Europarecht

Voraussetzungen für die Strukturkündigung eines Kfz-Händlervertrages

Aktenzeichen  VIII ZR 13/09

Datum:
20.10.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Art 101 Abs 3 AEUV
Art 3 Abs 5 Buchst b DBuchst ii EGV 1400/2002
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 18. Dezember 2008, Az: 19 U 33/08, Urteilvorgehend LG Köln, 7. Februar 2008, Az: 86 O 58/07

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. Dezember 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger betreibt ein Autohaus in E. Nachdem er bis zum 30. September 2004 autorisierter Vertragshändler der Beklagten gewesen war, schloss er im September 2005 mit der Beklagten zum 1. Oktober 2005 einen Nissan-Vertragswerkstattvertrag (im Folgenden: Werkstattvertrag). Art. XVI Nr. 1 des Vertrages lautet:
“Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per Einschreiben/Rückschein gekündigt werden. Eine von NISSAN ausgesprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist und darf nicht auf Verhaltensweisen der Vertragswerkstatt gestützt werden, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hinaus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechtes.
Abweichend davon ist es NISSAN gestattet, diesen Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu beenden, unter der Voraussetzung, dass
a) (…)
b) sich für NISSAN die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren.”
2
Die Beklagte kündigte im Rahmen einer Netzkündigung, die sich auf sämtliche Vertragshändler- und Werkstattverträge erstreckte, mit Schreiben vom 11. Januar 2006 auch den Vertrag mit dem Kläger unter Berufung auf Art. XVI Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages zum 31. Januar 2007. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
“Das bestehende Vertriebsnetz entspricht weder den Bedürfnissen der regionalen Kaufgewohnheiten noch den Qualitätsanforderungen, die die potenziellen NISSAN-Kunden an einen modernen Kfz-Vertrieb stellen. Mit dem bisherigen Vertriebsnetz werden daher weder alle potenziellen NISSAN-Kunden in optimaler Weise erreicht noch werden unsere Produkte und Leistungsangebote in einem Umfeld präsentiert, das dem Ansehen der Marke NISSAN hinreichend gerecht wird.
Aufgrund der Ergebnisse intensiver Beobachtungen und Untersuchungen des Käuferverhaltens und der Kaufgewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangen Jahren hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG ein völlig neu konzipiertes Händlernetz entwickelt.
Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Qualität und die Professionalität nicht nur des Neufahrzeugvertriebs, sondern auch die der Serviceleistungen zu verbessern, um den Anforderungen an einen modernen Kfz-Vertrieb gerecht zu werden. Hierzu haben wir nach geographischen Gesichtspunkten unterschiedliche Qualitätskriterien für den Kfz-Vertrieb entwickelt.
Diese grundlegende Strukturänderung hat Auswirkungen nicht nur auf die NISSAN-Vertragshändler mit Verkaufsrecht für NISSAN-Neufahrzeuge, sondern auf alle Partner des NISSAN-Vertriebsnetzes, also auch die zugelassenen NISSAN-Servicebetriebe. Denn mit der beabsichtigten Neustrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes ist u.a. auch eine Anhebung des Qualitätsniveaus für die Erbringung autorisierter Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen für NISSAN-Fahrzeuge verbunden. Dementsprechend ist im Zuge der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes ein neuer Händlervertrag entwickelt worden, der auch Änderungen der Regelungen für die Erbringung autorisierter Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen für NISSAN-Fahrzeuge vorsieht.
Die vorstehend beschriebene vertriebspolitische Entscheidung erfordert zwingend eine vollständige Umstrukturierung des derzeit bestehenden Vertriebsnetzes. Vor diesem Hintergrund hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG alle bestehenden Vertragshändlerverträge, die sowohl den Vertrieb von neuen NISSAN-Fahrzeugen als auch die Erbringung von autorisierten Wartungs- und Instandsetzungsleistungen für NISSAN-Fahrzeuge regeln, zum 31. Januar 2007 gekündigt.
Um die notwendige Gleichbehandlung aller Partner im NISSAN-Vertriebsnetz, insbesondere auch mit den NISSAN-Händlern, die neben dem Neufahrzeugvertrieb auch autorisierte Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen für NISSAN-Fahrzeuge erbringen, herzustellen, ist es erforderlich, die entsprechenden Regelungen auch gegenüber denjenigen Partnern der RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG umzusetzen, die ausschließlich Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen für NISSAN-Fahrzeuge erbringen.”
3
Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Fortführung des Vertragsverhältnisses über den 31. Januar 2007 hinaus und zum Ersatz des ihm infolge der Kündigung entstandenen Schadens begehrt. Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise die Feststellung der Beendigung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkstattvertrags zum 31. Januar 2008 beantragt. Das Landgericht hat der Klage und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.


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