Europarecht

VW-Abgasskandal

Aktenzeichen  44 O 379/18

Datum:
17.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51417
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 812 Abs.1 S. 1, § 823 Abs. 2, § 826
StVZO § 4, § 27 Abs. 3, § 38a, § 41
ZPO § 287, § 291, § 447
RL 2007/46/EG Art. 7 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.504,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit … zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW … FIN: … .
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 887,03 € freizustellen. 
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 10/100 und die Beklagte 90/100 zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die zulässige Klage ist im ausgeurteilten Umfang begründet.
A.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 9.504,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem …, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw, FIN: …, aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV, § 249 ff. BGB. Weiter besteht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen wie tenoriert.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadloshaltung gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, §§ 249 ff. BGB auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Gestalt von Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung.
1. Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts stellen §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.
a) § 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV lautet:
„Neue Fahrzeuge, selbstständige technische Einheiten oder Bauteile, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der RL 2007/46/EG, nach Anhang IV der RL 2002/24/EG oder nach Anhang III der RL 2003/37/EG vorgeschrieben ist, dürfen im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.“
Damit macht § 27 Abs. 1 EG-FGV die Veräußerung, das Angebot und das Inverkehrbringen eines neuen Fahrzeugs davon abhängig, dass es mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung gemäß Anhang IX der RL 2007/46/EG versehen ist. Mit ihr erklärt der Hersteller des Fahrzeugs an den jeweiligen Fahrzeugkäufer, dass es im Zeitpunkt seiner Herstellung allen einschlägigen Rechtsakten entspricht. § 27 EG-FGV nimmt dabei direkten Bezug auf Anhang IX der RL 2007/46/EG, in deren Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) es heißt:
„Im Sinne dieser Richtlinie und der in Anhang IV aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck (…)
36. „Übereinstimmungsbescheinigung“ das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht.“
Zur Erteilung dieser Bescheinigung ist der Hersteller nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV verpflichtet:
„Für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der RL 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen.“
Das Verbot des Inverkehrbringens eines solchen Fahrzeugs ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung, also Handel damit sowie Verkauf, in § 27 Abs. 1 EG-FGV beruht nicht nur auf einer entsprechenden Regelung in Art. 26 Abs. 1 der zugrunde liegenden RL 2007/46/EG. Die nationale Vorschrift der EG-FGV nimmt in ihrem Wortlaut vielmehr direkt Bezug auf diese Richtlinie, in dem sie zur näheren Bestimmung der Anforderungen an die Übereinstimmungsbescheinigung auf Anhang IX der Richtlinie verweist. Die unionskonforme Handhabung der Vorschrift ist daher nicht erst aufgrund ihrer Genese, sondern schon durch ihren Text vorgegeben (vgl. Harke, „Herstellerhaftung im Abgasskandal“, VuR 2017, 83).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Norm, um als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB gelten zu können, nach ihrem Zweck und Inhalt vom Gesetzgeber zumindest auch dazu bestimmt sein, einen betroffenen Einzelnen gegen eine Beschädigung zu schützen (vgl. BGH NJW 2010, 3651; BGH NJW 2012, 1800; BGH NJW 2015, 2737). Dabei ist es unschädlich, wenn die Norm in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit dienen soll, wenn der Individualschutz nicht nur ein bloßer Reflex ist, sondern auch im Aufgabenbereich der Norm liegt (BGH NJW 2012, 1800; BGH NJW 2015, 2737). Eine zusätzliche Grenze wird aber dadurch gezogen, dass sich die Bejahung einer Schutzgesetzeigenschaft als haftungsrechtlich tragbar erweisen muss, indem mit Rücksicht auf den Regelungszusammenhang der Norm anzunehmen ist, dass vom Gesetzgeber ebenfalls beabsichtigt ist, sie mit einer deliktischen Einstandspflicht zu versehen (BGH NJW 2010, 3651; BGH NJW 2012, 1800; BGH NJW 2015, 2737).
An diesen Kriterien orientiert sich der Bundesgerichtshof auch dann, wenn er eine Norm bezüglich der Schutzgesetzeigenschaft zu beurteilen hat, die einer unionsrechtskonformen Auslegung unterliegt (vgl. Harke a.a.O).
c) Zwar sind Adressaten einer Richtlinie nur die Mitgliedstaaten und nicht die Bürger selbst, sodass Richtlinien keine deliktische Verpflichtung von Privatpersonen aufgrund nationalen Rechts auslösen können (vgl. Harke, a.a.O. mit weiteren Nachweisen, unter anderem EuGH vom 07.06.2007, Rs. C-80/06). Ist aber eine Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht erfolgt, entscheidet das Verständnis der Richtlinie darüber, ob der einschlägigen Norm des nationalen Rechts (hier der EG-FGV) der Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zukommt (vgl. Harke, a.a.O.)
Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zeigt die Umsetzungsnorm dann einen deliktischen Schadensersatzanspruch, wenn die zugrunde liegende Bestimmung in der Richtlinie nach ihrem Sinn und Zweck dem Schutz bestimmter Personenkreise dient, also einen Individualschutzzweck offenbart (BGH NJW 2015, 2737).
d) Nach Überzeugung der erkennenden Kammer offenbaren die Artikel 26 der RL 2007/46/EG und § 27 Abs. 1 EG-FGV ihren individualschützenden Charakter beide dadurch, dass sie auf Anhang IX der Richtlinie verweisen, in dem die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestaltet ist und ihr Sinn und Zweck beschrieben wird.
Anhang IX der Richtlinie enthält seit seiner Neufassung durch die Verordnung 385/2009/EG eine einleitende Funktionsbeschreibung, die der Bescheinigung eine doppelte Zwecksetzung attestiert. Zum einen ergibt sich aus der Beschreibung, dass den Behörden der Mitgliedstaaten die problemlose Erteilung einer Betriebserlaubnis für ein in Baureihe hergestelltes Fahrzeug ermöglicht werden soll. Zum anderen – und der Kammer erscheint dieser Zweck zumindest gleichwertig, wenn nicht gar vorrangig – ergibt sich daraus, dass der Schutz des Fahrzeugerwerbers beabsichtigt wird. Dem Erwerber versichert der Fahrzeughersteller mit der Bescheinigung, dass das Fahrzeug gemäß den in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Regelungen hergestellt wurde (vgl. Harke, a.a.O.).
Unter den Zielen der Übereinstimmungsbescheinigung in Anhang IX der RL 2007/46/EG ist ausdrücklich beschrieben:
„Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte. Die Übereinstimmungsbescheinigung soll es außerdem den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.“
Nach Überzeugung der Kammer hat die Übereinstimmungsbescheinigung damit gegenüber den Fahrzeugerwerbern gleichsam den Charakter einer Garantieerklärung. Es ergibt sich aus dem Wortlaut des Anhangs und der dort erläuterten Ziele eindeutig, dass die Bescheinigung eine Erklärung des Fahrzeugherstellers und damit eine willensgetragene, verbindliche Äußerung ist, die unmittelbar gegenüber dem Erwerber abgegeben wird. Hierfür spricht auch die Verwendung des Wortes „versichert“. Dieser Wortlaut ist zwar nicht in allen Sprachfassungen verwendet, allerdings taucht dort teilweise auch das Wort „Garantie“ auf.
Diese vom Gesetzgeber gewollte Zweckrichtung der Übereinstimmungsbescheinigung hat auch Ausdruck gefunden in den Erwägungsgründen der Verordnung, wonach die Bescheinigung laut zweitem Erwägungsgrund als offizielle Erklärung des Herstellers dem Erwerber „auszuhändigen“ ist und laut drittem Erwägungsgrund der Adressatenkreis der Bescheinigung bestimmt wird, indem die Bescheinigung für die „beteiligten Verbraucher und Wirtschaftsteilnehmer“ verständlich sein muss (vgl. Harke, a.a.O.).
Da Anhang IX der RL 2007/46/EG in der Gestalt, die er durch die Verordnung 385/2009/EG erlangt hat, ausdrücklich in die Verweisung in § 27 Abs. 1 EG-FGV einbezogen ist, muss dieser Anhang insgesamt, also einschließlich der Funktionsbeschreibung der Bescheinigung bei der Anwendung des Umsetzungsgesetzes beachtet werden und die in den Erwägungsgründen der Verordnung zum Ausdruck gebrachten Zielsetzungen sind ebenfalls im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation zu berücksichtigen.
Kommt der Übereinstimmungsbescheinigung danach eine individualschützende Funktion zu Gunsten von Verbrauchern und anderen Fahrzeugerwerbern zu, kann nichts anderes für das hierauf aufbauende Verbot des Handels ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung gelten. Denn dieses betrifft ja gerade die Vorgänge, durch die Fahrzeugerwerber als Adressaten der Bescheinigung mit dieser in Kontakt kommen sollen (vgl. Harke, a.a.O.).
Auch der Umstand, dass Anhang IX zur Richtlinie zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fahrzeugkaufs der Richtlinie noch nicht beigefügt war, ändert nichts an der Intention des Gesetzgebers; vielmehr erläutert der Anhang die gesetzliche Regelung. Wäre anderes gewünscht gewesen, hätte vielmehr eine Abänderung der Richtlinie erfolgen müssen und nicht lediglich die Beifügung des Anhangs.
Der Umstand, dass in den Erwägungsgründen Gesundheits- und Vermögensschutz nicht als Schutzzweck angesprochen werden, ändert ebenfalls nichts an der Auffassung der Kammer: eine ausdrückliche Erwähnung ist regelmäßig nicht erforderlich, zudem gab es eine vergleichbare Ausnahmekonstellation wie den sog. „Dieselskandal“ bislang nicht.
Der Einwand, dass parallel zu den Normen der StVZO auch denjenigen der EG-FGV ganz generell kein Schutzgesetzcharakter zukomme, dringt insoweit nicht durch, als auch in der StVZO Normen enthalten sind, die als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB anerkannt wurden, beispielsweise § 4 StVZO (vgl. RG JW 1937, 158), § 27 Abs. 3 StVZO (vgl. BGH NJW 1974, 1086; OLG Köln MDR 1971, 299), § 29c StVZO (BGH NW 1956, 1715; OLG Nürnberg VersR 1973, 1135), § 38a StVZO (Vgl. BGH NJW 1981, 113), § 41 StVZO (vgl. RG JW 1934, 2460) und § 53a StVZO (BGH VersR 1969, 895). Es ist daher immer eine Überprüfung im Einzelfall auf das Vorliegen des Schutzgesetzcharakters hin erforderlich.
e) Sofern sich die Beklagte gegen eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der EG-FGV stellt, dringen diese Einwendungen nach Ansicht der Kammer nicht durch.
Konsequenterweise ist § 27 Abs. 1 EG-FVG durch die das Verbot des Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie in das innerstaatliche Recht übertragen wird, ebenfalls als Schutzvorschrift für Fahrzeugerwerber zu deuten, an die sich dann zwangsläufig auch eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB anschließt (vgl. Harke, a.a.O.).
Soweit – wie verschiedentlich durch die Hersteller ins Feld geführt – das OLG München in Hinweisbeschlüssen (so Beschluss vom 22.02.2018, 27 U 2827/17 und Beschluss vom 27.02.2018, 27 U 2793/17) davon ausgehe, dass die genannten Normen der EG-FGV keinen Drittschutz entfalten, ist bei näherer Betrachtung der genannten Beschlüsse anzumerken, dass diese sich auf Verfahren bezogen, in denen die Kläger jeweils Nachlieferung eines Pkws verlangten, was in der Mehrzahl der Fälle bereits daran scheitert, dass eine Nachlieferung im konkreten Fall (z.B. aufgrund der Produktions-Einstellung des betreffenden Modells) bereits nicht mehr möglich ist. Insofern hat der entsprechende Senat des OLG jeweils nur „überdies“ auf den möglichen Drittschutz der Normen der EG-FGV Bezug genommen, diese jedoch – mangels Notwendigkeit – keiner eingehenden Prüfung (insbesondere in Zusammenschau mit Anlage IX der zugrunde liegenden RL 2007/46/EG) unterzogen, so dass die Kammer sich nicht in Widerspruch zu den genannten Beschlüssen setzt.
Auch aus der Verfügung des OLG München vom 08.03.2017, Az. 8 U 1710/17, ergibt sich für die Kammer nicht, dass das OLG München die Auffassung der hiesigen Kammer ablehnt, vielmehr wurde dort nur zum Ausdruck gebracht, dass der damalige Hinweis lediglich „derzeit“ keine Rolle mehr spiele, da das Augenmerk zunächst auf eine andere, vorrangig zu betrachtende Einwendung gerichtet werden sollte.
f) Die von den Herstellern verwendete Übereinstimmungsbescheinigung war zur Überzeugung der Kammer auch unrichtig, weshalb diese schuldhaft gegen § 27 EG-FGV verstoßen haben:
Der Hersteller eines Fahrzeugs muss zunächst die EG-Fahrzeugtypgenehmigung für das entsprechende Fahrzeug beantragen, wodurch das jeweilige Kfz eine Betriebserlaubnis erhält, um auf öffentlichen Straßen genutzt werden zu dürfen. Die einschlägigen Normen finden sich in der EG-TypV (Umsetzung der RL 70/156/EWG in nationales Recht) bzw. der neueren EG-FGV (Umsetzung der RL 2007/46/EG in nationales Recht). Die Genehmigung wird dem Hersteller oder einem anderen Verfügungsberechtigten auf Antrag erteilt, § 3 Abs. 5 Satz 1 EG-FGV. Der Hersteller reicht den Antrag gemäß Art. 7 der RL 2007/46/EG, auf welche § 3 Abs. 1 EG-FGV explizit verweist, bei der Genehmigungsbehörde ein. Für ein und denselben Typ eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit kann dabei nur ein einziger Antrag in nur einem einzigen Mitgliedsstaat eingereicht werden. Für jeden zu genehmigenden Typ ist ein gesonderter Antrag einzureichen. Nach Art. 7 Abs. 2 der RL 2007/46/EG ist dem Antrag die Beschreibungsmappe beizufügen, deren Inhalt in den Einzelrichtlinien oder Einzelverordnungen festgelegt ist.
Wie mittlerweile allgemein bekannt ist, waren die Fahrzeuge aus dem VW-Konzern, damit auch das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet. Obwohl die Hersteller teilweise bereits das Vorliegen eines Mangels bestreiten und die Abschaltvorrichtungen teilweise als „Motorenschutzmaßnahmen“ etc. beschönigen, ist an der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen spätestens seit dem am 15.10.2015 vom KBA gegenüber der VW AG angeordneten Rückrufaktion (abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/VW/vw_inhalt.html?nn=1633522) der betroffenen Fahrzeuge mit EA 189-Motoren nicht mehr an der Unzulässigkeit der verbauten Einrichtungen zu zweifeln.
Damit ergibt sich gleichsam in einem „Domino-Effekt“ zunächst eine unwahre Angabe der Hersteller im Rahmen der Beantragung der Typengenehmigung beim KBA. Denn die Anträge auf Erteilung der jeweiligen Typengenehmigung enthielten zweifelsfrei keine Hinweise auf die verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen. In der Folge ergibt sich hieraus auch die Unrichtigkeit der vom Hersteller selbst verwendeten Übereinstimmungsbescheinigung, da diese auf die – mit unzulässigen Angaben erwirkte – Typengenehmigung aufbaut und keinem speziellen Genehmigungsverfahren durch staatliche Behörden mehr unterliegt. Dies stellt einen Verstoß gegen § 27 EG-FGV und damit gegen eine drittschützende Norm im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, s.o..
Die Kammer ist dabei auch davon überzeugt, dass die vom Hersteller ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung nicht nur unrichtig, sondern ungültig im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV ist. Soweit sich der oder die Hersteller teilweise auf die Position zurückziehen, eine Übereinstimmungsbescheinigung sei bereits immer dann gültig im Sinne des § 27 EG-FGV, wenn sie den an sie anzulegenden formellen Vorgaben entspreche und in hinreichender Weise auf eine wirksame EG-Typengenehmigung verweise, ist dem nach der Überzeugung der Kammer nicht zuzustimmen.
Soweit die Beklagte verschiedentlich auf Entscheidungen von Verwaltungsgerichten verweist, wonach eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung dennoch gültig sei, schließt sich die Kammer dem ebenfalls nicht an. So rekurriert die Beklagte insbesondere zuweilen auf eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (Urteil vom 13.12.2017, Az. 3 A 59/17, BeckRS 2017, 135232). In dieser Entscheidung hatte das Verwaltungsgericht geurteilt, die EG-Typengenehmigungen seien nicht vollständig „erloschen“ (a.a.O., Rn 43ff.). Unabhängig davon, dass das erkennende Gericht nicht an eine/mehrere Entscheidung(en) des Verwaltungsgerichts gebunden ist, hält die Kammer die Argumentation des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in der zitierten Entscheidung auch nicht auf den vorliegenden Fall für übertragbar. Das Verwaltungsgericht argumentiert z.B., dass nachträgliche Änderungen nicht zum Erlöschen der Typengenehmigung führen dürften, da dann ein einzelner Fahrzeugbesitzer, der an seinem Fahrzeug Änderungen iSv § 19 StZO vornähme, die EG-Typengenehmigung für den gesamten Fahrzeugtyp zum Erlöschen bringen könnte (a.a.O., Rn 45). Bereits diese Argumentation geht an der vorliegenden Sache jedoch vorbei, da es sich im Zusammenhang mit dem so genannten „Abgasskandal“ nicht um nachträgliche Änderungen eines bestimmten (einzelnen) Fahrzeugs handelt, sondern um eine (Millionen von Fahrzeugen betreffende) Täuschung/ein Verschweigen des Herstellers bereits vor Erteilung der Typengenehmigung. Insofern besteht keine Missbrauchsgefahr durch vereinzelte nachträgliche Änderungen. Auch argumentiert das Verwaltungsgericht, die in § 7 Abs. 1 EG-FGV in nationales Recht umgesetzten Erlöschenstatbestände würden unterlaufen, wenn Änderungen an einem Fahrzeug zum Erlöschen der Typengenehmigung führen würden (a.a.O., Rn 46). Auch diese Gefahr ist hier jedoch bereits nicht gegeben, da es nicht um das Erlöschen der Typengenehmigung nach Durchführung von Änderungen an einem Kfz geht, sondern um die Ungültigkeit der Typengenehmigung von Anfang an aufgrund falscher/unvollständiger Angaben der Hersteller bereits im Genehmigungsverfahren, und zwar betreffend Millionen von Pkw mit demselben verbauten Motor EA 189. Auch aus den Rn 49 und 50 der zitierten Entscheidung geht hervor, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Erlöschen der zuvor wirksam erteilten Typengenehmigung nach Durchführung von Änderungen bzw. Auftreten neuer Anforderungen aufgrund eines Rechtsakts beschäftigt hat. Die erkennende Kammer geht jedoch davon aus, dass die im Zusammenhang mit dem Abgasskandal erteilte Typengenehmigung bereits von Anfang an ungültig war und deshalb nicht nachträglich erlöschen konnte.
Die Hersteller berufen sich in diesem Zusammenhang zum Teil darauf, dass es der ureigenen Funktion des Typengenehmigungsverfahrens entspreche, dass die Einhaltung der technischen Vorschriften geprüft und nachgewiesen werde. Sei aber bereits anhand des zur Prüfung vorgestellten Fahrzeugmusters überprüft und bestätigt worden, dass der Fahrzeugtyp die materiellen Voraussetzungen einhalte, sei es nicht mehr notwendig, dass der Hersteller mit jeder Übereinstimmungsbescheinigung abermals erkläre, dass jedes baugleiche Fahrzeug die materiellen Anforderungen der Typengenehmigung ebenfalls einhalte und auch im Übrigen vorschriftsmäßig sei.
Diese Argumentation übersieht jedoch, dass im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens der Hersteller selbst zunächst umfassende Angaben über das zur Genehmigung anstehende Fahrzeug machen muss und der Einbau von Abschalteinrichtungen nach geltendem EU-Recht verboten ist. Wenn jedoch der Hersteller – wie hier geschehen – den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Antrag auf Erteilung der Typengenehmigung verschweigt, hat die Genehmigungsbehörde zunächst keinen Anlass, von einer solchen auszugehen. Die Angaben des Herstellers im Genehmigungsverfahren zur Erlangung einer Typengenehmigung wären zudem überflüssig, wenn die Genehmigungsbehörde trotz der getätigten Angaben weiterhin bei ihrer Überprüfung des Fahrzeugs davon ausgehen müsste, dass das Fahrzeug auch über – verbotene – Einrichtungen verfügen könnte, und es in diese Richtung jeden Fahrzeugtyp gesondert überprüfen müsste. Es kann nicht der Gründlichkeit der Genehmigungsbehörde überlassen bleiben, ob der Hersteller, der im Antrag auf Typengenehmigung falsche oder unvollständige Angaben macht, gegen geltendes Recht verstößt. Vielmehr findet der Rechtsverstoß bereits vorher statt, bei der Entscheidung des Herstellers, Tatsachen, welche für die Genehmigung des entsprechenden Fahrzeugtyps relevant sind, zu verschweigen oder zu beschönigen.
Die Sinnhaftigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung an sich, welche – wie bereits gesagt – der Hersteller selbst, und nicht eine (neutrale) staatliche Behörde ausstellt, wäre im Übrigen vollkommen unverständlich, wenn der Hersteller zunächst mit falschen (oder unterlassenen Angaben) bei der staatlichen Stelle (in Deutschland: dem KBA) eine Typengenehmigung für sein entsprechendes Fahrzeug erwirken könnte und anschließend durch Rekurrierung auf die (unwirksame, weil auf falschen Tatsachen beruhende) Typengenehmigung selbst eine Übereinstimmungsbescheinigung erstellen könnte, die der Gesetzgeber als Erklärung gegenüber dem Käufer erachtet, dass das von ihm erworbene Fahrzeug sämtlichen erforderlichen Rechtsakten entspricht und – selbstverständlich – auch über eine wirksame Typengenehmigung verfügt. Dabei kommt es im Rahmen der Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung auch nicht darauf an, wie die Hersteller teils vortragen, ob das betreffende Fahrzeug in jeder Hinsicht alle in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben erfüllt. Hierüber muss vorliegend auch gar nicht entschieden werden. Fest steht für die Kammer allerdings, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung, die auf einer Typengenehmigung beruht, welche der Hersteller durch falsche oder unterlassene Angaben im Antrag auf Erteilung einer Typengenehmigung erwirkt hat, jedenfalls keine Gültigkeit haben kann, soll sie in irgendeiner Weise eigenständige Bedeutung haben.
Auch wenn es aus den vorgenannten Gründen hierauf nicht mehr ankommt, hält es die Kammer in diesem Zusammenhang auch nicht für vertretbar, soweit die Hersteller teilweise argumentieren, die Übereinstimmungsbescheinigungen seien nicht unrichtig ausgestellt, weil die Fahrzeuge die Vorgaben der gesetzlich vorgeschriebenen Testverfahren, die sich nur auf den Prüfstand beschränkten und keine Testvorgaben für die Werte im Echtbetrieb auf der Straße machten, eingehalten hätten. Diese Argumentation stellt ein reines Ausweichen auf formelle Gründe dar, obwohl die zitierten Vorschriften, wie bereits dargestellt, keinen rein formellen Charakter aufweisen und es dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften entspricht, dass die Werte der Fahrzeuge nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Echtbetrieb eingehalten werden. Insbesondere die beiden Zielrichtungen der zitierten EU-Richtlinie, Luftreinheit und Individualschutz, können nämlich nicht auf dem Prüfstand, sondern erst durch die Umsetzung im Realbetrieb erreicht werden. Ebenso ist davon auszugehen, dass es für den einzelnen Käufer nicht darauf ankommt, welche Werte sein Fahrzeug auf dem Prüfstand aufweist, sondern im Echtbetrieb auf der Straße.
Auch das Argument, dass eine formelle Wirksamkeit der Typengenehmigung bereits deswegen gegeben wäre, da eine Prüfung durch das KBA sonst überflüssig würde, dringt nicht durch: zum einen muss eine Überprüfung durch unabhängige Gerichte bereits aus Gründen des Verbraucherschutzes dennoch möglich sein. Zum anderen besteht das nebeneinander laufende System von Verwaltung und Rechtsprechung. Auch wenn sich die rechtswidrige Handlung direkt nur auf die Erwirkung der Typengenehmigung beim KBA bezieht, wirkt sie dennoch in der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung fort. Die rein formale Trennung der beiden Rechtsakte stellt insofern eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Standardvorgangs dar. Die Erwirkung der Typengenehmigung ist gleichsam Vorstufe für die Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung. Eine erneute Prüfung der im Rahmen der Typengenehmigung gemachten Angaben des Herstellers im Rahmen der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung findet nicht statt.
Auch der Einwand, dass die Landesbehörden die Zulassung unterschiedlich handhaben könnten, ändern aus Gründen des Verbraucherschutzes nichts an der Auffassung der Kammer. Zudem kann den Zulassungsbehörden die umfangreiche und tiefgehend rechtliche Prüfung der Wirksamkeit der Übereinstimmungsbescheinigung und Typengenehmigung nicht zugemutet werden.
Auch schließen mögliche Maßnahmen des KBA, wie beispielsweise der Erlass von Nebenbestimmungen, eine gerichtliche Anordnung der Rückabwicklung nicht aus, aufgrund des „Nebeneinanderbestehens“ der beiden Institutionen. Zwar kann das KBA durch den Erlass von Nebenbestimmungen darauf hinwirken, dass der rechtswidrige Zustand beseitigt wird. Über die Rechtsfolgen deliktischen Handels entscheiden dennoch die ordentlichen Gerichte.
Auch eigene Sanktionen der EG-FGV schließen eine gerichtliche Überprüfung, ob deliktisches Handeln vorliegt oder nicht, nicht aus. Es mag Fälle geben, in denen eine Sanktion nach EG-FGV den zu ahndenden rechtswidrigen Zustand beseitigt, ohne dass ein deliktisches Handeln vorliegt. Liegt jedoch sowohl eine falsche Typengenehmigung als auch deliktisches Handeln vor, müssen beide Rechtsfolgen – nämlich die Sanktionen nach EG-FGV als auch die zivilgerichtliche Überprüfung und eventuelle strafrechtliche Folgen – nebeneinander bestehen.
2. Der Verstoß gegen das Schutzgesetz ist nach Auffassung der Kammer auch kausal für die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen.
Es ist anerkannt, dass bei täuschendem bzw. manipulativem Verhalten für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung es ausreichend ist, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. BGH vom 12.05.1995, Az. V ZR 34/94, NJW 1995, 2361). Diese Grundsätze sind nach Ansicht der Kammer auch auf die hier vorliegende Situation zu übertragen.
Von der Übereinstimmungsbescheinigung ist hier der Motor und damit einer der wertvollsten und elementarsten Bestandteile eines Kraftfahrzeugs betroffen. Die hier in Rede stehenden Daten haben Einfluss auf die Schadstoffklasseneingruppierung und die Zulassung dieses Fahrzeugs. Nach der Lebenserfahrung ist daher davon auszugehen, dass die Daten der Übereinstimmungsbescheinigung auf die Kaufentscheidung des Käufers Einfluss hatten, ohne dass es darauf ankommt, ob er im Ankaufsgespräch konkret äußerte, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug oder ein Fahrzeug mit einer bestimmten Art der Zulassung erwerben zu wollen. Es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Käufer ein Fahrzeug erwerben wollte, welches den gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften entsprach. Nach Ansicht der Kammer wäre der Kauf bei Kenntnis der fehlerhaften Übereinstimmungsbescheinigung für einen Käufer viel zu risikobehaftet, auch wenn die Zulassungsbehörde eventuell die Zulassung dennoch erteilt. Daher hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass die Klägerin das entsprechende Kfz erworben hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die erteilte Typengenehmigung unwirksam war und die EU-rechtliche Übereinstimmungsbescheinigung auf der unwirksamen Typengenehmigung beruhte, welche durch die falschen oder unvollständigen Angeben der Hersteller erwirkt worden waren.
Zwar hat die Klägerin auf Nachfrage nicht angeben können, was eine Übereinstimmungsbescheinigung ist. Auch mag sie als Käuferin eines Gebrauchtwagens die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgehändigt erhalten haben und konnte sie auf Nachfrage des Beklagtenvertreters nicht genau definieren, nach welchen Maßstäben für sie ein Fahrzeug als umweltfreundlich gilt. Dies alles ist aber zur Überzeugung der Kammer auch für die Frage der Kausalität vorliegend nicht erforderlich.
Die Kammer ist der Überzeugung, dass sowohl der Umweltaspekt generell als auch die Übereinstimmung des jeweils streitgegenständlichen Kfz mit geltendem (EU-) Recht bei der Kaufentscheidung des jeweiligen Käufers zumindest auch eine Rolle gespielt haben. Weder ist es hierfür erforderlich, dass der Käufer sich alleine aus Umweltschutzgründen für das fragliche Fahrzeug entschieden hat, noch muss ihm diesbezüglich durch Werbematerial, Informationsbroschüren oder mündlich die Umweltfreundlichkeit des Wagens explizit im Einzelfall angepriesen worden sein. Vielmehr ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Käufer, der einen Pkw erwirbt – sei dieser neu oder gebraucht – bei Bezeichnung des Kfz als „Euro 5“ davon ausgeht, dass das Fahrzeug auch über die entsprechende Emmissionsklasse verfügt. Alles andere wäre lebensfremd. Die Beklagte verhält sich insoweit widersprüchlich. Sie kann nicht einerseits die betroffenen Fahrzeuge als „EU5“ Fahrzeuge etikettierten, womit selbstverständlich ein bestimmter technologischer Standard, auch in Bezug auf die Umweltfreundlichkeit der betroffenen Pkw, einhergeht, welchen die Beklagte ja auch ausdrücklich bewirbt, und andererseits im Rahmen der hundertfach eingereichten Rückabwicklungsklagen von den einzelnen Klägern verlangen, diese mögen beweisen, dass der Umweltaspekt beim Kauf des jeweils streitgegenständlichen Fahrzeugs eine tragende Rolle gespielt habe.
Der Versuch der Beklagten, die Kausalität der deliktischen Handlung für den Schadenseintritt durch Fragen an die Klägerin nach der Motivation für den konkreten Fahrzeugkauf zu Fall zu bringen, greift daher an dieser Stelle zu kurz. Tatsächlich stellt sich aus Sicht der Kammer die Frage, ob der Käufer eines hochpreisigen „SUV“ mit sehr hohem Spritverbrauch diesen Kauf wirklich überhaupt als „von Umweltaspekten getragen“ darlegen kann. Jedoch lautet die im vorliegenden Fall entscheidende Frage vor allem, ob ein Käufer sich auch dann für das jeweilige Fahrzeug entschieden hätte, wenn er gewusst hätte, dass diesem aufgrund fehlender Übereinstimmung mit geltendem EU-Recht die Entziehung der Zulassung droht. Alleine die Motivation des Umweltschutzes im Einzelfall zu hinterfragen und ggf. zu widerlegen, genügt hier nach der Überzeugung der Kammer nicht, da dieser Aspekt in aller Regel untrennbar verbunden ist mit der Entscheidung ein Fahrzeug der Emissionsklasse EU5 zu erwerben. Da aber dem Käufer eines Pkw in aller Regel weder die Existenz noch der Inhalt einer „Übereinstimmungsbescheinigung“ – schon gar nicht zum Zeitpunkt des Autokaufs – bekannt (gewesen) sein dürfte, wäre es nicht zielführend, ihn zu befragen, wie wichtig ihm der Umweltaspekt beim Kauf des Fahrzeugs war. Entscheidend für den einzelnen Käufer ist letzten Endes, ob er mit dem Kauf eines Fahrzeugs der Beklagten das bekommen hat, was quasi „etikettiert“ war. Dies war jedoch aufgrund der vorliegenden Manipulation zweifellos nicht der Fall. Dies kann jedoch nur rückwirkend betrachtet werden, da sich der Käufer bei Erwerb eines Fahrzeugs, welches nach den eigenen Angaben des Herstellers neuester Technologie entsprechen sollte, schlicht keine Gedanken gemacht hat. Es kann daher seriöserweise nur nach der allgemeinen Lebenserfahrung beurteilt werden, ob der Käufer sich auch in Kenntnis der bestehenden Manipulation für das jeweilige Fahrzeug entschieden hätte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass den Fahrzeugen aufgrund der Manipulationen die Entziehung der Zulassung drohte, muss zweifelsohne davon ausgegangen werden, dass jeder Käufer, der das zu erwerbende Kfz tatsächlich fahren wollte, Wert darauf legte, dass dieses auch dem geltenden Recht entsprach. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich als extremen Ausnahmefall darstellen, dass ein Käufer in Kenntnis der drohenden Entziehung der Zulassung einen Pkw erworben hätte, außer er wollte es z.B. gar nicht fahren, sondern beispielsweise zu Sammlerzwecken lediglich ausstellen. Für einen solchen Ausnahmefall müssten wiederum irgendwie geartete Anhaltspunkte vorliegen, was hier nicht der Fall ist.
Nach alledem ist die Kammer der Überzeugung, dass immer dann, wenn ein Käufer einen PKW mit Euro-5-Kennzeichnung erworben hat, er auch davon ausging, dass das Fahrzeug diese Norm auch erfüllt. Die Einzelaspekte wie Schadstoffwerte und Verbrauch, Stickstoffausstoß etc. musste der einzelne Käufer hierbei nicht exakt untersuchen und muss sie auch nicht im Rahmen eines deliktischen Anspruchs konkret darlegen und untermauern.
Eine Parteivernehmung der Klägerin, wie von der Beklagten beantragt, war unter diesen Umständen nicht angezeigt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Parteivernehmung lagen nicht vor. Weder war die Klagepartei mit einer Parteieinvernahme der Klägerin einverstanden im Sinne von § 447 ZPO, noch lagen die Voraussetzung für eine Parteivernahme von Amts wegen nach § 448 ZPO vor. Das Gericht muss sich hier von der förmlichen Vernehmung die Ausräumung letzter Zweifel erwarten (vgl. BGH Nj2 94, 320), was vorliegend jedoch nicht erforderlich war. Die Kammer war auch ohne förmliche Vernehmung der Klägerin aus oben genannten Gründen der Überzeugung, dass für die Kaufentscheidung der Klägerin die von der Beklagten begangene Manipulation maßgeblich war.
3. Die Täuschungshandlung ist an der Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs zuzurechnen.
a) Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung der Fahrzeuge derjenigen Baureihe, der das klägerische Fahrzeug angehört, wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die Abgabe der einer Übereinstimmungserklärung, die auf falschen Tatsachenangaben beruht, und die damit einhergehende Täuschungshandlung sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin sowie Herstellerin des Motors die Kenntnis der Typengenehmigungsvoraussetzungen für ihre eigenen Fahrzeuge unterstellt werden kann.
Als Inhaber von Typengenehmigungen für die mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeuge haben Hersteller des Fahrzeugs wie die Beklagte hier eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt, die Grundlage der Erteilung einer Betriebserlaubnis für die einzelnen Fahrzeuge geworden sind. Der Beklagten ist diese Erteilung der unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigungen auch zuzurechnen. Für eine solche Zurechnung ist auch nicht erforderlich, dass alle Mitarbeiter Kenntnis auch der Handlungen eines mit anderen Teilbereichen betrauten Mitarbeiter haben muss, d.h. es kommt auch nicht darauf an, ob derjenige Mitarbeiter, der die Bescheinigungen ausstellt, eigene Kenntnis davon hatte, dass die Typengenehmigung ungültig war bzw. welche Angaben im Rahmen der Typengenehmigung gemacht wurden und ob diese richtig waren.
Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt jedenfalls in diesen Fällen über § 831 BGB sowie § 31 BGB. Keine Rolle kann es dabei zur Überzeugung der Kammer spielen, dass der betroffene Motor EA 189 nicht von der Beklagten selbst, sondern von der Muttergesellschaft, deren 100%ige Tochter die Beklagte ist, hergestellt wurde. Die Beklagte und ihr Mutterkonzern sind bekannt dafür, dass sie die Modelle … und … in Plattform-Bauweise herstellen und auch sonstige Synergieeffekte beim Bau der verschiedenen Modelle beider Fahrzeugmarken nutzen. Die Fahrzeuge werden zum beiderseitigen Nutzen beider Firmen von vornherein so konzipiert, dass arbeitsteiliges Handeln beider Firmen zur Kostenersparnis möglich ist. Es handelt sich um eine reine Förmelei, wenn die Beklagte nunmehr betont, dass das Fahrzeug, als dessen Hersteller sie auftritt, im entscheidenden Bauteil – dem Motor – von der Muttergesellschaft … hergestellt wurde. In ähnlichen Fällen argumentiert … als Beklagte gegenüber der Kammer, man habe nur den Motor produziert, Hersteller sei jedoch die Firma … . Eine Wissensaufspaltung je nach gefertigtem Bauteil kann vorliegend jedoch nicht vorgenommen werden und scheint bereits aus Verbraucherschutzgründen nicht gerechtfertigt. Zudem erscheint es der Kammer, was in der Folge noch darzulegen ist, nicht möglich, dass die Beklagte einen Motor in eines ihres Fahrzeuge verbaut, von dessen Eigenschaft, Funktionsweisen und damit auch Manipulationen die Beklagte keine Kenntnis hat.
b) Über § 831 BGB ist der Beklagten das Verschulden ihrer Mitarbeiter zuzurechnen, die in den für die Motorenentwicklung zuständigen Abteilungen für die Entwicklung und den Einsatz des betroffenen Motors EA 189 mit seinen Komponenten verantwortlich waren.
Nach Überzeugung der Kammer haben diese Mitarbeiter zumindest mit bedingtem Vorsatz im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB gehandelt.
Für die Kammer ergeben sich hier auch keine Zweifel an der Zurechnung des Verschuldens daraus, dass diese Mitarbeiter nicht mit der Erstellung der unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung befasst waren. Eine Haftung für das Fehlverhalten eines Verrichtungsgehilfen ist nur dann ausgeschlossen, wenn ein bloß äußerer und kein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Gehilfen und dem schädigenden Ereignis besteht (BGH, NJW 1997, 1233; BGH NJW-RR 1998, 1342).
Ein solcher innerer Zusammenhang besteht zwischen der Motorenentwicklung bzw. dessen Einbau in das Fahrzeug und der Ausstellung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung aber ohne Zweifel; dass die Bescheinigung nicht der Wahrheit entsprach, beruhte unmittelbar auf der Entwicklung und dem Einbau des konkreten Motors mit seinen entsprechenden Bestandteilen, was gerade dazu diente, den Eindruck zu erwecken, ein bestimmtes Fahrzeug entspreche einem genehmigten Typ, während dies wegen abweichender Emissionswerte eben nicht der Fall war. Auch wenn die Mitarbeiter nicht für die Erteilung der Übereinstimmungsbescheinigung zuständig waren, trug ihre Arbeit aber zu deren Unrichtigkeit bei (vgl. Harke, a.a.O.).
Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass die Mitarbeiter der Beklagten somit jedenfalls mit bedingtem Vorsatz handelten, welcher den Beklagten zuzurechnen ist.
c) Zudem ist nach Überzeugung der Kammer der Beklagten gemäß § 31 BGB die Haftung für ihre Repräsentanten, also ihren Vorstand, zuzurechnen.
Dabei bedarf es nicht explizit einer Zurechnung an die Organe im aktienrechtlichen Sinne. Vielmehr muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung, bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (vgl. BGH III ZR 296/11).
Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klägerin, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.
(1) Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte, § 291 ZPO. Ist eine solche Einstellung, wie hier bei den Motoren der Serie EA 189, ausnahmslos bei jedem Motor dieser Serie auffindbar, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Entscheidung dafür, die Motoren mit dieser Einstellung planvoll und absichtlich zu produzieren und in den Verkehr zu bringen angesichts der Tragweite und Risiken für die Gesamtgeschicke des Konzerns durch die Geschäftsleitung selbst getroffen wurde und damit gemäß § 31 BGB zurechenbar ist (vgl. auch LG Krefeld, Urteil vom 12.07.2017, Az. 7 O 159/16).
Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen. Es ist im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen davon auszugehen, dass bei den Beklagten organisatorische Maßnahmen etwa durch Einrichtung einer Innenrevision oder Controlling in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist (vgl. LG Krefeld, a.a.O.).
Hierbei sind auch folgende Punkte zu beachten: zum einen war zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einbaus des Motors EA 189 das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel möglichst geringer Kohlendioxidemission und der Begrenzung der Stickoxidemissonen allgemein bekannt und hätte Anlass zu einer sehr genauen Prüfung geben müssen, als aus Sicht der für die Motorenentwicklung zuständigen Mitarbeiter die Auflösung dieses Zielkonflikts angeblich gelungen war; zum anderen nahm zum damaligen Zeitpunkt der europäische Gesetzgeber den Erlass eines Verbots von verbotenen Abschalteinrichtungen vor in Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung 715/2007/EG und wies daher auf dieses Problem in besonderer Weise hin. Die Repräsentanten mussten wegen dieser Warnwirkung also ohne Weiteres mit der Möglichkeit rechnen, dass eine solche Einrichtung verwendet würde. Dadurch, dass sie trotz der durch die Verordnung offenkundig gemachten Möglichkeit, dass eine solche Einrichtung verwendet werden könnte, nicht eingriffen und dennoch die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellten bzw. deren Ausstellung nicht verhinderten, ist auch ihnen zumindest ein bedingter Vorsatz durch Unterlassen zur Last zu legen (vgl. Harke, a.a.O.).
(2) Gemäß § 31 BGB ist die juristische Person für Schäden verantwortlich, die ein Organ oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Zu den unter § 31 BGB fallenden Repräsentanten der Fahrzeughersteller gehören unabhängig davon, ob sie deren verfassungsmäßige Vertreter sind oder nicht, auch über den Wortlaut der Norm hinaus, diejenigen Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sein, sodass auch sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (vgl. BGHZ 49, 19; BGH NJW 1998, 1854; BGH WM 2005, 701).
Zu den unter § 31 BGB fallenden Repräsentanten gehören damit also auch diejenigen Angestellten, denen die Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung oblag und deren Namen hierauf angebracht waren. Denn die Abgabe der Übereinstimmungsbescheinigung ist für den Hersteller von Kraftfahrzeugen bzw. des Motors eine bedeutsame und wesentliche Funktion, weil nur durch sie nach außen gegenüber den Kunden sichergestellt wird, dass das produzierte Fahrzeug den Qualitätsmaßstäben entspricht, die der Kunde mit dem Namen der dahinterstehenden Marke in Verbindung bringt. Daran gemessen muss sich der Konzern die Übereinstimmungsbescheinigung zurechnen lassen, wirbt er doch gerade aktiv nach außen mit den darin enthaltenen Zusicherungen.
Daneben kommen als Personen, für die eine Haftung nach § 31 BGB bejaht werden muss, auch alle weiteren Repräsentanten der Hersteller in Betracht, die in irgendeiner Form auf die Unrichtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung hätten Einfluss nehmen können. Voraussetzung ist allein, dass sie im Rahmen des ihnen zugewiesenen Wirkungskreises die Möglichkeit hatten, die unrichtige Ausstellung zu verhindern (vgl. Harke, a.a.O.).
Aus diesem Grund kann auch nicht der nach § 831 Abs. 1 BGB eröffnete Entlastungsbeweis geführt werden.
d) Es kann daher dahinstehen, ob auch ein evtl. eigenes Organisationsverschulden der Beklagten vorgelegen hat, etwa dahingehend, dass eine unrichtige Erteilung der Übereinstimmungsbescheinigung noch abgewendet hätte werden können, wenn andere Angestellte oder Organe der Hersteller ihrer Überwachungsfunktion gerecht geworden wären und den Einsatz der Software im Motor entdeckt hätten.
4. Der Klägerin ist nach Überzeugung der Kammer durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Käuferin hier, infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht der Kammer waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Jedenfalls lässt sich nach Überzeugung der Kammer keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat (vgl. auch Harke, a.a.O.).
Nach Ansicht der Kammer liegt hierin auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll, sondern es wird konkret auf den Vertragsschluss als Schaden abgestellt. Durch die Rückabwicklung des Vertrages soll vorwiegend der Sinn und Zweck der EG-FGV effektiv umgesetzt werden. Dass dies auch die Rückzahlung des Kaufpreises nach sich zieht, ist die konsequente Wirkung dieser Rechtsfolge. Dass das Vermögen allein aber nicht geschützt wird, ist auch aus der anzurechnenden Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer ersichtlich, welche sich manche Kläger unter Berufung auf den rechtswidrigen Zustand nicht anrechnen lassen wollen.
Die Klägerin hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB. 5.
Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klägerin den Abzug einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen, welche sie auch bereits selbst in ihrem Klageantrag berücksichtigte.
Die Nutzungsentschädigung, die die Klägerin an die Beklagte im Wege der Zugum-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall auf 2.695,07 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt die Kammer dabei nach folgender Formel vor:
Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km)
———————————————–
      Restleistung bei Vertragsschluss (km)
Die Klägerin teilte mit, dass der aktuelle Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Schluss der mündlichen Verhandlung 153.947 km betrug. Zum Beweis hat die Klägerin ein Lichtbild mit Tageszeitung vom … vorgelegt, welches die Kammer als Anlage zum Protokoll über die mündliche Verhandlung genommen hat. Zwar war der Schluss der mündlichen Verhandlung erst am …, weshalb die beklagte Partei mit Nichtwissen bestritten hat, dass der Kilometerstand vom … auch am … noch zutreffend war. Hierauf durch die Kammer befragt gab jedoch die Klägerin an, dass das Auto seit Fertigung des Lichtbildes am … nicht mehr bewegt worden sei und daher der Kilometerstand am Schluss der mündlichen Verhandlung demjenigen vom … entspreche. Die Kammer schenkt der Klägerin insoweit aufgrund ihres persönlichen Eindrucks von der Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung Glauben. Da die Klägerin das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 112.650 erworben hat, hat sie Nutzungsentschädigung für 41.387 gefahrene Kilometer zu leisten.
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15), damit von einer Restleistung von 300.000 ./. 112.650 = 187.350 km.
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 12.200 € x 41.387 : 187.350 = 2.695,07 €.
Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klägerin in Höhe von 12.200 € ./. 2.695,07 € = 9.504,93 €
6. Auf die (unzutreffenden, weil mit der Beklagten kein Kaufvertrag besteht) Ausführungen der Klägerin zu Mängelgewährleistungsrechten kommt es nach alledem nicht mehr an.
Der klägerische Anspruch ist antragsgemäß seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
B.
Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf Freistellung von vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 €.
a) Ausgehend von einem Gegenstandswert von 9.504,93 € € ist eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 725,40 € entstanden. Nach Berücksichtigung der Telekommunikationspauschale gemäß § 2 RVG, Nr. 7002 VV RVG und der 19% Mehrwertsteuer gemäß § 2 RVG, Nr. 7008 VV RVG ergibt sich ein Gesamtbetrag von 887,03 €.
b) Die Kammer hält im vorliegenden Fall die Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 1,5 nicht für gerechtfertigt, sondern setzt vielmehr die allgemeine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 an.
Nach Ansicht der Kammer liegt hier kein überdurchschnittlich schwieriger und komplexer Sachverhalt bzw. keine besondere rechtliche Schwierigkeit vor, die den Ansatz einer 1,5er-Gebühr rechtfertigen würden. Die Kappungsgrenze der 1,3-Gebühr darf grundsätzlich nur beim Vorliegen überdurchschnittlicher Anforderungen überschritten werden, die hier nicht vorliegen.
Als schwierig wird die Tätigkeit eines Anwalts grundsätzlich dann bewertet, wenn der Anwalt erheblich über dem Durchschnitt liegende Probleme zu lösen hat. Dabei ist der besonders hohe Schwierigkeitsgrad an einem durchschnittlichen, zivilrechtlichen Rechtsstreit zu messen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19.03.2015, Az. I-5 W 7/15).
Vorliegend stützt die Klägerseite ihre Ansprüche jedoch auf Deliktsrecht in Bezug auf den Kauf eines gebrauchten Pkws. Entlegene Spezialgebiete oder die Auswertung komplexer, fachlicher Gutachten liegen somit nicht vor.
Auch ein überdurchschnittlicher zeitlicher Einsatz kann vorliegend durch die Kammer nicht gesehen werden. Es ist gerichtsbekannt, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um einen „Massenschadensfall“ handelt. Die Prozessvertreter der Klägerin vertreten zahlreiche „Geschädigte im …-Skandal“, was gerichtsbekannt ist. Auch der Rationalisierungseffekt ist bei der Tätigkeit eines Prozessvertreters in einer Reihe von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen zu berücksichtigen, insbesondere da in diesen Fällen auf standardisierte Schreiben sowie Textbausteine zurückgegriffen werden kann (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 28.05.2013, Az. XI ZR 421/19).
Auch kommt dem Sachverhalt aus der maßgeblichen Perspektive der Klägerin keine erhebliche Bedeutung zu, die beispielsweise bei Bedrohung der Existenzgrundlage oder der gesellschaftlichen Stellung angenommen wird.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
C.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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