Europarecht

Untersagung der Verwendung des EU-Biosiegels – Herbaria Blutquick

Aktenzeichen  20 BV 16.1456

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22448
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 125 Abs. 2 S. 1
Öko-VO Art. 19 Abs. 2 lit. b, Art. 23, Art. 25, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Wird ein Rechtsmittel im Tenor einer erstinstanzlichen Entscheidung uneingeschränkt zugelassen, kann sich gleichwohl eine beschränkte Zulassung aus den Entscheidungsgründen ergeben; diese Beschränkung setzt voraus, dass das Gericht die Möglichkeit einer Nachprüfung in einem Rechtsmittelverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Außerhalb des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist das Berufungsgericht nicht befugt über die Zulassung der Berufung zu befinden. Die Umdeutung der Berufung eines Beteiligten in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch die Anerkennung in den Vereinigten Staaten als “organic” verkehrsfähiger Produkte als gleichwertig sind diese in der Europäischen Union als Bioprodukte grundsätzlich verkehrsfähig. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass gleichwertige US-Produkte auch mit dem Gemeinschaftslogo versehen in den Verkehr gebracht werden dürfen. (Rn. 62 – 63) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 K 14.5345 2016-02-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird, soweit sie zulässig ist, zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung zulässig ist.

Gründe

Die Berufung ist, soweit sie zulässig ist, nicht begründet.
1. Die Berufung ist hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklagen unzulässig, weil sie durch das Verwaltungsgericht nicht zugelassen wurde und auch eine Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht erfolgt ist (§ 124 Abs. 1 VwGO). Sie wird nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO verworfen.
Wenn – wie hier – das Rechtsmittel in dem Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung uneingeschränkt zugelassen wurde, kann sich gleichwohl eine beschränkte Zulassung aus den Entscheidungsgründen ergeben; diese Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Gericht die Möglichkeit einer Nachprüfung in einem Rechtsmittelverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (vgl. BVerwG, U.v. 17. 10. 1972 – III C 82/71 – BVerwGE 41, 52; BGH, BGH, U.v. 28. 10. 2004 – VII ZR 18/03 – BeckRS 2004, 12626; BayVGH U.v. 12.7.2010 – 14 BV 09.1792 – BeckRS 2011, 46477; Schoch/Schneider/Buchmeister § 132 VwGO Rn 122 m.w.N.).
Das ist hier der Fall. Am Ende der Entscheidungsgründe des Urteils des Verwaltungsgerichts heißt es:
“Die Berufung war gem. § 124 a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen im Hinblick auf die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung der vom Europäischen Gerichtshof nicht einbezogenen Problematik des Äquivalenzabkommens mit den Vereinigten Staaten und die sich daraus ergebenden Fragen der Gleichbehandlung von Mitgliedsstaaten der EU mit den Vereinigten Staaten.”
Dem ist zu entnehmen, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zulassungsentscheidung nicht nur begründen, sondern die Berufung auf das Sachurteil und damit auf die Anfechtungsklage beschränken wollte. Denn die von der Klägerin erhobenen Feststellungklagen hat das Verwaltungsgericht durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage grundsätzlicher Bedeutung hatte in den Augen des Verwaltungsgerichts offensichtlich keine Bedeutung für die Zulässigkeit der Feststellungsklagen, welche am Fehlen eines streitigen (gegenwärtigen) Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO bzw. an der Subsidiarität der Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 2 VwGO gegenüber der ebenfalls erhobenen Anfechtungsklage scheiterte. An diesem Befund ändert auch nichts die Tatsache, dass das Urteil lediglich die Rechtsmittelbelehrunghinsichtlich der Berufung enthielt, jedoch nicht auf die Möglichkeit hinwies, die Zulassung der Berufung insoweit zu beantragen.
Der Mangel der Zulassung lässt sich im laufenden Verfahren grundsätzlich auch nicht durch Umdeutung der unstatthaften Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 124 Abs. 4 VwGO beheben; vielmehr handelt es sich um einen Fall, der ausschließlich nach den Vorschriften über die Folgen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrungzu lösen ist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO). Außerhalb des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist das Berufungsgericht nicht befugt über die Zulassung der Berufung zu befinden (BVerwG B. v. 28.2.1985 – 2 C 14.84 = BVerwGE 71, 73). Die Umdeutung der Berufung eines Beteiligten in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der nunmehr mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021 “fürsorglich” gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung dürfte unzulässig sein, weil er außerhalb des Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO erhoben worden ist.
2. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber nicht begründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 18. Januar 2012 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Rechtsgrundlage der Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist Art. 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) 2092/91 (ABl. EG Nr. L 189 S. 1 – EG-Öko-VO). Danach stellt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sicher, dass in der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte von der Unregelmäßigkeit betroffene Partie oder Erzeugung kein Bezug auf die ökologische/biologische Produktion erfolgt, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, sowie zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit steht. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu zu Recht festgestellt, dass die Kommission auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 EU-Öko-VO in Art. 27 Abs. 1 und im Anhang VIII der DVO-Öko-VO das beschränkte Verzeichnis von Stoffen erstellt hat, die bei der Verarbeitung als ökologisch/biologisch vermarkteter Lebensmittel verwendet werden dürfen. Nach Art. 27 Abs. 1 lit. f DVO-Öko dürfen Mineralstoffe und Vitamine nur verwendet werden, soweit ihre Verwendung in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt werden, gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Europäische Gerichtshof hat in der Vorabentscheidung vom 5. November 2014 zur Auslegung dieser Regelung entschieden, dass die Verwendung eines Stoffes nur dann gesetzlich vorgeschrieben im Sinne dieser Vorschrift sei, wenn eine Vorschrift des Unionsrechts oder eine mit ihm in Einklang stehende Vorschrift des Nationalen Rechts unmittelbar vorschreibe, dass dieser Stoff einem Nahrungsmittel hinzuzufügen sei, damit es überhaupt in Verkehr gebracht werden könne. Dies ist bei dem streitgegenständlichen Produkt nicht der Fall. Da die Zugabe von nicht biologischen Vitaminen und Eisengluconat bei “Blutquick” nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben sei, sondern freiwillig erfolge, verstoße die Verwendung des EU-Biosiegels durch die Klägerin gegen die Kennzeichnungsvorschrift des Art. 23 EU-Öko-VO.
2.2 Dieser Befund wird von der Klägerin nicht bestritten, sie wendet hiergegen aber ein, dass vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 27 Abs. 1 Buchst. f DVO-Öko erweiternd auszulegen sei. Die USA und die Europäische Union hätten am 15. Februar 2012 einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen, der bewirke, dass dann, wenn die verfahrensgegenständlichen Produkte in den USA nach dem dortigen nationalen Recht als Bio-Produkte hergestellt würden, sie nach dem Export in die Europäische Union in dieser als Bio-Produkte mit dem EU-Bio-Logo gekennzeichnet verkehrsfähig seien. Dies ergebe sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 126/2012, durch deren Anhang II in den Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 die USA in die Liste der zum Import von Bioprodukten in den Binnenmarkt zugelassenen Drittstaaten aufgenommen wurde. Die nach dem nationalen Recht der USA als “organic” hergestellten Produkte würden als “gleichwertig” anerkannt, so dass diese Produkte, die in den USA als Bioprodukte vertrieben werden dürften, auch in der Europäischen Union als solche verkehrsfähig seien. Das streitgegenständliche Produkt könnte in den USA hergestellt werden und wäre dort als “organic” verkehrsfähig. Das EU-Recht sei daher dahingehend auszulegen, dass Hersteller, die ihre Produkte in der Europäischen Union fertigten und nicht im Unterauftrag in den USA herstellen ließen, nicht diskriminiert würden.
Dieser Vortrag hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn die von der Klägerin behauptete Ungleichbehandlung liegt rechtlich nicht vor. Die Klägerin sieht sich durch Art. 33 Abs. 1 EU-Öko-VO ungleich behandelt, weil dieser erlaube, dass Konkurrenzprodukte aus den Vereinigten Staaten von Amerika in der EU als Bioprodukte mit dem EU-Biologo in den Verkehr gebracht werden könnten, obwohl diesen Produkten Stoffe, insbesondere Vitamine beigemischt wurden, welche nach Art. 23 Abs. 1 EU-Öko-VO in Art. 27 Abs. 1 und im Anhang VIII der DVO-Öko eigentlich unzulässig sind. Dies trifft bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung der streitentscheidenden Normen nicht zu. Danach dürfen entsprechende Bioprodukte aus den Vereinigten Staaten zwar in der EU als Bioprodukte vertrieben werden, jedoch ohne Verwendung des EU-Bio-Logos nach Art. 25 EU-Öko-VO.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, nach dem alle Personen vor dem Gesetz gleich sind, sieht keine ausdrückliche Begrenzung seines Anwendungsbereichs vor. Er findet daher in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen Anwendung, wie etwa denen, die in den Anwendungsbereich einer von der Union geschlossenen internationalen Übereinkunft fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 19 bis 21, vom 26. September 2013, Texdata Software, C-418/11, ECLI:EU:C:2013:588, Rn. 72, und vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373, Rn. 49). In Art. 20 der Charta (Gleichheit vor dem Gesetz) ist der Grundsatz der Gleichbehandlung verankert, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 17. Oktober 2013, Schaible, C-101/12, ECLI:EU:C:2013:661, Rn. 76, und vom 12. Juli 2018, Spika u. a., C-540/16, ECLI:EU:C:2018:565, Rn. 35).
Das für die Feststellung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geltende Erfordernis der Vergleichbarkeit der Situationen ist anhand aller die betreffenden Situationen kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf den Gegenstand und das Ziel des Rechtsakts, mit dem die Unterscheidung vorgenommen wird; dabei sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem der Rechtsakt unterfällt (Urteile v. 16.12.2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C-127/07, ECLI:EU:C:2008:728, Rn. 26, vom 7.3.2017, RPO, C-390/15, ECLI:EU:C:2017:174, Rn. 42, vom 22.1.2019, Cresco Investigation, C-193/17, ECLI:EU:C:2019:43, Rn. 42). Soweit sich die Situationen nicht miteinander vergleichen lassen, verstößt ihre unterschiedliche Behandlung nicht gegen die in Art. 20 der Charta garantierte Gleichheit vor dem Gesetz (U.v. 22.5.2014, Glatzel, C-356/12, ECLI:EU:C:2014:350, Rn. 84).
In tatsächlicher Hinsicht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 293 ZPO; vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.3.2018 – 1 B 155/17 – juris) geht der Senat davon aus, dass entsprechende US-Produkte nach Art. 33 Abs. 2 EU-Öko-VO, Anhang III Nr. 1 b) der VO (EG) Nr. 1235/2008 in den Handel kommen dürfen, die mit Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen angereichert sind. Das USamerikanische Gesetz “Organic Foods Production Act (OFPA)” wurde im Jahr 1990 erlassen. Die OFPA ist die Grundlage für das National Organic Program (NOP). Es regelt die allgemeinen Grundsätze über die Einführung eines Zertifizierungsprogrammes für die Produktion von biologischen Lebensmitteln. In der nationalen Liste der zulässigen und verbotenen Stoffe (The National List of Allowed and Prohibited Substances) sind die synthetischen Stoffe aufgeführt, die verwendet werden dürfen, und die nicht synthetischen (natürlichen) Stoffe, die möglicherweise nicht in der ökologischen/biologischen Pflanzen- und Tierproduktion verwendet werden dürfen (https://www.ams.usda.gov/rules-regulations/organic/national-list). So sind in § 206.605 ausdrücklich Nährstoffvitamine und -mineralien unter bestimmten Maßgaben als Inhaltsstoffe in oder auf Verarbeitungserzeugnissen zugelassen, die als ökologisch oder aus ökologisch hergestellten spezifizierten Inhaltsstoffen oder Lebensmittelgruppen gekennzeichnet sind (https://www.ecfr.gov/cgi-bin/text-idx?c=ecfr& SID=9874504b6f1025eb0e6b67cadf9d b40& rgn=div6& view=text& node=7:3.1.1.9.32.7& idno=7).
Dass biologische Produkte aus Drittstaaten, welche nach der EU-Öko-VO als gleichwertig anerkannt werden, nicht in jeder Hinsicht den in der EU-Öko-VO formulierten Standards entsprechen, war und ist auch dem europäischen Normgeber bekannt. So heißt es in Erwägungsgrund 33 Satz 1 der EU-Öko-VO: “Ökologische/biologische Erzeugnisse, die in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden, sollten auf dem Gemeinschaftsmarkt als ökologisch/biologisch in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie nach Produktionsvorschriften und im Rahmen von Kontrollvorkehrungen erzeugt wurden, die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen oder aber diesen gleichwertig sind. Ebenso wird in Erwägungsgrund 95 der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, welche die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates zum 1. Januar 2021 (Art. 61) ablösen wird, ausgeführt: “Die Möglichkeit des Zugangs zum Unionsmarkt für ökologische/biologische Erzeugnisse, die zwar den Unionsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion nicht entsprechen, aber aus Drittländern stammen, deren Systeme für ökologische/biologische Produktion und Kontrolle als dem Unionssystem gleichwertig anerkannt wurden, sollte beibehalten werden. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Drittländern gemäß der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 sollte jedoch nur im Rahmen internationaler Vereinbarungen zwischen der Union und jenen Drittländern gewährt werden, bei denen auch die Union auf der Grundlage der Gegenseitigkeit eine Gleichwertigkeitsanerkennung anstrebt.” Gleichwertig bedeutet dabei nach Art. 2 lit x) EU-Öko-VO: in Bezug auf verschiedene Systeme oder Maßnahmen, durch Anwendung von Bestimmungen, die die gleiche Konformita?tsgewa?hr bieten, geeignet, die gleichen Ziele und Grundsätze zu erfüllen. Dabei sieht der Senat davon ab, aufzuklären, ob ein entsprechendes US-Produkt mit der gleichen Stoffzusammensetzung insgesamt als “organic” nach dem NOP vertrieben werden könnte, denn auf diesen Umstand kommt es letztlich im Ergebnis nicht an.
In den Vereinigten Staaten als “organic” verkehrsfähige Produkte sind nach Art. 33 Abs. 2 Öko-VO, Anhang III Ziff. 1.b) der VO (EG) Nr. 1235/2008 in der Europäischen Union als gleichwertige Produkte anerkannt. Sie dürfen daher nach Art. 33 Abs. 2 EU-Öko-VO, Anhang III Nr. 1 b) der VO (EG) Nr. 1235/2008 auch in der Gemeinschaft als ökologisches/biologisches Erzeugnis in Verkehr gebracht werden. Durch die Anerkennung solcher Lebensmittel als gleichwertig nach Art. 33 Abs. 2 EU-Öko-VO, Anhang III Nr. 1 b) der VO (EG) Nr. 1235/2008 sind diese in der Europäischen Union als Bioprodukte grundsätzlich verkehrsfähig.
Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass gleichwertige US-Produkte auch mit dem Gemeinschaftslogo (Art. 25 EU-Öko-VO) versehen in den Verkehr gebracht werden dürfen. In Titel IV der EU-Öko-Verordnung wird die Kennzeichnung von Bioprodukten geregelt, welche unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Hierzu gehören auch Bioprodukte, die aus Drittländern in den Verkehr gebracht werden. Bei diesen sind nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 5 die Verwendung des Gemeinschaftslogos nach Art. 25 Abs. 1 und die Angabe nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 fakultativ. Nach dem 25. Erwägungsgrund erscheint es zudem angezeigt, die Verwendung des Gemeinschaftslogos auf Erzeugnisse zu beschränken, die ausschließlich oder fast ausschließlich ökologische/biologische Zutaten enthalten, um eine Irreführung des Verbrauchers in Bezug auf den ökologischen/biologischen Charakter des gesamten Erzeugnisses zu verhindern. Erscheint das Gemeinschaftslogo nach Art. 25 Abs. 1 jedoch in der Kennzeichnung, so muss die Angabe nach Unterabsatz 1 auch in der Kennzeichnung erscheinen. Währenddessen bei in der Union produzierten und in den Verkehr gebrachten Produkten nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b) muss bei vorverpackten Lebensmitteln grundsätzlich das Gemeinschaftslogo nach Art. 25 Abs. 1 auf der Verpackung erscheinen.
Nach Art. 25 Abs. 1 EU-Bio-VO darf das EU-Biologo verwendet werden, “sofern die Erzeugnisse die Vorschriften dieser Verordnung erfüllen”. Die Klägerin ist hier der Meinung, dass diese Voraussetzung bereits gegeben wäre, wenn ein US-Produkt nach Art. 33 Abs. 2 EU-Öko-VO, Anhang III Nr. 1 b) der VO (EG) Nr. 1235/2008 als gleichwertig anerkannt und in der EU in den Verkehr gebracht werden darf. Ob dieses Erzeugnis auch die materiellen Voraussetzungen der EU-Öko-VO, insbesondere die der Art. 23 Abs. 1 EU-Öko-VO in Art. 27 Abs. 1 und im Anhang VIII der DVO-Öko-VO, erfüllt, sei für die Verwendung des EU-Logos nach Art. 25 Abs. 1 EG-Öko-VO nicht mehr von Belang. Abgesehen davon, dass diese Argumentation auf einer formalistischen Betrachtung fußt, entspricht sie weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der EU-Öko-VO. So unterscheidet bereits Erwägungsgrund 33 Satz 1 der EU-Öko-VO bei Erzeugnissen die in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden können, zwischen solchen, die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen, und solchen, die diesen gleichwertig sind. Können damit gleichwertige Erzeugnisse in die Europäische Union eingeführt werden, welche nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen, so wäre es nicht folgerichtig anzunehmen, dass diese Produkte dennoch Erzeugnisse sind, welche die Vorschriften der Verordnung erfüllen. Sie sind nämlich nur verordnungskonform im Sinne des Art. 25 Abs. 1 EU-Öko-VO, wenn sie ausnahmslos die Vorschriften der Verordnung erfüllen. Dies ist bei Erzeugnissen, welche nach Art. 33 EU-Öko-VO in der Gemeinschaft verkehrsfähig sind, im Allgemeinen nicht ohne weiteres und bei einem dem der Klägerin entsprechenden Erzeugnis nicht der Fall.
Insoweit entspricht es auch der Systematik der EU-Öko-VO als sie in Titel IV über die Kennzeichnung der Erzeugnisse in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 5 bestimmt, dass bei aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen die Verwendung des Gemeinschaftslogos nach Art. 25 Absatz 1 und die Angabe nach Unterabsatz 1 fakultativ, also möglich sind. Damit sind gleichwertige Erzeugnisse aus Drittländer von der Kennzeichnungspflicht nach Art. 25 freigestellt. Wenn sie das Gemeinschaftslogo allerdings verwenden, müssen sie nach Art. 25 Abs. 1 EU-Öko-VO alle Voraussetzungen der Verordnung erfüllen. Hätte der Verordnungsgeber gleichwertige Erzeugnisse aus Drittländern bei der Verwendung des Gemeinschaftslogos von den Voraussetzungen der übrigen Verordnungsinhalte völlig freistellen wollen, so hätte es nahe gelegen in Art. 33 EU-Öko-VO etwa zu bestimmen, dass die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 EU-Öko-VO als erfüllt gelten. Eine solche oder ähnliche Regelung hat der Gesetzgeber aber nicht getroffen.
Das so gefundene Ergebnis wird mit einem Blick auf die Regelungen der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, welche die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates zum 1. Januar 2021 (Art. 61) abgelöst hat, deren Geltungsbeginn durch die Durchführungsverordnung (EU) 2020/2042 vom 11. Dezember 2020 bis zum 1. Januar 20222 verschoben wurde, bestätigt. Wie bereits erwähnt, geht die neue Verordnung (EU) 2018/848 in Erwägungsgrund 95 davon aus, dass ökologische Produkte aus Drittländern, welche nicht den Unionsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion entsprechen, Zugang zum Unionsmarkt erhalten können. Nach Art. 33 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/848 darf das Logo der europäischen Union für ökologische/biologische Produkte nur verwendet werden, wenn die Erzeugnisse den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen. Nach Art. 44 Abs. 1 der VO (EU) 2018/848 darf ein Erzeugnis als ökologisches/biologisches Erzeugnis aus der Union ausgeführt werden und das Logo der Europäischen Union für ökologische/biologische Produktion tragen, sofern es den Vorschriften für ökologische/biologische Produktion dieser Verordnung entspricht. Werden dagegen Produkte nach Art. 45 der VO (EU) 2018/848 unter den dort genannten Voraussetzungen zum Zweck des Inverkehrbringens in der Union als ökologisches/biologisches Erzeugnis oder als Umstellungserzeugnis aus einem Drittland eingeführt, so ist den Einfuhrvorschriften der Art. 45 ff. der VO (EU) 2018/848 nicht zu entnehmen, dass hiermit die die Berechtigung zum Tragen des Logos der EU verbunden ist. Es verbleibt vielmehr bei Art. 33 VO (EU) 2018/848.
Bei der Auslegung der Regelungen der EU-Öko-VO ist zudem demjenigen Auslegungsergebnis der Vorzug zu geben, welche einen Verstoß gegen höherrangiges EU-Recht vermeidet. Nach der Rechtsprechung des EuGHs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Erfordernisse des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beachten und diese deshalb, soweit irgend möglich, in Übereinstimmung mit diesen Erfordernissen anzuwenden (EuGH, U. v. 28.9.1994 – C-7/93 – BeckRS 2004, 77714). Ein Auslegungsergebnis, welches gleichwertigen Drittstaatserzeugnissen den Marktzugang in die Union unter Verwendung des europäischen Bio-Logos gestattet, dies aber entsprechenden in der EU hergestellten Erzeugnissen verwehrt, wäre mit dem Gleichheitssatz nach des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nur schwerlich vereinbar, zumal dann auch die Problematik einer Verbrauchertäuschung im Raum stünde.
3. Damit erweisen sich die in Ziffern 2 bis 4 und 6 getroffenen Nebenentscheidungen ebenso als rechtmäßig. Hiergegen hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Die Revision wird hinsichtlich der zulässigen Berufung gegen die Anfechtungsklage wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich auch unter der Geltung der Verordnung (EU) 2018/848.


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