Europarecht

Verlagerung von Notdiensten auf Hauptapotheke

Aktenzeichen  M 16 K 18.6095

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46589
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ApBetrO § 17 Abs. 6c S. 2 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
LadSchlG § 4 Abs. 2
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 11

 

Leitsatz

1. Eine Verlagerung von Notdiensten auf eine bestimmte Apotheke kommt nur aufgrund einer Befreiung nach § 23 Abs. 2 ApBetrO in Betracht (Anschluss an BVerwG BeckRS 2011, 52764). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist gerechtfertigt, an die Bewilligung einer Ausnahme von der Notdienstpflicht jedenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung strengere Anforderungen zu stellen als an sonstige Befreiungen von der Betriebspflicht außerhalb der üblichen Öffnungszeiten (Anschluss an BeckRS 2011, 52764). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gestaltung des Notdienstes ist kein Instrument, um die Wettbewerbssituation zwischen den teilnehmenden Apotheken zu verändern, sondern soll darauf angelegt sein, die Belastungen und Nachteile, die die Teilnahme am Notdienst zwangsläufig mit sich bringt, möglichst gleichmäßig – und somit möglichst wettbewerbsneutral – auf alle Apotheken zu verteilen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2011, 52764). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage bleibt in allen Anträgen ohne Erfolg.
2. Der Gegenstand der Klage wird allein durch die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge bestimmt. Die in der Einbeziehung des Bescheids vom 13. September 2019 liegende Klageerweiterung ist mit Blick auf § 91 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig. Gegen die Fortsetzungsfeststellungsklage bzw. den Übergang von der Verpflichtungsklage auf die Fortsetzungsfeststellungsklage bestehen keine Bedenken (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend; vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1993 – 6 C 20.92 – juris Rn. 19 m.w.N.).
3. Soweit der Kläger die Verlagerung des Notdienstes am 22. Dezember 2019 von der … …-Apotheke auf die Hauptapotheke … … begehrt, ist die Klage als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder Anspruch auf die beantragte Übertragung des Notdienstes noch auf Neubescheidung seines Antrags. Die Entscheidung der Beklagten über den Antrag vom 14. August 2019 weist keine Ermessensfehler auf und ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
a) Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach § 23 Abs. 2 ApBetrO in der geltenden Fassung vom 6. Juni 2012 (BGBl. I S. 1264), der insoweit eine taugliche Anspruchsgrundlage darstellt.
In Bayern ergeben sich die Öffnungszeiten der Apotheken einschließlich der Notdienstbereitschaften aus einem Zusammenwirken apothekenrechtlicher Vorschriften mit dem Ladenschlussgesetz. Den Ausgangspunkt bildet dabei § 23 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, der eine ständige Dienstbereitschaft der Apotheken anordnet (Öffnungspflicht). Eine Ausnahme davon sieht § 4 Abs. 2 LadSchlG vor. Danach hat die zuständige Landesbehörde – das ist in Bayern nach § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Zuständigkeit der Arzneimittelüberwachungsbehörden und zum Vollzug des Gendiagnostikgesetzes (Arzneimittelüberwachungszuständigkeitsverordnung – ZustVAMÜB) i.V.m. Art. 34 Abs. 3 Satz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. g) des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheits- und Verbraucherschutzgesetz – GDVG) die beklagte Bayerische Landesapothekerkammer – anzuordnen, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss (Schließungsanordnung). Diesem Auftrag ist die Beklagte mit Allgemeinverfügung vom 12. Juni 2012 nachgekommen. Der Notdienst der Apotheken wird auf dieser Grundlage in der Weise herbeigeführt, dass alle bis auf die jeweiligen Notdienstapotheken zu bestimmten Zeiten geschlossen werden müssen. Für die danach verbleibenden Zeiten der Bereitschaftspflicht ermöglichen § 23 Abs. 1 Satz 1 sowie § 23 Abs. 2 ApBetrO eine Befreiung durch die zuständige Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 26. 5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 13 f.; vgl. dazu auch die o.g. Allgemeinverfügung). Dieses Regelungsgefüge hat sich in Bayern durch die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in der Fassung des Gesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034) nicht geändert, da Bayern von der Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. VG München, B.v. 18.12.2018 – M 16 S 18.5013 – juris Rn. 19, 26 f.).
Davon ausgehend muss der Kläger die … …-Apotheke an dem hier inmitten stehenden Sonntag, den 22. Dezember 2019, nach der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 12. Juni 2012 grundsätzlich geschlossen halten, weil Sonntage in die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG fallen. Da die … …- Apotheke nach dem Notdienstplan der Beklagten jedoch an diesem Tag für den Notdienst eingeteilt ist, gilt für sie die Schließpflicht nicht und kommt eine Verlagerung des Notdienstes auf die …-Apotheke nur aufgrund einer Befreiung nach § 23 Abs. 2 ApBetrO in Betracht (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 12 ff.; BayVGH, B.v. 18.10.2011 – 22 BV 10.1820 – juris Rn. 18 f.; Cyran/Rotta, ApBetrO, § 23 Rn. 69). Daran knüpft das Begehren des Klägers an.
b) Der Tatbestand des § 23 Abs. 2 ApBetrO ist erfüllt. Danach kann die zuständige Behörde von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft für die Dauer der ortsüblichen Schließzeiten, der Mittwochnachmittage, Sonnabende oder der Betriebsferien und, sofern ein berechtigter Grund vorliegt, auch außerhalb dieser Zeiten befreien, wenn die Arzneimittelversorgung in dieser Zeit durch eine andere Apotheke, die sich auch in einer anderen Gemeinde befinden kann, sichergestellt ist.
Dass bei einer Verlagerung des Notdienstes von der … …-Apotheke auf die nur wenige Meter entfernt liegende Hauptapotheke … … die Arzneimittelversorgung im Sinne des § 23 Abs. 2 ApBetrO weiterhin sichergestellt ist, ist unstreitig.
Hinsichtlich des weiteren Tatbestandmerkmals des berechtigten Grundes unterscheidet § 23 Abs. 2 ApBetrO zwischen verschiedenen Zeiten, auf die sich das Befreiungsgesuch bezieht. Für Befreiungen für die Dauer der ortsüblichen Schließzeiten, der Mittwochnachmittage, Sonnabende und der Betriebsferien ist ein berechtigter Grund nicht erforderlich; dagegen ist er für Befreiungen außerhalb dieser Zeiten, also insbesondere für Befreiungen während der üblichen Öffnungszeiten, notwendig. Die Regelung zielt darauf ab, Schließungen zu den üblichen Öffnungszeiten, in denen das Publikum mit einer Dienstbereitschaft einer jeden Apotheke rechnet, durch eine zusätzliche Voraussetzung zu erschweren (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 17).
Danach bedarf es hier, wie die Beklagte zutreffend erkannt hat, auf der Tatbestandsebene keines berechtigten Grundes. Der Kläger möchte die … …-Apotheke nicht außerhalb der ortsüblichen Schließzeiten schließen, sondern gerade während dieser Zeiten an einem Sonntag, an dem diese Apotheke zum Notdienst verpflichtet ist und deshalb auch für die Dauer der ortsüblichen Schließzeiten offen halten muss. Diese Zeiten möchte er durch eine Offenhaltung seiner Hauptapotheke zu den Notdienstzeiten abdecken (vgl. dazu BVerwG, a.a.O., Rn. 17 ff.).
c) Ist der Tatbestand des § 23 Abs. 2 ApBetrO erfüllt, eröffnet die Vorschrift der zuständigen Behörde Ermessen, ob sie dem Befreiungsantrag nachkommt (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 20). Das Gericht überprüft dabei lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach diesen Maßstäben begegnet der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2019 keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt, ihre Entscheidung am Zweck der Norm ausgerichtet und die entscheidungserheblichen Umstände, einschließlich der Grundrechtsposition des Klägers aus Art. 12 GG, nicht fehlgewichtet.
aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass die Beklagte bei der Ermessensausübung – abgesehen von der hier unstreitig erschöpften, in der mündlichen Verhandlung näher erläuterten 1/12-Regelung – die Verlagerung von Notdiensten innerhalb eines Filialverbunds an das Vorliegen eines berechtigten Grundes knüpft. Die dahingehende, vom Vorstand der Beklagten in seiner Sitzung am 12. September 2011 gebilligte Grundsatzentscheidung stellt der Sache nach eine generalisierte Ausübung des nach § 23 Abs. 2 ApBetrO eingeräumten Ermessens dar, indem sie die zu treffenden Einzelentscheidungen vorstrukturiert (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 22). Damit wird erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass Befreiungen von der Pflicht zur Dienstbereitschaft, die über die mit der Allgemeinverfügung vom 12. Juni 2012 ohnehin gewährten allgemeinen Befreiungen hinausgehen, nur aus singulären Anlässen möglich sein sollen, aber nicht zu Dauerbefreiungen allein deshalb führen können, weil sie betriebswirtschaftlich vorteilhaft wären. Damit parallelisiert die Beklagte den von § 23 Abs. 2 ApBetrO geforderten berechtigten Grund bei einer Dienstpflichtbefreiung zu den üblichen Öffnungszeiten mit dem Fall einer begehrten Befreiung vom Notdienst. Dagegen ist nichts zu erinnern. In beiden Fällen will der Apotheker von einer vorgegebenen allgemeinen Regelung der Betriebspflicht abweichen, so dass es gerechtfertigt ist, an die Bewilligung einer Ausnahme von der Notdienstpflicht jedenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung strengere Anforderungen zu stellen als an sonstige Befreiungen von der Betriebspflicht außerhalb der üblichen Öffnungszeiten (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 22 f.).
bb) Daran anknüpfend erweisen sich auch die Ermessenserwägungen der Beklagten im Einzelnen als ermessensfehlerfrei. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in zwei vergleichbaren Fällen – in einem davon lagen Haupt- und Filialapotheke nur etwa 50 m voneinander entfernt – mit Urteilen vom 26. Mai 2011 (3 C 21.10 und 3 C 22.10, jeweils juris Rn. 24 ff.) ausgeführt:
„Die Entscheidungspraxis der Beklagten ist auch vor Art. 12 Abs. 1 GG tragfähig. Zwar beeinträchtigt die Entscheidung der Beklagten die Möglichkeit der freien Berufsausübung des Klägers, weil er gezwungen bleibt, für jede seiner Apotheken die nach der Apothekenbetriebsordnung vorgesehenen betrieblichen Belastungen einer Notdienstbereitschaft zu tragen. Diese Beeinträchtigungen sind aber durch die sachlichen Gründe, die für einen wechselseitigen Notdienst unter Einbeziehung aller Apotheken sprechen, gerechtfertigt. Er dient dem Gebot der Gleichbehandlung durch eine gerechte Verteilung der Belastungen des Notdienstes auf die Apotheken und ihr Personal, der gleichmäßigen Verteilung der Notdienstapotheken auf das Gemeindegebiet und damit der gleichmäßigen Begünstigung der Einwohner aller Stadtteile, sowie dem Leitbild der Apothekenbetriebsordnung, die jede Apotheke verpflichtet, die notwendigen Arzneimittel und Einrichtungen bereit zu halten, um die Verpflichtung zur Gewährleistung einer Arzneimittelabgabe außerhalb der üblichen Öffnungszeiten sicherzustellen.
Insbesondere ist der in diesen Gründen angelegte und in der Versagung gegenüber dem Kläger von der Beklagten zum Ausdruck gebrachte Gesichtspunkt der Vermeidung einer Entwicklung hin zu Schwerpunktapotheken nicht willkürlich. Der Gesetzgeber hat zwar 2004 das Mehrbesitzverbot durch die Zulassung von bis zu drei Filialapotheken gelockert (§ 1 Abs. 2 ApoG), aber nicht die Anforderungen an die Vorhaltungspflichten und die notwendigen Einrichtungen der Apotheken zur Wahrnehmung des Notdienstes (§§ 4, 15 ApBetrO). Vor allem hat er die Pflicht zur Dienstbereitschaft und die Befreiungsmöglichkeiten nach § 23 ApBetrO in Bezug auf Filialapotheken nicht geändert. Er geht mithin nach wie vor davon aus, dass jede Apotheke, gleich ob Haupt- oder Filialapotheke, als „Vollapotheke“ alle Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung nicht nur formal erfüllen, sondern auch tatsächlich wahrnehmen soll. An dieser Grundentscheidung des Verordnungsgebers ist die Anwendung des § 23 Abs. 2 ApBetrO auszurichten.
Für die zuständigen Behörden besteht deshalb keine Veranlassung, Verbundapotheken zur Erleichterung der betrieblichen Abläufe hinsichtlich des Notdienstes gegenüber Einzelapotheken zu bevorzugen. Andernfalls geriete die als Ausnahmevorschrift für besondere Fälle angelegte Befreiungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2 ApBetrO zu einem generellen Befreiungstatbestand für die Verlagerung des Notdienstes auf eine andere Apotheke aus wirtschaftlichen oder betrieblichen Erwägungen. Würde diese Möglichkeit für Verbundapotheken eröffnet, wäre im Übrigen kein Grund ersichtlich, die Verlagerung des Notdienstes auf solche Apotheken zu beschränken. Vielmehr könnte jeder Apotheker bis an die Grenze der Gefährdung der Versorgungssicherheit verlangen, den seine Apotheke treffenden Notdienst auf eine dazu bereite andere Apotheke zu verlagern. Dadurch würde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die das in der Apothekenbetriebsordnung (bislang) angelegte System des wechselseitigen Notdienstes unter Einbeziehung aller Apotheken verändern und zu einer Ausbildung von zentral gelegenen und entsprechend ausgestatteten Schwerpunktapotheken führen würde, die den Notdienst für eine Vielzahl von Apotheken wahrnehmen würden. Einer solchen Entwicklung mag der Gesetz- und Verordnungsgeber den Weg bereiten; sie ist aber in der bisherigen Ausgestaltung der Apothekenbetriebsordnung nicht angelegt.“
An diesen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beklagte ihre Entscheidung ausgerichtet, wenn sie maßgeblich auf die unerwünschte Entwicklung von Schwerpunktapotheken sowie die gleichmäßige Verteilung der Notdienstapotheken auf das Gebiet des Notdienstkreises abstellt.
Besondere Gründe von derartigem Gewicht, dass sie ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Sein Verweis auf die Nähe der Hauptapotheke zur genannten ärztlichen Bereitschaftspraxis greift gegenüber den von der Beklagten genannten gegenläufigen Gesichtspunkten nicht durch (vgl. auch BayVGH, B.v. 18.10.2011 – 22 BV 10.1820 – juris Rn. 28; VG Minden, U.v. 19.3.2014 – 7 K 2490/12 – juris Rn. 45). Soweit der Kläger eine besondere Abstimmung des Warenlagers der Hauptapotheke auf die Bereitschaftspraxis benennt, hat die Beklagte zu Recht auf die normativ gebotene Vorratshaltung (§ 15 ApBetrO) verwiesen (vgl. VG Minden, a.a.O. Rn. 43). Zusammengefasst führt der Kläger im Kern betriebliche und wirtschaftliche Vorteile ins Feld. Diesen kann jedoch entgegengehalten werden, dass die Gestaltung des Notdienstes kein Instrument ist, um die Wettbewerbssituation zwischen den teilnehmenden Apotheken zu verändern, sondern darauf angelegt sein soll, die Belastungen und Nachteile, die die Teilnahme am Notdienst zwangsläufig mit sich bringt, möglichst gleichmäßig – und somit möglichst wettbewerbsneutral – auf alle Apotheken zu verteilen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 18.10.2011 – 22 BV 10.1820 – juris Rn. 28).
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht durch normative oder faktische Entwicklungen überholt (vgl. auch Cyran/Rotta, ApBetrO, Stand: Januar 2018, § 23 Rn. 68 ff., 92 ff.).
(1) Wenn die Klagepartei auf die Vierte Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 6. Juni 2012 verweist, ist zunächst festzuhalten, dass die hier in Rede stehende Bestimmung des § 23 Abs. 2 ApBetrO damit nicht geändert wurde. Die im Entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vorgesehene Sonderregelung zur Verlagerung von Notdiensten innerhalb von Filialapothekenverbünden (vgl. BR-Drs. 61/12, S. 52, 57 zu Art. 1 Nr. 26 b) wurde auf Veranlassung des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren gestrichen (vgl. BR-Drs. 61/1/12, S. 18, Empfehlung des Gesundheitsausschusses zu Nr. 26 b) und ist damit gerade nicht geltendes Recht.
(2) Entgegen der Auffassung der Klagepartei lassen sich den Äußerungen von Gesundheitsministerium und Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren auch keine Ansätze für eine Einschränkung des Ermessens der Beklagten entnehmen. Grundsätzlich gilt insoweit zunächst, dass § 23 Abs. 2 ApBetrO, wie bereits erwähnt, mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung nicht geändert wurde. Die Äußerungen in jenem Normsetzungsverfahren lassen damit bereits keine Rückschlüsse auf den Willen des historischen Gesetzgebers zu, der (allein) bei der Auslegung der Norm berücksichtigt werden könnte. Im Übrigen obliegen die Anwendung und Auslegung gesetzten Rechts nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) der vollziehenden bzw. der rechtsprechenden Gewalt, nicht hingegen dem aktuellen Normgeber. Abgesehen davon finden die Folgerungen der Klagepartei in den Materialien aber auch keine Stütze. Der Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drs. 61/1/12, Empfehlung des Gesundheitsausschusses zu Nr. 26), dessen Zustimmung nach § 21 ApoG erforderlich war, lässt sich zusammengefasst allein entnehmen, dass der Bundesrat keinen Sonderregelungsbedarf gesehen hat und im Übrigen in der vorgeschlagenen Änderung eine Abkehr von dem Grundsatz der angemessenen und gleichmäßigen Beteiligung aller Apotheken am Notdienst gesehen hat, der er normativ keinen Vorschub leisten wollte. Für eine Einschränkung oder Vorstrukturierung der Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 2 ApBetrO im Einzelfall gibt dies nichts her.
(3) Die Kammer vermag auch keine Parallele zu der Sonderregelung für Filialverbün de in § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2 ApBetrO zu ziehen. Wenn diese Norm es Apotheken erlaubt, Rezepturarzneimittel in einem Filialverbund zu beziehen und damit die Rezepturherstellung auf eine Apotheke im Filialverbund zu verlagern (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 21.2.2017 – 13 LA 187/16 – juris), beruht das auf einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers, der die Entscheidung darüber allein der unternehmerischen Freiheit des Apothekeninhabers überlässt (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.). Die Entscheidung über die Verlagerung des Notdienstes im Filialverbund hingegen hat der Gesetzgeber in das Ermessen der Behörde gestellt und die unternehmerische Freiheit des Apothekeninhabers insoweit begrenzt. Die Grundentscheidung des Verordnungsgebers, nach der jede Apotheke, gleich ob Haupt- oder Filialapotheke, als „Vollapotheke“ alle Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung nicht nur formal erfüllen, sondern auch tatsächlich wahrnehmen soll (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 25), ist somit allein für den Bereich der Rezepturherstellung punktuell zurückgenommen.
(4) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Verweis des Klägers auf tatsächliche Änderungen in der Apothekenlandschaft sowie eine Erhöhung des Anteils an Filialapotheken. Denn auch diese Filialapotheken sollen nach dem Leitbild der Apothekenbetriebsordnung grundsätzlich gleichermaßen wie Hauptapotheken zur Gewährleistung der Arzneimittelabgabe außerhalb der üblichen Öffnungszeiten beitragen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2011 – 3 C 21.10 – juris Rn. 24 f.; vgl. auch § 4 Abs. 3, § 15 ApBetrO); die Tragfähigkeit der o.g. Ermessenserwägungen der Beklagten wird damit nicht in Frage gestellt.
4. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass er hinsichtlich der übrigen, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits in der Vergangenheit liegenden Notdienste seiner Filialapotheken an Samstagen und Sonntagen einen Anspruch auf Übertragung auf die Hauptapotheke, hilfsweise auf Neubescheidung hatte, ist die Klage unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Der Kläger hatte weder Anspruch auf die beantragte Übertragung der Notdienste noch auf Neubescheidung. Aus den vorstehend genannten Gründen, die insoweit gleichermaßen zum Tragen kommen, ohne dass es einer Differenzierung zwischen Sonntagen und Samstagen bedarf, weisen die Entscheidungen der Beklagten über die entsprechenden Anträge des Klägers aus dem Oktober 2018 und August 2019 auch mit Blick auf die in der Vergangenheit liegenden samstäglichen und sonntäglichen Notdienste keine Ermessensfehler auf.
5. Nach alldem war die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO.


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