Europarecht

Vorabentscheidung, Verwaltungsrechtsweg (eröffnet)

Aktenzeichen  M 18 E 21.2712

Datum:
22.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50995
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a Abs. 3
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Für die vorliegende Streitsache ist der Verwaltungsrechtsweg zulässig.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Untersagung der Vergabe von Jugendhilfeleistungen in Form der Schulsozialarbeit nach § 13 SGB VIII aufgrund eines Vergabeverfahrens an die Beigeladene durch den Antragsgegner.
Unter dem 13. April 2021 schrieb der Antragsgegner die streitgegenständlichen Jugendhilfeleistungen im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union als öffentlicher Auftrag im Bereich „Dienstleistungen des Sozialwesens“ unter dem CPV-Code … und der Bezeichnung „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises …“ EUweit aus. Der Auftrag wurde in acht Lose entsprechend acht weiterführender Schulen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners (Realschule E …, Realschule M … S …, Realschule P …, Realschule V …, Gymnasium G …, Gymnasium K …, Gymnasium M … Schwaben und Gymnasium V … ) aufgeteilt. Als Laufzeit der zu schließenden Verträge oder Rahmenvereinbarungen wurde der Zeitraum 1. September 2021 bis 31. August 2024 mit der Option der dreimaligen Verlängerung um je ein Jahr durch den Auftraggeber genannt. Des Weiteren war als Bedingung für die Ausführung des Auftrages die Anerkennung des Bieters als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII aufgeführt sowie mindestens eine Referenz bezüglich früherer Erbringung von mit der Ausschreibung vergleichbarer Sozialpädagogischer Arbeit über einen Zeitraum von einem Jahr. Als zuständige Stelle für Rechtsbehelfs- und Nachprüfungsverfahren nennt die Auftragsbekanntmachung die Regierung von Oberbayern – Vergabekammer Südbayern. Die Frist zur Einreichung der Angebote endete am 11. Mai 2021.
Der Antragsteller gab am 11. Mai 2021 ein Angebot zu den Losen 1 bis 8 ab.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 informierte der Antragsgegner den Antragsteller darüber, dass der Zuschlag zu den Losen 1 bis 8 auf die Angebote des Beigeladenen – frühestens am 11. Juni 2021 – erteilt werden würde und die Angebote des Antragstellers gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 und 6 VgV ausgeschlossen werden müssten.
Mit bei Gericht am 21. Mai 2021 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Mai 2021 beantragte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten, die „Vergabe“ von „Sozialpädagogischer Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises …“ an die … vorläufig zu untersagen.
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass eine Entscheidung über die finanzielle Förderung von Schulsozialarbeit nach § 13 Abs. 1 SGB VIII im Vergabeverfahren rechtlich unzulässig sei. Eine weitergehende Begründung wurde angekündigt und um Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner zur Verhinderung einer Vergabe vor der Entscheidung des Gerichts gebeten.
Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 bestellten sich die Bevollmächtigten des Antragsgegners und beantragten, nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG festzustellen, dass der beschrittene Rechtsweg unzulässig sei. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Die Überprüfung der Vergabe des vom Antragsgegner ausgeschriebenen öffentlichen Auftrags obliege der Vergabekammer Südbayern nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schriftsatz vom 7. Juni 2021 ergänzend aus, dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO eröffnet sei. Bei der Erbringung der Leistung nach § 13 Abs. 1 SGB VIII werde keine Dienstleistungskonzession und auch kein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 155 GWB vergeben. Es sei in der bisherigen Rechtsprechung unstrittig, dass eine solche Leistung nach § 74 SGB VIII zu fördern sei und nicht nach Vergaberecht vergeben werden dürfe. Besonders problematisch sei das streitgegenständliche Vergabeverfahren, da wohl eine Auftragsvergabe mit ausschließlichem Charakter an einen einzigen Leistungserbringer erfolgt sei. Alle wesentlichen Grundsätze, die das Kinder- und Jugendhilferecht prägten, würden nicht mehr zum Tragen kommen, wenn im Vergabeverfahren der billigste oder einige wenige billige Leistungserbringer ausgewählt werden könnten. Im streitgegenständlichen Fall werde offensichtlich der Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Förderung nach § 74 SGB VIII verletzt. Zudem könne bei Vornahme der Vergabeentscheidung insbesondere die Trägerpluralität nach § 3 Abs. 1 SGB VIII hinsichtlich der Schulsozialarbeit an weiterführenden Schulen im betroffenen Landkreis nicht mehr ansatzweise verwirklicht werden.
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2021 verwiesen die Bevollmächtigten des Antragsgegners erneut auf die Unzulässigkeit des Antrags mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gemäß § 40 Abs. 1 VwGO und übersandten die EU-Bekanntmachung vom 13. April 2021, die ergänzenden Vergabeunterlagen und ein Vertragsmuster für das Los 1. Der Antragsgegner führte insbesondere aus, dass sowohl in der Rechtsbehelfsbelehrungin der EU-Bekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen auf die Zuständigkeit der Vergabekammer hingewiesen werde. Zudem habe der Antragsteller die behaupteten Rechtsverstöße nicht gemäß § 160 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 GWB gerügt.
Mit Schiebebeschluss vom 10. Juni 2021 untersagte das Gericht zur Sicherung des Primärrechtschutzes des Antragstellers dem Antragsgegner vorläufig, bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO Leistungen auf Grund des Vergabeverfahrens „SaS – Sozialpädagogische Arbeit an den weiterführenden Schulen des Landkreises …“ zu vergeben.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2021 wurde die … zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2021 konkretisierte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antrag dahingehend, die „Vergabe“ vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen. Der Antragsteller werde nach Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens unmittelbar Klage auf Unterlassung der Vergabeentscheidung erheben.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Antragsteller die Leistung der Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des Antragsgegners bereits seit dem Jahr 2012 bis zum heutigen Zeitpunkt erbringe. Von der Vergabestelle des Antragsgegners seien die Aufträge erteilt und in der Folge Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarungen über die Leistungserbringung abgeschlossen worden. Nach der Systematik des SGB VIII erforderliche Finanzierungsbescheide nach § 74 SGB VIII seien hingegen nicht erlassen worden. Da der Antragsteller Leistungen nach § 13 Satz 1 SGB VIII auf dieser Basis kostendeckend habe erbringen können und über die SGB VIIIkonformen Rahmenbedingungen der Finanzierung im Unklaren gewesen sei, habe bisher kein tatsächlicher Grund für ein Vorgehen gegen diese rechtswidrige Verwaltungspraxis bestanden.
Ein Anordnungsanspruch auf Unterlassen der Vergabeentscheidung liege vor. Dem Antragsteller stehe ein Anspruch aus § 74 SGB VIII auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Finanzierung der Schulsozialarbeit gemäß § 13 Abs. 1 SGB VIII an den weiterführenden Schulen das Antragsgegners zu. Dieser Anspruch würde durch das gerügte Vergabeverfahren mit Zuschlag ausschließlich an den wirtschaftlichsten Leistungserbringer vereitelt werden. Der Antragsgegner habe die sich aus § 13 Abs. 1 SGB VIII und § 74 SGB VIII ergebende Systematik des Kinder- und Jugendhilferechts verkannt. Bei den Leistungen nach §§ 11 bis 41 SGB VIII handele es sich nicht um freiwillige Leistungen, sondern vielmehr um verpflichtend vorzunehmende Aufgaben, die zwingend in einem bedarfsdeckenden Umfang mit einem pluralen Angebot verschiedener Leistungserbringer vorzuhalten seien. Bei der im Rahmen von § 74 SGB VIII zu treffenden Ermessensentscheidung müssten insbesondere die wichtigen Strukturprinzipien des SGB VIII beachtet werden. Evident ermessensfehlerhaft sei es, die Entscheidung ausschließlich an fiskalischen Interessen auszurichten. Werde die Förderung nach § 74 SGB VIII durch ein Vergabeverfahren ersetzt, werde – insbesondere bei einer Auftragsvergabe mit ausschließlichem Charakter an einen einzigen Leistungserbringer – der Anspruch des Leistungserbringers nach § 74 SGB VIII und die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG verletzt.
Der Anspruch des Antragstellers nach § 74 SGB VIII würde mit Vornahme der Vergabeentscheidung mindestens bis zum 31. August 2024, vermutlich aber bis 31. August 2027, vereitelt werden. Eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sei daher dringlich. Dem Antragsteller drohten zudem nicht unerhebliche finanzielle Nachteile, sollte er die Leistung der Schulsozialarbeit an den weiterführenden Schulen des Antragsgegners nicht weiter erbringen können.
Der Antragsgegner legte am 25. Juni 2021 die elektronische Behördenakte vor.
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021 nahmen die Bevollmächtigten des Antragsgegners erneut zum Antrag Stellung und baten das Gericht um Entscheidung über den Antrag des Antragstellers in der konkretisierten Fassung, „d.h. nicht nur um eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg“.
Sie beantragten,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde zum einen ausgeführt, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig sei. Die Ankündigung des Antragstellers, Klage auf Unterlassung der Vergabeentscheidung zu erheben, könne nur dahin verstanden werden, dass sich dieser gegen die beabsichtigten Vertragsabschlüsse mit der Beigeladenen wehren wolle. Im Schwerpunkt sei daher eine privatrechtliche Streitigkeit betroffen. Auch aus dem fachgesetzlichen Rahmen, in dem sich die geplante Auftragserteilung vollziehe, folge nichts anderes; das Sachleistungsverschaffungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Jugendhilfeträger und dem Leistungserbringer sei zivilrechtlich ausgestaltet. Jedenfalls greife die abdrängende Sonderzuweisung in §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB. Die Zuständigkeitskonzentration der §§ 155 ff. GWB schließe eine Inzidentprüfung von Rechtsfragen aus anderen Rechtsgebieten ein, die monierte Verletzung der §§ 13, 74 SGB VIII hätte vom Antragsteller daher zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden müssen. Mit seinem Einwand sei der Antragsteller durch rügelose Einreichung seines Angebots jedoch gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 – 3 GWB präkludiert. Zum anderen fehle dem Antragsteller bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller beim Antragsgegner keinen Antrag auf die begehrte finanzielle Förderung nach § 74 SGB VIII gestellt habe. Zudem habe dem Antragsteller das Rügeverfahren nach § 160 Abs. 3 GWB als einfachere und zumutbare Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung gestanden, in dem er hätte rügen können, dass das Vergabeverfahren mit den Grundprinzipien des SGB VIII nicht vereinbar sei.
Des Weiteren sei kein Anordnungsanspruch gegeben. Der Antragsteller habe einen Anspruch gemäß § 74 SGB VIII, aus dem dieser einen Anspruch auf Unterlassung der Vertragsabschlüsse zu den einzelnen Losen ableite, nicht glaubhaft gemacht. Der sachliche Anwendungsbereich des § 74 SGB VIII sei bereits nicht eröffnet, da es vorliegend nicht um eine Förderung, also um eine(Sozial-)Subvention gehe. Des Weiteren sei die Voraussetzung des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII nicht erfüllt, da der Antragsteller in Bezug auf SaS keine Eigenleistung erbringe; vielmehr sei der im bezuschlagten Angebot genannte Preis Vertragsbestandteil und werde als entgeltliche Gegenleistung für die SaS-Dienstleistung in voller Höhe geschuldet. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen des § 74 Abs. 1 SGB VIII setze zudem einen entsprechenden Antrag auf Förderung voraus, der hier fehle. Überdies stehe eine fehlerhafte Ermessensentscheidung des Antragsgegners vorliegend überhaupt nicht in Rede, da der Antragsgegner eine Vergabeentscheidung in einem Vergabeverfahren getroffen und nicht sein Ermessen bei Bewilligung einer Zuwendung ausgeübt habe. Eine Ermessensreduktion auf Null sei darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere folge aus der vom Antragsteller angeführten Vorhaltung von Personal im Rahmen des aktuellen Vertragsverhältnisses kein Anspruch auf Förderung über das reguläre Vertragsende hinaus.
Ein künftiger Anspruch nach § 74 SGB VIII könne des Weiteren nicht Grundlage einer einstweiligen Anordnung sein. Vorbeugende Unterlassungsbegehren seien nur dann statthaft, wenn sie sich gegen die Herbeiführung irreparabler Folgen richten würden und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit dargelegt sei. Unabhängig davon habe der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass sein aus § 74 SGB VIII abgeleitetes Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Abschluss einer Vereinbarung mit der Beigeladenen dauerhaft und endgültig vereitelt werde. § 74 SGB VIII verhalte sich nicht zu der Frage, ob der Jugendhilfeträger den Vertragspartner für Leistungen nach § 13 Abs. 1 SGB VIII in einem Vergabeverfahren suchen könne. Das Vergaberecht sehe jedenfalls keine Bereichsausnahme für die streitgegenständlichen Leistungen vor. Der örtliche Jugendhilfeträger könne sich auch im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entscheiden, ob er die im Beschaffungsverhältnis zu erbringenden Dienstleistungen des Leistungsträgers in einem Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB vergebe. Ein Verbot der Vergabe derartiger Dienstleistungen sei bundesgesetzlich nicht geregelt.
Eine hauptsacheunabhängige Interessenabwägung im Falle offener Erfolgsaussichten würde vorliegend darüber hinaus zugunsten des öffentlichen Interesses an der unterbrechungsfreien Versorgung von acht Schulen mit sozialpädagogischen Leistungen ausgehen.
Ein Anordnungsgrund sei des Weiteren nicht gegeben, da der Antragsteller als bisheriger Vertragspartner nicht auf die beanspruchte Förderung angewiesen gewesen sei, um die Leistungen der Schulsozialarbeit zu erbringen. Schließlich verstoße die beantragte einstweilige Anordnung auch gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache.
Die Bevollmächtigten des Antragsgegners verwiesen mit Schriftsatz vom 2. Juli 2021 des Weiteren auf die Entscheidung des OLG Jena vom 9. April 2021 (Verg 2/20).
Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass der Antragsgegner beabsichtige, für den Zeitraum 1. September 2021 bis 31. Dezember 2021 ein erneutes Vergabeverfahren durchzuführen, um einen Anbieter interimsweise mit den streitgegenständlichen Leistungen nach § 13 Abs. 1 SGB VIII zu beauftragen, und beantragte, das „Interimsvergabeverfahren“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen (M 18 E 21.3668).
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Finanzierung von Leistungen, die nur eine objektivrechtliche Verpflichtung zur Bereitstellung der Leistung in einem bedarfsdeckenden Umfang vorgeben würden, über eine Förderentscheidung nach § 74 SGB VIII durch Verwaltungsakt verbeschieden werden müsste. Eine Entscheidung über die Finanzierung nach Vergaberecht sehe das Gesetz hingegen ausdrücklich nicht vor und sei vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Daher könne der Antragsgegner mit der rechtswidrigen Vornahme einer Vergabeentscheidung über die Finanzierung der Leistung nach § 13 Abs. 1 SGB VIII auch nicht den Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung bestimmen, im SGB VIII nichtexistierende Präklusionsregelungen einführen und den Antragsteller auf eine Inzidentprüfung des öffentlichen Rechts durch zivilgerichtliche Vergabekammern verweisen.
Ferner verkenne der Antragsgegner, dass vorliegend kein Anspruch auf Förderung nach § 74 SGB VIII geltend gemacht werde; es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob dessen Voraussetzungen gegeben seien. Auch rüge der Antragsteller entgegen der Annahme des Antragsgegners keine Fehler im Vergabeverfahren. Es gehe dem Antragsteller ausschließlich darum, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners über die Förderung der Schulsozialarbeit ab dem Schuljahr 2021/2022 zu ermöglichen, was durch den ausschließlichen Zuschlag an die Beigeladene bis mindestens zum 31. August 2024 verhindert werden würde.
Mit E-Mail vom 14. Juli 2021 wandten sich die Bevollmächtigten des Antragsgegners an den Antragsteller und teilten mit, dass der Antragsgegner die interimsweise Beschaffung von Leistungen der „Jugendsozialarbeit an Schulen“ (JaS) auch an der J …C … Schule in G … ab dem 1. September beabsichtige und ein entsprechendes Vergabeverfahren durchführen werde. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 beantragte der Antragsteller daraufhin durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsreicht München, auch dieses „Interimsvergabeverfahren“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen (M 18 E 21.3726).
Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2021 im Verfahren M 18 E 21.3668 mit, dass der Antragsteller beim Antragsgegner inzwischen einen Antrag nach § 74 SGB VIII eingereicht habe.
Eine Äußerung der Beigeladenen zur Sache erfolgte bisher nicht.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verfahren M 18 E 21.3668 und M 18 E 21.3726 sowie auf die vorgelegte Behördenakte ergänzend Bezug genommen. II.
Für die vorliegende Streitsache ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig.
Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG. Eine Rüge i.S.d. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG liegt dabei vor, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich bestritten wird, die Äußerung bloßer Zweifel reicht indessen nicht aus (vgl. Ehlers in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 17a GVG Rn. 25).
Vorliegend hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 vorgetragen, dass die Zuständigkeit für das streitgegenständliche Antragsbegehren nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV bei der Vergabekammer Südbayern liege. Er beantragte des Weiteren, nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG festzustellen, dass der beschrittene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten unzulässig sei. Eine explizite Rüge i.S.d. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ist damit gegeben.
Im Schriftsatz vom 28. Juni 2021 bat der Antragsgegner um eine Entscheidung über den Antrag mit dem Zusatz „d.h. nicht nur um eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg gemäß § 17a GVG.“ Unabhängig davon, ob die Rüge des fehlenden Rechtsweges in Hinblick auf ihre Natur als Prozesshandlung überhaupt widerruflich wäre (ablehnend: Ehlers in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 17a GVG Rn. 25; Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17a GVG, Rn. 25), führte der Antragsgegner sodann jedoch unter der Überschrift „1. Fehlender Verwaltungsrechtsweg“ nochmals aus, dass aus seiner Sicht keine öffentlichrechtliche Streitigkeit gegeben und der Verwaltungsrechtsweg damit nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet sei. Der Antragsgegner hält damit eindeutig an seinem ursprünglichen Vorbringen und folglich an seiner Rüge fest. Das Gericht sieht sich daher nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG in der Pflicht, die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs vorab festzustellen. Da das Rechtsmittelgericht nach § 17a Abs. 5 GVG an die Rechtswegentscheidung der vorhergehenden Instanz gebunden ist, wäre dem Antragsgegner im Falle des Unterliegens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ansonsten die Möglichkeit genommen, die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs anzugreifen.
Das Gericht sieht den Verwaltungsrechtsweg als zulässig an.
Entgegen der im Schriftsatz vom 28. Juni 2021 geäußerten Auffassung des Antragsgegners richtet sich das Antragsbegehren im vorliegenden Verfahren allein auf die Unterlassung der Vergabe, also der Erteilung des Zuschlags im Rahmen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens an die Beigeladene.
Hingegen ist die konkrete Durchsetzung eines Anspruchs des Antragstellers nach § 74 Abs. 1 SGB VIII, mithin also die Verpflichtung des Antragsgegners zum Abschluss einer Fördervereinbarung,- wie der Antragsteller mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 im Übrigen klargestellt hat – vom Antrag nicht umfasst. Vielmehr leitet der Antragsteller aus einer drohenden Verletzung des ihm als freien Jugendhilfeträger dem Grunde nach zustehenden Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Förderung nach § 74 SGB VIII lediglich den Anordnungsanspruch sowie auch die Antragsbefugnis ab.
In Hinblick auf das dargelegte Antragsbegehren ist eine öffentlichrechtliche Streitigkeit, für die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, gegeben. Die abdrängende Sonderzuweisung nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB an die Vergabekammern ist nicht einschlägig.
Im Streit steht vorliegend im Grundsatz die Beauftragung von freien Jugendhilfeträgern mit der Erbringung von Leistungen der Schulsozialarbeit nach § 13 Abs. 1 SGB VIII durch den Antragsgegner im Wege eines Vergabeverfahrens.
Unabhängig davon, welche der im SGB VIII vorgesehenen Finanzierungsformen hierfür einschlägig ist oder ob § 13 Abs. 1 SGB VIII einen subjektivrechtlichen Anspruch des Leistungsberechtigten vermittelt oder lediglich eine objektivrechtliche Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Bereitstellung eines entsprechenden Angebots begründet, stellt die Beauftragung von freien Jugendhilfeträgern mit der Erbringung von Leistungen der Schulsozialarbeit ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis dar.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Beziehung zwischen Leistungserbringer und Jugendhilfeträger im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis öffentlichrechtlicher Natur ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 12 C 18.313 – juris, Rn. 7). Auch bei der hier in Rede stehenden Finanzierung, die sich wohl außerhalb des Dreiecks bewegt, schaltet der Antragsgegner als Träger der öffentlichen Jugendhilfe freie Träger ein, um seiner in § 79 Abs. 2 SGB VIII statuierten Gewährleistungspflicht zur Schaffung eines ausreichenden Angebots an Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen nachzukommen. Unabhängig davon, ob eine Finanzierung dieser Leistung über eine Förderung nach § 74 SGB VIII oder eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII erfolgt, ist ein solche zumindest auch öffentlichrechtlich geprägt (vgl. zur Finanzierung eines Kindertagesstätte NdsOVG, B.v. 29.10.2018 – 10 ME 363/18 – juris Rn. 8 ff.; zu § 77 SGB VIII VG Münster, U.v. 18.8.2004 – 9 L 970/04 – juris Rn. 8). Allein die Tatsache, dass dem Abschluss einer Vereinbarung vorliegend ein Vergabeverfahren vorgeschaltet wurde, führt entgegen der wohl vom Antragsgegner vertretenen Auffassung nicht dazu, dass die über die Leistungserbringung zu schließenden Verträge per se privatrechtlicher Natur seien und der Sachverhalt ausschließlich anhand vergaberechtlicher Maßstäbe zu messen wäre.
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist auch nicht gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO wegen einer abdrängenden Sonderzuweisung zu den Vergabekammern gemäß §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB ausgeschlossen. Nach § 156 Abs. 2 GWB können Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden. Vorliegend steht jedoch weder ein Anspruch des Antragstellers auf Einhaltung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB noch die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren in Rede. Vielmehr begehrt der Antragsteller in Hinblick auf die Bestimmungen des SGB VIII die Unterlassung der Durchführung des Vergabeverfahrens als solches. Die Beurteilung dieser Frage obliegt jedoch dem Verwaltungsgericht als sachnäherer Instanz und kann nicht zum Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 13.5.2015 – VII-Verg 38/14 – juris Rn. 30; OLG Brandenburg, B.v. 3.11.2011 – Verg W 4/11 – juris; VG Münster, U.v. 18.8.2004 – 9 L 970/04 – juris Rn. 8; Schweigler, JAmt 2019, 292 f.). Das Vorbringen des Antragsgegners in Bezug auf die zitierte Entscheidung des Vergabesenats des OLG Düsseldorf überzeugt nicht. Es mag sein, dass, wie der Antragsgegner vorträgt, ein Antragsteller in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren in Bezug auf die erforderliche Antragsbefugnis nachweisen muss, dass seine Chance auf den Erhalt des Auftrags im konkreten Vergabeverfahren durch einen Rechtsverstoß des Ausschreibenden beeinträchtigt wird. Greift der Antragsteller jedoch das Vergabeverfahren per se an und will dessen Durchführung verhindern, kann schwerlich verlangt werden, dass der Antragsteller nachweist, dass er ohne die geltend gemachte Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte; wird kein Vergabeverfahren durchgeführt, wird auch kein Zuschlag erteilt werden. Eine Antragsbefugnis in obigen Sinne ist damit in einem solchen Fall von vornherein ausgeschlossen. Sofern der Antragsgegner also vorbringt, dass auch im Nachprüfungsverfahren ein Verstoß gegen Vorschriften des SGB VIII gerügt werden könne, „soweit der Antragsteller eine derartige Rechtsverletzung “ – sprich die oben beschriebene Antragsbefugnis – „geltend machen kann“, erweist sich dies als Zirkelschluss. Das Nachprüfungsverfahren hat den Zweck, dass Aufträge – ordnungsgemäß – erteilt werden, nicht, dass die Auftragserteilung verhindert wird (OLG Brandenburg, B.v. 3.11.2011 – Verg W 4/11 – juris).
Die vom Antragsgegner des Weiteren angeführte Entscheidung des OLG Jena (B. v. 9.4.2021 – Verg 2/20) führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich von der hiesigen Konstellation dahingehend, dass der Antragsteller dort explizit die Unterlassung eines Vergabeverfahrens, mithin eine Verletzung seines Rechts aus § 97 Abs. 6 GWB rügte. Streitgegenstand des dortigen Verfahren war somit die Frage, ob es sich um einen vergaberechtlich relevanten (Auswahl-)Vorgang handelte, was das Gericht im Folgenden bejahte. Im Gegensatz hierzu wird im vorliegenden Verfahren gerade die Durchführung des Vergabeverfahrens und ein damit einhergehender Verstoß gegen die Grundsätze der Jugendhilfe gerügt. Da für die Frage des Rechtsweges der Streitgegenstand, also der prozessuale Anspruch, der durch den zur Begründung vorgetragenen tatsächlichen Lebenssachverhalt näher bestimmt wird, maßgeblich ist (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 31), verbleibt es somit bei der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs.
Da die Rüge des Antragstellers, die Durchführung des Vergabeverfahrens an sich sei bereits rechtswidrig, wie dargelegt nicht zum Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gemacht werden kann, kann diesbezüglich im Übrigen auch keine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1-3 GWB eingetreten sein. § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB bezieht sich demnach auch auf „Verstöße gegen Vergabevorschriften“. Ein Verstoß gegen vergaberechtliche Normen wird vorliegend jedoch gerade nicht gerügt.
Vorliegend ist daher von einer öffentlichrechtlichen Streitigkeit auszugehen, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.


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