Europarecht

Vergleichsvertrag über Sanierung – Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  22 ZB 16.593

Datum:
17.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 104114
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 54 S. 2, Art. 55
BBodSchG § 4, § 9 Abs. 2 S. 1, § 10 Abs. 1, § 12, § 13 Abs. 1, § 14 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 1, § 24 Abs. 1
BayVwVfG Art. 55

 

Leitsatz

Die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 BBodSchG angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten (§ 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG). Dabei handelt es sich um eine ergänzende Klarstellung der sicherheitsrechtlichen “Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten” (vgl. BVerfG BeckRS 2000, 30096311; BVerwG BeckRS 2006, 25436). Dieser Grundsatz beansprucht grundsätzlich auch dann Geltung, wenn gegenüber den zur Durchführung Verpflichteten keine hoheitliche Anordnung ergeht, sondern Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen in einem Vergleich geregelt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 13.1270 2015-12-15 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Klägerinnen haben die Kosten des Antragsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 109.948 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen begehren die Rückerstattung einer Zahlung für Untersuchungs- und Planungskosten, die gemäß der Kostenregelung in einem Vergleichsvertrag an den Beklagten geleistet wurde.
Die Klägerin zu 2 ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 263 der Gemarkung S …, das zeitweise von den Klägerinnen zu 1 und 3 bzw. von Rechtsvorgängern als Betriebsgelände genutzt wurde. Die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger werden in den nachfolgend bezeichneten Verträgen insgesamt als „Richter-Gruppe“ (im Folgenden: R.-Gruppe) bezeichnet.
Am 21. Dezember 2007 bzw. 7. Januar 2008 schlossen die damaligen Mitglieder der R.-Gruppe mit dem Beklagten (vertreten durch das Landratsamt S …) einen „Vergleichsvertrag“ (im Folgenden als Vertrag 1 bezeichnet) „über die Durchführung von bodenschutzrechtlichen Untersuchungsmaßnahmen wegen einer Altlast in S …“, um eine förmliche Anordnung solcher Maßnahmen zu vermeiden. Der Vertrag sollte laut seiner Präambel lediglich die Untersuchungs- und Planungsphase betreffen, nicht dagegen die Verantwortlichkeit der Beteiligten für eine gegebenenfalls erforderliche Sanierung regeln. Die Mitglieder der R.-Gruppe tragen nach dem Vertrag gesamtschuldnerisch die Kosten von Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung sowie einer Sanierungsuntersuchung und -planung in Bezug auf den sogenannten „LHKW-Schaden“, eine Bodenverunreinigung auf dem Grundstück Fl.Nr. 263 der Gemarkung S … (vgl. Abs. 2 der Präambel, Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 2 Abs. 2 des Vergleichsvertrags). Die Kosten der Maßnahmen sollten vom Landratsamt S … „nach Vorliegen“ dieser Untersuchungen und Planungen in Rechnung gestellt werden (Nr. 2 Abs. 3 des Vergleichsvertrags). In Nr. 2 Abs. 4 des Vergleichsvertrags wurde weiter bestimmt:
„Die Zahlungen, die die R.-Gruppe auf Grundlage dieses Vertrages für die von diesem erfassten Maßnahmen an den Freistaat Bayern leistet, werden im Falle einer Verpflichtung zur Sanierung im Rahmen rechtlich gebotener Zumutbarkeitsprüfungen angerechnet.“
Die R.-Gruppe leistete auf Grundlage des Vergleichsvertrags drei Teilzahlungen (am 9.8.2010, am 10.3.2011 und am 20.3.2012) über insgesamt 109.948,76 Euro.
Am 5. August 2010 schlossen die Beteiligten einen „öffentlich-rechtlichen Vertrag“ (im Folgenden als Vertrag 2 bezeichnet), welcher der Präambel zufolge der Regelung u.a. der Handlungsverantwortlichkeit für den „LHKW-Schaden“ auf dem Grundstück Fl.Nr. 263 der Gemarkung S … dient. Die Kosten für die Durchführung der Sanierung der LHKW-Altlast „einschließlich Nebenleistungen und Planungskosten“, die auf voraussichtlich netto 1,6 Mio. Euro beziffert wurden, sollte die R-Gruppe tragen (§ 4 Nr. 1.1 des Vertrags). Ein Abzug von diesem Gesamtbetrag war zum einen bis zu maximal netto 0,35 Mio. Euro nach schriftlichem Nachweis vorgesehen für Aufwendungen, welche die R.-Gruppe in der Vergangenheit „zur Sanierung des LHKW-Schadens“ erbracht hat (§ 4 Nr. 1.2 des Vertrags). Zum anderen sollte ein Abzug für ein „Einsparpotenzial“ bei einer weiteren Altlastensanierung in der Gemeinde S … (sogenannte „Sattler-Altlast“) „durch Synergieeffekte“ von voraussichtlich netto 0,3 Mio. Euro erfolgen (§ 4 Nr. 1.3 des Vertrags). Im Ergebnis sollte sich ein von der R-Gruppe zu leistender Gesamtbetrag für die Durchführung der Sanierung der „LHKW-Altlast“ von „pauschal netto 0,95 Mio. Euro“ ergeben (§ 4 Nr. 1.4 des Vertrags). In § 4 Nr. 1.5 des Vertrags wurde weiter folgendes festgelegt:
„Mit Zahlung des unter Ziff. 1.4 genannten Pauschalbetrags wird die R.-Gruppe von allen weiteren Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Sanierung des LHKW-Schadens im Altlastengebiet von S … vom Freistaat Bayern freigestellt. […]“
Weiter heißt es in § 4 Nr. 5 des Vertrags:
„Die Kostentragung und -erstattung gem. Vergleichsvertrag R.-Gruppe/Freistaat Bayern vom 21. Dezember 2007/7. Januar 2008 (Detailuntersuchung, Sanierungsuntersuchungen, Sanierungsplanung) bleibt von diesem Vertrag unberührt. Die insoweit nachgewiesenen Kosten werden von der R.-Gruppe übernommen. Eine Anrechnung der Kosten auf Inhalte dieses Vertrags erfolgt nicht.“
Unter Berufung auf Bestimmungen der Verträge 1 und 2 machten die Klägerinnen mit einer Leistungsklage einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Betrags von 109.948,74 Euro nebst Zinsen geltend. Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg wies diese Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2015 ab.
Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 7. April 2016 (vgl. zur deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ergeben (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f. m.w.N.). Gemessen daran sind hier keine ernstlichen Zweifel dargelegt.
Das Verwaltungsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung (UA S. 8) zunächst davon ausgegangen, dass sich eine Verpflichtung zur Rückzahlung der von den Klägerinnen geleisteten Untersuchungs- und Planungskosten nicht aus Nr. 2 Abs. 4 des Vertrags 1 ergibt. Dieser Regelung könne schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine solche Zahlungspflicht nicht für den Fall entnommen werden, dass die dort vorgesehene Anrechnungsmöglichkeit aufgrund weitergehender vertraglicher Regelungen zu einem späteren Zeitpunkt entfällt. In § 4 Nr. 5 des Vertrags 2 sei eine solche von Nr. 2 Abs. 4 des Vertrags 1 abweichende Festlegung dahingehend erfolgt, dass eine wie auch immer geartete Anrechnung von Leistungen im Rahmen der durchgeführten Detail- und Sanierungsuntersuchung hinsichtlich des LHKW-Schadens nicht (mehr) stattfinden soll und demzufolge auch Zahlungsansprüche, die auf dasselbe Ergebnis abzielen, ausgeschlossen sind (UA S. 11). Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (UA S. 12 und 13) ergebe sich, dass mit „Kostentragung und Kostenerstattung“ in § 4 Nr. 5 Satz 1 des Vertrags 2 ausschließlich die Ansprüche des Beklagten gegen die R.-Gruppe aus dem Vertrag 1 in Zusammenhang mit den im Rahmen des Vertrags 1 nachgewiesenen Kosten gemeint sind. Die Aufzeichnungen in der Behördenakte würden einen eindeutigen Hinweis auf den Willen der Vertragsparteien geben, der R.-Gruppe im Rahmen einer abschließenden Gesamtregelung im Vertrag 2 die Tragung der im Rahmen des Vertrags 1 angefallenen Kosten aufzuerlegen (UA S. 13). Aus den Darlegungen der Klägerinnen ergeben sich keine erheblichen Zweifel an dieser Vertragsauslegung und damit an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
Die Klägerinnen entnehmen der Regelung in § 4 Nr. 5 Satz 1 des Vertrags 2 zunächst, dass sie die Kosten der Sanierungsuntersuchung und -planung zu tragen haben (Schriftsatz vom 7. April 2016, Seite 2, Nr. 2 Abs. 1). Weiter sei dort vorgesehen, dass eine „Kostenerstattung“ zu erfolgen habe, mit der nur eine solche durch den Beklagten an die Klägerinnen gemeint sein könne. Wie sich weiter aus § 4 Nr. 5 des Vertrags 2 ergebe, bleibe diese „Kostenerstattung“ durch den Beklagten von den weiteren Regelungen des Vertrags 2 unberührt. Man habe also die Anrechnungsmöglichkeit, die in Vertrag 1 geregelt war, nicht einfach wegfallen lassen. Genauso wenig habe man ja auch gewollt, die Kostentragung wegfallen zu lassen oder abzuändern. Der Vertrag 2 würde nun ausdrücklich benennen, dass eine „Kostenerstattung“ zu erfolgen habe. Diese Argumentation vermag indes nicht zu überzeugen.
Es ist bereits nach dem Wortlaut unklar, weshalb der Begriff „Kostenerstattung“ eine Zahlung des Beklagten an die Klägerinnen bezeichnen müsste. Die Klägerinnen setzen sich auch nicht wie geboten substantiiert mit der Begründung des Verwaltungsgerichts für die Vertragsauslegung auseinander, die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt. Dies gilt gerade auch für die oben angesprochenen Gesichtspunkte, die den Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der protokollierten Verhandlungsergebnisse im Vorfeld des Vertragsabschlusses im Jahr 2010 betreffen und denen das Verwaltungsgericht hohes Gewicht zumisst.
Im Übrigen legt die Regelung zur Kostentragung in Nr. 2 Abs. 2 und 3 des Vertrags 1 es nahe, die dort vorgesehene Begleichung der vom Beklagten zunächst verauslagten Untersuchungs- und Planungskosten als „Kostenerstattung“ anzusehen. Die Formulierung in § 4 Nr. 5 Satz 1 des Vertrags 2, wonach die „Kostentragung und -erstattung gem. Vergleichsvertrag […] von diesem Vertrag unberührt“ bleibt, spricht zudem gerade nicht dafür, dass die im Vertrag 1 getroffene Entscheidung über die Kostentragung der R.-Gruppe durch die Schaffung einer Rückzahlungspflicht rückgängig gemacht werden sollte. Auch ergibt die Aussage in § 4 Nr. 5 Satz 2 des Vertrags 2, wonach die dem Vertrag 1 unterfallenden nachgewiesenen Kosten von der R.-Gruppe übernommen werden, ersichtlich nur dann einen Sinn, wenn keine Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten in Bezug auf diese Kosten besteht.
Auch liegt der ursprünglichen Regelung in Nr. 2 Abs. 4 von Vertrag 1 keine voraussetzungslose Verpflichtung des Beklagten zur Verrechnung der von der R.-Gruppe zu tragenden Untersuchungs- und Planungskosten mit künftigen Sanierungskosten zugrunde. Vor allem aus dem Vorbehalt „im Rahmen rechtlich gebotener Zumutbarkeitsprüfungen“ ergibt sich, dass die Entscheidung über eine etwaige Anrechnung unter Berücksichtigung dieser Maßgabe erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte, zu dem die voraussichtlichen Kosten für die Sanierung der „LHKW-Altlast“ bezifferbar sein würden. Die Regelung in § 4 Nr. 5 Satz 3 des Vertrags 2 stellt insoweit unmissverständlich klar, dass eine solche Verrechnung nicht hinsichtlich der im Vertrag 2 geregelten Sanierungskosten erfolgt. Gerade auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags 2, wie sie im angefochtenen Urteil dargestellt wird und von den Klägerinnen nicht substantiiert in Abrede gestellt wird, spricht dafür, dass die Vertragsparteien die Kostentragung der R.-Gruppe hinsichtlich der Untersuchungs- und Planungskosten gemäß Vertrag 1 nicht als unzumutbar angesehen haben. Aus welchem Grund der Vertrag 2 dennoch einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der im Vertrag 1 geregelten Kosten zubilligen sollte, der den dort ausdrücklich vereinbarten Ausschluss der Verrechnung wirtschaftlich unterlaufen würde, ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Klägerinnen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Im Übrigen entspricht die Regelung in Nr. 2 Abs. 4 von Vertrag 1 auch den gesetzlichen Vorgaben in § 9 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG, soweit die Mitglieder der R-Gruppe als Pflichtige im Sinne von § 4 Abs. 3, 4 und 6 BBodSchG in Anspruch genommen werden können, was gemäß der Vertragspräambel offensichtlich zumindest vor Vertragsschluss (teilweise) strittig war.
Die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 BBodSchG angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG). Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 16.2. 2000 – 1 BvR 242/91, 315/99 – BVerfGE 102, 1 [4, 14]) um eine ergänzende Klarstellung der sicherheitsrechtlichen „Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten“ (vgl. auch BVerwG, U.v. 12.7.2006 – 10 C 9/05 – BVerwGE 126, 222 Rn. 25).
Dieser Grundsatz beansprucht grundsätzlich – ggf. unter Wahrung verfassungsrechtlich gebotener Grenzen (vgl. hinsichtlich der Zustandsstörerhaftung BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 315/99 – BVerfGE 102, 1) – auch dann Geltung, wenn wie hier gegenüber den zur Durchführung Verpflichteten keine hoheitliche Anordnung ergeht, sondern Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen in einem Vergleich geregelt werden. Zudem findet § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG auch Anwendung auf bei der Vollzugsbehörde anfallende Auslagen, wenn diese z.B. bodenbezogene Maßnahmen wie hier selbst beauftragt; auch insoweit handelt es sich nach Sinn und Zweck dieser Regelung um Kosten in ihrem Sinne (BVerwG, U.v. 12.7.2006 – 10 C 9/05 – BVerwGE 126, 222 Rn. 21). Allerdings können die gesetzlichen Kostentragungspflichten im Rahmen einer vergleichsweisen Regelung, die den dafür geltenden gesetzlichen Anforderungen gerecht wird (vgl. Art. 54 ff. BayVwVfG), unter Umständen modifiziert werden.
Der Vertrag 1 wurde hier ersichtlich im Hinblick darauf als Vergleichsvertrag abgeschlossen, dass aus Sicht der Vertragsparteien nicht abschließend geklärt war, inwieweit die Mitglieder der R.-Gruppe als Verantwortliche im Sinne des § 4 BBodSchG anzusehen sind und diese in rechtmäßiger Weise im Wege einer hoheitlichen Anordnung in Anspruch genommen werden konnten. Allerdings bestanden deutliche Hinweise auf eine grundsätzliche Verantwortlichkeit der R.-Gruppe, die in der Präambel des Vertrags 1 ausführlich dargestellt werden. Dies hätte in der Phase der Gefährdungsabschätzung für den Erlass einer Untersuchungsanordnung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG wohl ausgereicht. Die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung dürfen hier nämlich nicht zu hoch angesetzt werden, weil in dieser Phase die in Altlastenfällen typische Nachweisproblematik besonders ausgeprägt ist und zeitnahes Handeln besonders geboten ist (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 29.10.2015 – 22 ZB 15.1770 – GewArch 2016, 163 Rn. 29). In dieser Konstellation wäre eine vergleichsweise Regelung, mit der die R.-Gruppe von Kosten z.B. der vom Beklagten beauftragten Voruntersuchungen und Sanierungsplanungen im Ergebnis umfassend freigestellt worden wäre, mangels eines gegenseitigen Nachgebens im Sinne von Art. 55 BayVwVfG wohl unzulässig gewesen. Allerdings geht der Verwaltungsgerichtshof nach dem oben Gesagten bereits davon aus, dass in Nr. 2 Abs. 4 von Vertrag 1 keine Anrechnungspflicht des Beklagten statuiert wurde.
Wenn sich herausstellt, dass eine Verpflichtung zur Sanierung besteht, wie die Klausel in Nr. 2 Abs. 4 von Vertrag 1 ausdrücklich voraussetzt, so sind einer „rechtlich gebotenen“ nachträglichen Verrechnung bereits getragener Kosten einer Voruntersuchung und einer Sanierungsplanung gesetzliche Grenzen gezogen. Dies zeigt § 24 Abs. 1 BBodSchG. Bestätigen im Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG die Untersuchungen den Verdacht nicht oder liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 BBodSchG vor, sind den zur Untersuchung Herangezogenen die Kosten zu erstatten, wenn sie die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu vertreten haben (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG). In den Fällen des § 14 Satz 1 Nr. 2 und 3 trägt derjenige die Kosten, von dem die Erstellung eines Sanierungsplans hätte verlangt werden können (§ 24 Abs. 1 Satz 3 BBodSchG). Liegen diese Ausnahmetatbestände nicht vor, so ist im Gegenschluss eine Kostenerstattung an denjenigen, der zu einer Voruntersuchung und einer Sanierungsplanung herangezogen wurde, grundsätzlich unzulässig (vgl. VGH BW, B.v. 11.8.2015 – 10 S 1131/15 – GewArch 2015, 506 Rn. 30), wenn nicht z.B. ein gesetzlich nicht geregelter, jedoch vergleichbarer Fall vorliegt, auf den ein Ausnahmetatbestand analog anwendbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2005 – 7 C 14/04 – BVerwGE 123, 7). Dazu haben die Klägerinnen nichts vorgetragen, auch nichts zu verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wie einer Unverhältnismäßigkeit der Belastung mit den Untersuchungskosten.
Die Vertragsparteien des Vertrags 2 gingen offensichtlich von der Pflichtigkeit der R-Gruppe im Sinne von § 4 BBodSchG bezüglich der Sanierung der „LHKW-Altlast“ aus, wofür insbesondere auch deren Kostentragung nach § 4 des Vertrags 2 spricht. Eine Rückzahlungsklausel zugunsten der Klägerinnen hätte im Hinblick auf die im Vertrag 2 unzweideutig vorausgesetzte Pflichtenstellung der R.-Gruppe auch nicht als vergleichsweise Regelung im Sinne von Art. 55 BayVwVfG angesehen werden können. Dies vorausgesetzt, wäre es im Hinblick auf die oben angesprochenen gesetzlichen Kostenregelungen rechtswidrig gewesen, im Vertrag 2 eine Erstattung bzw. Verrechnung der Kosten für Voruntersuchungen und die Sanierungsplanungen zur Vorbereitung dieser Sanierung vorzusehen.
Die Klägerinnen können sich zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auch nicht auf den Inhalt des Schreibens des Landratsamtes S* … vom 5. März 2012 berufen (Anlage K 6, Bl. 55 f. der Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts). Darin wird zwar ausgeführt, dass von Mitgliedern der R.-Gruppe erstattete Kosten der Sanierungsuntersuchung „gem. § 4 Nr. 1.2“ des Vertrags 2 den bereits aufgewendeten Mitteln im Rahmen der Sanierung des LHKW-Schadens zugerechnet und bei der damit verbundenen Rückzahlung berücksichtigt würden. Dieses Schreiben geht erkennbar von falschen Voraussetzungen aus. Die Klägerinnen räumen in der Antragsbegründung vom 7. April 2016 (dort S. 3, 2. Absatz) bereits selbst ein, dass mit den unter § 4 Nr. 1.2 genannten „Mitteln zur Sanierung“ solche Mittel gemeint gewesen seien, die die Klägerinnen in der Vergangenheit aufgewandt hätten. Die unter § 4 Nr. 5 genannten Untersuchungskosten seien dagegen erst nach Abschluss des Vertrages geltend gemacht worden. Dass das Schreiben vom 5. März 2012 die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten geändert habe, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerinnen nicht. Eine Anrechnung, wie sie im Schreiben vom 5. März 2012 angekündigt wurde, würde zudem keinen selbständig einklagbaren Rückzahlungsanspruch der Klägerinnen begründen, sondern gemäß § 4 Nr. 1.2 des Vertrags 2 (lediglich) zu einer Minderung des Kostenbeitrags zur Sanierung der „LHKW-Altlast“ führen. Die im Sinne von § 4 Nr. 1.2 des Vertrags 2 aufgewandten Mittel sind nach dieser Regelung von den voraussichtlichen Sanierungskosten von netto 1,6 Mio. Euro (§ 4 Nr. 1.1 von Vertrag 2) abzuziehen, d.h. mit diesen zu verrechnen.
Unabhängig davon hat der Beklagte in der Stellungnahme vom 11. Mai 2016 darauf hingewiesen, dass vom Beklagten bereits mit Schreiben vom 26. November 2012 an diejenige Kanzlei, in welcher der Klägerbevollmächtigte damals beschäftigt war, klargestellt worden sei, dass das Schreiben vom 5. März 2012 inhaltlich unzutreffend formuliert gewesen sei. Diese Darstellung, welcher die Klägerinnen nicht widersprochen haben, spricht grundsätzlich dagegen, dass das frühere Schreiben überhaupt zur Vertragsauslegung mit herangezogen werden kann.
Schließlich kann die Behauptung der Klägerinnen nicht überzeugen, die im Vertrag 1 geregelten Kosten für Voruntersuchungen und eine Sanierungsplanung würden unter die „Sanierungskosten einschließlich Nebenleistungen und Planungskosten“ im Sinne von § 4 Nr. 1.1 des Vertrags 2 fallen. Bereits aus § 4 Nr. 5 dieses Vertrags ergibt sich im Gegenteil, dass die Kostenregelungen des Vertrags 1 zu diesen Kosten im Vorfeld einer Sanierung unberührt bleiben, d.h. nicht Gegenstand der Kostenregelung im Vertrag 2 sind. Gegenstand des Vertrags 1 ist entsprechend nur die Untersuchungs- und Planungsphase; der Vertrag regelt ausdrücklich nicht die Verantwortlichkeit der Beteiligten für eine gegebenenfalls erforderliche Sanierung (vgl. Präambel des Vertrags 1). Dagegen werden mit dem Vertrag 2 die Einzelheiten der Sanierung geregelt (vgl. § 2 Nr. 3 von Vertrag 2). Entsprechend kann es sich bei Planungskosten im Sinne von § 4 Nr. 1.1 des Vertrags 2 nur um solche handeln, die zur Durchführung der Sanierung der LHKW-Altlast erforderlich sind, nicht dagegen um Kosten für Voruntersuchungen, Sanierungsuntersuchungen und eine Sanierungsplanung, die bereits in Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 Abs. 2 des Vertrags 1 geregelt und dort (gleichermaßen) der R.-Gruppe auferlegt werden.
Die ergänzend zu den vorstehend angesprochenen Darlegungen erfolgte pauschale Bezugnahme der Klägerinnen auf ihren gesamten außergerichtlichen und erstinstanzlichen Vortrag (Schriftsatz vom 7.4.2016, S. 1 Abs. 3) genügt nicht dem Darlegungsgebot, das die Prüfung durch das Berufungsgericht im Zulassungsverfahren erleichtern soll (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2016 – 22 ZB 16.304 – Rn. 4 m.w.N.).
Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.


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