene, die Unterlassung des Herbeiholens eines Tierarztes, das Fehlen von essentiellen Grundbedürfnissen wie ausreichend trockene Liegefläche sowie die mangelnde Hufpflege, die zur hochgradigen Lahmheit geführt hat und schließlich auf den verminderten Ernährungszustand und die Häufung von Todesfällen bzw. Nottötungen im Bestand verwiesen. Der Antragsteller räumt diese Verstöße ein und sei – nach den Einlassungen seines Bevollmächtigten – nunmehr einsichtig. Er beabsichtige zudem zahlreiche Maßnahmen, die er bis spätestens Ende April 2019 umsetzen wolle. Aber auch unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Antragstellers vom 5. April 2019 bleibt festzuhalten, dass bereits ein mangelhafter Pflege-, Ernährungs- und Gesundheitszustand einer Vielzahl von Tieren den Erlass eines Haltungsverbotes sowie die Wegnahme des gesamten Rinderbestandes rechtfertigt (vgl. OVG MV, B.v. 1.3.2016 – 1 M 470/15 – juris Rn. 27). Auch die vereinzelte kurzfristige Behebung einzelner Mängel schließt die Maßnahme nicht aus, wenn insgesamt eine ununterbrochene Kette von Verstößen vorliegt. Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden Verfahrens ist grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern (vgl. VGH BW, B.v. 17.3.2005 – 1 S 381/05 – juris Rn. 4; Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 222. EL Dezember 2018, § 16a TierSchG Rn. 15). Selbst unter dem Druck des laufenden Verfahrens hat der Antragsteller die geforderten Maßnahmen aus dem Bescheid vom 4. Januar 2019 nicht umfassend und nur zögerlich umgesetzt, so dass mit Bescheid vom 25. Januar 2019 die Durchsetzung einzelner Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 4. Januar 2019 im Wege der Ersatzvornahme angedroht werden musste. Bei der Nachkontrolle am 28. Januar 2019 wurde vom Amtstierarzt weiterhin bei mindestens vier Tieren eine hochgradige Lahmheit festgestellt und bei fast allen Tieren ein abgemagerter und hochgradig verdreckter Zustand im Ergebnisprotokoll dokumentiert.
bb) Ermessensfehler des Antragsgegners sind entgegen der Auffassung des Antragstellers ebenfalls nicht gegeben. Das Haltungs- und Betreuungsverbot von Rindern genügt insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es dient einem legitimen Zweck und ist als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen. Zweck des Verbotes ist der in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der bisher vom Antragsteller gehaltenen und betreuten Rinder. Das Verbot ist auch geeignet, die tierschutzrechtlichen Missstände zu beheben (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 55 f.).
Das angeordnete Tierhaltungs- und Betreuungsverbot verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, zumal gerade kein Verbot jeglicher Tierhaltung ausgesprochen wurde, sondern nur das Halten und Betreuen von Rindern, also Vieh im Sinn von § 2 Nr. 4 b Tiergesundheitsgesetz, untersagt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 9 CS 17.456 – juris Rn. 17).
Nach den durch einen beamteten Tierarzt festgestellten „hochgradigen“ Beanstandungen bei der Rinderhaltung des Antragstellers (vgl. Bescheid vom 4.1.2019; Ergebnisprotokoll vom 19.11.2018 und vom 28.1.2019 sowie Lichtbilder vom 2.1.2019) erweist sich auch die Reduzierung des Bestandes nicht als milderes Mittel, da es nicht gleich geeignet ist, um das Ziel der Maßnahme, eine artgerechte Haltung der Rinder, zu erreichen.
Das Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot ist auch ansonsten nicht unverhältnismäßig, der Antragsteller mag bei einer relevanten Veränderung der Sachlage die Aufhebung der Verfügung beim Antragsgegner beantragen. Denn nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG kann ihm auf Antrag das Halten oder Betreuen von Rindern wieder gestattet werden, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist und ein individueller Lernprozess festgestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 23 C 19.134 – m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 9; OVG MV, B.v. 1.3.2016 – 1 M 470/15 – juris Rn. 31). Eine zeitliche Befristung des Verbots ist daher entgegen der Forderung des Antragstellers weder erforderlich noch zulässig, da die zeitliche Befristung zu einer Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiedergestattung gem. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG führen würde. Die hier maßgebliche Vorschrift des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG sieht ein getrenntes Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren vor. In derartigen getrennten Verfahren muss sich der Betroffene darauf verweisen lassen, etwaige nachhaltige Verbesserungen in der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten in einem dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris, Rn.15 zum Gewerberecht; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 35). Dem Umstand, dass das Verbot auf Dauer angelegt ist, wird in einem erfolgreichen Wiedergestattungsverfahren dadurch Rechnung getragen, dass das Verbot mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.).
b) Im Übrigen tritt die Beschwerde dem Beschluss des Verwaltungsgerichts, insbesondere der im Bescheid des Landratsamts vom 30. Januar 2019 erlassenen Ziffer 3.1, nicht entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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