Europarecht

Verstoß gegen Textilkennzeichnungspflicht als lauterkeitsrechtlicher Verstoß

Aktenzeichen  17 HK O 1614/16

Datum:
16.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2016, 134555
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 890
UWG § 3a, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
TextilkennzVO Art. 4, Art. 5 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1, Abs. 3, Anh. I
BGB § 288, § 291

 

Leitsatz

Art. 4, 5 Abs. 1, Art. 16 Abs. 3, Anh. I TextilkennzVO, wonach Textilfasern in der jeweiligen Amtssprache des Landes der Bereitstellung an den Verbraucher zu etikettieren sind, stellt eine Marktverhaltensregel iSv § 3a UWG dar. Ein Verstoß ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen an einem Mitglied des Vorstandes der SILAG Handel AG, gemäß § 890 ZPO,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Verbrauchern Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80 % aufweisen, bereitzustellen, wenn die in diesen Hosen jeweils enthaltenen Textilfasern nicht leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar durch Etiketten oder eine Kennzeichnung anhand der in der deutschen Fassung des Anhang I zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführten Textilfaserbezeichnungen gekennzeichnet werden.
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin die nicht festsetzbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.044,40 (netto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.02.2016 zu bezahlen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 25.000,-, im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist der gestellte Antrag gemäß Schriftsatz vom 05.04.2016 nicht zu weitgehend, weil dieser beschränkt ist auf Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80 % aufweisen. Diese Produkte fallen ausweislich Artikel 2 Abs. 2 a der Verordnung (EU) Nr. 1007/20011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2011 über die Bezeichnung von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 73/44/EWG des Rates und der Richtlinien 96/73/EG und 2008/121/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Textilkennzeichnungsverordnung) unter den Anwendungsbereich der Textilkennzeichnungsverordnung.
Der gestellte Antrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil er sich nicht an die konkrete Verletzungsform halten würde. Denn das Charakteristische der Verletzungshandlung ist nicht lediglich die Bereitstellung von Hosen, die nur mit den Begriffen „Cotton“ oder „Acrylic“ gekennzeichnet sind, im Gegenteil ist das Charakteristische der behaupteten Verletzungshandlung nicht nur auf diese beiden Begriffe beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich und allgemein die Bereitstellung von Hosen, bei denen die jeweils enthaltenen Textilfasem nicht anhand der in der deutschen Fassung des Anhanges I. zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführten Textilfaserbezeichnungen gekennzeichnet werden.
II. Die Klage ist in vollem Umfange begründet:
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist begründet nach den Art. 4, 5 Abs. 1, 14, 16 Abs. 3 TextilkennzVO i.V.m. d. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 a UWG:
Mit dem Ausliefern der Hosen, die, wie sich aus Anlage SNP 3 ergibt, mit nicht in deutscher Sprache gehaltenen Textilfaserbezeichnungen versehen waren, hat die Beklagte gegen Art. 5 Abs. 1, 14 Abs. 1, 16 Abs. 1, 16 Abs. 3 TextilkennzVO verstoßen:
a. Nach Artikel 4 der TextilkennzVO dürfen Textilerzeugnisse nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie etikettiert oder gekennzeichnet sind oder ihnen Handelsdokumente im Einklang mit der Verordnung beiliegen. Nach Artikel 5 Abs. 1 der TextilkennzVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzung auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen nur die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I verwendet werden. In Art. 16 Abs. 3 TextilkennzVO ist bestimmt, dass die Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedsstaates erfolgt, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn, dass der betreffende Mitgliedsstaat etwas anderes vorschreibt.
Anhang I der TextilkennzVO enthält in der deutschen Fassung keine Textilfaserbezeichnungen „Cotton“ bzw. „Acrylic“. Damit sind die von der Beklagten bereitgestellten Hosen mit Etiketten versehen, die nicht den Anforderungen von Art. 14 Abs. 1, 16 Abs. 3 TextilkennzVO entsprechen.
b. Bei den Etikettierungsvorschriften der TextilkennzVO handelt es sich um Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, dazu bestimmt sind, das Marktverhalten zu regeln (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, Rdn. 1.194 und 1.211 zu § 3 a UWG).
Damit liegt ein Rechtsbruch der Beklagten i.S.v. § 3 a UWG vor. Der besagte Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Der Gesetzgeber hat aus Gründen des Europäischen Verbraucherschutzes gerade und bewusst die Entscheidung getroffen, dass die Textilkennzeichnung bei der Etikettierung oder Kennzeichnung in der jeweiligen Amtssprache im jeweiligen Land der Bereitstellung an den Verbraucher zu erfolgen hat und die Ware auch zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer mit einer entsprechenden Etikettierung versehen sein muss. Dabei ist der Gesetzgeber gerade nicht der Auffassung, dass eine Etikettierung oder Kennzeichnung der bereitgestellten Bekleidungsgegenstände beispielsweise in englisch oder einer sonst allgemein verständlichen Sprache oder in einer anderen Amtssprache ausreichend ist. Vielmehr hat die Faserbezeichnung bei der Etikettierung oder Kennzeichnung nach dem Willen des Gesetzgebers zwingend in der Sprache zu erfolgen, in dessen Hoheitsgebiet die Bekleidungsgegenstände dem Verbraucher vom Händler bereitgestellt werden. Etwas anderes ist in der deutschen Fassung auch nicht vorgesehen.
Die Interessen der Verbraucher werden durch die Angabe der Faserzusammensetzung in einer anderen als der deutschen Sprache spürbar beeinträchtigt.
Der Umstand, dass möglicherweise der Begriff Cotton von angesprochenen Verkehrskreisen als Baumwolle verstanden wird, ändert hieran nichts, weil diese Bezeichnung gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Im übrigen ist es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht für sämtliche angesprochenen Verkehrskreise ersichtlich, dass es sich bei dem Begriff Acrylic um Polyacryl handelt. Den Verbrauchern werden wesentliche Informationen vorenthalten, nämlich diejenige, welche Faserzusammensetzung die Textilie konkret aufweist. Für die angesprochenen Verbraucher ist es aber von entscheidender Bedeutung, welche Faserzusammensetzung eine Textilie hat, weil dieser Umstand für die Verbraucher gerade dafür entscheidend ist, sich für den Ankauf eines Bekleidungsstückes zu entscheiden oder nicht.
Damit erweist sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch als begründet nach Artikeln 4, 5 Abs. 1, 14, 16 Abs. 3 TextilkennzVO i.V.m. § 3 a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.
2. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die seitens der Klagepartei gegenüber der Beklagten ausgesprochene Abmahnung vom 22.01.2016 berechtigt i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG war, so dass bezüglich dieser Abmahnung die Klagepartei Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Aufwendungen hat. Diese belaufen sich auf eine 1,3 Rechtsanwaltsmittelgebühr aus einem Gegenstandswert von € 25.000,-, so dass sich der Anspruch einschließlich Pauschale für Post und Telekommunikation auf € 1.044,40 beläuft.
Die geltend gemachten Verzugszinsen sind begründet nach §§ 288, 291 BGB.
Damit war der Klage vollumfänglich stattzugeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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