Europarecht

Vorläufige Gestaltung einer Beschäftigung nach Abschluss einer Berufsausbildung

Aktenzeichen  M 25 S7 19.4436

Datum:
14.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27218
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7
AsylG § 47, § 61 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 5

 

Leitsatz

Durch die Ergänzung des § 61 Abs. 2 AsylG durch den Satz 5 („Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt“) wird klargestellt, dass im Rahmen der Entscheidung nach § 61 Abs. 2 S. 1 AsylG auch die Regelung des § 61 Abs. 1 S. 2 AsylG Anwendung findet. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beschluss vom 21. Februar 2019 im Verfahren
M 25 E 19.159 wird in Ziffer I. geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Beschäftigung bei der Bäckerei und Konditorei … … … … … … …, zu erlauben.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Gestaltung einer Beschäftigung.
Der Antragssteller, nach eigenen Angaben ein ugandischer Staatsangehöriger, reiste am 10. August 2014 ins Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Mai 2017 abgelehnt. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage (M 5 K 17.41271) ist noch nicht entschieden.
Vom 15. September 2015 bis 15. Juli 2018 absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung als Bäcker. Am 26. Juli 2018 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, welche der Antragsgegner mit Bescheid vom … November 2018 befristet bis 11. Januar 2019 erteilte.
Über die Klage gegen die Befristungsentscheidung ist bislang nicht entschieden (M 25 K 18.5815). Mit Bescheid vom … Januar 2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Weiterbeschäftigung ab. Über die Klage ist bislang nicht entschieden (M 25 K 19.389).
Einen gleichzeitig gestellten Antrag des Antragstellers, die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen zu gestatten, lehnte das Gericht mit Beschluss vom 21. Februar 2019 ab (M 25 E 19.159). Zur Begründung wurde angeführt, die ablehnende Ermessensentscheidung des Antragsgegners sei aufgrund der nicht geklärten Identität des Antragstellers nicht zu beanstanden.
Mit Schreiben vom 24. August 2019 beantragte der Antragssteller,
unter Abänderung des Beschlusses vom 21. Februar 2019 die Beschäftigung bis zum Ende des Gerichtsverfahrens zu gestatten.
Zur Begründung wurde angeführt, aufgrund der Neufassung des § 61 AsylG bestünde unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 AsylG ein gebundener Anspruch. Die Voraussetzungen der Nummern 1 bis 4 seien erfüllt. Der Antragsgegner sei nicht bereit, eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 12. September 2019,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unzulässig, da eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde. Die Neufassung des § 61 AsylG betreffe nur den Abs. 1 und somit Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen würden. Bei Asylbewerbern, die nicht in eine Aufnahmeeinrichtung wohnen würden, sei die Beschäftigungserlaubnis weiterhin eine Ermessensentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO ist eine Abänderung dieses Beschlusses analog § 80 Abs. 7 VwGO möglich (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 123 Rn. 77).
Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegen vor, da sich die Rechtslage seit Erlass des Beschlusses vom 21. Februar 2019 verändert hat.
Durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl I 1294) wurde das Verbot der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für Ausländer, so lange sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 AsylG), in § 61 Abs. 1 Satz 2 AsylG bei Vorliegen der in Nummern 1 bis 4 angeführter Voraussetzungen aufgehoben und ein Anspruch auf Erlaubnis der Ausübung einer Beschäftigung eingeführt.
Diese Regelung betrifft nach ihrem klaren Wortlaut nur Asylbewerber solange sie verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 47 AsylG zu wohnen.
Im Übrigen steht – für Asylbewerber, die nicht mehr in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen – die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im Ermessen der Behörde, § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Insoweit hat sich die Rechtslage nicht verändert.
Neu angefügt wurde in § 61 Abs. 2 AsylG jedoch der Satz 5 „Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt“. Damit wird klargestellt, dass im Rahmen der Entscheidung nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG auch die Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 AsylG Anwendung findet.
Dabei kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob damit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 AsylG auch im Falle eines nicht in einer Aufnahmeeinrichtung wohnenden Asylbewerbers ein gebundener Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis geschaffen wurde oder ob diese Regelung im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG zu berücksichtigen ist. Denn in beiden Fällen hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der begehrten vorläufigen Erlaubnis zur Weiterbeschäftigung bei der Firma, da bei einer Berücksichtigung im Rahmen der Ermessensentscheidung im vorliegenden Fall eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.
Der Antragssteller, der nicht mehr in einer Aufnahmeeinrichtung wohnt, erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 AsylG. Dem Umstand, dass die Identität des Antragstellers bislang nicht zweifelsfrei geklärt ist, kommt nach der Gesetzesänderung und der besonderen Situation des Antragstellers (abgeschlossene Berufsausbildung, soziale Integration) keine die Ablehnung einer vorläufigen Beschäftigungserlaubnis rechtfertigende Bedeutung zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner trotz ungeklärter Identität die Berufsausbildung des Antragstellers gestattet hat und insoweit keine wesentliche Veränderung eingetreten ist (vgl. StMI Vollzugshinweise zur Beschäftigung und Berufsausbildung von Asylbewerbern und Geduldeten vom 4. 3. 2019 Nr. 2.2.2.2). Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt somit vor.
Aufgrund der Vorläufigkeitsregelung obliegt es dem Antragsteller, die erforderlichen Schritte zur Identitätsklärung vorzunehmen, insbesondere das Original seine Geburtsurkunde vorzulegen.
Da der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist, liegt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Hinblick auf die vorläufige Regelung nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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