Europarecht

Wasserrechtliche Bewilligung für eine Wasserkraftanlage

Aktenzeichen  B 2 K 16.225

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156321
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 12,§ 33, § 35
BayWG Art. 15
BNatSchG § 18 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache in ihrem Hauptantrag sowie in ihren Hilfsanträgen keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung der beantragten Wasserkraftanlage (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 23.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Soweit das Klagebegehren auf einen Verfahrensfehler im Bewilligungsverfahren gestützt wird, kann ihm in der Sache kein Erfolg zukommen.
Nach Art. 81 BayWG gilt für vor dem 01.03.2010 begonnene Verfahren das bisher geltende Verfahrensrecht fort. Es ist dem Kläger zuzugeben, dass ein (ausdrücklicher, förmlicher) Erörterungstermin gem. Art. 83 Abs. 2 Halbsatz 2 BayWG a. F. i. V. m. Art. 73 Abs. 6 Satz 1 BayVwVfG im Bewilligungsverfahren nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 und vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids am 23.02.2016 nicht stattgefunden hat. Es kann schon dahinstehen, ob in diesem Verfahrensstadium überhaupt erörterungsbedürftige Einwendungen Dritter vorlagen, denn es begegnet jedenfalls keinem vernünftigen Zweifel, dass der Kläger sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren ausreichend Anlass und Möglichkeit hatte, seine Belange im Sinne des rechtlichen Gehörs vollständig vorzutragen und zur Geltung zu bringen und er davon auch Gebrauch gemacht hat (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG).
Überdies ist dieser Aspekt nicht entscheidungserheblich, da ein Verstoß gegen Verfahrensrecht ohnehin keinen Anspruch auf Erteilung der Bewilligung vermitteln könnte (vgl. VG Bayreuth U. v. 25.09.2014 B 2 K 13.80 juris Rn. 35 unter Bezugnahme auf BayVGH U. v. 09.03.2011 Az.: 8 ZB 10.165, juris).
2. Dem Kläger steht schon deshalb kein Anspruch auf die von ihm ursprünglich beantragte Bewilligung zu, weil zwingende Versagungsgründe nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG dem entgegenstehen.
a) Die vom Kläger geplante Wasserkraftanlage entspricht nicht den aus den Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes … (zuletzt vom 02.11.2015 und vom 02.02.2016) und der Fachberatung für Fischerei beim Bezirk … (insbesondere auch vom 10.12.2015) abgeleiteten Vorgaben zur erforderlichen Mindestwasserführung im Sinne von § 33 WHG. Durch die Festsetzung der Mindestwassermenge soll, neben den Bewirtschaftungszielen des § 27 Abs. 2 WHG, nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG vor allem sichergestellt werden, dass die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Gewässers zur Bewahrung des Lebensraums der Flora und Fauna erhalten bleibt und verbessert wird; sie dient daher namentlich dem Erhalt der standorttypischen Lebensgemeinschaften des Gewässers (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 28.07.2015 – Au 3 K 14.1201).
Den Gutachten und amtlichen Auskünften des Wasserwirtschaftsamts kommt, da sie auf jahrelanger Expertise auf dem Gebiet des Wasserrechts beruhen, eine besondere Bedeutung zu. Sie haben grundsätzlich größeres Gewicht als die Sachverständigenaussagen von privaten Instituten, sodass das erkennende Gericht nur bei der Annahme gravierender Mängel, etwa Zweifeln an der Unparteilichkeit oder an der Sachkunde, gehalten ist, weitere Gutachten zur Erhellung des Sachverhalts einzuholen. Dies erfordert einen substantiierten Vortrag des Beteiligten, der sich auf diese Mängel beruft (ständige Rechtsprechung, vgl. zu alldem BayVGH BayVBl. 2012, 47; 2005, 726; 2003, 753). Das Privatgutachten des Klägers hat die Vorgaben zur Mindestwasserführung genauso wie das Wasserwirtschaftsamt beurteilt, weswegen keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit bestehen. Daher kann das erkennende Gericht das Urteil ohne Verletzung seiner Aufklärungspflicht auf die Ergebnisse der gutachterlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts stützen, auch wenn sie von der federführenden Behörde bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt worden sind (BayVGH BayVBl. 2012, 47; vgl. ferner BVerwG NVwZ 1994, 688; NVwZ 1987, 323; NJW 1986, 2268; NJW 1984, 191).
Entsprechendes gilt für die spezifische Sachkunde der Fischereifachberatung des Bezirks, deren fischereifachlicher Schwerpunkt dem Gericht bekannt ist.
Der ursprüngliche Antrag des Klägers auf wasserrechtliche Bewilligung umfasst keine permanente Wehrüberströmung, da die Planunterlagen eine solche Überströmung nicht beschreiben, was jedoch nach Art. 67, 77 BayWG i. V. m. § 1 Abs. 1, § 5 Nr. 3 lit. a, 6 lit. b, c, h der Verordnung über Pläne und Beilagen in wasserrechtlichen Verfahren vom 13.03.2000 (GVBl. 2000, 156) zwingend erforderlich ist. Vielmehr hat der Kläger Pläne vorgelegt, die bei einem mittleren Abfluss von ca. 5,4 m³/s und einem Schluckvermögen der Turbine von ca. 5 m³/s nur ein Mindestwasserabfluss von 0,3 m³/s vorsehen (siehe Antragsunterlagen Beiakt I Seit 15 f.). Daher spielt es auch keine Rolle, dass das Schluckvermögen der Turbine grundsätzlich steuerbar ist (Niederschrift S. 3), denn der Kläger hat dies in seine Planung nicht ausdrücklich einbezogen.
Dabei ist der Umstand, dass der mittlere Niedrigwasserabfluss im Sommer gerade etwas mehr als 1,0 m³/s beträgt und die Turbine erst ab einem Durchfluss von mehr als 0,5 m³/s anspringt, von entscheidender Bedeutung. Die Behörde ist nämlich nicht gehalten, eine Bewilligung unter Festsetzung einer Inhaltsbestimmung (vgl. hierzu Drost, in: Das neue Wasserrecht in Bayern, § 13 WHG Rn. 21), deren Erfüllung tatsächlich nicht oder äußerst schwerlich möglich ist, zu erteilen. In diesem Fall darf die Bewilligung schon nicht erteilt werden (Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 80. EL 2016, § 13 WHG Rn. 21; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, § 13 Rdnr. 77).
Zudem lehnte der Kläger eine derartige Inhaltsbestimmung noch kurz vor dem Erlass des ablehnenden Bescheids durch das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.12.2015 als nicht notwendig ab, sodass die Beklagte nicht gehalten war, eine derartige Inhaltsbestimmung nach § 13 Abs. 1 WHG zu erlassen; eine Inhaltsbestimmung ist als Regelungsinstrument nicht einzusetzen, wenn der Betroffene sie ersichtlich ablehnt. Auch in der Besprechung der Beteiligten während der Unterbrechung der mündlichen Verhandlung am 20.01.2017 konnte nach Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Einigung über die vom Kläger gewünschte Reduzierung der Mindestwassermenge erreicht werden.
Ergänzend wird bezüglich der Prüfung der Voraussetzungen des § 33 WHG auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen; sie werden insoweit zum Gegenstand der Begründung der Entscheidung gemacht, § 117 Abs. 5 VwGO.
b) Der Bewilligung steht zwingend auch § 35 WHG entgegen.
Diese Vorschrift dient zentral der Umsetzung und Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie – Richtlinie 2000/60/EG – (vgl. insbesondere Erwägungsgrund 17 und die im Anhang V unter 1.1.1 genannten biologischen Komponenten zur Bewertung der Gewässer). Die Zielerreichung wird über die Bewirtschaftungsziele nach §§ 27 ff. WHG gesteuert. Maßnahmen zum Fischschutz stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Mindestwasserführung und der Durchgängigkeit der Stauanlage nach § 34 WHG, da die Durchgängigkeit ein wesentlicher Aspekt zur Erhaltung der Population und des Artenreichtums ist (BayVGH, BayVBl. 2005, 239).
Aufgrund der Auffindung des Bachneunauges in dem durch die geplante Wasserkraftanlage betroffenen Abschnitt der Saale gelangten das Wasserwirtschaftsamt und die Fischereifachberatung sachlich ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend zu der Schlussfolgerung, dass insofern eine Neubewertung des Gewässers unter Einbezug der vorhandenen, besonders schützenswerten Arten von Wasserorganismen anstand. Wie der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung sachverständig mitteilte, führt das Vorhandensein des Bachneunauges zu einer Aufwertung der sächsischen Saale um eine Bewertungsklasse. Würde durch die geplante Maßnahme das Habitat des Bachneunauges zerstört, wäre eine Zielerreichung nach § 27 Abs. 2 WHG nicht mehr möglich.
Der Schutzstatus des Bachneunauges nach dem Bundesnaturschutzgesetz und eventuelle Eingriffsbefugnisse nach den §§ 44 Abs. 5, 15b BNatSchG bedürfen vorliegend keiner weiteren Klärung, da schon die vorangehend erörterten wasserwirtschaftlichen Belange einen Schutz des Bachneunauges erfordern, dem im Übrigen nach den übereinstimmenden fachlichen Stellungnahmen durch die permanente Überströmung des Wehrs ausreichend Rechnung getragen wird.
Zu den Maßnahmen des Fischschutzes gehört auch eine funktionierende, dem Stand der Technik entsprechende Fischaufstiegsanlage, wobei hinsichtlich des Standes der Technik den Behörden ein Beurteilungsspielraum zusteht (Drost, in: Das neue Wasserrecht, § 34 Rn. 38 ff.). Es liegt auf der Hand, dass die Fischaufstiegsanlage mit Planungsstand von 2007 bzw. 2008 nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht (siehe nur Bayer. Landesamt für Umwelt, Praxishandbuch Fischaufstiegsanlagen in Bayern, 2 Auflage 2016). Dem Kläger ist jedoch zuzugeben, dass eine derartige Frage durch Nebenbestimmungen – mit denen er in der mündlichen Verhandlung insofern auch sein Einverständnis erklärt hat – regelbar wäre. Darauf und auf die Fragestellung, inwieweit eine neu geplante Fischaufstiegsanlage die Durchgängigkeit der Saale im Sinne von § 34 i. V. m. § 27 Abs. 2 WHG verbesserte, kommt es indessen nicht an, weil das Vorhaben die von den Fachbehörden zum Fischschutz zentral geforderte Wehrüberströmung gerade nicht vorsieht. Diese ist nach den überzeugenden Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes und der Fischereifachberatung jedoch unabdingbar, um habitatbildende, ökologische Strukturen sowohl durch Sedimentablagerungen, die Wasserhöhe unterhalb des Wehres, sowie die Wasserumwälzung zu erhalten. Zu diesem Ergebnis kam auch das vom Kläger in Auftrag gegebene Privatgutachten, weshalb es keinem vernünftigen Zweifel begegnet, dass eine permanente Überströmungssituation gewährleistet sein muss.
Soweit der Kläger einwendet, eine breit gefächerte Überströmung verhindere die gute Auffindbarkeit der Aufstiegsanlage durch die Fische, ist dem nicht zu folgen. Der Fischereifachberater ist dem in der mündlichen Verhandlung fachlich überzeugend mit der Erläuterung entgegen getreten, dass an der Turbine eine wesentlich größere Strömung entsteht und die unmittelbar benachbarte Fischaufstiegshilfe gerade deshalb von den Fischen gut aufgefunden werden kann (Niederschrift Seite 4). Soweit der Kläger einwendet, ein einzelner zentraler Abfluss trüge den Belangen des Fischschutzes besser Rechnung, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Fischereifachberaters entstünde in diesem Falle eine zweite Lockströmung, die den Zugang der Fische zur Aufstiegsanlage erschwere. Zudem käme es bei einem zentralisiertem Abfluss nicht zu einer breitflächigen, sondern nur punktuellen Durchwässerung des Bereichs unterhalb des Wehres, weswegen Habitate im nicht überströmten Bereich zerstört würden.
Ergänzend wird auch bezüglich der Ausführungen zu § 34 und § 35 WHG auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen; sie wird insoweit zum Gegenstand der Begründung dieser Entscheidung gemacht, § 117 Abs. 5 VwGO.
c) Aufgrund der vorangehend erörterten zwingenden Versagungsgründe kann die Problematik der Erhöhung des Stauziels (10 bzw. 14 cm) sowie der Ausführung des Wehrs als Schlauchwehr mit Steuerungserfordernis oder als festes Wehr dahinstehen.
Dies gilt gleichermaßen für den Problemkreis der nachteiligen Einwirkung auf Rechte Dritter gem. § 14 Abs. 3 WHG.
3. Auch abgesehen von den vorliegenden zwingenden Versagungsgründen gem. § 12 Abs. 1 WHG käme dem Kläger aufgrund des wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungsermessens aus § 12 Abs. 2 WHG kein Anspruch auf die beantragte Bewilligung zu.
Der mit dem Hauptantrag eingeklagte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Bewilligung ist vor dem Hintergrund des wasserrechtlichen Ermessens zur Bewirtschaftung des Gewässers nur in der Konstellation der sogenannten Ermessensreduktion auf Null begründbar, der ohnehin Ausnahmecharakter zukommt.
a) Eine Ermessensreduktion auf Null aufgrund der vom Kläger reklamierten Folgebeseitigungslast scheidet aus.
Die Folgenbeseitigungslast kann immer nur dann zum Tragen kommen, wenn die Behörde den Erlass eines Verwaltungsakts aufgrund fehlerhafter Anwendung des ursprünglich geltenden Rechts zunächst zu Unrecht abgelehnt hat bzw. diesen aufgrund einer qualifizierten Untätigkeit dem Antragsteller vorenthält (vgl. hierzu BayVGH BayVBl 2006, 112; Beschluss vom 02.02.2011 – 5 ZB 10.2116) und dem Begehren im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine erfolgte Rechtsänderung entgegensteht (BVerfG NJW 1985, 2019; BVerwG NVwZ-RR 1993, 65; NJW 1968, 2350; OVG Koblenz DVBl 2011, 1052). Die Folgenbeseitigungslast führt auch dann nicht zu einer Ermessensreduzierung, wenn nachträgliche Umstände eintreten, die sich zu Ungunsten des Antragstellers auswirken können (OVG Koblenz ebenda).
Auch nach altem Recht hätte die Beklagte berechtigterweise den Antrag ablehnen dürfen; es liegt also keine fehlerhafte Anwendung des ursprünglichen Rechts vor. § 6 Abs. 1 WHG a.F. sah, ebenso wie § 12 Abs. 1 WHG in der geltenden Fassung, zwingende Versagungsgründe vor. Daneben ist jedoch anerkannt, dass es der Behörde auch schon nach altem Recht unbenommen war, über die normierten Versagungsgründe hinaus die Bewilligung aus Ermessensgründen (sog. Gestattungsbewirtschaftungsermessen) abzulehnen (BayVGH Beschluss vom 19.03.2008 – 22 ZB 06.2431; Knopp, in: Seidler/Zeitler, 38. Ergänzungslieferung, 1.9.2009, § 6 WHG Rn. 15, 16a m.w.N.; Keppeler NVwZ 1992, 137, 140 f., m.w.N.).
Ebensowenig ist eine rechtswidrige Verzögerung ersichtlich, da die Bewilligung aufgrund der Problematik der vorgelegten Planunterlagen zu keinem Zeitpunkt zur Entscheidung im positiven Sinne zugunsten des Klägers reif war. Dies dokumentiert insbesondere auch die übereinstimmende Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 und die dort vereinbare Vorlage prüffähiger Unterlagen durch den Kläger. Insoweit ist eine Zäsur eingetreten, die für den der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 vorangegangenen Zeitraum eine Berufung auf eine etwa verzögerte Sachbehandlung jedenfalls nicht mehr zulässt. Soweit sich der Kläger auf das Schreiben des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 30.09.2009 stützt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Hierin wird lediglich die Aussage getroffen, dass zwischen dem Wasserwirtschaftsamt und dem Planungsbüro des Klägers Unklarheiten über den technischen Stand ausgeräumt wurden. Dies betrifft nur die Frage, ob noch Regelungsbedarf von Seiten der Fachbehörde bestand. Die Beklagte als federführende Behörde hätte, selbst wenn das Wasserwirtschaftsamt zu diesem Zeitpunkt eine positiven Verbescheidung fachlich mitgetragen hätte, noch eine eigene Entscheidung treffen müssen. Daneben lag zu diesem Zeitpunkt noch kein, auch nur aufschiebend bedingter, Gestattungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Freistaat Bayern vor.
Für eine Ermessensreduktion auf Null gibt das ministerielle Schreiben vom 30.09.2009 deshalb nichts her.
b) Eine Ermessensreduktion auf Null ergibt sich auch nicht daraus, dass das Wasserwirtschaftsamt für den Freistaat Bayern mit dem Kläger 2012 einen Gestattungsvertrag geschlossen hat. Dieser Vertrag wurde zum einen aufschiebend bedingt geschlossen und entfaltet seine Wirksamkeit nur im Fall der Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung. Zum anderen ist er privatrechtlicher Natur und kann auf die Ermessensentscheidung keinen Einfluss haben, wenn schon die Erteilung anderer öffentlich-rechtlicher Gestattungen nicht zu einer Ermessensreduzierung führt (Drost, in: Das neue Wasserrecht, § 12 WHG Rn. 35).
c) Gegen eine Ermessensreduzierung spricht im Übrigen entscheidend der Charakter des wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungsermessens. Anders als beispielsweise im „allgemeinen“ Baurecht besteht im Wasserrecht aufgrund der schützenswerten Belange des Allgemeinwohls ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (allgemeine Auffassung, Knopp, in: Seidler/Zeitler, § 8 WHG Rn. 14; Hasche, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 8 WHG Rn. 1). Daher kann nur im äußersten Ausnahmefall eine Ermessensreduzierung angenommen werden (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 11.03.2015 – AN 9 K 13.01681; VGH BW DÖV 2010, 570), ein solcher liegt hier ersichtlich nicht vor.
Abgesehen von den oben unter I. 2. erörterten zwingenden Versagungsgründen liegt somit mangels Ermessensreduktion auf Null auch keine Spruchreife des Antrags zur Erteilung der Bewilligung gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO vor.
II.
Auch die Hilfsanträge des Klägers haben in der Sache keinen Erfolg. Er hat weder einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu einer erneuten Entscheidung über die Bewilligung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts noch einen Anspruch auf Erteilung einer beschränkten Erlaubnis zur Errichtung einer Wasserkraftanlage (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der Hilfsantrag auf Neuverbescheidung (Klageantrag zu 3.) ist schon deshalb unbegründet, weil zwingende Versagungsgründe nach § 12 Abs. 1 WHG vorliegen. Zudem setzt eine Verpflichtung zur Neuverbescheidung voraus, dass die Ermessensentscheidung der Behörde fehlerhaft war. Der Bescheid ist jedoch auch insofern rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid vom 23.02.2016 mit der Klageerwiderung vom 31.08.2016 und mit dem Schreiben vom 10.01.2017 zulässigerweise nach § 114 Satz 2 VwGO ergänzt. Das wasserwirtschaftliche Ermessen gem. § 12 Abs. 2 WHG wird geprägt durch die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, welche in §§ 27 ff. WHG Niederschlag gefunden haben. Es kommt daher wesentlich auf den Zustand des Gewässers an. Die Sächsische Saale ist als ein nach § 28 WHG erheblich verändertes Gewässer eingestuft, was zur Folge hat, dass nach § 27 Abs. 2 WHG eine Verschlechterung zu vermeiden ist, sowie ein guter chemischer Zustand und ein gutes ökologisches Potenzial zu erreichen oder zu erhalten sind. Die Ermessensausübung wird hierbei im Wesentlichen durch das Maßnahmenprogramm (§ 81 WHG) und die Bewirtschaftungspläne (§ 82 WHG) gesteuert. Diese Pläne haben zwar keinen unmittelbar verbindlichen Rechtscharakter, sind jedoch bei der Ausübung des Ermessens stets zu berücksichtigten (Knopp, in: Sieder/Zeitler, WHG, 50. EL 2016, § 82 Rn 6 f.).
Die beiden Pläne für die Sächsische Saale sind in die Pläne des Flussgemeinschaftsgebiets Elbe einbezogen. Die geplanten Maßnahmen der naturnahen Umgestaltung und der Optimierung der Fischaufstiegsanlage sowie die Tatsache, dass im momentanen Zustand eine Zielerreichung als unwahrscheinlich gilt, spielen für die Ermessensausübung eine entscheidende Rolle.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass auch die Wasserkraft einen wesentlichen Teil zur Energiewende beiträgt, da sie nach der gesetzgeberischen Wertung im EEG besonders förderungswürdig ist (BayVGH, BayVBl. 2016, 677). Allerdings handelt es sich bei der Anlage des Klägers nur um eine Kleinstanlage, die gerade einmal 100 Vierpersonenhaushalte über ein Jahr versorgen kann. Wie die Beklagte überzeugend ausführt, spielen derartige Kleinstanlagen eine deutlich untergeordnete Rolle für die Energiewende: 3.453 Anlagen produzieren gerade einmal 3,4% des gesamten Stroms aus Wasserkrafterzeugung; die übrige Stromerzeugung wird durch 722 verbleibende Anlagen, die mehr als 100 kW Leistung haben, erzeugt. Die vom Kläger geplante Anlage würde nach den in sich schlüssigen Berechnungen der Beklagten etwa 0,002% des gesamten aus Wasserkraft erzeugten Stroms ausmachen. Damit kann zu Recht ein Interesse der Allgemeinheit an dieser Anlage verneint werden.
Selbst wenn ein solches bestünde, wäre es jedoch gegen die wasserwirtschaftlichen Belange als Ausfluss der Wasserrahmenrichtlinie abzuwägen, die im Maßnahmenprogramm und den Bewirtschaftungsplänen ihren Niederschlag gefunden haben. Wenn die Behörde daher dem Schutz des Neunauges und einer möglichen, aufgrund der beantragten Gestattung der Wasserkraftanlage lediglich zunächst nicht weiter verfolgten Renaturierung eine größere Bedeutung als der Gestattung beimisst, liegt keine Ermessensfehlgewichtung vor, da durch die Wasserrahmenrichtlinie ein Paradigmenwechsel von einer wasserwirtschaftlichen zu einer prädominant ökologischen Gewässerbewirtschaftung vollzogen worden ist (vgl. VG Münster, Urteil vom 31.10.2012 – 7 K 2418/11).
Auch unter dem Aspekt einer fehlenden Bekanntmachung nach § 35 Abs. 3 WHG kann sich nichts anderes ergeben. Da die Vorschrift lediglich zum Wohle der Allgemeinheit einen Prüfauftrag an die Behörden erteilt, ist sie nicht drittschützend (VG Regensburg, Urteil vom 02.08.2010, RO 8 K 10.00289).
2. Da auch bei der beschränkten Erlaubnis die Vorgaben des § 12 Abs. 1 und 2 WHG zu beachten sind (Ell, in: Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 15 BayWG Rn. 11b zur beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 BayWG) und sich insoweit keine andere rechtliche Bewertung gegenüber der Erteilung einer Bewilligung ergibt, hat auch der zweite Hilfsantrag (Klageantrag zu 4.) keinen Erfolg.
III.
Die Kostenfestsetzung von 2.952,00 Euro für den streitgegenständlichen Bescheid vom 23.02.2016 ist nicht zu beanstanden. Da der Kläger seinen ursprünglichen Antrag vom 19.07.2011/19.11.2007 aufrechterhalten und zum Gegenstand sowohl der ablehnenden behördlichen Entscheidung als auch des Gerichtsverfahrens gemacht hat, ist auch dieser Verfahrensabschnitt kostenrechtlich erfasst. Daher ist die Annahme der Beklagten, es liege ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 KG vor, berechtigt. Die Beklagte konnte somit die Erhöhung der ordnungsgemäß berechneten Gebühr auf den doppelten Betrag zutreffend auf Art. 8 Abs. 1 Satz 2 KG stützen.
IV.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, 1 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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